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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Hilsbach (Stadt Sinsheim, Rhein-Neckar-Kreis)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In
Hilsbach (bis Anfang 19. Jahrhundert Ort im kurpfälzischen Oberamt Mosbach) bestand eine kleine jüdische Gemeinde bis 1877. Ihre Entstehung geht
in die Zeit des 17. Jahrhundert zurück. Erstmals werden 1674 Juden am Ort
genannt. 1743 (Quelle: GLA Karlsruhe 77 Nr. 7257 fol. 114) werden folgende jüdische Einwohner
von Hilsbach aufgeführt (Schreibweise der Namen entsprechend den Akten): Moyses Salamon und Salamon Löw (beide
vermögend), Marx Aaron und Löw Salamon (beide mittelmäßig), Jud Baruch, Jud Hertzel und Jud Löw Hertz (alle drei unvermögend).
1772 gab es drei jüdische Familien am Ort (Hirsch, Baruch, Salomon).
Bis Anfang des 19. Jahrhunderts (1807) stieg die Zahl der jüdischen
Familien auf sechs. Sie bildeten mit den Juden in Richen,
Schluchtern, Sinsheim
und Steinsfurt eine Gemeinde. Es waren die
Familien des Isaak Herz, Herz Isaak, Löb Susmann, Herz Löb, Moises Herz und
Jakob Herz.
Aus dem Jahr 1809, als feste Familiennamen angenommen werden mussten,
liegen weitere Angaben über die jüdischen Familien vor:
- Isaak Herz (Schutzbrief seit 1776) war Vorsteher der Hilsbacher Judenschaft,
verheiratet mit Johanna (Hennle) geb. Susmann und den drei Kindern Joseph Ische,
Jakob und Margarethe; neuer Familienname: Gutherz.
- Löw Susmann (Schutzbrief seit 1786) war verheiratet mit Johanna (Jendel) geb.
Herzfeld und drei Kindern Elisabetha, Franziska und Moises Hirsch; neuer
Familienname: Hils;
- Jakob Herz (noch ohne Schutzbrief) war verheiratet mit Rosia geb. Kallmann und
den noch kleinen Kindern Feilche und David; neuer Familienname:
Kahn;
- Herz Isaak (Schutzbrief seit 1803) war verheiratet mit Judith geb. Mayer
und den gleichfalls noch kleinen Kindern Susmann und Barbara (Berle); neuer
Familienname: Geldersheimer (Göltersheimer);
- Moses (Moises) Herz (Schutzbrief seit 1807) war verheiratet mit Lore
geb. Hirsch und dem Sohn Herz; neuer Familienname: Steinsberger;
- Löw Joseph (ohne Schutzbrief) war verheiratet mit Esther geb. Mayer und
den Kindern Jakob und Golde; neuer Familienname: Traub.
- Besle, Witwe des Isaak (ohne Schutzbrief) mit den schon erwachsenen
Kindern Moises Isaak, Viktor, Elisabetha, Lorchen und Franziska; neuer
Familienname: Eberstatt bzw. Eberstadt (siehe Informationen zur
Familie unten);
- Marum (Martin) Herz (ohne Schutzbrief) war verheiratet mit Hanne geb.
Levy; neuer Familienname: Eberstatt.
Die
jüdischen Familien lebten vom Handel mit Vieh und Waren. Sie lebten fast alle
in armseligen Verhältnissen; die Hilsbacher jüdische Gemeinde war eine
der ärmsten in Baden. Mitte des 19. Jahrhunderts betrieb Josef Geldersheimer am
Ort eine Gemischtwarenhandlung; er war der einzige der gewerbetreibenden
jüdischen Familienväter, der es damals zu einem bescheidenen Vermögen brachte.
Andere Familien lebten damals von der Unterstützung.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen
Einwohner wie folgt: Höchstzahl um 1825 mit 46 Personen, 1832 32, 1836 23,
1839 24, 1857 26, 1864 25, 1871 18, 1875 14, 1880 / 1885 / 1890 je acht, 1895
sechs, 1900 vier, 1905 drei, 1910 eins, 1925 / 33 keine jüdischen Einwohner
mehr.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde einen Betraum (Synagoge,
s.u.) und ein rituelles Bad. Auch dürfte zeitweise ein Raum für den
Religionsunterricht der Kinder vorhanden gewesen sein (nach mündlicher
Überlieferung im früheren Hinterhaus des Gebäudes Mettengasse 12). Nur
vorübergehend war um 1820 ein eigener jüdischer Lehrer vorhanden (bis 1821 ein
namentlich nicht bekannter Lehrer, 1822 einige Monate Lehrer Joseph Wolf Hähnle
aus Lehrensteinsfeld).
