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Bollendorf (VG
Irrel, Kreis Bitburg-Prüm)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In dem an der Grenze zu Luxemburg liegenden Bollendorf bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/42. Die Gemeinde ist erst am Ende des 19. Jahrhunderts
entstanden. Seit 1870 hatte im Bereich von Bollendorf die Steinindustrie einen
großen Aufschwung erlebt. Dadurch wurde u.a. der Handel mit Zugtieren eine
erträgliche Einnahmequelle. Die ersten Juden waren aus den Bereichen Trier und Aach
nach Bollendorf gekommen.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1843 sechs jüdische Einwohner, 1848 13 (von insgesamt 1.116 Einwohnern),
1895 66, 1910 110 (9 % der Gesamteinwohnerschaft; in 18 Familien, die 16 Häuser
bewohnten). Die jüdischen Familien lebten vom Pferde- und Viehhandel sowie vom
Handel mit Waren verschiedener Art (zwei handelten sogar mit christlichen
Devotionalien).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule
und ein Friedhof. Zeitweise gab es einen
jüdischen Lehrer/Vorbeter/Schochet (Schächter) in der Gemeinde (vgl.
Ausschreibungen der Stelle unten zwischen 1897 und 1921). Ehrenamtlicher
Vorbeter der Gemeinde war längere Zeit Karl Levy. Zur rabbinischen Betreuung der Gemeinde kamen die Rabbiner aus Luxemburg
oder Trier nach Bollendorf.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Max Joseph (geb.
13.4.1877 in Aach, gef. 9.11.1915), Simon Joseph (geb. 22.7.1875 in Aach),
Gefreiter Adolf Levy (geb. 15.5.1894 in Bollendorf, gef. 30.11.1917, Gedenkplatte
siehe unten), Isidor
Levy (geb. 30.4.1894 in Bollendorf, gef. 18.9.1916), Leopold Levy (geb.
28.8.1871 in Bollendorf, gef. 8.1.1916) und Siegfried Levy (geb. 22.10.1892 in
Bollendorf, gef. 19.9.1915). Außerdem ist Albert Levy (geb. 5. Februar 1891 in
Bollendorf) gefallen, der 1918 als junger Lehrer in Beelitz eine Stelle
innehatte (siehe Bericht unten).
Folgende Familien (mit Gewerbebetrieben) gab es am Ort: Familie Max Levy
(Viehhandel, Neuerburgerstraße), Familie Max Mayer (Pferdehandel, Kirchstraße
und Neuerburgerstraße), Familie Daniel Levy (Bäcker und Landwirt,
Lindenstraße), Familie Moritz Levy-Scholem (Stoffe und Textilien, Burgstraße),
Familie Eugen Josef (Viehhandel, Neuerburgerstraße), Familie Steinberger und
Stern (Textilkaufhaus, Sauerstaden), Familie Joseph Levy (Gastwirtschaft
"Zur Heimat", Lindenstraße), Familie Salomon Mayer (Pferdehandel,
Kirchstraße), Familie Abraham Levy (Viehhandel, Sauerstaden), Max Levy und
Tochter (Handel und Landwirtschaft, Sauerstaden), Familie Isaak Levy (Hausierer,
Neuerburgerstraße), Familie Max Josef (Altwaren, Ferschweilerstraße), Familie
Daniel Levy (Viehhandel, Neuerburgerstraße), Familie Siegfried Meyer-Levy
(Handel, Bachstraße). Familie Isidor Levy (Vieh- und Landwirtschaft, Kirch- und
Bachstraße), Familie Daniel Levi (Devotionalien, Lindenstraße), Familie Simon
Schneider (Ferschweiler), Familie Leopold Levy, Karl und Leo (Viehhandel,
Sauerstaden), Familie Levy-Scholem (Hausierer, Altschmiedestraße).
1925 wurden noch 73 jüdische Einwohner gezählt, 1932 65
Personen. Damals waren die Gemeindevorsteher Albert Levy (1. Vors.) und Karl
Lewy (Schriftführer und Schatzmeister).
