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Dormitz (Kreis
Forchheim)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Dormitz bestand eine jüdische Gemeinde bis zu ihrer
Auflösung im Jahr 1919. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17./18.
Jahrhunderts zurück. Möglicherweise lebten bereits im 15. und 16. Jahrhundert
einige Juden am Ort, doch gibt es hierfür keine Nachweise. 1603 wird Jud
David genannt, der sich in Dormitz ohne Erlaubnis ein kleines Haus erstellt
hatte; er musste das Haus wieder abbrechen. 1611 werden sechs jüdische
Anwesen genannt. Vermutlich sind die jüdischen Familien während des
Dreißigjährigen Krieges wieder abgewandert. Erst 1709 werden wieder
zwei jüdische Haushaltungen erwähnt; 1728 sind es sechs, 1771 bereits zehn
jüdische Familien am Ort. Die jüdischen Familien lebten überwiegend vom
Hausier- oder gewöhnlichen Handel mit Schnittwaren sowie vom Viehhandel. In der
Mitte des 19. Jahrhunderts werden auch Handwerker genannt (Schneidermeister,
Seiler).
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1824 110 jüdische Einwohner (23,2 % von insgesamt 475 Einwohnern), 1840
104 (20,8 % von 501), 1852 86 (18,9 % von 454), 1875 69 (10,8 % von 636), 1890
49 (7,4 % von 660), 1900 27 (3,8 % von 708).
An
Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule (seit
1824; später von Isaak Wild im Haus Hauptstraße 20 eingerichtet) und ein rituelles Bad
(ältere Mikwe 1829 genannt auf Grundstück Hauptstraße 42b, 1912
abgebrochen; spätere Mikwe im Haus Hauptstraße 16, dem früheren
Markgräfischen
Hof, ist erhalten). Die jüdische Gemeinde hatte zeitweise einen Religionslehrer
angestellt, die teilweise auch als Vorbeter tätig war. Als erster Lehrer wird 1824
Isaac Reinling genannt, der allerdings ungeprüft war, weswegen ihm die
Erteilung des Religionsunterrichtes untersagt wurde. Ab 1828 war (nach den
Recherchen von Rolf Kießling) als Lehrer
Bernhard Samuel Lövi in der Gemeinde (wie lange er in Dormitz blieb, ist
nicht bekannt). Gleichzeitig mit Lehrer Lövi war Jakob Abraham Brandis
(Brandeis) als Vorsänger in Dormitz tätig. Brandis starb 1874 und liegt auf
dem Friedhof in Baiersdorf begraben. Auch aus der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts liegen verschiedene Stellenausschreibungen vor
(siehe Anzeigen unten). An Lehrern sind u.a. bekannt: Benjamin Markus (ab 1873),
Georg Rosenblatt (aus Fürth, ab
1890), Hermann Ludwig (ab 1892), Salomon Blumenthal (ab 1890).
Die Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof
in Baiersdorf
beigesetzt. Die jüdischen Gemeinden Dormitz, Bruck,
Kunreuth und Baiersdorf bildeten nach 1720 einen Friedhofsverband ("Sepulturverband").
Die jüdische Gemeinde wurde im 18. Jahrhundert dem "Oberland-Rabbinat"
in Baiersdorf zugeordnet. 1825 erfolgte eine Zuteilung zum Distriktsrabbinat
Hagenbach. Nach dessen Auflösung 1894 gehörte Dormitz zum Distriktsrabbinat
Bamberg.
Mitte
des 19. Jahrhunderts kam es zu einer ersten starken Auswanderungswelle. Ein 1853
abgefasster Bericht zeigt die damalige Aufbruchsstimmung, die sich für viele
jüdische Gemeinden dramatisch auswirkte (Bericht siehe unten). Noch bis um 1900
konnte das Gemeindeleben aufrecht erhalten werden. 1915 wurde die jüdische
Gemeinde Dormitz als Filialgemeinde der Gemeinde Ermreuth angeschlossen. Auf
Grund der anhaltenden Abwanderung der jüdischen Einwohner wurde die Gemeinde
1919 aufgelöst. Die am Ort noch lebenden jüdischen Personen wurden nun der
Gemeinde Erlangen zugeteilt.
