Novellierung des rheinland-pfälzischen Hochschulgesetzes
Mit dem am 16. September 2020 vom Landtag beschlossenen neuen Hochschulgesetz wird das bundesweit modernste Hochschulgesetz für starke, offene und zukunftsorientierte Hochschulen in Rheinland-Pfalz geschaffen.
So sieht die Hochschulgesetzesnovelle einen Anspruch auf Studienberatung vor. Die Hochschulen sollen zukünftig stärker an der Studienorientierung mitwirken und angesichts der vielfältiger werdenden Studierendenschaft werden neue Studienangebote geschaffen, wie Teilzeitstudiengänge und duale Studiengänge auch im Masterbereich.
Zukünftig können beruflich Qualifizierte ohne zweijährige Berufstätigkeit ein Studium beginnen können. Den Absolventinnen und Absolventen von Hochschulen für angewandte Wissenschaften soll ausdrücklich ein gleichberechtigter Zugang zur Promotion gewährleistet werden. Dem wissenschaftlichen Nachwuchs eröffnet das Gesetz weitere Karrierechancen durch neue Tandem-Professuren an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften und die Verankerung von gemeinsamen Berufungen von Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen. Durch Tenure Track-Modelle und eine modifizierte Juniorprofessur werden die Perspektiven für den Wissenschaftsnachwuchs verlässlicher gestaltet.
Die Autonomie und Eigenverantwortung der Hochschulen wird durch die Übertragung der Dienstvorgesetzteneigenschaften auf die Hochschulen gestärkt und Verwaltungsvorgänge sollen entbürokratisiert werden. Die Hochschulen werden zukünftig von einem kollegialen Präsidium geführt, das gemeinsam die wesentlichen Entscheidungen trifft. Die Mitglieder des Präsidiums – bestehend aus der Präsidentin oder dem Präsidenten, der Kanzlerin oder dem Kanzler sowie den Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten – werden gewählt und sind abwählbar. Die Einführung der Wahlkanzlerin oder des Wahlkanzlers entspricht den aktuellen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.
Die Landesregierung hat sich im Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt, das Hochschulgesetz zu novellieren und damit mehr Autonomie und gute Rahmenbedingungen für die Hochschulen zu schaffen. Gleichzeitig wurde im Koalitionsvertrag das Ziel verankert, die Bedingungen für ein erfolgreiches, selbstbestimmtes und flexibles Studium und gute Lehre weiter zu verbessern. Nach der ersten Befassung des Ministerrats erfolgte die Anhörung zum Gesetzentwurf, in deren Rahmen die Hochschulen, ASten, Gleichstellungsbeauftragten, Verbände und weitere Gruppen, wie die Gewerkschaften, Kammern und weitere Behörden, sich zu dem Entwurf äußern konnten. So wird u.a. auf Anregung der Hochschulen die Gründungsförderung als Aufgabe der Hochschulen in das Gesetzeswerk aufgenommen. Auch wird Auszubildenden in Analogie zu Frühstudierenden die Möglichkeit gegeben, parallel zu ihrer Berufsausbildung erste Kompetenzen an der Hochschule zu erwerben. Zusätzlich wurde den Wünschen der Studierendenvertretung nachgekommen, die neu eingeführte Mitgliederinitiative durch eine Studierendeninitiative zu ergänzen, die ähnlich zu einem Bürgerbegehren eine Befassung in einem Hochschulgremium erwirken kann, sowie einen studentischen Vorsitz im Verwaltungsbeirat der Studierendenwerke zu ermöglichen. Darüber hinaus wird die Wahrnehmung der Funktion der Gleichstellungsbeauftragten oder der Stellvertreterin für weibliche Studierende geöffnet. Der LandesAStenKonferenz wird ein gesetzliches Anhörungsrecht bei wesentlichen Änderungen des Hochschulgesetzes eingeräumt.
Im Ausschuss für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur hat eine Anhörung von Sachverständigen stattgefunden im Rahmen dessen insgesamt die Mehrwerte des Gesetzentwurfs bestätigt wurden. Angehört wurden u.a. der Vorsitzende der Landeshochschulpräsidentenkonferenz, der Vorsitzende der LandesAStenKonferenz sowie Verbände und Gewerkschaften. Von Seiten der Sachverständigen wurden außerordentlich viele Punkte begrüßt. Die Sachverständigen beurteilen aus ihrer jeweils unterschiedlichen Sicht die Gesetzesinitiative als eine gelungene und sinnvolle Novellierung des Hochschulgesetzes. Sowohl der Ausschuss für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur als auch der Rechtsausschuss haben dem Gesetzentwurf zugestimmt.