1933 lebten noch etwa 60 jüdische Personen in Bollendorf. In
den folgenden Jahren ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Bis 1938 ging die Zahl auf
40 jüdische Einwohner zurück. Beim Novemberpogrom 1938 wurden die
jüdischen Häuser und die Synagoge durch drei Rollkommandos von
Westwallarbeitern systematisch überfallen. Die jüdischen Wohnungen und Häuser
wurden völlig demoliert - wer sich zur Wehr setzte, wurde niedergeschlagen.
Mehrere jüdische Einwohner wurden verletzt. Daniel Levy, ein geachteter Bäcker
und Landwirt aus der Lindenstraße, wurde durch das Dorf getrieben und
geschlagen. Der jüdische Friedhof wurde geschändet, alle Grabsteine
umgeworfen. Die Namen der jüdischen Gefallenen auf dem Ehrenmal der Gemeinde
wurden ausgekratzt. In den folgenden Monaten wurden die jüdischen Einwohner zur
Zwangsarbeit im Ort und der Umgebung verpflichtet. Im April 1942 wurden
die letzten jüdischen Einwohner deportiert. Dabei wurden sie zunächst zum
Sammellager im beschlagnahmten Bischof-Korum-Haus nach Trier
verbracht.
Von den in Bollendorf geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Sophie Czech geb. Levy
(1885), Klara Ermann geb. Lorsch (1867), Elfriede Hein (1924), Paula Hein geb.
Mayer (1892), Anna Joseph (1903), Moritz Joseph (1906), Albert Levy (1890),
Alfred Levy (1897), Armand Levy (1925), Artur Levy (1896), Bertha Levy (1895),
Daniel Abraham Levy (1886), Erna Levy geb. Kahn (1898), Ernestine Levy geb.
Ermann (1898), Ester Levy geb. Baum (1859), Günther Levy (1928), Helene Levy
(1888), Hermine (Helmine) Levy geb. Sender (1870), Ilse Levy (1925), Johannetta
(Hannetta) Levy geb. Samuel (1857), Josef Levy (1923), Karl Levy (1898), Klara
Levy geb. Levy (1890), Klara Levy geb. Wolf (1898), Leo Levy (1904), Leo
(Leopold) Levy (1923), Mathilde Levy (1897), Moritz Levy (1896), Moritz Levy
(1900), Paula Levy geb. Levy (1876), Sophie Levy (1883), Sylvain (Sylvanus) Lewy
(1903), Delfine Mayer geb. Levy (1889), Moritz Mayer (1891), Siegfried Mayer
(1890), Jettchen (Jena) Schloss geb. Levy (1896), Johannette Sender geb. Levy
(1882), Johannetta Sommer geb. Levy (1878), Adolf Steinberger (1876), Marianne
Steinberger geb. Levy (1874), Babetta (Babette) Steinweg geb. Levy (1891), Rosa
Weiler geb. Levy (1903).
Zur Erinnerung an die Opfer der NS-Zeit wurden 2016 und 2017 in Bollendorf
"Stolpersteine" verlegt (siehe Berichte unten).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der
Geschichte der jüdischen Lehrer und Vorbeter
Ausschreibungen der Stelle des
Religionslehrers / Vorbeters / Schochet (1897/1912/1920/1921)
Anzeige
im "Israelitischen Familienblatt" vom 25. März 1897: "Kantor und
Religionslehrer.
Für die hiesige israelitische Gemeinde, bestehend aus zwölf Familien und 20
Schulkindern wird per 1. Mai ein junger Mann gesucht.
Anmeldungen nebst Gehaltsansprüche und Zeugnisse nimmt der Vorstand Aloys
Levy entgegen. Bollendorf, Bezirk Trier." |
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Anzeige
im "Israelitischen Familienblatt" vom 25. Dezember 1912: " Die
israelitische Gemeinde Bollendorf sucht einen
Vorbeter und Schochet, der auch imstande ist, Kindern
Religionsunterricht zu erteilen.
