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Darmstadt-Dieburg"
Eberstadt
(Stadt Darmstadt)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Eberstadt bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17. Jahrhunderts
zurück. Erstmals wird 1598 Jud Seligmann in Eberstadt genannt. 1619/20 gab
es vier oder fünf jüdische Familien am Ort. Namentlich werden um 1629 die
Juden Isaak und Salomon erwähnt. Auch nach dem Dreißigjährigen Krieg, in dem
der Großteil der Einwohnerschaft von Eberstadt umgekommen ist, lebten wiederum
Juden am Ort. 1669 und 1680 wird ein Jude namens Jakob genannt. Am 16. Juli
1687 fand am Ort ein "Judenlandtag"
statt.
Im Laufe des 18. Jahrhunderts konnte sich eine selbständige jüdische Gemeinde
am Ort bilden. 1770 waren sechs jüdische Familien am Ort.
Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich im 19. Jahrhundert
wie folgt: 1824 29
jüdische Einwohner, 1828 66, 1861 Höchstzahl von 119 jüdischen
Gemeindegliedern (4,7 % von insgesamt 2.505 Einwohnern), 1880 90 (2,6 % von
3.485), 1905 95 (1,5 % von 6.386), 1910 99 (1,3 % von 7.442). Seit den
1870er-Jahren ist demnach die Zahl durch Aus- und Abwanderung langsam zurückgegangen, hielt
sich jedoch durch die Nähe zu Darmstadt auf gleichmäßigem Niveau.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde: eine Synagoge (s.u.) sowie
eine Religionsschule und ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden
auf dem jüdischen Friedhof in Alsbach beigesetzt. In der Gemeinde war
ein Vorbeter tätig, der zugleich als Religionslehrer und Schächter
tätig war (vgl. Ausschreibungstexte der Stelle unten). Die Gemeinde gehörte zum orthodoxen Rabbinat
Darmstadt II.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde
Hermann Joseph (geb. 12.11.1888 in Eberstadt, gef. 9.9.1914), Siegmund Samuel
Joseph (geb. 9.1.1882 in Eberstadt, gef. 14.4.1915), Willi Joseph (geb. 8.2.1887
in Eberstadt, gef. 28.8.1914) und Ludwig (Leo) Heyum (geb. 30.9.1894 in
Eberstadt, vor 1914 in Darmstadt wohnhaft, gef. 3.12.1914).
Um 1924, als noch 99 Personen zur jüdischen Gemeinde gehörten, war
Vorsteher Max Kahn. Auch 1932 wird er noch als Vorsteher genannt.
Nach 1933 ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder (1933: etwa 60 jüdische Einwohner) auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert, sodass 1939 nur noch 28
jüdische Einwohner in Eberstadt lebten. Zu schlimmen Szenen kam es im
Zusammenhang mit dem Novemberpogrom 1938. Den Gerichtsakten im
Nachkriegsprozess 1946 ist zu entnehmen: "Aus Mitgliedern der SA, der Partei
und der Hitlerjugend bildeten sich Trupps, denen sich Mitläufer anschlossen.
Diese Trupps drangen in die Wohnungen verschiedener Judenfamilien ein, stürzten
Möbelstücke um, beschädigten diese, zerstörten Einrichtungsgegenstände,
insbesondere solche aus Glas und Porzellan, warfen Wäsche aus den Fenstern in
die Höfe oder auf die Straße und schlugen teilweise die Juden. Insbesondere
wurden dabei die Familien Salomon Reinheimer Schlossgasse 7, Hermann Heyum
Pfungstädter Straße 19, Kiefer Kirchgasse 5, Ferdinand Reinheimer Pfungstädter
Straße 31 und Moses Heyum Pfungstädter Straße 33 heimgesucht." Nach der Verwüstung
der Wohnungen wurden die Juden in der Nähe des Mühltalbades in den Bach
getrieben und noch einmal misshandelt. Ferdinand Reinheimer starb am 24. Februar
1939 an den Folgen der Misshandlungen. Die letzten vier jüdischen Einwohner
wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert.