Von den in Dormitz geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Sofie Bachmann geb.
Rosenfels (1856), Babette Ehrlich geb. Schulherr (1867), Luise Kohn geb. Freitag
(1880, vgl. Seite zu Lülsfeld; in
Bamberg erinnert ein "Stolperstein" an sie), Meier Männlein (1869), Jette Priester (1861), Karoline Priester (1875),
Babette Sommerhäuser geb. Freitag (1882), Jonas Uhlfelder (1883), Josef
Uhlfelder (1881), Ignatz Wild (1879), Joseph Wild (1882), Philipp Wild (1870),
Sofie Wild (1918).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1873 /
1877 / 1892
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Juli 1873:
"Erledigte Lehrerstelle. Die hiesige
Religionslehrer- und Vorsängerstelle ist zu besetzen. Fixum 400 Gulden nebst
freier Wohnung und jährlichem Bezug von 2 Klaftern Holz, 2 Mäss Stöck, 25
Stück Wellen. Auf beträchtliche Nebeneinkünftige ist sicher zu rechnen.
Bewerber wollen sich möglichst bald unter Einsendung ihrer Zeugnisse an den
unterzeichneten Vorstand wenden.
Dormitz bei Erlangen. M. Männlein.
Kultusvorstand." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. April 1877:
"Israelitische Schulstelle zu Dormitz bei Erlangen, Bayern.
Die hiesige israelitische Religionsschulstelle ist erledigt und soll
sofort besetzt werden. Der mit dieser Stelle verbundene Gehalt beträgt
inklusive Vorbetergehalt 600 Mark, wobei vermerkt wird, dass Schächtergebühren
als Nebenverdienst betrachtet werden, nebst freier Wohnung, 2 Mäß
Scheitholz, 1 1/2 Mäß Stöcke und 50 Wellen.
Es ist ohne dieses einem strebsamen jungen Manne noch Gelegenheit geboten,
durch Erteilung von Privatunterricht sein Einkommen bedeutend zu
erhöhen.
Hierauf reflektierende qualifizierte Bewerber wollen ihre desfallsigen
Gesuche nebst Zeugnissen innerhalb 14 Tagen von heute an bei dem
unterzeichneten Kultusvorstand schriftlich, am liebsten persönlich,
einreichen.
Die Stelle voll vorläufig auf 3 Jahre besetzt werden.
Dormitz, den 3. April 1877. Wolf Uhlfelder,
Kultusvorstand." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Februar 1892:
"Durch Beförderung des bisherigen Inhabers ist die Stelle eines
Religionslehrers und Vorsängers zu Dormitz (Eisenbahnstation) erledigt.
Fixer Gehalt 450 Mark nebst freier Wohnung, freiem Holzbezug und den
üblichen Emolumenten; außerdem auf Ruf und Widerruf eine Zulage von 150
Mark. Seminaristisch gebildete Bewerber wollen sich an Rabbiner Dr.