Angebote nebst Gehaltsansprüchen sind zu richten an den Vorstand J. Levy,
Bollendorf (Bezirk Trier)" |
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Anzeige
im "Israelitischen Familienblatt" vom 2. Januar 1920: "Die israelitische
Gemeinde Bollendorf sucht einen
Vorbeter und Schochet,
der auch im Stande ist, Kindern Religionsunterricht zu erteilen.
Angebote nebst Gehaltsansprüchen sind zu richten an den
Vorstand J. Levi, Bollendorf (Bezirk Trier)." |
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Anzeige
im "Israelitischen Familienblatt" vom 13. Januar 1921: " Ein
unverheirateter orthodoxer Lehrer, der Schauchet und guter Kantor ist
wird zum sofortigen Eintritt von der Gemeinde Bollendorf Regierungsbezirk
Trier gesucht. Gehalt Mark 8000. Meldungen unter Beifügen von Referenzen
erbeten an Rabbiner Dr. Wolf, Köln, Hohenstaufenring 14."
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Aus dem jüdischen Gemeindeleben - das Miteinander der Konfessionen vor Ort
Einweihung des Denkmales für die
katholischen und jüdischen Gefallenen des Krieges
Anzeige
im "Israelitischen Familienblatt" vom 11. Juni 1925: "Gedenkrede eines
katholischen Geistlichen für jüdische Gefallene. Bollendorf (Bezirk
Trier) mit 14 jüdischen Familien stellte bei Ausbruch des Krieges dem
Vaterland 27 Soldaten. Neun, darunter ein Familienvater, fielen. Eine
Familie Salomon Levy verlor drei Söhne. Einer von Ihnen, der in Paris als
Bäcker tätig war, und dadurch der französischen Sprache fähig, flüchtete bei
Ausbruch des Krieges hierher, um dem Vaterland zu dienen und verlor sein
junges Leben vor Verdun. Der Rest ist zum größten Teil verwundet oder in
Gefangenschaft geraten; nur drei kehrten unversehrt zurück. Am Pfingstmontag
wurde ein gemeinschaftliches Denkmal für die gefallenen Helden beider
Konfessionen (Katholiken und Juden) eingeweiht. In Ermangelung eines
Rabbiner hielt Pastor Scholl auch die Andacht für die jüdischen
Gefallenen in ergreifender Weise." |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Der aus Bollendorf stammende junge
Lehrer Albert Levy (geb. 1891) ist im Krieg gefallen (1916)
Artikel
im "Bericht der Großloge Deutschland" vom Februar 1916: "Israelitische
Erziehungsanstalt für geistig zurückgebliebene Kinder - Wilhelm Auguste
Victoria-Stiftung in Beelitz, e.V.
Die Berichtszeit bedeutet einen wichtigen Abschnitt in der Geschichte der
Beelitzer Anstalt. In der Leitung sind folgende Veränderungen zu
verzeichnen: Herr Professor Dr. Philippson, der den Verein seit seiner
Begründung geleitet hat, hat aus Gesundheitsrücksichten den Vorsitz
niedergelegt, gehört aber mit dem Titel eines Ehrenvorsitzenden dem
Ausschuss weiter an. Den Vorsitz hat Bruder Präsident Timmendorfer
übernommen, während der DIGB. als die andere Gründerkörperschaft in der
Person des hochverdienten Herrn Dr. Nawratzki aus Nikolassee den
stellvertretenden Vorsitzenden stellt. Auf diese Weise sind die beiden
Gründerkörperschaften satzungsgemäß vertreten.