Von den in Eberstadt geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Therese
Bamberger (1858), Dora Baruch geb. Heyum (1871), Julius Gernsheimer (1885),
Jenny Haas geb. Reinheimer (1882), Bruno Heyum (1890), Elise (Else) Heyum
(1901), Elise Heyum (1908), Hermann Heyum (1871), Meyer Heyum (1865), Moses
Heyum (1867), Sophie Hofmann geb. Heyum (1869), Lilli Kahn geb. Heyum (1900),
Adolf Kiefer (1886), Selma Kiefer geb. Simon (1884), Hans Kiefer (1922), Hella
Landau geb. Reinheimer (1909), Babette Loeb (1869), Heinz Meyrowitz (1909),
Johanna Nathan (1875), Karoline Rauner geb. Simon (1863), Adolf Reinheimer
(1881), Marx (Max) Reinheimer (1872), Melanie Reinheimer geb. Harris (1880),
Hella Salomon geb. Reinheimer (1909), Josef Stern (1888), Clementine Strauss
geb. Gernsheimer (1877), Emanuel Zodick (1858).
Bitte beachten: auf Grund der Namensgleichheit der Orte Eberstadt bei
Darmstadt und Eberstadt bei Buchen kommt es
immer wieder - auch bei Yad Vashem - zu Verwechslungen bei der Zuordnung von
Namen.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Vorbeters / Religionslehrers / Schochet 1898,
1902 und
1904
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Juni 1898: "In hiesiger Gemeinde ist die
Stelle als Vorbeter, Religionslehrer und Schächter per 1. Juli neu zu
besetzen. Gehalt 500 Mark, sowie ca. 400 Mark Nebenverdienst und freie
Wohnung.
Geeignete Bewerber wollen ihre Gesuche nebst Zeugnisabschrift an den
Vorstand einsenden. Ledige Herren werden bevorzugt.
Eberstadt bei Darmstadt 5. Juni. Der Vorstand." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. August 1902:
"Die Stelle als Religionslehrer, Vorbeter und Schochet ist per
1. September in hiesiger Gemeinde neu zu besetzen. Gehalt 550 Mark nebst
ca. 400 Mark Nebenverdienst und freier Wohnung. Lediger Herr bevorzugt.
Gesuche nebst Zeugnisabschriften sind zu richten an den
1. Vorsteher, Max Kahn, Eberstadt bei Darmstadt." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Juni 1904: "Die Stelle als
Religionslehrer, Vorbeter und Schächter ist in hiesiger Gemeinde per 1.
September neu zu besetzen. Fester Gehalt Mark 800, sowie 3-400 Mark
Nebenverdienst bei freier Wohnung. Seminaristisch gebildete, ledige Herren
erhalten den Vorzug.
Eberstadt bei Darmstadt.
Der Vorstand der israelitischen Gemeinde: Max Kahn" |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Hilferuf für eine notleidende Familie durch Religionslehrer Stempel 1882
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. November 1882: "Aufruf
an unsere Glaubensbrüder!
Ich fühle mich veranlasst, die Herzen edler Glaubensgenossen wach zu
rufen und Nachstehendes zur weiteren Öffentlichkeit zu bringen.
Beim Hinscheiden unseres edlen Glaubensbruders L. in G., der allgemein als
ein frommer, ehrbarer Mann bekannt war, hinterließ er eine kranke,
gebrechliche, hochbetagte Witwe nebst einem taubstummen Sohn, welche von
Ernährung ihres Bruders und Sohnes abhingen. Auch dieser wurde eine Zeit
lang von Schicksalen und Krankheiten derart heimgesucht, dass er sein
rentabel betriebenes Geschäft aufgeben musste. Um nunmehr wieder ein
Geschäft anzufangen, wodurch die arme Familie erhalten werden kann, ist
die Hilfe unserer edlen Glaubensgenossen dringen notwendig und bitte
dieselben je nach Kräften dieser armen Familie entgegen zu kommen, da sie
sonst einem außergewöhnlich großen Elend preisgegeben ist.
