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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Bad Säckingen (Kreis
Waldshut)
Jüdische Geschichte
Übersicht:
Zur jüdischen Geschichte
in Bad Säckingen
In Bad Säckingen lebten bereits im Mittelalter
jüdische Personen. Ob es zur Bildung einer jüdischen Gemeinde kam, ist nicht
bekannt. Erstmals werden die jüdischen Einwohner anlässlich ihrer
Verfolgung
während der Pestjahre 1348/49 genannt. Falls es danach wieder zu einer
Neuansiedlung gekommen ist, blieb die Zahl der jüdischen Einwohner sicher sehr
gering. Spätestens nach 1517 (Ausweisung) gab es keine jüdischen Personen mehr
am Ort.
Flurname: unklar ist, ob hinter der nördlich von Obersäckingen
gelegene Flur "Judenmättle" eine Erinnerung an die jüdische Geschichte steht.
Diese Flur wird bereits 1501 als "juden matt" genannt bzw. "Hasenrütti genannt
juden matt"; 1721 Ausmarkung Hasenrütte zur Judenmatte.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1864 drei, 1875 sechs jüdische Einwohner, 1885 fünf, 1890 elf, 1895 13, 1900 17,
1905/19 16,1925 vier. Die jüdischen
Gemeindeglieder gehörten seit 1895 der Gemeinde in
Tiengen an.
Um 1914 hatte Markus Bollag eine Druckerei in Bad Säckingen (siehe unten). Seit
den 1920er-Jahren gab es im Eckhaus Steinbrückstraße/Rheinbadstraße das Modehaus von
Simon Pikard (siehe weitere Informationen im Artikel über die Ausstellung 2014).
Bis 1939 gehörte einer jüdischen Firma aus Zürich ein Webereibetrieb vor Ort
(Lohnweberei).
1933 lebten sechs jüdische Personen in Säckingen, darunter weiterhin
Simon Pikard (bis 1937/38 in seinem Haus). In den folgenden Jahren ist ein Teil
der jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen
Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen
beziehungsweise ausgewandert. So emigrierte Simon Pikard in die Schweiz und
führte in der Folgezeit ein Bekleidungsgeschäft in
Aarau.
Von den in Bad Säckingen geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): im Gedenkbuch wird Max
Zickel genannt, geb. 1. Juli 1898 in Berlin, wohnhaft in Säckingen und Berlin,
1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet (Todesdatum 24. Januar 1944);
außerdem wird Werner Weinberg genannt, geb. 27. Mai 1924 in Berlin, wohnhaft in
Berlin (Kreuzberg), starb durch Suizid am 20. August 1944 in Säckingen.
Berichte aus der
jüdischen Geschichte in Bad Säckingen
Ausstellung zum jüdischen Leben in Bad
Säckingen (2014)
Artikel von Peter Ch. Müller in der
"Badischen Zeitung" vom 15. August 2014: "Spurensuche jüdischen Lebens.
Viele Fragen rund um die Ausstellung "Stadt unterm
Hakenkreuz" / In Bad Säckingen gab es nie eine Synagoge.
BAD SÄCKINGEN. Anlässlich der Ausstellung 'Stadt unterm Hakenkreuz' im Haus
Fischerzunft werden die Veranstalter mit Fragen zum Thema Juden in Säckingen
zwischen 1933 und 1945 konfrontiert: Wie viele Juden lebten hier und was ist
über ihre Schicksale bekannt? Gab es Ausschreitungen gegen sie? In Säckingen
stand dieses Thema nie im Mittelpunkt. Der Grund dafür: In Säckingen lebten
nur vereinzelt Juden; auch vor 1933 war das der Fall.
Die historischen Hintergründe erläutert das 1968 erschienene Buch 'Die
jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale'. Die Autoren
Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey recherchierten nicht nur in den
deutschen Archiven. Sie bekamen Material von mehreren ausländischen
Forschungsstätten, darunter vom Leo Baeck-Institut in New York und Institut
Yad Washem in Jerusalem. In dem Standardwerk von Hundsnurscher/Taddey findet
man Hinweise auf die Juden in Säckingen.
Die älteste Erwähnung betrifft ihre Verfolgung während der Pestjahre
1348/49. Danach gab es nur sporadisch Juden in Säckingen. Man hatte sie
vermutlich spätestens 1517 ausgewiesen. Deutlich verbessert hatte sich die
Lage der Juden am Hochrhein nach 1806. Das junge Großherzogtum Baden bemühte
sich um Gleichberechtigung mit den christlichen Kirchen. Aber erst 1862 trat
das Gesetz über die bürgerliche Gleichstellung der Israeliten in Baden in
Kraft.
Damals zählte Baden 1,36 Millionen Einwohner; 24 000 davon waren Juden. In
Säckingen lebten im Jahr 1875 nur sechs Juden, 1900 stieg ihre Zahl auf 17
und sank 1925 auf vier. Eine jüdische Gemeinde oder Synagoge gab es in
Säckingen nie. Die hiesigen Juden gehörten seit 1895 der Gemeinde in Tiengen
an. Tiengen war nicht vorderösterreichisch. Es stand seit 1687 unter der
Herrschaft der judenfreundlichen Fürsten von Schwarzenberg.
