Sri Sri Ravi Shankar (Sri = hinduistischer Ehrentitel), wurde 1956 in Bangalore/Südindien geboren (nicht zu verwechseln mit dem Weltmusiker Ravi Shankar, geb. 1920 in Benaris/Indien). Um seine Kindheit ranken sich Legenden; angeblich konnte er bereits im Alter von vier Jahren die Bhagavadgita rezitieren und begann im Alter von acht Jahren mit dem Studium der klassischen vedischen Literatur. Bevor er 1982 mit der Konzeption seiner „Kunst des Lebens“- Kurse begann, gehörte er zwei Jahre zur Transzendentalen Meditation, u. a. als Gouverneur der Weltregierung Maharishi Mahesh Yogis.
Organisation und Verbreitung
Die „International Art of Living Foundation” mit Hauptsitz in Bangalore führt die von Sri Sri Ravi Shankar konzipierten Kurse eigenen Angaben zufolge weltweit in über 100 Ländern durch. In Deutschland ist sie durch die „Gesellschaft für inneres Wachstum e. V.“ bzw. „Die Kunst des Lebens Deutschland e.V.“ vertreten. Eine förmliche Mitgliedschaft gibt es nicht. Das europäische Zentrum befindet sich in Bad Antogast im Schwarzwald. Großen Wert legt „Art of Living" auf die Akkreditierung als Nichtregierungsorganisation (NGO) bei den Vereinten Nationen.
Lehre und Praxis
Ausgangspunkt ist die Vorstellung, dass Disharmonie die Ursache aller Störungen ist. Stress, Ängste und dadurch verursachte schlechte Gefühle trüben den Geist und schlagen sich demnach auch auf zellulärer Ebene als Gifte nieder.
Durch die zentrale Technik der Art of Living, Sudarshan Kriya, sollen Stress abgebaut, Gifte durch den Atem ausgeschieden und die natürlichen Rhythmen des Atems wiederhergestellt werden. Der erstrebenswerte stressfreie, harmonische Zustand, in dem die rhythmischen Abläufe auf körperlicher und geistiger Ebene in Einklang stehen, ist durch Freude, Tanzen, Singen und Lächeln geprägt. Erst so kommen im Menschen die menschlichen Werte zum Tragen: Liebe, Natürlichkeit, Mitgefühl und Zusammengehörigkeit sind nach dieser Vorstellung allen Religionen als spiritueller Kern und Ziele gemeinsam, ungeachtet vordergründig unterschiedlicher Rituale.
Ein differenziertes Kursprogramm umfasst neben Erlernung der Sudarshan Kriya auch Yoga- und Atemübungen, Ayurved und („Leichte Erleuchtungsmeditation“). Spezielle Kurse werden für Kinder und Jugendliche (Art-Excel, „Allround Training for Excellence“), Firmen (Self-Management-Seminare), für Krebs- und HIV-Erkrankte und zur Behandlung von Depressionen angeboten. Als humanitäre Projekte („Sanskrit Seva“) werden vor allem das „5H“-Programm (Health, Hygiene, Home, Human Values, Harmony in Diversity), „Care for Children“ und „Prison SMART“ (Stress Management and Rehabilitative Training) für Strafgefangene durchgeführt, in denen Elemente der Art-of-Living-Kurse feste Bestandteile darstellen; außerdem Hilfseinsätze in Katastrophengebieten.
Einschätzung
Die Art of Living versteht sich als für alle Religionen offen und nicht als religiöse Gemeinschaft. Dennoch ist ihre hinduistische Herkunft und Prägung deutlich erkennbar, nicht nur an der Verehrung, die ihrem Gründer entgegengebracht wird. Die Art of Living kann als stark verwestlichte Form des Neohinduismus, als „Mischung aus indischer monistischer Philosophie und westlicher Tradition des positiven Denkens“ (G. Schmid) beschrieben werden, wobei diese einfache und leichte „Botschaft der Liebe, praktischen Weisheit und des Mitgefühls“ komplexe Zusammenhänge simplifiziert und keine hohen Ansprüche stellt. Vielmehr stehen die persönliche Ausstrahlung Sri Sri Ravi Shankars und die praktische Umsetzung seiner Botschaft im Mittelpunkt.
Matthias Neff
aus:
Baer, Harald / Gasper, Hans / Sinabell, Johannes / Müller, Joachim (Hrsg.)
Lexikon nichtchristlicher Religionsgemeinschaften
ISBN: 978-3-451-06049-6, Herder Spektrum 6049, Freiburg 2010, S. 211-212