Eberstadt bei Darmstadt, im Oktober 1882, Der israelitische
Religionslehrer Stempel.
Wir sind gern bereit, Gaben in Empfang zu nehmen und weiterzubefördern.
Die Expedition des 'Israelit'." |
Berichte zu einzelnen
Personen aus der Gemeinde
Zum Tod von Salomon Löw Joseph am 23. November 1891 (langjähriger
Gemeindevorstand, 31 Jahre Gemeinderatsmitglied der politischen Gemeinde)
Bericht
aus der Zeitschrift "Der Israelit" am 21. Dezember 1891: Eberstadt bei
Darmstadt. Am 22. Marcheschwan verstarb unser ältestes Chawera-
(Wohltätigkeitsvereins-) Mitglied und langjähriger Vereinsrechner, Herr
Salomon Löw Joseph in Eberstadt bei Darmstadt im Alter von 73 Jahren. Der
Verstorbene war im Sinne des Wortes ein (vorbildlicher) jüdischer Mann, er war
auch langjähriger Vorstand seiner israelitischen Gemeinde und gehörte etwa 31
Jahre der politischen Gemeinde Eberstadt als Gemeinderats-Mitglied an.
Er war nicht nur in seiner Gemeinde, sondern auch in der ganzen Umgebung bei
allen Konfessionen als eine hochgeachtete Persönlichkeit beliebt. Nachdem
bereits vor fünf Jahren seine edle Gattin das Zeitliche segnete - müssen
nunmehr auch seine beklagenswerten Kinder, den liebevollen und sorgsamen Vater
betrauern.
Jeder ohne Unterschied des Glaubens, konnte sich Rat und auch Trost bei ihm
holen. Die Art und Weise, wie er stets Wohltaten übte gegen Arme und
Bedürftige war allgemeint bekannt; auch in dieser Zeitung hat man öfters
seinen Namen bei Leistungen von Unterstützungen lesen können.
Vor seiner Beerdigung waren in und an dem Trauerhause fast alle Chawera-Mitglieder
(Mitglieder des Wohltätigkeitsvereins), die ganze jüdische Gemeinde - sowie
der ganze Ortsvorstand mit dem Bürgermeister an der Spitze und viele andere
Bürger und Freunde versammelt, um dem verstorbenen Freunde die letzte Ehre
erweisen zu können.
Herr Rabbiner Dr. Marx aus Darmstadt und Herr Instituts-Vorsteher Dr. Barnaß
aus Pfungstadt schilderten in schwungvollen Reden am Trauerhaus das Bild des
edlen Mitbruders, die uns den Verlust erst recht nahe legten.
Gebe Gott den Hinterbliebenen Trost. Mächte ihnen die Lauterkeit des teueren
Heimgegangenen beistehen und der Gedanke an ihren Vater, seine Kinder und Enkel
aneifern, ihm ähnlich zu werden, dass er in ihnen fortlebe und wirke. Z.M." |
Hugo Heyum wurde zum Leutnant befördert
(1916)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 30. Juni 1916:
"Berlin. Kurt Pfingst - Berlin, Referendar Kurz Rosenbaum, Christburg,
Erich Eliel, Richard Eliel, Rechtsanwalt Dr. Oscar Eliel - Köln und Hugo
Heyum - Eberstadt wurden zu Leutnants
befördert." |
Über die Wormser jüdische Familie
Eberstadt
Quelle: Familiengeschichte
"Eberstadt's in The Netherlands" by Drs Matthijs van der Velden (Stand:
April 2013): Nach dem Beitrag von Matthijs van der Velden gibt es in der
Welt eine große Eberstadt-Familie. Die meisten stammen ab von Löb (Joseph)
Moses Eberstadt, der um 1650-1705 in Worms lebte. Zwischen 1667 und 1679
lebte er zeitweise in Eberstadt auf der Flucht vor der in Worms
ausgebrochenen Pest. 1679 war Löb Eberstadt wieder in Worms im Haus "Zum
roten Löwen". Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts verzogen einige Teile
der Familie nach Nord- und Südamerika, nach Großbritannien oder in andere
Städte in Deutschland.
