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Bad Frankenhausen (Kyffhäuserkreis)
Jüdische Geschichte / Betraum
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Frankenhausen lebten Juden bereits im 14. Jahrhundert (erstmals
1303 genannt). Von den Verfolgungen in der Pestzeit waren auch die
Juden in Frankenhausen betroffen (1349). Die jüdische Ansiedlung war in der
Nähe der Oberkirche in der Oberstadt. Hier lag die noch zu Beginn des 19.
Jahrhunderts genannte "Judengasse".
Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert werden vereinzelt Juden in der Stadt
genannt (Belege liegen vor aus den Jahren 1524 bis 1536, 1580 bis 1586, 1614,
1729 bis 1733 und 1735).
Seit 1813 konnten sich - zunächst nur einzelne - jüdische Personen in der Stadt niederlassen.
Als erster wird Salomon Schönland aus Posen
genannt, der sich während der napoleonischen Kriege als Dolmetscher für die
Stadtverwaltung verdient gemacht hatte. Er erhielt die Bürgerrechte in der
Stadt. Zwischen 1845 und 1847 erhielten weitere - seit 1830 u.a. aus Immenrode
zugezogene - jüdische Personen die Bürgerrechte: Abraham
Rosenstern, Calmann Wahl, Coppel Levi und Marcus David, die inzwischen mit ihren
Familien in Frankenhausen wohnten. 1855 wurde
offiziell eine jüdische Gemeinde begründet: in diesem Jahr wurden von der Regierung die
Gemeindestatuten bestätigt (siehe Bericht unten von
1855).
Die Zahl der jüdischen Einwohner blieb im 19./20. Jahrhundert gering:
1864 wurden 32 jüdische Einwohner in Bad Frankenhausen gezählt. 1913 waren es
21 jüdische Einwohner in Frankenhausen. Dazu kam eine Person in Esperstedt.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde einen Betraum (s.u.) und
einen Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war vermutlich zeitweise ein
Lehrer beziehungsweise nach 1855 einige Zeit sogar ein Rabbiner (Dr. Philipp
Heidenheim s.u.) von der Gemeinde beauftragt.
Aus der Zeit des 20. Jahrhunderts bis nach 1933 liegen nur wenige
Mitteilungen zur jüdischen Geschichte vor Ort vor. Über einen Vortrag in der
Gemeinde 1925 zu damals aktuellen zionistischen Fragen siehe den Bericht
unten.
Nach 1933 ist ein Teil der jüdischen Einwohner der Stadt auf Grund der
Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien ausgewandert oder aus der Stadt verzogen. Prof. Dr. Sigismund
Huppert, Direktor des Polytechnischen Instituts Frankenhausen und seine Frau
Gisela zogen zunächst nach Berlin und emigrierten dann nach Schweden. Der
Kaufmann Leo Klippstein (Erfurter Straße 8) emigrierte nach 1936 mit Frau und
Tochter nach Belgien. Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Belgien wurde die
Tochter Ursel in einem Kloster versteckt; die Eltern wurden 1943 deportiert,
konnten jedoch überleben. Franziska Mannheimer geb. Heilbrunn und Gertrud
Cohnhoff geb. David sind nach Hannover verzogen und wurden nach der Deportation im KZ Riga ermordet,
Frau Cohnhoff überlebte das KZ Theresienstadt.
Am 19. September 1942 wurden Sophie Ikenberg geb. Funk, ihr Sohn Ernst
sowie Therese Deichmann geb. Schönland aus ihren Wohnungen geholt und über
Weimar in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Die 84-jährige Frau Deichmann
starb wenige Tage nach der Ankunft. Sophie Ikenberg lebte noch bis zum 7. Januar
1943. Ernst Ikenberg wurde 1944 im KZ Auschwitz
ermordet.
Von den in Bad Frankenhausen geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Therese Deichmann geb.
Schönland (1858), Ernst Ikenberg (1901), Sophie Ikenberg geb. Funk (1876),
Franziska Mannheimer geb. Heilbrunn (geb. ?).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet
1852
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 19. Juli 1852:
"Zur gefälligen Beachtung.