Mit der Verabschiedung im Landtag und mit der Veröffentlichung im Gesetz- und Verordnungsblatt sind die neuen Regelungen am 7. Oktober 2020 in Kraft getreten.
FAQ zum neuen Hochschulgesetz
Die wesentlichen Ziele des neuen Hochschulgesetzes sind:
Förderung des Studienerfolgs: Mehr Studierende sollen ihr Studium erfolgreich abschließen können. Die Studierenden erhalten einen Anspruch auf Studienberatung und die Hochschulen werden stärker an der Studienorientierung mitwirken.
Flexible Studienangebote: Jeder Mensch soll ihren und seinen eigenen Bildungsweg gehen können. Lebensentwürfe werden immer vielfältiger, dafür werden neue Studienangebote für eine heterogene Studierendenschaft gebraucht. Künftig können beruflich Qualifizierte auch ohne zweijährige Berufstätigkeit ein Studium aufnehmen, Teilzeit- und duale Studienangebote sowie Angebote der hochschulischen Weiterbildung werden erweitert und ausgebaut.
Autonomie und Eigenverantwortung der Hochschulen: Die hohe Leistungsfähigkeit der rheinland-pfälzischen Hochschulen gründet auf einem hohen Maß an Freiheit und selbstbestimmter Profilbildung. Daher stärken wir im neuen Hochschulgesetz ihre Autonomie und Eigenverantwortung: Die Dienstvorgesetzteneigenschaft wird den Hochschulen übertragen und eine Vielzahl von Ordnungen (bpw. die Genehmigung von Promotions- oder Wahlordnungen) soll zukünftig alleine von den Hochschulen verantwortet werden.
Partnerschaftlicher Dialog: Wir schaffen mehr Beteiligung und mehr Teilhabe an den Hochschulen und stärken den Dialog zwischen den Hochschulen und dem Ministerium. Innerhalb der Hochschulen wird der Dialog zwischen der Leitung und den Studierendenvertretungen institutionalisiert, zudem wird eine Studierenden- und Mitgliederinitiative eingeführt und eine Interessenvertretung für Doktorandinnen und Doktoranden geschaffen. Mit der Einrichtung eines Hochschulforums wird der regelmäßige Austausch zwischen Hochschulen und Ministerium etabliert.
Exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: Wir wollen den wissenschaftlichen Nachwuchs durch verlässliche Karrierewege weiter unterstützen durch den Ausbau des Tenure Track und eine modifizierte Juniorprofessur. Zudem werden durch die Einführung einer Tandem-Professur an Hochschulen für angewandte Wissenschaften neue Perspektiven geschaffen.
Verankerung in der Region: Die Hochschulen sollen noch stärker mit Kooperatinspartnern in ihren jeweiligen Regionen zusammenarbeiten. Hochschulkuratorien sollen daher zukünftig regional ausgerichtet werden.
Mit der Verlängerung der Regelstudienzeit für die im Sommersemester 2020 in einen Bachelor- oder Masterstudiengang eingeschriebenen und nicht beurlaubten Studierenden um ein Semester wird eine automatisch entsprechend verlängerte BAföG-Förderungshöchstdauer erreicht. Dadurch können unzumutbare Härten beim BAföG-Bezug vermieden werden. Die Regelung dient dem Ausgleich von Nachteilen, da es aufgrund der Corona-Pandemie im Sommersemester 2020 zu Verzögerungen im Studienverlauf gekommen sein kann. Darüber hinaus wird eine gesetzliche Rechtsgrundlage zum Erlass einer Rechtsverordnung durch das Ministerium zur Erprobung der Durchführung von elektronischen Fernprüfungen geschaffen. Dadurch werden die datenschutzrechtlichen Standards definiert. Dies schafft Rechtssicherheit für die Ausgestaltung von digitalen Prüfungsformaten.
Für die Studierenden: Durch moderne und flexible Studienangebote stären wir die Hochschulen als attraktive Lernorte und werden dem Anspruch des lebenslangen Lernens gerecht. Beispielsweise werden wir die Angebote für das Teilzeitstudium ausweiten und ermöglichen damit eine individuelle Lebensplanung der Studierenden. Auch führen wir duale Master-Studiengänge ein.