Weitere Angaben zur Geschichte der Familie Eberstadt in Worms von
Christof Eberstadt, Erlangen (mitgeteilt über Matthijs van der Velden am
24.11.2011): "Von welchem der Orte Eberstadt sich der Familienname herleitet, ist nicht konkret bekannt. Es spricht einiges dafür, dass es sich um das
Eberstadt bei Darmstadt handelte. Nach den Beobachtungen des Verfassers nämlich stammen die im 17. Jahrhundert nach Worms zugezogenen Judenfamilien überwiegend aus den im Rheintal und aus nicht zu weit von Worms entfernt liegenden Landen - z.B.
Durlach, Mannheim, Mainz, Wachenheim, Bacharach, Gernsheim, Frankfurt. Dass die Eberstadt aus
Eberstadt bei Buchen stammen sollen, wie dies seit Otto Eberstadt's Brief an das Stadtarchiv Worms in den 1970er Jahren immer wieder dargestellt wird, ist ganz klar eine Fehlinterpretation von ihm gewesen, die keinerlei Bestand haben kann. Leider geistert dieses Gerücht immer noch in allen möglichen Veröffentlichungen herum.
Die Umstände, die zu dem Zuzug nach Worms führten, sind im Dunkel verborgen. Die von Otto Eberstadt (London) in die Geschichte eingebrachte Jahreszahl 1679 mit der ersten Erwähnung eines Eberstadt in Worms bringt kein Licht in die Beantwortung dieser Frage. In jenem Jahr soll nach seiner Beschreibung ein Löw Eberstätter "Zum roten Löwen" in einem alten Gemeindedokument mit einer Steuerzahlung von 4 Gulden das erste Mal genannt worden sein. Solche Zahlungen wurden nur von Verheirateten erhoben, ledige volljährige Juden blieben davon ausgenommen. Es ist jedoch nicht sicher, ob man diese Jahreszahl wirklich als gültig akzeptieren kann, da das Dokument, in dem diese Zahlung erwähnt gewesen sein soll, verschollen sei. Wenn es überhaupt existiert hat (was ich angesichts der lt. Otto Eberstadt ihm von Samson Rothschild in Worms gegebenen Information allerdings für wahrscheinlich halte), dann ist es wohl bei der Zerstörung der Synagoge am 9. November 1938 zusammen mit dem
größten Teil des Wormser Gemeindearchivs verbrannt.
Die früheste heute noch existierende und eindeutige Erwähnung von "Leib Eberstat" ist die als Vater des am 17. Kislev 448 nach der kleinen Zählung (= 12. November 1687) in Worms gestorbenen Kindes ohne Namens- und ohne Geschlechtsangabe im so genannten "Grünen Buch" der Gemeinde Worms. In den Steuerlisten von Worms wird er zu dieser Zeit (um 1689) jedoch noch als "Löw Zum Rad" geführt, zusammen mit seinem ab 1677 genannten Vater "Joseph Zum Rad", der 1705 in Worms als "Joseph MAINZ Zum Rad" gestorben ist.
Im Jahr 1692 folgt die nächste Erwähnung als "Löw Eberstadt von Worms" in einer Steuerliste von Bockenheim bei Frankfurt und im Jahr 1697 wird die nicht mit Namen genannte Ehefrau des
"Lejb Eberstadt" in Frankfurt begraben.
