Armut begegnen - gemeinsam handeln
Wie kann gegen Armut vorgebeugt werden? Wie wirkungsvoll sind die Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut? Was brauchen und wollen die Betroffenen? Was kann Politik ändern?
Zu diesen Fragen wurden im Rahmen des landesweiten Beteiligungsprozesses von September 2017 bis Februar 2018 Beteiligungsforen durchgeführt, um in den Austausch über wirksame und umsetzbare Lösungen zu kommen. Danach wurden von Frühjahr 2018 bis Anfang 2019 in 12 Kommunen bei örtlichen Workshops regionsspezifische Lösungsansätze erarbeitet, die besonderes den Ausbau kommunaler Netzwerke in den Fokus rücken, um die Zusammenarbeit zu stärken.
Anschlussmaßnahmen und Aktionsplan
Rheinland-Pfalz engagiert sich bereits seit vielen Jahren für Menschen, die von Armut betroffen sind, – von der Gemeinwesenarbeit über die Schuldnerberatung bis hin zur sozialen Wohnraumförderung. Auch der nächste Schritt ist geplant: Ein Aktionsplan der Landesregierung, der im Jahr 2020 erscheinen wird, greift viele Ideen und Konzepte aus dem Beteiligungsprozess auf.
Die Herausforderung: Armut hält sich nicht an Zeitpläne, sondern betrifft die Menschen im Hier und Jetzt. Daher legt die Landesregierung keinen Zwischenstopp ein. Um die positive Dynamik, die der Beteiligungsprozess in Gang gesetzt hat, aufrecht zu erhalten, bringt Rheinland-Pfalz aktuell fünf direkte Anschlussmaßnahmen auf den Weg.
Orte des Zusammenhalts sind Projekte, die Armutsursachen und Armutsfolgen bekämpfen. Bei den geförderten Maßnahmen soll die Nähe zu Bürgerinnen und Bürgern im Sozialraum eine wichtige Rolle spielen, damit die Angebote niedrigschwellig erreichbar sind. Wird ein Projekt als „Ort des Zusammenhalts“ gefördert, stehen pro Jahr bis zu 60.000 Euro an Fördergeldern bereit. Zudem verleiht das MSAGD künftig alle zwei Jahre einen Preis, um lokale - vielleicht nicht so bekannte, aber dennoch wichtige - Akteure und ihr Engagement zu würdigen.
Um Obdachlosigkeit gar nicht erst entstehen zu lassen, kommt der Beratung mit einem Fokus auf Prävention eine wichtige Rolle zu. Das gilt besonders für Personen, die zwar „ein Dach über dem Kopf“ haben, denen jedoch der Verlust der Wohnung droht. Auch wohnungslose Menschen bekommen hier Unterstützung und erfahren, wie sie weiterführende Hilfen erhalten, um eine langfristige Perspektive zu haben. Außerdem wurden zusätzliche Stellen bei anerkannten Schuldnerberatungsstellen gefördert.
Im Mittelpunkt der Clearingstelle steht die Beratung und Hilfe für Menschen ohne Krankenversicherungsschutz. Weil die Thematik sehr komplex ist, beraten die Sozialarbeiterinnen oder Sozialarbeiter individuell und auch in verschiedenen Sprachen. Möglichst vielen Betroffenen soll der Zugang zur Krankenversicherung ermöglicht werden.
Die lokalen Servicestellen stärken die Strukturen in den Kommunen. Dabei binden sie Armutspräventionsstrategien in die kommunale Sozialplanung ein, entwickeln Modelle für die Vernetzung ehrenamtlichen Engagements und fördern die Bürgerbeteiligung.
Die Projekte helfen Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten Familien mit präventiven Maßnahmen oder durch eine begleitende Unterstützung. Ziel des Förderprogramms ist es, Ursachen und Folgen von Armut und sozialer Ausgrenzung entgegenzuwirken. Schritt für Schritt wird das Programm ausgeweitet.
Dokumentation
Trotz aller Bemühungen bleibt die Bekämpfung von Armut eine große Herausforderung auch in Rheinland-Pfalz. Ziel unseres Beteiligungsprozesses ist es, dass vor Ort konkrete, umsetzbare Lösungen zur Reduzierung von Armut und Armuts-Folgen oder zur Prävention gegen Armut erarbeitet werden. Dabei geht es um konkrete, mitunter auch kleine Schritte, die die Situation der Betroffenen verbessern und neue Chancen eröffnen. Armut ist nicht nur ein finanzielles Problem der Betroffenen, sondern auch ein Mangel an Verwirklichungschancen. Menschen brauchen die Befähigung, die Auswirkungen von Armut zu bewältigen, um der Armutsspirale entkommen zu können.
Konkret kann es dabei zum Beispiel um die Frage gehen, wie der Zugang zu bestehenden Teilhabe- und Hilfsangeboten erleichtert werden kann. In der Praxis hakt es oft an scheinbar kleinen Dingen, die für die Betroffenen jedoch ernste Auswirkungen haben können:
- Zum Beispiel kann es gerade für Menschen mit atypischen Arbeitszeiten schwierig sein, die Hilfsangebote der Jobcenter zu deren normalen Öffnungszeiten zu nutzen und damit aktiv auf eine berufliche Weiterentwicklung hinzuarbeiten.