Die Anstaltsverwaltung ruht nach wie vor in den bewährten Händen des
Bein'schen Ehepaares, dessen Aufgabe durch die Zeitverhältnisses sehr
erschwert ist, denn beide Hilfslehrer wurden zur Fahne einberufen. Von
diesen ist der eine, Herr Albert Levy, der im Juli vorigen Jahres in
unsere Dienste trat, aber schon vor zehn Monaten dem Ruf des Vaterlandes
folgte, am 9. September als Gefreiter der ersten Kompanie des
Infanterieregiment 335 auf dem östlichen Kriegsschauplatz den Heldentod
gestorben. Albert Levy, der am 5. Februar 1891 in Bollendorf, Kreis
Bitburg, geboren wurde, war ein strebsamer junger Lehrer, dessen frühes
Hinentscheiden unsere Anstalt aufs herzlichste beklagt..." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige des Schneidermeisters Simon
Josef (1910)
Anzeige
im "Israelitischen Familienblatt" vom 26. Mai 1910: "Junge, der das
Schneiderhandwerk
erlernen will, kann sofort eintreten. Samstags und Feiertage geschlossen.
Simon Josef, Bollendorf, Bezirk Trier." |
Für sein Manufaktur-Geschäft sucht
Adolf Steinberger Mitarbeiter (1911/ 1913)
Anzeige
im "Israelitischen Familienblatt" vom 6. Juli 1911: "Suche per 1. August ein
Lehrmädchen für mein Manufaktur-Geschäft. Sonnabend und Feiertage
geschlossen. Kost und Logis im Hause.
Adolf Steinberger, Bollendorf (Regierungsbezirk Trier)." |
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Anzeige
im "Israelitischen Familienblatt" vom 18. September 1913: "Suche per sofort
eventuell 1. November einen jüngeren tüchtigen Detail-Reisenden für mein
Manufaktur-Geschäft. Adolf Steinberger, Bollendorf, Bezirk Trier." |
Gastwirt Josef Levy sucht Stelle
für seinen Sohn (1918)
Anzeige
im "Israelitischen Familienblatt" vom 18. Januar 1918: "Suche für meinen
Sohn, 15 Jahre alt, der die Handelsschule besucht, Stellung per
1. April als
Lehrling
in ein Getreide-, Futtermittel- und Saatengeschäft. Offerten erbeten an
Josef Levy, Gastwirt, Bollendorf, Bezirk Trier."
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Fräulein B.L. aus Bollendorf sucht
eine Stelle aus Hausangestellt (1925)
Anmerkung: es handelt sich um Bertha Levy (geb. 1895), die in der
NS-Zeit umgekommen ist.
Anzeige
in den "Blättern des jüdischen Frauenbundes für Frauenarbeit und
Frauenbewegung" vom Mai 1925: "Stellensuchende - Hausangestellte
Fräulein B. L., Bollendorf, Kreis Bitburg, 30 Jahre mit guten Zeugnissen,
sucht Stellung als Alleinmädchen für Küche und Haushalt,
Gehaltsansprüche 30-40 Mark." |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst dürfte eine Betstube in einem der jüdischen Häuser vorhanden
gewesen sein. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts stellte ein Hausherr in der
Kirchstraße seine Gartenparzelle zum Bau einer Synagoge zur Verfügung. Diese
wurde aus Bollendorfer Sandstein erbaut. In der Synagoge gab es für 90 bis 100
Gottesdienstbesucher Plätze. Das Anwesen der Synagoge wurde eingefriedet mit
einem Zaun aus Eisengitterstäben.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge geschändet und völlig
demoliert. Nachdem der erste Brandanschlag misslang, wurde sie schließlich mit
Hilfe eines Fasses Benzin angezündet und ist völlig ausgebrannt.
An Stelle der Synagoge steht heute ein Wohnhaus. Überreste der Synagoge
(Grundmauern) sind im Kellergeschoss vorhanden.