Eine der letzten jüdischen Familien am Ort war die Familie des Nathan Maier und
seiner Frau Fanny geb. Wolf. Drei Söhne des Ehepaares wurden im Oktober 1940
aus unterschiedlichen Städten nach Gurs deportiert und sind wenig später
umgekommen (Bertold, Emil und Jakob Maier wurden in Auschwitz
ermordet).
Nach der Auflösung der
Gemeinde im Jahr 1877 (siehe unten) gehörten die noch verbliebenen jüdischen Einwohner zur
Synagogengemeinde Weiler (1895 genannt),
spätestens seit 1904 zur Synagogengemeinde Sinsheim.
Von den in Hilsbach geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"):
Berthold Maier (1877, später in Lahr wohnhaft, für ihn wurde 2015 ein
"Stolperstein" in Lahr verlegt), Emil Maier (1883, später in
Mannheim wohnhaft) und Jakob Maier (1880, später in
Offenburg
wohnhaft).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
In jüdischen Periodika des 19./20.
Jahrhunderts wurden zur jüdischen Geschichte in Hilsbach noch keine
Bericht gefunden. |
Zum 70. Geburtstag des in Hilsbach geborenen Moses
Flegenheimer (1932 in Stuttgart, wo er 1939 starb)
Anmerkung: Moses Flegenheimer ist am 30. Mai 1862 in Hilsbach als Sohn
von Joseph Flegenheimer und der Karoline geb. Prager geboren. Einige Zeit lebte
er mit seiner Familie in Schwäbisch Hall, später in Stuttgart, wo er als
Kaufmann tätig war (Inhaber der Fa. Flegenheimer & Meier, Getreide- und
Mehlgroßhandel und der Fa. Georg Katz, Preßhefe- und Spritfabrik T. Munz &
Co.). Zeitweise war er Präsident der Stuttgarter Warenbörse. Er war
verheiratet mit Emma geb. Löwenthal (geb. 16. März 1870, gest. 2. Mai 1932;
die 1889 geborene Tochter wurde 1944 im KZ Auschwitz ermordet). Er starb am 29.
Oktober 1939 in Stuttgart und wurde im Israelitischen Teil des Pragfriedhofes
beigesetzt (Hahn S. 68).
vgl. http://www.geni.com/people/Moses-Flegenheimer/6000000018076232332
Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 1. Juni 1932:
Zum Lesen bitte Textabbildung anklicken. |
Erinnerungen
an die in Hilsbach geborenen Söhne der Familie Maier
Gedenkblätter aus
der
Gedenkstätte Yad Vashem
Jerusalem
(Website) |
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Zwei
Gedenkblätter für Jakob Maier |
Gedenkblatt für Berthold
Maier |
Über
die jüdische (später teils christliche) Familie Eberstadt
Vorbemerkung und Hinweis: Nach der Familiengeschichte
"Eberstadt's in The Netherlands" by Drs Matthijs van der Velden (Stand:
April 2013) gibt es in der
Welt eine weit verzweigte Eberstadt-Familie. Viele stammen ab von Löb (Joseph)
Moses Eberstadt, der um 1650-1705 in Worms lebte. Zwischen 1667 und 1679
lebte er nach einer Familientradition zeitweise in Eberstadt bei
Darmstadt auf der Flucht vor der in Worms ausgebrochenen Pest. 1679 war Löb
Eberstadt wieder in Worms im Haus "Zum roten Löwen". Seit der Mitte
des 19. Jahrhunderts verzogen einige Teile der Familie nach Nord- und
Südamerika, nach Großbritannien oder in andere Städte in Deutschland. Weitere
Informationen zur Wormser Familie Eberstadt auf der Seite zu Eberstadt
bei Darmstadt.