Neubürger in Fürth (Bayern) wenden." |
Berichte aus dem jüdischen
Gemeindelebens
Starke Auswanderungen in der Mitte des 19. Jahrhunderts
(1853)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. August 1853:
"Aus Oberbayern. 4. August (1853). Es kommen uns Nachrichten von
massenhaften Auswanderungen nach den jenseitigen atlantischen Ländern aus
Mittelfranken, Schwaben und Unterfranken, besonders von Seite der jüdischen
Bevölkerung zu. Mehrere Ortschaften, wie Bruck,
Ottensoos, Dormitz, Diespeck,
dann Cronheim, Altenmuhr und viele andere, welche vor noch wenigen Jahren von
tausend und mehr jüdischen Familien bewohnt waren, zählen gegenwärtig nur
noch wenige alte Leute, während die jüngere Generation bereits in
amerikanischen Freistaaten ansässig ist. Gewöhnlich wandert der älteste Sohn
einer Familie, nachdem er seine Lehrjahre bestanden, mit Empfehlungsschreiben an
Verwandte und Freunde nach der neuen Welt, wo ihn der doppelte Gewinn eines
freien Wirkungskreises und unbeschränkter Rechte erwartet. Einige Zeit darnach
folgen ihm die Brüder rund Schwestern, und zuletzt häufig auch die Eltern. Die
Nachrichten von den dort täglich neu sich bildenden Gemeinden lauten im
Allgemeinen sehr günstig." |
Zur Geschichte der Synagoge
Die Synagoge wurde nach 1740 erbaut. Aus diesem Jahr liegt
ein erster Bauplan vor, der aber vermutlich erst Jahre später ausgeführt
wurde. Die Synagoge sollte an die bestehende Judenschule angebaut werden. Wann
das genau geschah, ist nicht überliefert. Laut dem Grundsteuerkataster hat die
jüdische Gemeinde Dormitz die Synagoge "im Jahr 1766 von den David
Katz'schen Eheleuten ohne Anschlag mittelst Schenkung erhalten".
Erwähnung der Synagoge 1840
Aus
M. Siebert: Das Königreich Bayern topographisch-statistisch in
lexicographischer und tabellarischer Form dargestellt. München 1840. S.
256: Genannt werden in Dormitz "112 Juden mit
Synagoge". |
Die Synagoge wurde bis Anfang des 20. Jahrhunderts als solche genutzt. Als fast
alle jüdischen Einwohner vom Ort verzogen waren, wurde das Gebäude von der
Kultusgemeinde Erlangen 1919 an einen Privatmann verkauft. In der NS-Zeit
blieb die Synagoge, da sie nicht mehr als solche genutzt wurde, verschont. Sie
soll damals Versammlungsraum der Bayernwacht gewesen sein. Auch nach 1945 blieb
das Gebäude noch lange erhalten, wurde jedoch von den Denkmalbehörden in
seinem Wert nicht wahrgenommen. Bis in die 1980er-Jahre war das Gebäude, das
als Unterstellraum verwendet wurde, in seiner
Bausubstanz relativ gut erhalten (Originalfenster und -türen,
Fensterbögen). Durch ein Forschungsprojekt der Uni Bamberg wurde die ehemalige
Synagoge 1986 wieder aus der Vergessenheit geholt. Im Gebäude war bis
dahin auch noch eine
Stuckdecke im Rokokostil erhalten, die jedoch 1990 mutwillig zerstört
wurde. Der Wirbelsturm Wibke soll 1991 irreparable Schäden angerichtet haben. 2002
wurde das Gebäude abgebrochen. Funde aus der Genisa blieben erhalten (darunter
ein "Bamberger Siddur", siehe Lit.).
Adresse/Standort der Synagoge: Am Wohnhaus
Hauptstraße 18 angebaut (Hinterhof; Hauptstraße 16)
Fotos
Die ehemalige Synagoge um
1985
(Quelle: Klaus Guth s.Lit. S. 140-141) |
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Die
ehemalige Synagoge
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Das
Misrachfenster (gibt in der
Synagoge die Gebetsrichtung an) |
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Die ehemalige Synagoge um
1995/96
(bitte beachten: © Alexander Nadler,
Neunkirchen; die Fotos dürfen nicht ohne
Erlaubnis weiterverwendet
werden!) |
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Das Gebäude ist
noch relativ gut erhalten - erste Schäden zeigen sich am Dach. |
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Der Abbruch des Gebäudes
2004
(Fotos von Jürgen Hanke, Kronach,
Quelle: www.synagogen.info) |
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Grundstück der
ehemaligen Synagoge 2009 |
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Die Mikwe (Ritualbad) in
Dormitz
(Foto rechts mit freundlicher Genehmigung
von Gerhard Georg Moser, Dormitz
aus der Website von G.G. Moser) |
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Das Häuschen der Mikwe in
Dormitz
(Hauptstraße 16) |
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Die drei Fotos
oben - Häuschen der Mikwe von verschiedenen Seiten - wurden von Jürgen
Hanke, Kronach zur Verfügung gestellt. |
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Über die jüdische
Familie Wild in Dormitz
und ihre Nachkommen |
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Link: pdf-Datei
der Nachkommen von
Isaak Wild und Amalie geb. Uhlfelder |
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Isaak Wild und Amalie geb.