Adresse/Standort der Synagoge:
Fotos
(Quelle: Landesamt s. Lit. S. 123)
Blick auf Bollendorf um
1910
mit der Synagoge (eingetragen) |
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Die Synagoge ist am
Rundfenster erkennbar |
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Andernorts entdeckt
(Foto erhalten von Hans Lesage,
www.weltkriegsgraeber.be) |
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Name des Gefallenen Adolf Levy
auf einer
Gedenkplatte im deutschen Soldatenfriedhof in Menen |
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Tafeln zum Gedenken an die
jüdische Gemeinde
und die jüdischen Opfer der NS-Zeit
(Foto: Armin Kohnz, August 2016;
eingestellt in höherer Auflösung) |
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Die Tafel befindet sich im
Bereich des
Friedhofes/Kirche/Kriegerdenkmal |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Juli 2015:
Interesse an der jüdischen Geschichte vor Ort -
ein Arbeitskreis jüdische Geschichte engagiert sich |
Artikel im "Trierischen
Volksfreund" vom Juli 2015: "Ein Dorf sucht seine jüdische Geschichte
(Bollendorf) Die Gemeinde Bollendorf feiert im kommenden Jahr ihr 1300-jähriges Bestehen. Die Vorbereitungen zu den Feierlichkeiten laufen. Dabei soll auch die jüdische Vergangenheit in den Blickpunkt gerückt werden.
Bollendorf. Bis zum zweiten Weltkrieg gab es in Bollendorf eine große jüdische Gemeinde mit über 100 Mitbürgern in knapp 20 Familien. Das bedeutet: Etwa jeder zehnte Bollendorfer war Jude. Mehr als die Hälfte von ihnen hat den Holocaust nicht überlebt. Die stattliche Synagoge wurde in der Reichspogromnacht dem Erdboden gleichgemacht. Außer einer Gedenkplatte bei der Kirche und dem verwaisten jüdischen Friedhof außerhalb des Ortes erinnert heute nichts mehr an die jüdische Vergangenheit von Bollendorf. Das soll sich ändern.
Auf Vorschlag des Arbeitskreises (AK) jüdische Geschichte hat der Gemeinderat einstimmig beschlossen, den Friedhof zu sanieren und den Künstler Gunter Demnig mit der Verlegung von Stolpersteinen vor den Häusern der einstigen jüdischen Mitbewohner zu beauftragen.
Zeichen von Selbstbewusstsein. 'Wir werden es nicht gegen den Willen der heutigen Hauseigentümer
tun', verspricht Ortsbürgermeister Rolf Stump. Der Arbeitskreis werde das Gespräch mit ihnen suchen.
Frank Schmitt, ebenfalls Mitglied im AK, sieht die Stärke dieser Aktion vor allem darin,
'dass man zufällig auf die Vergangenheit hingewiesen wird, darüber
stolpert'. Weidert ist überzeugt: 'Das Dorf kann nur gewinnen. Es geht nicht um eine Schuld-Kultur, 70 Jahre nach dem Krieg. Wenn wir hier hinkriegen, was es sonst nur in Städten gibt, zeugt das von
Selbstbewusstsein.'
Parallel zum Projekt Stolpersteine will die Gemeinde auch den ehemaligen jüdischen Friedhof sanieren. Das von einer Mauer umsäumte, etwa 400 Quadratmeter große Gelände ist von Gras und Fichten bewachsen, in der Mitte steht das Überbleibsel einer Säule aus der früheren Synagoge. Wäre nicht eine Inschrift daran angebracht, so wäre es nicht als Ruhestätte zu erkennen. Kein Grabstein ist zu sehen. Zumindest nicht dort. Dafür muss man vor die Mauer treten. Irgendwann nach dem Krieg, der genaue Zeitpunkt ist auch dem Bürgermeister unbekannt, wurden die Grabsteine zweckentfremdet und in die Außenmauer eingearbeitet. Stump sagt:
'Wir werden die Mauer sanieren und die Grabsteine wieder auf den Friedhof
stellen.' wiw "
Link zum Artikel |
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März 2016:
Im Sommer sollen "Stolpersteine" in Bollendorf verlegt werden
Anmerkung: am 24. Juni 2016 wurden 24 Stolpersteine verlegt |
Artikel im "Trierischen
Volksfreund" vom 4. März 2016: "Die Geschichte hinter dem Namen.