Erst ab dem Jahre 1700 findet man Löb als "Löw Eberstatt Zum rothen Löwen" in Worms wieder, und ab diesem Jahr bleibt die Familie unter ihrem Namen in Worms bekannt. Seine zweite Ehefrau Mamel CANNSTATT und mehrere seiner Kinder werden bis weit in das 18. Jahrhundert in den Epitaphien von Worms immer wieder als Kinder des
"Löb oder Jehuda oder Elieser MAINZ" erwähnt.
Nach heutigen Erkenntnissen kommt die Familie aus dem Mannesstamm am ehesten aus dem Frankfurter Bereich (möglicherweise Bockenheim oder Eschbach) und ist wohl über Mainz in den 1670er Jahren nach Worms eingewandert. Über einen Zusammenhang mit den Wormser/Frankfurter OPPENHEIM lassen sich allenfalls Spekulationen anstellen (sie waren viele Jahre lang Bewohner der Häuser "Zum Rad" und "Zum roten Löwen" in Worms gewesen). Die Mutter des Löb Eberstadt,
Leiz, Tochter des Mosche ha-Levi, stammte aller Wahrscheinlichkeit nach aus Frankfurt.
Weshalb Löb den Namen EBERSTADT führte (und das ja bereits 1687!), ist nicht klar. Es ist möglich, dass er vor seinem Zuzug nach Worms eine Zeitlang in Eberstadt (bei Darmstadt) gelebt hatte, und vielleicht dort geheiratet hat. Es ist aber auch denkbar, dass die erste Ehefrau (und Mutter der später bekannten Kinder) aus Worms stammte, und er von Eberstadt dorthin umzog, aber das wird sich nicht mehr aufklären
lassen."
In den Niederlanden gab es auch eine Familie Eberstadt (Familie
von Carl August Eberstadt in Winterswijk), die (mit der Taufe von Jacob/Victor
Daniel E. 1821) zum Christentum konvertiert war. Carl August Eberstadt
(1829-1908) stammte allerdings aus Eberstadt
bei Buchen bzw. von Hilsbach (bei
Sinsheim). Carl August war der Sohn von Jacob Daniel Eberstadt (1790-1832) und
der Wilhelmina geb. Niebel aus Ründeroth. Jacob Daniel Eberstadt (Geburtsname:
Victor Daniel) war 1821 in Bornheim bei Frankfurt getauft worden. Seine Eltern
waren Friedrich Eberstadt (= Isaac Levi bzw. Moses Löb etwa 1750-1809) und
Elisabeth geb. Susmann aus
Hilsbach.
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige des Metzgermeisters Feist Reinheimer
(1902)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 18. Juni 1903: "Ein kräftiger
junger Mann kann bei mir die Metzgerei erlernen.
Feist Reinheimer,
Metzgermeister, Eberstadt bei Darmstadt." |
Sonstiges
Erinnerung an die Auswanderung im 19. Jahrhundert:
Grabstein für Dorotheka Joseph aus Eberstadt (1824-1897) und Joseph Joseph aus
Michelstadt in New York
Anmerkung: das Grab befindet sich in einem jüdischen Friedhof in
NY-Brooklyn.
Der Geburtsname von Dorothea Joseph wird nicht mitgeteilt.
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Grabstein für
"my beloved Wife and our dear Mother
Dorothea Joseph
Born in Eberstadt Darmstadt Germany December 28,
1824
Died June 10, 1897" und für
"our dear Father
Joseph Joseph
Born in Michelstadt
Darmstadt Germany May 20, 1830,
Died April 23, 1917". |
Zur Geschichte der Synagoge
Ein erster Betsaal dürfte bereits im 18. Jahrhundert
vorhanden gewesen sein. In den 1840er-Jahren erwarb die jüdische Gemeinde ein
älteres Haus und baute es zu einer Synagoge um.