Unter annehmbaren Bedingungen ist in unserer kleinen israelitischen
Gemeinde die Stelle eines Schächters und Religionslehrers vakant. Die
Stelle kann sofort oder bis zum 1. September dieses Jahres angetreten
werden und wollen sich die sich dazu Qualifizierenden an den
unterzeichneten Vorstand franko melden, wonach die Bedingungen zu ersehen
sind. Frankenhausen in Thüringen, im Juli 1852.
Der Vorstand. E. Wahl jun." |
Amtseinführung von Rabbiner Dr. Philipp
Heidenheim (1855)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. Januar 1855:
"Frankenhausen (Thüringen), im Dezember (1855). Unsere
Staatsregierung hat unsere Gemeindestatuten bestätigt und uns demgemäss
in der Person des Herrn Rabbiner Ph. Heidenheim - Oberlehrer der
fürstlichen Realschule zu Sondershausen - einen würdigen und wackeren
Geistlichen eingesetzt. Der von uns allen hochgeschätzte Herr Rabbiner
hielt demnach am 9. Dezember dieses Jahres, nachdem er am Tage zuvor
amtlich verpflichtet worden, im Beisein vieler respektiver Zuhörer,
namentlich auch evangelischer Konfession, in unserer Synagoge seine
Antrittspredigt, in welcher er den Beruf des jüdischen Geistlichen im
Judentum, verbunden mit den Hauptprinzipien des Mosaismus, trefflich
entwickelte (1. Mose 35,10). Der Eindruck, den die ganze Feier überhaupt,
verbunden mit Choralgesang und neuer Einrichtung des Gottesdienstes, auf
Herz und Gemüt der Zuhörer hinterlassen, ist nicht zu schildern, und
lange noch wird uns diese erhebende Feier im Geiste vorschweben. Möge der
Allmächtige seinen reichen Segen dem neugeschlossenen Bunde spenden! -
Frieden den Nahen und den Fernen! - S.W." |
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Zur Person von Rabbiner Dr. Philipp
Heidenheim (Quelle: Biographisches Handbuch der Rabbiner, hrsg. von M.
Brocke und J. Carlebach Teil 1 Bd. 1 S. 418): Philipp Heidenheim
(geb. 1814 in Bleicherode, gest. 1906 in Sondershausen) schloss eine
Ausbildung zum Lehrer mit dem Lehrerexamen 1835 in Erfurt ab. Seit 1837
war er als Prediger und Schuldirektor in Sondershausen tätig. Seine
privaten rabbinischen Studien konnte er 1845 mit einer rabbinischen
Prüfung und Ordination in Schönlanke (Trzcianka) abschließen. Darauf
wurde er zum Landesrabbiner in Schwarzburg-Sondershausen und Schwarzburg
Rudolstadt mit Sitz in Sondershausen ernannt. Er unterrichtete an der
Realschule in Sondershausen; 1881 wurde er zum Professor
ernannt. |
Aus dem Gemeinde- und Vereinsleben
Veranstaltung zu zionistischen Fragen (1925)
Artikel
in der "Jüdischen Rundschau" vom 2. Januar 1925: "Frankenhausen
(Kyffh.). Am 1. Dezember dieses Jahres fand hier unter Leitung des Herrn
Dr. Gomelski eine Diskussion statt, bei welcher die aktuellen
zionistischen Fragen erörtert wurden. Die von Dr. Gomelski gewählte Form
des Kollegiums dürfte sich für Studentenkreise am besten
eignen." |
Zu einzelnen Personen in der Gemeinde
Über Prof. Sigismund (Sigmund) Huppert
(1871-1945)
Prof. Sigismund Huppert (geb. 1871
in Koschatka, gest. 1945 in Stockholm)
lebte von 1902 bis 1931 in Frankenhausen. Er war Direktor des
"Kyffhäuser Technikum - Polytechnisches Institut". 1905 führte
er am Technikum ein Studienfach zur Ausbildung von Ingenieuren und
Technikern für Landwirtschaftsmaschinenbau ein. 1908 begann er mit
Vorlesungen im Fach Flugzeugkonstruktionslehre. Beides war damals ein
Novum in Deutschland. Er lebte mit seiner Familie in der Klosterstraße 15
in Frankenhausen. Der thüringische Innen- und Volksbildungsminister Dr.