Bollendorfer Arbeitskreis beschäftigt sich mit jüdischer Geschichte - Stolpersteine sollen im Sommer verlegt werden
Bollendorf. In größeren Städten sind Stolpersteine häufig zu finden. Auf dem Land hingegen seltener. Eine Arbeitsgruppe aus Bollendorf aber hat sich daran gemacht, die Geschichte der einst 100 Mitglieder großen jüdischen Gemeinde zu erforschen. Im Sommer soll der Initiator der Stolpersteine selbst, Gunter Demnig, die ersten Steine in dem Ort verlegen.
Wer mit den Mitgliedern des Arbeitskreises Jüdische Geschichte durch Bollendorf spaziert, erhält schnell einen ganz anderen Blick auf die Häuser am Straßenrand.
'Hier hat die jüdische Familie Steinberger gewohnt', sagt Karl-Wilhelm Gellisen und zeigt auf das Haus an der Ecke Sauerstaden/Lindenstraße. Folgt man dem pensionierten Lehrer und seinen Mitstreitern die Lindenstraße hoch, zeigen sie noch einige Häuser, in denen vor dem Krieg jüdische Familien wohnten.
Wenige haben Bedenken. Seit rund zwei Jahren beschäftigen sich fünf Bollendorfer mit dem Schicksal der Juden, die im Zweiten Weltkrieg enteignet, verschleppt und/oder getötet wurden. Die Namen sind zumeist bekannt. Andere Forscher (insbesondere Stefan Roos) haben vorgearbeitet.
'Aber wir wollen die Schicksale mit Geschichte füllen', erklärt Frank Schmitt, Architekt aus Bollendorf. Dabei unterstützen ihn und Gellisen Barbara Kemmer (Kunsthistorikerin), Michael Weidert (Lehrer) und Nicole Fricke-Koch (Sozialpädagogin). Ihr Ziel: Für jedes Opfer des Nationalsozialismus soll ein Stolperstein verlegt werden. Des Weiteren soll in Buch- oder Broschürenform die Geschichte hinter den Namen und Daten erzählt werden. In ihrer Freizeit wälzen sie daher Archivbestände (online und beim Landeshauptarchiv in Koblenz), sprechen mit Hausbesitzern und Zeitzeugen - und machen dabei durchaus erstaunliche Funde.
Wie die 16 Briefe, die 2007 dem United States Holocaust Memorial Museum in Washington DC gestiftet wurden und in denen die jüdische Familie Maier zwischen 1937 und 1942 mit Verwandten in Amerika korrespondierte und in denen sie die Situation in Deutschland beschrieb.
Einen weiterer Glückstreffer gibt es bei der Shoah Foundation: Betty Goldmann, geborene Levy. Die 1920 in Bollendorf geboren Frau konnte Deutschland 1937 oder 38 mit einem Kindertransport in Richtung London verlassen. Regisseur Steven Spielberg hatte sie als Holocaust-Überlebende zur Vorbereitung auf seinen Film "Schindlers Liste" interviewt. 2008 starb sie. Mit Spannung erwarten die Hobby-Historiker die Ankunft des Bandes.
Für ihr Vorhaben, Stolpersteine für die Opfer zu verlegen, hätten sie viel positive Resonanz bekommen.
Nur vereinzelt habe es Bedenken gegeben, wenn Leute befürchteten, etwa infolge der Enteignungen als unrechtmäßige Hauseigentümer angesehen zu werden.
Damit die Steine verlegt werden können, ist die Gruppe auf Spenden angewiesen. Spender können einzelne Stolpersteine komplett (120 Euro) oder teilweise (beliebiger Betrag) finanzieren.
Spendenkonto: IBAN: DE93 586 500 30 0004 0000 55, BIC: MALADE51BIT, Institut: Kreissparkasse Bitburg-Prüm, Kontoinhaber: Verbandsgemeindekasse Südeifel, Verwendungszweck
'Stolpersteine Bollendorf' oder 'Stolpersteinrecherche Bollendorf'."