Im Gesetz definieren wir nun den Studienerfolg als Aufgabe der Hochschule – Studierende erhalten Anspruch auf Studienberatung und die Hochschulen werden künftig stärker an der Studienorientierung mitwirken.
Zudem gehen wir den Weg des offenen Hochschulzugangs für beruflich Qualifizierte noch weiter: Zukünftig entfällt das Erfordernis der zweijährigen Berufstätigkeit und schaffen die Möglichkeit, bereits als Auszubildender ein Frühstudium aufzunehmen.
Für den wissenschaftlichen Nachwuchs: Im Gesetzesentwurf wird eine gesetzliche Verpflichtung der Hochschulen verankert, einen Beitrag für gute Beschäftigungsbedingungen ihres Personal zu leisten. Auch werden neue Wege insbesondere zur Fachhochschulprofessur (Tandem-Professur) und zur gemeinsamen Berufung von Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen eröffnet.
Zudem sollen die Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs u.a. durch Tenure Track-Modelle und Juniorprofessuren erweitert werden.
Für die Hochschulen: Mit dem Hochschulgesetz stärken wir die Autonomie und Eigenverantwortlichkeit der der Hochschulen, beispielsweise durch die Übertragung von Dienstvorgesetzteneigenschaften an die Hochschulen. Perspektivisch soll auch das Berufungsrecht an die Hochschulen übertragen werden.
Zudem wollen wir Kooperationen im gesamten Hochschulsystem stärken, wo sich Mehrwerte für die gesamte Region ergeben. Dazu gehört die Zusammenarbeit der Hochschulen mit anderen öffentlichen Einrichtungen sowie Unternehmen in der Region, aber auch die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Hochschultypen, beispielsweise bei den neu eingerichteten Forschungskollegs sowie bei kooperativen Promotionen.
Die zahlreichen Rückmeldungen im Rahmen der Anhörung haben verdeutlicht, dass ein großes Interesse in der Hochschullandschaft und in der Gesellschaft besteht, eine gute gesetzliche Grundlage für die Zukunft unserer Hochschulen auf den Weg zu bringen. Das Ministerium hat sich sehr intensiv mit den Rückläufen beschäftigt. Viele Rückmeldungen waren sehr hilfreich und konnten den ersten Entwurf nochmals abrunden.
- So regten der Hauptpersonalrat und der Deutschen Gewerkschaftsbund Rheinland-Pfalz/Saarland an, Regelungen zur „Guten Arbeit“ als gesetzlichen Auftrag der Hochschulen aufzunehmen. Dies haben wir berücksichtigt, in dem wir eine gesetzliche Verpflichtung der Hochschulen, einen Beitrag für gute Beschäftigungsbedingungen ihres Personal zu leisten, im Entwurf verankert haben.
- Die hochschulseitige Anregung zur Regelung der Gründung aus Hochschulen wird an zentraler Stelle umgesetzt, indem die Benennung als gesetzliche Aufgabe der Hochschulen integriert wird und die möglichen Unterstützungsmaßnahmen der Hochschulen konkretisiert werden.
- Ein Thema, dass auch im Vorfeld bereits öffentliche Aufmerksamkeit gefunden hat, stellt die Gleichstellung von Frauen und Männern an den Hochschulen dar. Ziel ist es, Frauen und Männern die gleichen Chancen an den Hochschulen zu bieten. Jedoch ohne einzelne Frauen mit dieser Aufgabe zu überlasten. In Abstimmung mit den Gleichstellungsbeauftragten der Hochschulen und der Landeskonferenz der Hochschulfrauen konnten wir eine gute Lösung zur Bestellung der Gleichstellungsbeauftragten erzielen. In einer Tandem-Lösung von Gleichstellungsbeauftragter und Stellvertreterin sollen Wissenschaftliches Personal wie Personal in Technik und Verwaltung gleichermaßen berücksichtigt werden. Auf Anregung von Gleichstellungsbeauftragten wird die Amtszeit von vier auf drei Jahre im Sinne eines Gleichlaufs mit der Regelamtszeit in der akademischen Selbstverwaltung herabgesenkt. Bei der geschlechterparitätischen Gremienbesetzung wollen wir unzumutbare Belastungen soweit wie möglich vermeiden. So kann in begründeten Ausnahmefällen von einer vollständig paritätischen Besetzung abgewichen werden. Neu sind auch die Regelungen, mit denen nach Möglichkeit eine paritätische Besetzung von Berufungskommissionen und eine paritätische Repräsentanz bei der Aufstellung von Listen und Kandidaturen für die Wahlen zum Senat und Fachbereichsrat erreicht werden sollen. Hier wird die Gleichstellung nochmals deutlich und bereits in einer frühen Phase gestärkt.