Zum Synagogenbau erfährt die Gemeinde auch von
christlichen Dachdeckermeistern Unterstützung (1843)
Artikel
im "Intelligenzblatt für die Stadt Bern" vom 29. Mai
1843:"Mannigfaltiges. Die israelitische Gemeinde in
Eberstadt bei Darmstadt ist nicht so zahlreich und bemittelt, dass sie
die projektierte Neubaute ihrer Synagoge ganz aus eigenen Mitteln zu
bestreiten imstande ist. Zwei ihrer Mitglieder begaben sich daher letzthin
nach Frankfurt, um die Mildtätigkeit eines dortigen sehr reichen
Glaubensgenossen für den erwähnten Zweck in Anspruch zu nehmen. Mit 10
Thalern beschenkt, kehrten sie wieder nach Hause zurück, und in einem
Gasthause zu Darmstadt, wo sie vom Erfolge ihrer Mission sprachen,
erhielten sie sogleich von den beiden zufällig anwesenden
Dachdeckermeistern Weiler und Maaß die Zusicherung, dass sie mit
Vergnügen bereit seien, die zu der neuen Synagoge erforderliche
Dachdeckerarbeit unentgeltlich zu liefern, welches schön Anerbieten
natürlich mit dem größten Danke angenommen wurde. Weiler und Maaß
haben zwar keine gefüllten Geldsäcke dastehen, aber etwas, das in den
Augen der Humanität höher anzuschlagen ist, nämlich ein deutsches Herz,
welches selbst in dem Bekenner eines andern Glaubens stets den Menschen
und seine gesellschaftlichen Bedürfnisse
ehrt." |
1914/15 wurde eine neue
Synagoge erbaut; beim Bau entdeckte man auf dem Grundstück eine ältere
Synagoge, über deren Existenz man nichts mehr gewusst hatte. Sie wurde
damals zugeschüttet. Die neue Synagoge verfügte über 60 Plätze für Männer,
30 für Frauen.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge durch
Brandstiftung von SA-Leuten (Brigade Starkenburg, Standarte 115) zerstört.
Dieselbe Standarte hatte zuvor unter anderem die Synagogen in Darmstadt
zerstört.
An die zerstörte Synagoge erinnert eine Gedenkstätte an ihrem Standort (siehe
Fotos unten).
Adresse/Standort der Synagoge: Heidelberger Straße 13/an der
Modaubrücke.
Fotos
(Quelle: Historisches Foto aus Arnsberg Bilder S. 46; Farbfotos:
Hahn, Aufnahmedatum 18. Juni 2006)
Die 1914/15 erbaute Synagoge |
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Die Synagoge stand unmittelbar
an der
Modaubrücke |
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Synagogengrundstück
im Jahr 2006 |
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Die Gedenkstätte
mit Menora und Inschrift: "Hier stand die Synagoge der jüdischen
Gemeinde Eberstadt, errichtet in den Jahren 1914/15, zerstört am 9.
November 1938
in der Zeit des Naziregimes". |
Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
September 2016:
Verlegung von "Stolpersteinen" in
Darmstadt und Eberstadt |
Artikel von Miriam Gartlgruber in
echo-online.de
vom 8. September 2016: "Verjagt aus der Mitte ihrer Heimatstadt.
DARMSTADT - Zum Gedenken an jüdische Opfer verlegte der Künstler Gunter
Demnig am Mittwoch 23 neue Stolpersteine in
Darmstadt und Eberstadt...
KONTAKT. Die Broschüre zur Aktion 'Stolpersteine' gibt es kostenlos im
Bürgerberatungs- und Informationszentrum, Luisenplatz 5 a oder online auf
www.darmstadt.de/standort/stadtportraet/gedenkstaetten.
Interessenten, die eine Patenschaft für einen Stolperstein übernehmen
möchten, wenden sich an Bernhard Baum, Kulturamt, Telefon 06151-13 33 36.
E-Mail: bernhard.baum@darmstadt.de.