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Mai 2017: Zweite
Verlegung von "Stolpersteinen"
Anmerkung: am 10. Mai wurden weitere 18 Stolpersteine verlegt, dazu
eine Gedenktafel am früheren Haus des Bäckers Daniel Levy in der
Lindenstraße 10. |
Artikel in "Trierischen
Volksfreund" vom März 2017: "Neue Stolpersteine für 18
Nazi-Opfer in Bollendorf..."
Link
zum Artikel
Artikel im "Wochenspiegel" vom 7. April 2017: "Bollendorfer gedenken Verfolgten
Bollendorf. Sie lebten in Bollendorf und wurden ermordet. Ein Arbeitskreis zeichnet die Schicksale von unter den Nationalsozialisten verfolgten Mitbürgern nach. Am 10. Mai werden Stolpersteine verlegt, die an sie erinnern...
Die meisten der Bollendorfer Juden wurden deportiert und ermordet. Nur wenige haben den Holocaust überlebt. Zu ihnen gehört die Familie des Bäckers Daniel Levy. Eine Gedenktafel an dem Haus in der Lindenstraße 10, in dem der Bäcker mit seiner Frau und zwei Töchtern bis zur Flucht nach der Pogromnacht am 9. November 1938 lebte, soll künftig an sie erinnern.
Mit der Gedenktafel werden am 10. Mai 18 Stolpersteine verlegt, die an die von den Nationalsozialisten Verfolgten erinnern. Geboren wurde die Idee zur 1300-Jahrfeier des Dorfes im vergangenen Jahr. Damals wurden die ersten 18 Gedenksteine vor den Häusern der Verfolgten in den Boden eingelassen..."
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Mai 2017:
Eigentümer lehnen Verlegung von Stolpersteinen
ab - eine Ersatzlösung wurde gefunden
Anmerkung: Die Eigentümer des Hauses in der Bachstraße 4 lehnen die
Verlegung von Stolpersteinen vor ihrem Haus ab, mit denen an Karl, Adele,
Siegfried und Delphine Mayer erinnert werden soll; alle vier sind 1942 in
Theresienstadt bzw. Lodz umgekommen bzw. wurden ermordet. Auf Grund der
Zustimmung eines Nachbarn gegenüber von Bachstraße 4 können die
Stolpersteine vor seinem Haus eingelassen werden. |
Artikel im "Trierischen
Volksfreund" vom 6. Mai 2017: "Bollendorf steht Mittwoch im
Zeichen des Gedenkens..."
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zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Colljung: Die Juden in Bollendorf. 90 Jahre
Zusammenleben - Dokumentation von der Emanzipation bis zum Exodus der
jüdischen Mitbürger. In: Beiträge zur jüdischen Geschichte in
Rheinland-Pfalz (Vorgänger von SACHOR). 1992 Heft Nr. 1 S. 29-33.
Online zugänglich (pdf-Datei).
|
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 123 (mit weiteren Literaturangaben).
|
| Wolfgang Schmitt-Koelzer: Bollendorf - Luxemburg -
Greimerath - Auschwitz - New York. Aus dem Leben des Daniel Levy (geb.
1901 in Bollendorf). In: Heimatkalender 2019. Jahrbuch des Eifelkreises
Bitburg-Prüm. S. 141-147.
Online zugänglich (pdf-Datei).
|
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Bollendorf Rhineland. Jews
first settled in the mid-19th century and reached a peak population of 110 (9 %
of the total) in 1914. Most were merchants, some trading in cattle and horses;
some acted as moneylenders. Jews were active in public and social life but there
were also occasional violent outbursts of antisemitism. Most were Orthodox in
religious outlook. In 1932, 65 Jews remained. On Kristallnacht (9-10
November 1938), their homes and stores were wrecked and the synagogue was burned.
At least 20 Jews emigrated in the Nazi period. Those remaining were mobilized
for forced labor. The last 11 were deported to camps in the east in April 1942.
At least 23 Jews perished in the Holocaust.
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