In den Niederlanden gab es auch eine Familie Eberstadt (Familie
von Carl August Eberstadt in Winterswijk), die (mit der Taufe von Jacob/Victor
Daniel E. 1821) zum Christentum konvertiert war. Carl August Eberstadt
(1829-1908) stammte allerdings aus Eberstadt
bei Buchen bzw. von Hilsbach. Carl August war der Sohn von Jacob
Daniel Eberstadt (1790-1832) und der Wilhelmina geb. Niebel aus Ründeroth. Jacob
Daniel Eberstadt (Geburtsname: Victor Daniel) war 1821 in Bornheim bei Frankfurt
getauft worden. Seine Eltern waren Friedrich Eberstadt (= Isaac Levi bzw. Moses
Löb etwa 1750-1809) und Elisabeth geb. Susmann aus Hilsbach.
Zwei Dokumente aus
der
Geschichte der Familie Eberstadt
(erhalten von M. van der Velden) |
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Oben: Eintragungen in
den
Kirchenbüchern von Hilsbach
über die Familie Susmann - Eberstadt
in Hilsbach |
Rechts: Anna
Berendina geb. Eberstadt
(1863-1939; Tochter des o.g. Carl August
Eberstadt), die mit Reverend
Jan Dirk van der Velden (1859-1947)
verheiratet war |
Dem Carl August Eberstadt und
seiner Familie
wurde 1854 in den Niederlanden die
Entlassung aus dem Preußischen
Untertanen-Verband bescheinigt |
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Weitere Spuren der
jüdischen Geschichte
Der "Judenpfad"
Über die Gemarkung von Hilsbach führte ein "Judenpfad", der seit
1627 mehrfach genannt wird (1683, 1714, 1777). Dabei handelt es sich um einen
Fußweg von Weiler nach Adelshofen, der vermutlich von jüdischen Händlern
benutzt wurde. Möglicherweise bestand auch ein Zusammenhang mit dem östlich
von Adelshofen gelegenen "Judenkirchhof" (vermutlich abgegangener
jüdischer Friedhof, als Flurname erhalten). Der genaue Verlauf des
"Judenpfades" lässt sich nicht mehr feststellen.
Zur Geschichte des Betsaals/der Synagoge und weiterer Einrichtungen
Vor der Einrichtung einer Synagoge
in Hilsbach 1814 wurden die Gottesdienste teilweise in der Synagoge von Weiler
gehalten, teilweise im Haus des Vorstehers Isaak Gutherz in Hilsbach. Dieser
besaß seit 1776 einen Schutzbrief in Hilsbach. Wann er in seinem Haus einen
Betsaal eingerichtet hat, ist nicht bekannt.
1813 plante die jüdische Gemeinde den Kauf eines Teils des
einstöckigen Wohnhauses der Witwe von Marum Herz Hilsbach in der Mettengasse
oberhalb der Wette (Lagebuch Nr. 377). Im Dachgeschoss sollte der Betsaal, im
Keller ein rituelles Bad eingerichtet werden. Der Kaufpreis des Dachgeschosses
sollte 160 Gulden, der des Kellers 50 bis 60 Gulden betragen. Für den Umbau
veranschlagte man 130 Gulden. Nach dem Kaufvertrag verpflichtete sich die Witwe
Hilsbach, auch den Rest des Hauses an die jüdische Gemeinde zu verkaufen, falls
diese ihn benötigen sollte und sie ihre Wohnung entbehren könnte. Der
Kaufpreis wurde auf die Gemeindeglieder – je nach ihrer Vermögenslage –
umgelegt. Je nach Höhe der eingebrachten Summe bekam man einen vorderen oder
einen hinteren Platz in der Synagoge. Am 20. März 1814 genehmigte das
Direktorium des Neckarkreises den Kauf, die Finanzierung und den Bauplan, den
Werkmeister Karl Trunzer gezeichnet hatte. Das schmale Häuschen oberhalb der Ölmühle
erhielt im Erdgeschoss zwei Eingänge, einen zur Wohnung, einen zum
Dachgeschoss. Der Betsaal der Männer wurde in einer Größe von 19 Fuß auf 16
Fuß (5,7 m auf 4,8 m) eingerichtet. Eine Stiege führte auf die schmale Empore
mit der "Weiber Synagoge" in einer Größe von 5,5 Fuß auf 16 Fuß
(1,65 m auf 4,8 m). Die Kosten für den Umbau des Hauses erhöhten sich auf 231
Gulden. Über die Inneneinrichtung der Synagoge gibt das Inserat bei der
Versteigerung des Inventars von 1878 Auskunft. Demnach waren mindestens elf
Ständer (Betpulte) im Betsaal der Männer vorhanden, eine Torarolle in einem
vermutlich sehr einfachen Toraschrank, ein Schofar ("Posaune"), zwei
"Tragleuchter" (vermutlich Chanukkaleuchter, Menora), zwei Kronleuchter
und 3 blecherne Wandleuchter, sieben Vorhänge.