In Eberstadt wurden in der Pfungstädter Straße zehn weitere Steine
eingepflastert: vor dem ehemaligen Haus Nummer 19 für Karoline, Hermann und
Elise Heyum, vor der Nummer 23 für Julius und Rosalie Gernsheimer, in der
Pfungstädter Straße 31 für Max und Melli Reinheimer und in Gedenken an Eva
Paula, Elise und Moses Heyum vor der Hausnummer 33. Ins Leben gerufen hat
das Projekt 'Stolpersteine' der Kölner Bildhauer Gunter Demnig. Er will
damit an die Vertreibung und Vernichtung der Juden, Sinti und Roma,
politisch Verfolgten, Homosexuellen, Zeugen Jehovas und an die
Euthanasieopfer im Nationalsozialismus erinnern. Seit 2005 werden die
Gedenksteine unter Mithilfe des 'Arbeitskreis Stolpersteine' in Kooperation
mit dem Kulturamt auch hier verlegt. Stadträtin Iris Bachmann erklärte dazu:
'Die Stolpersteine sind eine Erinnerung an unsere jüdischen Mitbürger, die
in Darmstadt einmal ein reges Leben führten und zur kulturellen Vielfalt
unserer Zeit beigetragen haben.' In Darmstadt, Arheilgen und Eberstadt
liegen nun 289 Stolpersteine vor den ehemaligen Wohnstätten der Opfer. "
Link zum Artikel |
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März 2020:
Neue Publikation zur jüdischen
Geschichte in Eberstadt |
Artikel von Jens Joachim in der
"Frankfurter Rundschau" vom 27. März 2020: "Darmstadt: Die Geschichte der
Juden in Eberstadt
Michael Zimmermann beschreibt in seinem Buch, wie die jüdische Bevölkerung
im heutigen Darmstädter Stadtteil ausgegrenzt, integriert sowie letztlich
vertrieben und vernichtet wurde.
Für den evangelischen Pfarrer Wolfgang Weißgerber war vor 85 Jahren dieser
'heiter-frohe Frühlingstag' ein 'wundervolles Erlebnis' und unerwartetes
'Geschenk vom Himmel': Am 20. März 1935 hatte Adolf Hitler bei Lorsch die
Baustelle der Reichsautobahn Frankfurt-Mannheim besichtigt. Am Nachmittag
ließ sich Hitler auf der Reichsstraße 3 nach Darmstadt fahren. Auch im
einige Kilometer weiter südlich gelegenen Eberstadt hatte die NSDAP eifrig
die Information von der Durchfahrt des 'Führers' unter der Bevölkerung
verbreitet. Die Heidelberger Straße war mit Hakenkreuzfahnen geschmückt. Und
am Straßenrand schwenkten jubelnde Menschen Hakenkreuzfähnchen. Von dem
Ereignis, das der vom Nationalsozialismus ergriffene und linientreue
Eberstädter Pfarrer einen Monat später rückblickend in einem Artikel für das
von ihm herausgegebene 'Evangelische Gemeindeblatt für Eberstadt an der
Bergstraße' als 'Feiertag' verklärte, gibt es zwei kurz hintereinander
aufgenommene Amateurfotos.
Adolf Hitler wird vor der Synagoge in Eberstadt fotografiert. Auf
einem ist zu sehen, wie Hitler im Ledermantel im offenen Cabriolet steht und
seine rechte Hand zum Gruß hebt. Dass Hitler just in diesem Moment gerade an
der Eberstädter Synagoge vorbeifuhr, hatte ihm wohl zuvor niemand gesagt.
Drei Jahre später wurde beim Novemberpogrom 1938 auch jene 1914/15 an der
Modaubrücke errichtete Synagoge durch Brandstiftung von SA-Leuten zerstört.