Wilhelm Frick (NSDAP) erzwang bereits Ende März 1931 das Ausscheiden von
Prof. Huppert aus dem Technikum. Das Ehepaar verzog nach Berlin und
emigrierte von dort nach Schweden, wo beide im Herbst 1945 verstorben
sind. |
Sigmund Huppert war verheiratet mit Gisela
geb. Steinberger, die 1877 in Würzburg als Tochter des jüdischen
Weingroßhändlers und Weingutsbesitzers Moritz Steinberger und der Klara
geb. Ehrenberger geboren ist (weiteres zur Familie bei R. Strätz:
Biographisches Handbuch Würzburger Juden. Bd. II S. 583). |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Todesanzeige von Regine Schönland geb. Rosenbaum
(1928)
Anzeige
in der "CV-Zeitung" (Zeitung des Central-Vereins) vom 5. Oktober
1928: "Am 24. September verschied plötzlich und unerwartet am
Herzschlag unsere geliebte Mutter, Schwiegermutter, Großmutter, liebe
Schwester, Schwägerin und Tante
Frau Regine Schönland geb. Rosenbaum im 53. Lebensjahr.
Im Namen der trauernden Hinterbliebenen:
Max Redelmaier und Frau Henny geb. Schönland. Leo Stern und Frau
Erna geb. Schönland.
Frankenhausen (Kyffh.), 26. September 1928. Sondershausen
in Thüringen, Geseke in Westfalen." |
Zur Geschichte der Synagoge
Bereits vor 1833 wurden Gottesdienste in jüdischen Wohnungen
abgehalten. Seit 1833 wurde ein Betraum in einem Gebäude in der Schmiedegasse
(heute Erfurter Strauße), dann im Gebäude Bornstraße 63 (ehemals Borngasse)
angemietet. Der Kauf eines Hauses zur Einrichtung eines Betsaales war noch nicht
gestattet worden. Wie lange auf Grund der zurückgehenden Zahl der jüdischen
Einwohner in der Stadt der Betsaal für die Abhaltung von Gottesdiensten genutzt
wurde, ist nicht bekannt.
Adresse/Standort des jüdischen Betraumes: zeitweise
Bornstraße
63
Fotos
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 30.6.2011)
Erinnerungen an die
jüdische Geschichte |
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Gebäude Bornstraße 63
(Mitte), in dem
sich zeitweise eine jüdische
Betstube befand |
Gebäude
Klosterstraße 15 - ehemaliges
Wohnhaus von Prof. Siegmund Huppert,
Direktor des "Kyffhäuser Technikums -
Polytechnisches Institut" |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - Einzelne Berichte
November 2015:
Gedenken zum Jahrestag der Pogromnacht 1938 |
Artikel von Peter Zimmer in den
"Kyffhäuser Nachrichten" vom 19. November 2015: "Gedenken zum 77. Jahrestag der Reichspogromnacht
Etwa 30 Einwohner der Stadt Bad Frankenhausen folgten der Einladung der evangelischen
Kirchengemeinde und der Stadtverwaltung zu einer Stunde der Besinnung auf den jüdischen Friedhof. Dazu ein Bericht, der kn aus Bad Frankenhausen erreichte..."
Link
zum Artikel (mit Fotos) |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,1 S. 238.
|
| Israel Schwierz: Zeugnisse jüdischer Vergangenheit
in Thüringen. Eine Dokumentation - erstellt unter Mitarbeit von Johannes
Mötsch. Hg. von der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen ( www.lzt.thueringen.de)
2007. Zum Download
der Dokumentation (interner Link) S. 55-58. |
| Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des
Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Band 8 Thüringen. Frankfurt 2003. S.
166-168. |
| Ulrich Hahnemann: Prof. Ing. Sigmund Israel Huppert
- ein jüdischer Hochschuldozent zwischen Lehre und Antisemitismus in den
Jahren 1902-1931. Diplomarbeit zur Erlangung des Grades eines Diplom-Archivars
(FH), eingereicht an der Fachhochschule Potsdam - Fachbereich
Informationswissenschaften - Studiengang Archiv. 2007. Die
Arbeit ist online einsehbar (als
pdf-Datei). |
n.e.
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