Nach 1845 wurde das Frauenbad im Synagogengebäude
renoviert, wobei es zu einer längeren Auseinandersetzung mit Ölmüller
Heinrich Huber kam, der das Quellwasser an der Wette plötzlich für sich allein
beanspruchte. Durch Vermittlung der Behörden konnte eine Einigung gefunden
werden. Huber überließ das Wasser abends zwischen 19 und 20 Uhr für die
Zuleitung zum rituellen Bad, wofür ihm jährlich 2 Gulden 24 Kreuzer bezahlt
wurden. 1851 wurde im Ankleidezimmer neben dem Baderaum ein Ofen aufgestellt.
Auch 1858 waren Reparaturarbeiten am rituellen Bad nötig.
Bereits seit den 1840er Jahren ging die Zahl der in sehr
armen Verhältnissen lebenden jüdischen Familien in Hilsbach durch Abwanderung
zurück. Nachdem in den 1870er Jahren vermutlich schon keine Gottesdienste mehr
gefeiert werden konnten, regte der Großherzogliche Oberrat der Israeliten in
Karlsruhe 1877 die Auflösung der Gemeinde an. Nach Befragung der noch in
Hilsbach lebenden Gemeindemitglieder wurde die Gemeinde Ende November 1877
aufgelöst. Die Synagoge wurde versteigert, wobei zur Auflage gemacht wurde,
dass sie nicht als Stall genutzt werden durfte. Für 700 Mark wurde das Gebäude
verkauft, das Inventar für 96 Mark einschließlich der rituellen Gegenstände.
Die Torarolle ging an Joseph Geldersheimer in Bruchsal, der aus Hilsbach
stammte.
Wie
lange das Synagogengebäude noch stand, ist nicht bekannt. 1885 wird im
Lagerbuch der Stadt unter der Parzellennummer 377 eine Hofreite mit Hausgarten
beschrieben. Das Areal, auf dem verschiedene Gebäude standen, gehörte
inzwischen dem Landwirt Johann Georg Holzwarth. Vermutlich hat bereits er an der
Stelle der Synagoge eine zweistöckige Scheune errichtet.
Fotos / Pläne
Historische Fotos / Pläne
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 281.287. |
| Leopold Löwenstein: Geschichte der Juden in der Kurpfalz. 1895 S.
91.180.300. |
| Franz Gehrig: Hilsbach. Chronik der höchstgelegenen Stadt im
Kraichgau. 1979. S.164.227. |
| Meinhold Lurz: Hilsbach. Von der kurpfälzischen Amtsstadt zum
Stadtteil von Sinsheim. Sinsheim 1997 (hierin Abschnitt: Die jüdische
Kultusgemeinde S. 178-184). |
Quellenhinweis:
| Im Generallandesarchiv Karlsruhe finden sich die Standesbücher von Hilsbach,
die folgenden Inhalt und Zeitraum umfassen:
390 Nr. 4752 evangelische und israelitische Gemeinde 1800-1840
390 Nr. 4753 evangelische und israelitische Gemeinde 1841-1865
390 Nr. 4753 evangelische und israelitische Gemeinde 1866-1870
390 Nr. 4755 evangelische, katholische und israelitische Gemeinde 1870-1875
Im Bestand 377/ Bezirksamt Sinsheim gibt es eine ganze Reihe Akten über die
Juden in Hilsbach. Um Judenschutzgelder geht es vor allem in den Akten 377 Nr. 24 und Nr. 34 für die Jahre 1810 bis 1847 aber auch anderen. Es gibt
außerdem Akten über die Aufhebung der Abgaben. Bei kursorischer Durchsicht
der Findbücher konnten zu Eberstadt keine Akten über Judenschutzgelder ermittelt werden.
(Auskunft des GLA Karlsruhe vom 7. September 2011 an Matthijs van der
Velden). |
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