Das historische Foto ist auch in einem Buch abgedruckt worden, in dem die
Geschichte der Juden im heutigen Darmstädter Stadtteil kenntnisreich
beschrieben wird. In dem von der in Eberstadt ansässigen Hans Erich und
Marie Elfriede Dotter-Stiftung herausgegebenen Buch geht es darum, wie die
jüdische Bevölkerung seit dem 16. Jahrhundert erst ausgegrenzt, dann
integriert und schließlich auf brutale Art und Weise vernichtet wurde. Der
Autor Michael Zimmermann hat sich bereits über viele Jahre mit dem Thema
beschäftigt. Für sein Buch hat Zimmermann auch jahrhundertealte Zeugnisse
ausgewertet und in etlichen Archiven in Darmstadt, Hessen und auch anderen
Bundesländern recherchiert. Aus dem Ausland wertete er zudem wichtige
Informationen des in Jerusalem ansässigen Zentralarchivs für die Geschichte
des jüdischen Volkes und der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem aus.
Darmstadt: Einzelporträts über die Juden in Eberstadt. Zimmermann
stellt vor allem die persönlichen Geschichten der Menschen jüdischen
Glaubens ins Zentrum seines Buchs, die er in 24 Familien- und Einzelporträts
schildert. Die Ausgrenzung und Vernichtung der Juden will er anhand dieser
Einzelschicksale verdeutlichen. Um deutlich zu machen, dass die jüdischen
Bewohner Eberstadts von 1933 nicht vergessen sind, werden 79 gleich zu
Beginn des Buchs mit ihren Namen, Geburtsdaten und ihrer Adresse genannt,
auch wenn es vielen von ihnen glücklicherweise gelang, rechtzeitig
auszuwandern oder zu fliehen."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I, 146-147. |
| ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. 46. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 54-55. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 37-39. |
| Robert Hess: Eberstadts jüdische Mitbürger.
Eberstadt 1982. Eberstädter Heimathefte Nr. 3. |
| Michael Zimmermann: Juden in Eberstadt -
Ausgrenzung. Integration. Vernichtung. Hrsg. von der Hans Erich und Marie
Elfriede Dotter Stiftung. 168 Seiten. Justus von Liebig Verlag Darmstadt.
2019. 15 €. ISBN-13: 978-3-87390-427-9.
Link zur Verlagsseite:
https://liebig-verlag.de/produkt/juden-in-eberstadt/ - von hier der
Text:
"Michael Zimmermann hat sich über viele Jahre mit dem Thema 'Juden in
Eberstadt' beschäftigt. Ergebnis seiner Forschungen ist dieses Buch, das die
Geschichte der Juden in Eberstadt differenziert und faktenreich ausleuchtet,
von jahrhundertealten Zeugnissen bis zum Ende der Eberstädter jüdischen
Bevölkerung im Dritten Reich. Dabei steht nicht die Einordnung in den
historisch-gesellschaftlichen Kontext im Zentrum, sondern die persönliche
Geschichte dieser Menschen, geschildert in 24 Familien- und Einzelporträts.
Zimmermann gelingt es so, die Geschichte von Ausgrenzung, Integration,
Vernichtung an den einzelnen Schicksalen zu verdeutlichen und die ehemaligen
jüdischen Bewohner Eberstadts dem Dunkel des Vergessens zu entreißen, auch
wenn es Vielen glücklicherweise gelang, rechtzeitig auszuwandern oder zu
fliehen". |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Eberstadt
Hesse. The community, numbering 119 (4,7 % of the total) in 1861, dedicated its
new synagogue in 1915. From 1929 Jews were targeted by local Nazis, who also
threatened Germans maintaining normal contact with them. Although the community
(which numbered 60 in 1933) disbanded in 1937, a murderous Nazi pogrom was
organized on Kristallnacht (9-10 November 1938). After stormtroopers from
Darmstaadt vandalized and then set fire to the synagogue, local SA troops and
Hitler Youth turned on the Jews, destroying homes, torturing chosen victims, and
killing two. Thirty-five Jews subsequently emigrated (to the United States or
Palestine) and about 12 perished in the Holocaust.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|