Uhlfelder |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Juni 2014:
Rundgang auf den Spuren der jüdischen
Geschichte |
Artikel von Udo Güldner in nordbayern.de
vom 1. Juli 2014: "Dormitz: Eindrucksvoller Spaziergang im
'Judendorf'
Rolf Kießling führte rund 50 Interessierte zu Spuren jüdischen Lebens — Reiche Vergangenheit
DORMITZ - Rund 50 Teilnehmer machten sich mit Rolf Kießling (65) auf die Suche nach Spuren des jüdischen Lebens in Dormitz. Der Vorsitzende des Freundeskreises der Synagoge Ermreuth hatte solche historischen Spaziergänge bereits in Forchheim und Ermreuth durchgeführt. Es wird eine Reise zurück in eine
'reiche Vergangenheit'. Und der Startpunkt für eine derzeit in Arbeit befindliche Publikation des Lokalhistorikers..."
Link
zum Artikel |
Weiterer Artikel im "Fränkischen
Tag" vom 3. Juli 2014: "Die Zeugnisse jüdischen Lebens
Rolf Kießling Dormitz Die Gemeinde Dormitz zählte im 18. und 19. Jahrhundert zu den sogenannten Judendörfern in Franken. Gemeint waren damit Orte mit einem hohen jüdischen Bevölkerungsanteil. 1824 lebten 110 jüdische Einwohner im Dorf. Die jüdischen Kinder besuchten gemeinsam mit den christlichen, meist katholischen Schülern die Dorfschule, den Religionsunterricht erteilte ihnen jedoch der jüdische Lehrer Bernhard Lövi. Zu einem Rundgang durch das jüdische Dormitz jetzt hatte der Freundeskreis Synagoge Ermreuth eingeladen. Etwa 50 Personen, Einheimische, aber auch viele Auswärtige, nahmen an der Führung teil. Leider finden sich nur noch wenige Spuren jüdischen Lebens in Dormitz. Besonders eindrucksvoll ist die Mikwe im Anwesen ...
"
Link
zum Artikel (kostenpflichtig bei genios.de) |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 173. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 203. |
|
Falk Wiesemann:
"Gott
möge gedenken der Seele ..." Das unbekannte Memorbuch der jüdischen
Gemeinde von Dormitz in Franken, in: Birgit E. Klein
und Christiane E. Müller
(Hg.) in Verbindung mit dem Vorstand des Salomon Ludwig Steinheim-Instituts für
deutsch-jüdische Geschichte, Memoria – Wege jüdischen Erinnerns. Festschrift
für Michael Brocke zum 65. Geburtstag, Berlin 2005, S. 193-208.
|
| Klaus Guth (Hg.) u.a.: Jüdische Landgemeinden in Oberfranken
(1800-1942). Ein historisch-topographisches Handbuch. Bamberg 1988. zu
Dormitz S. 136-144 (mit weiteren Quellenangaben). |
| Georg
Knörlein: Jüdisches Leben im Forchheimer Land. Verlag Medien
und Dialog. Haigerloch 1998. |
| Hans
Striedl (Hrsg.): Der 'Bamberger Siddur' (Msc.add.43 der
Staatsbibliothek Bamberg). Bamberg 1993.
Mit einem Restaurierungsbericht und einem Beitrag über die jüdische Landgemeinde Dormitz /
- 67 S. - ISBN: 3-924530-09-2. |
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