- Auch wird die Durchlässigkeit beruflicher und akademischer Bildung verbessert und damit in Einzelfällen offene Türen für Auszubildende geschaffen. So sollen in Analogie zu den Frühstudierenden Auszubildende die Möglichkeit erhalten, parallel zu ihrer Berufsausbildung erste Kompetenzen an der Hochschule zu erwerben; die Teilnahme ist gebührenfrei. Hier haben insbesondere die Hinweise des Verbands Hochschule und Wissenschaft und mehrerer Hochschulen dazu beigetragen, die Bestimmung klarer zuzuschneiden.
- Die Anzahl der Studierendenvertreterinnen und -vertreter in den Verwaltungsräten der Studierendenwerke wird auf fünf erhöht. Damit kommen wir dem Vorschlag der Studierendenvertretungen nach und erhalten den studentischen Einfluss im Gremium, das durch die Aufnahme des Personalratsvorsitzenden gewachsen war.
In der Plenarsitzung vom 16. September 2020 hat der Landtag Änderungen zum Gesetzentwurf beschlossen. Wesentliche vom Landtag beschlossenen Änderungen sind:
- Zur Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie wird die Regelstudienzeit für die im Sommersemester 2020 in einen Bachelor- oder Masterstudiengang eingeschriebenen und nicht beurlaubten Studierenden um ein Semester verlängert. Dadurch sollen unzumutbare Härten beim BAföG-Bezug vermieden werden, wenn es durch die Corona-Pandemie zu Verzögerungen im Studienverlauf gekommen ist. Mit der Regelstudienzeiterhöhung wird eine entsprechend verlängerte BAföG-Förderungshöchstdauer erreicht.
- Zur Erprobung der Durchführung elektronischer Fernprüfungen kann das Ministerium zukünftig eine Rechtsverordnung erlassen, die die datenschutzrechtlichen Standards festlegt. Dies schafft datenschutzrechtliche Sicherheit bei der Ausgestaltung von digitalen Prüfungsformaten.
- Die Wahrnehmung der Funktion der Gleichstellungsbeauftragten oder der Stellvertreterin wird für weibliche Studierende geöffnet.
- Zur Stärkung der Position der studentischen Belange und Interessen wird der LandesAStenKonferenz ein gesetzliches Anhörungsrecht bei wesentlichen Änderungen des Hochschulgesetzes eingeräumt.
- Neben den Studierenden mit Behinderung erstreckt sich das neue Hochschulgesetz konsequent auch auf Studierende mit chronischer Erkrankung. Der Personenkreis der chronisch Kranken wird nunmehr ausdrücklich benannt. Die Ausweitung der Bestimmungen sichert insbesondere chancengleiche Studien- und Prüfungsbedingungen von Studierenden mit chronischer Krankheit.
- Im Rahmen der Bestimmungen zum Widerruf der Einschreibung wird der im Gesetzentwurf neu eingefügte Tatbestand der erheblichen Ansehensbeschädigung gestrichen. Eine Ausweitung ist nicht erforderlich, da die Hochschulen bislang handlungsfähig waren. Die mit der Ansehensbeschädigung verfolgte Zielsetzung der Sanktionierung beispielsweise von rassistischen Sachverhalten konnte in der Vergangenheit durch die Hochschulpraxis gelöst werden unter Berücksichtigung der Interessen und Recht der Studierenden.
- Aus Gründen der Arbeitsmarktintegration und dem Nachteilsausgleich bei einer Schwerbehinderung entfallen die Zweitstudiengebühren für Studierende mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 50.
Mit dem Inkrafttreten des neuen Hochschulgesetzes sind die Gesetzesänderungen zu beachten. Prüfungsordnungen bzw. das Prüfungsverfahren dürfen nicht im Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen stehen. Insofern wirken sich die Verbesserungen für die Studierenden im Prüfungsrecht unmittelbar aus.
In bestimmten Bereichen bedarf die Umsetzung des neuen Hochschulgesetzes noch erforderliche Zwischenschritte. So ist für die Wahl der Interessenvertretung der Doktorandinnen und Doktoranden zunächst der Erlass einer entsprechenden Universitätssatzung erforderlich. Die Einzelheiten zur Durchführung einer Mitglieder- oder Studierendeninitiative bedarf der Regelung in der Grundordnung.