Der Anteil der Juden unter den Einwohnern Tiengens lag im Jahr 1825 bei
knapp zwölf Prozent. Sie besaßen seit 1793 eine Synagoge und einen eigenen
Friedhof. Zudem stand zwischen 1830 und 1876 den Juden in Tiengen eine
eigene Volksschule zur Verfügung. Eine größere jüdische Gemeinde existierte
in Lörrach, das ebenso nicht vorderösterreichisch war, sondern markgräflich.
Für Säckingen brachte die Volkszählung vom 18. Juni 1933 folgendes Ergebnis:
Unter den 5385 Einwohnern gab es 4224 Katholiken, 994 Protestanten, 105
Altkatholiken, sechs Israeliten und 56 Sonstige. Von diesen sechs Israeliten
weiß man Näheres nur über Simon Pikard.
Er besaß im Eckhaus Steinbrückstraße und Rheinbrückstraße ein
Bekleidungsgeschäft. Bis 1937/38 wohnte er auch in diesem Gebäude. Der
jüdische Geschäftsmann erwarb sich ein hohes Ansehen. Als am 1. April 1933
ab zehn Uhr in ganz Deutschland ein Boykott gegen jüdische Geschäfte,
Rechtsanwälte und Ärzte von der NSDAP durchgeführt wurde, fand in Säckingen
keine Aktion statt.
Darüber meldete am 31. März 1933 die Zeitung 'Hochrheinisches Volksblatt':
'Wie wir erfahren, wird sich der Boykott der Nationalsozialisten am morgigen
Samstag nicht auf die hiesige Firma Pikard ausdehnen. Die große
Liebestätigkeit der genannten Firma gegen notleidende Volksgenossen und die
ansehnlichen Spenden zusammen mit dem untadeligen Geschäftsgebaren werden
auch von den Nationalsozialisten anerkannt.'
Aber der Judenhass machte sich auch in Säckingen bemerkbar. Darüber
berichtet eine mündliche Überlieferung des Vaters von Werner Rauscher aus
der Zeit 1937/38. Demnach wurde Pikard in seinem Stammlokal 'Trompeter von
Säckingen' (Basler Straße) verbal angegriffen. Der Schmied Siebold, ein Hüne
von Mann, legte die für großgewachsene Männer typische Gelassenheit an den
Tag und beschützte den eingeschüchterten Pikard, indem er ihn auf dem
Nachhauseweg begleitete. Daraufhin wurde Siebold von dem NS-Organ 'Der
Alemanne. Kampfblatt der Nationalsozialisten Oberbadens' als Judenknecht
beschimpft. Nach diesem Vorfall flüchtete Simon Pikard in die Schweiz, wo
sich seine Familienangehörigen bereits befanden und gründete in Aarau ein
Bekleidungsgeschäft. An Silvester 1951 begegnete ihm Werner Rauscher im
'Löwen' in Todtmoos zum letzten Mal. Nach dem Krieg blieb Pikard in der
Schweiz, mit den Inhabern seines früheren Geschäfts in Säckingen einigte er
sich außergerichtlich.
Aber die Säckinger Verhältnisse als Beispiel für die Lage der Juden in
Deutschland in Betracht zu ziehen, wäre absolut verfehlt. Am 22. Oktober
1940 wurden 6500 badische und pfälzische Juden nach Südfrankreich
deportiert, 'von der Bevölkerung kaum wahrgenommen', stellte der Chef der
Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes Reinhard Heydrich fest. Die
'Bilanz' der nationalsozialistischen Herrschaft war grausam: Durch
Massenerschießungen, Massenvergasungen und Hunger starben fünf bis sechs
Millionen Juden.
Die Ausstellung 'Stadt unterm Hakenkreuz. Säckingen 1933-1945' ist bis zum
14. September, sonntags 11 bis 17 Uhr, im Haus Fischerzunft, Fischergasse
12, in Bad Säckingen, zu sehen." |
Fotos:
Modehaus Simon Pikard
(Quelle: Stadtarchiv Bad Säckingen) |
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Das Geschäft von Simon Pikard
befand sich im Eckhaus Steinbrückstraße/Rheinbadstraße |
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Karte aus der
Druckerei von Markus Bollag (1914)
(erhalten von David Bollag, Los Angeles) |
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Die Karte
aus der Druckerei von Markus Bollag in Säckingen enthält ein Gedicht von ihm
über Bad Säckingen:
"Säckingen am Rhein.
Es grüßt mich ein Städtchen, romantisch am Rhein, Am Fuße des Schwarzwalds,
so duftig und fein,
So bieder und eigen, so friedlich und traut, Ich habe kein schöneres Bild
noch geschaut!
Ich stimme die Saiten, die Seele erglüht, Und fasse die Töne des Herzens zum
Lied.
Der Kranz deiner Tannen das Auge erbaut, Ich habe kein schöneres Bild noch
geschaut!
Ich wieg' mich im Zauber, in stärkender Luft, Genieße die Quelle, den
würzigen Duft.
Aus himmlischen Höhen der Segen ersprieß, Kein schöneres Bild an dem Rheine
mich grüßt! Markus Bollag - Säckingen".
Die Karte wurde am 8. Juni 1914 aus Säckingen an Frl. Mariechen Otto in
Ellefeld im Vogtland geschickt. |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,2 S. 728. |
| Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 275. |
| Jakob Toury: Jüdische Textilunternehmer. 1984 S.
95-97. |
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