- Ebenso können besonders für alleinerziehende Eltern schon kleine Unstimmigkeiten zwischen den Öffnungszeiten der Kita und den Arbeitszeiten an der Supermarkt-Kasse einer geregelten Beschäftigung zum Erwerb des eigenen Lebensunterhalts im Wege stehen.
Dies sind einfache Beispiele, aber sie zeigen Ansatzpunkte für konkrete Verbesserungen. Darum geht es uns in diesem Beteiligungsprozess. Gerade deshalb ist es uns so wichtig, Menschen mit Armutserfahrung und soziale Akteurinnen und Akteure in den Regionen zu Wort kommen lassen.
Ausgehend davon wollen wir vor Ort einen Prozess der konkreten Schritte anstoßen. Die Ergebnisse des Beteiligungsprozesses können aber auch in unsere Arbeit an grundlegenden Weichenstellungen einfließen.
Von Februar bis September 2017 führten Ministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler und der damalige Staatssekretär David Langner "Praxisgespräche", die dazu dienten, vor Ort über Armutsproblematiken und Armutsprävention zu sprechen sowie die Lebenswirklichkeit und die Erwartungen der Betroffenen und sozialen Akteure kennenzulernen. Im Zentrum stand dabei das persönliche Gespräch mit den Menschen, die in prekären Verhältnissen leben.
Daran schlossen sich sechs Beteiligungsforen in unterschiedlichen Regionen von Rheinland-Pfalz an. Die Beteiligungsforen gaben einen Anstoß zur gemeinsamen Entwicklung von regionalen und überregionalen Lösungen zur Armutsbekämpfung und deren Umsetzung. Sie dienten der landesweiten Bekanntmachung des Beteiligungsprozesses und der Vernetzung der sozialen Akteurinnen und Akteure vor Ort. Herzlich eingeladen waren Verantwortliche der öffentlichen Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen sowie Akteurinnen und Akteure aus sozialen Einrichtungen und Diensten, der Arbeit mit Familien, Kindern, Jugendlichen und Senioren. Ergebnisbericht der Beteiligungsforen hier.
Dokumentation der einzelnen Beteiligungsforen
- 18.09.2017 in Bitburg
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Protokoll-Anlage "Kinderbetreuungslotse" - 05.10.2017 in Betzdorf
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Protokoll herunterladen - 01.12.2017 in Koblenz
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Protokoll-Anlage "Vermittlungsstelle Seniorenjobs" - 22.01.2018 in Bad Kreuznach
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Protokoll-Anlage "Armutsbericht Landkreis Bad Kreuznach" - 16.02.2018 in Ludwigshafen
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Protokoll-Anlage "Patenschaften"
In den sich anschließenden örtlichen Beteiligungsworkshops ging es darum, im Netzwerk konkrete Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Gemeinsam mit interessierten Kommunen und der Unterstützung des wissenschaftlichen Instituts ORBIT e.V. führten wir an zwölf Standorten im Land Workshops mit sozialen Akteurinnen und Akteuren sowie mit Menschen in prekären Lebenslagen durch.
Zu den teilnehmende Kommunen gehörten Bad Kreuznach, der Landkreis Kaiserslautern, Ludwigshafen, Frankenthal, der Rhein-Lahn-Kreis, die VG Simmern, Mainz, Trier, Speyer, Pirmasens, Worms und der Landkreis Mainz-Bingen. Die Kommunen haben dabei ortsspezifisch thematische Schwerpunkte gesetzt.
Mittlerweile sind alle zwölf Beteiligungsworkshops abgeschlossen. Die Resonanz war durchweg sehr positiv und die erarbeiteten konkreten Ideen und Handlungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel der geplante Aufbau einer Familien-Servicestelle, die sowohl als Anlaufstelle für Familien fungiert als auch Fachkräfte vernetzt oder der Ansatz „Eine gesunde Mahlzeit für jedes Kind in den Schulen“, bilden den Auftakt für Veränderungsprozesse auf kommunaler Ebene.
Der offizielle Abschluss des Beteiligungsprozesses ist zugleich der Startschuss für die neuen Wege einer spürbaren Armutsbekämpfung in den Kommunen. Hier sollen die konkret entwickelten Maßnahmen vor Ort umgesetzt und fortgeführt werden. Das Land unterstützt die einzelnen Kommunen und Akteure mit entsprechenden maßnahmenbezogenen Zuschüssen. Dabei kann es sich zum Beispiel um die Förderung lokaler Servicestellen zur Armutsprävention handeln oder um die Finanzierung spezieller Vorhaben, wie es aktuell schon bei verschiedenen Projekten zur Bekämpfung von Kinder- und Jugendarmut gehandhabt wird.
Die Ergebnisse der Workshops wurden im Rahmen einer Abschlussveranstaltung am 24. Juni 2019 Ergebnisse der Öffentlichkeit vorgestellt und fließen in die weitere Arbeit mit ein.
Hintergrund
Der Beteiligungsprozess baute auf dem auf, was Rheinland-Pfalz bereits seit Jahren gegen prekäre Beschäftigung und für von Armut betroffene Menschen tut – von der Gemeinwesenarbeit über die Schuldnerberatung bis hin zur sozialen Wohnraumförderung. Mehr Handlungsansätze sind exemplarisch zusammengestellt in unserem 12-Punkte-Papier "Prävention und Überwindung von Armut in Rheinland-Pfalz" (Download hier).
Weitere Hintergrund-Informationen: