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"Synagogen im Kreis Groß-Gerau"
Geinsheim am
Rhein (Gemeinde
Trebur, Kreis Groß-Gerau)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Geinsheim bestand eine kleine jüdische
Gemeinde im 19. Jahrhundert. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18.
Jahrhunderts zurück. Bereits im 15./16. Jahrhundert lebten einige Juden am
Ort (vgl. unten die Erzählung von einem Besuch des Rabbi Josel von Rosheim in
Geinsheim).
Im 18. Jahrhundert herrschten offenbar sehr armselige Zustände, da die
jüdischen Familien den Steuerforderungen nicht nachkommen konnte. Der
Landjudentag in Groß-Gerau musste sich mehrfach mit der Problematik befassen.
1752 wurde gegen die Geinsheimer Judenschaft gar ein Bann von acht Tagen
ausgesprochen. 1764 wurde freilich beschlossen, dass die Geinsheimer Juden nur
noch die Hälfte der Steuern bezahlen müssen.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie
folgt: 1857 58 jüdische Einwohner, 1882 47 (5,18 % von insgesamt 915
Einwohnern), 1905 23 (2,18 % von 1.058), 1933 15.
An Einrichtungen bestanden zeitweise im 19. Jahrhundert eine Synagoge (s.u.),
eine Religionsschule und ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden auf
dem jüdischen Friedhof in Groß-Gerau beigesetzt (an Gräbern sind dort
erhalten u.a. von Elias Mai gest. 1876, Elias May II gest. 1898, Bettche May
geb. Neu gest. 1909, Malchen Goldschmidt geb. Selig gest. 1913, Cäcilie May
geb. Braun gest. 1930, Max Kahn gest. 1934, Irma Kahn gest. 1907, Linda Kahn
gest. 1905).
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Emil May.
1933 gab es noch drei jüdische Familien am Ort: Familie Siegmund Kahn mit
einer Eisenwarenhandlung, Familie Max Kahn, Familie Albert Kaufmann. Am 30.
März 1933 (Vorabend des reichsweiten Boykotttages) wurden bei Familie Max Kahn
sämtliche Fenster des Wohnhauses zertrümmert. Er starb am 22. Januar 1934. Bei
seiner Beerdigung auf dem jüdischen Friedhof in Groß-Gerau wurden die
Fahrzeugreifen der Trauergäste durchstochen. Noch im Lauf des Jahres 1934
verließen auf Grund des ständigen Terrors durch die örtlichen SA-Leute alle
jüdischen Personen Geinsheim. Damals rühmte sich Geinsheim als erster Ort des
Kreises "judenfrei" zu sein.
Von den in Geinsheim geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Rosalie Fuchs geb. Kahn (1873), Auguste
Grünewald
geb. May (1883), Hermine Kahn geb. May (1875), Josef Kahn (1861), Siegmund Kahn
(1882), Simon Kahn (1894), Albert Kaufmann (1884), Hedwig Kaufmann geb. May
(1896), Hermine Maier geb. Marx (1871), Mathilde Marx (1873), Johanna Rothschild
geb. Marx (1868), Thekla Samuel geb. Hene (1882), Siegmund Strauß (1869).
Hinweis: eine jüdische Gemeinde gab es auch in Geinsheim
(Stadt Neustadt an der Weinstraße).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Historischer Roman zu Rabbi Joselmann: "Rabbi Joselmann von Rosheim
- Eine historische Erzählung" aus Teil VI (abgedruckt 1878):
Über den Aufenthalt von Rabbi Joselmann in Geinsheim um
1520/30
Aus
dem in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. August 1878
abgedruckten Abschnitt der Erzählung: "...Das Pferd war bald
gesattelt; Rabbi Joselmann bestieg es, um nach Aschaffenburg zu
reiten.
Heutzutage führt uns der Courierzug in anderthalb Stunden von Mainz nach
Aschaffenburg; damals war's eine lange Reise. Es war schon spät am
Nachmittage, die Bäume waren bereits lang gedehnte Schatten. Rabbi
Joselmann ritt rheinaufwärts, bis er an die fliegende Brücke zwischen
Nierstein und Oppenheim kam; dort ließ er sich über den Rhein setzen.
Noch eine halbe Stunde ritt er landeinwärts; da begann die Nacht sich
hernieder zu senken. Rabbi Joselmann hielt sein Pferd an in der Nähe
eines Dorfes und fragte einen des Weges kommenden Landmann:
'Wie heißt dieses Dorf?' 'Geinsheim.'
Wohnen Juden daselbst?' 'Gewiss'.
'So führt mich zu dem Vorsteher der Judengemeinde.'
Der Bauer tat also, und Rabbi Joselmann fand eine freundliche Aufnahme. Es
war gerade Zeit, in die Synagoge zu gehen zum Abendgebete.
Nach dem Gebete kehrte Rabbi Joselmann in das Haus des Vorstehers zurück,
wo man ihm ein einfaches Mahl, Milchsuppe und Brot, vorsetzte. Aber es
schmeckte dem Hungrigen köstlich. Er hatte für den Tag einen Fasttag
gelobt, damit Gott sein Werk gelingen lasse, und aß nun mit gedoppeltem
Appetit.
Nachdem Rabbi Joselmann seinen Hunger gestillt hatte, bat er um ein
hebräisches Buch, damit er den Tag mit dem Studium der Gotteslehre
beschließe. Da brachte man ihm ein prachtvolles, auf Pergament
geschriebenes Pentateuch-Exemplar, das außer dem heiligen Urtext die
chaldäische Übersetzung des Onkelos, die große und kleine Massora und
einen außerordentlich korrekt geschriebenen Raschi-Kommentar enthielt (Anmerkung:
Die Trümmer dieses prachtvollen Pentateuch-Exemplars, bei einem Brande
sehr lädiert und halb verkohlt, habe ich vor zwei Jahren auf dem
Bodenraum der Synagoge zu Geinsheim entdeckt; ich habe die wenigen
Überreste Herr Dr. Bär zu Mosbach-Biebrich
zur Verwertung für seine Spezialwissenschaft, die Massorah, übergeben).
Als Rabbi Joselmann das schöne, wertvolle Werk erblickte, stand er auf,
hob seine Hände gen Himmel und sprach:
'Gelobt sei Gott, der seine Liebe und Gnade dem Haus Israels nimmer
entzieht! Niemals wird der Meschummod in solch entlegene Dörfer dringen,
um Jakob seiner größten Schätze zu berauben.
Dann las er eifrig in dem Raschi-Kommentar und fand viele von den
gewöhnlichen Lesarten abweichende, bessere und korrektere. Kaum bemerkte
er das, so suchte er eifrig den 22. Vers des 25. Kapitels des 2. Buch
Mosis auf, wo nach unsern gewöhnlichen Büchern Raschi in seiner Tora
einen Buchstaben mehr gehabt zu haben scheint, und als er nun fand, dass
hier, in dem ihm vorliegenden, korrekt geschriebenen Buch, Raschi
vollständig mit dem heiligen Urtext übereinstimmte, da küsste er das
Buch und sprach, Freudentränen vergießen: 'Gesegnet sei der Schreiber,
der die Worte meines Urahns Raschi so niedergeschrieben, wie sie aus
dessen Feder geflossen' (zur Anmerkung siehe auf Grund der hebräischen
Zitate den Originaltext - bitte Textabbildung anklicken).
Die halbe Nacht studierte er in dem Buche und schrieb sich die besseren
Lesarten auf.
Am anderen Morgen in der Frühe nahm er Abschied von seinen freundlichen
Wirten, die noch Kindern und Enkeln von dem heiligen Manne erzählten, den
zu beherbergen sie einst das Glück gehabt
haben...". |
Zitat aus den Erinnerungen von Menachem Manfred Kaufmann
über die Jahre 1933/34
"Wenn die jungen SA-Männer etwas
getrunken hatten, fielen alle Schranken. Mein Vater wurde von einem ihm
bekannten Geinsheimer geschlagen, und in einer Nacht wurde Anfang 1934
unser Haus mit Pflastersteinen angegriffen und beworfen. Das kleine
Schaufenster des Ladens wurde sofort eingeschmissen, die Steine flogen
dann in unser Schlafzimmer, vier Jahre vor dem Novemberpogrom. Wir Kinder
weinten, unsere Eltern schrieen um Hilfe. Die Steine polterten die treppe
hinunter, und der Mob draußen war sehr belustigt. Wir hatten schon damals
Angst, dass man in das Haus einbrechen würde und dass dann das 'Judenblut
vom Messer spritzen' würde... Nach dieser Terrornacht haben meine Eltern
beschlossen, Geinsheim zu verlassen." |
Berichte zu einzelnen
Personen aus der Gemeinde
Zum 80. Geburtstag des aus Geinsheim stammenden, lange
Jahre in Alsheim wirkenden Lehrers Karl Marx
(1904)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 30. September
1904: "Aus dem Großherzogtum Hessen, im September (1904). Zu Alsheim
in Rheinhessen feierte am 27. dieses Monats der Lehrer Karl Marx, der
Nestor der israelitischen Lehrer Hessens, in voller Rüstigkeit und
Frische des Geistes und des Körpers seinen 80. Geburtstag. Marx nimmt in
den Lehrerkreisen nicht nur Hessens, sondern ganz Deutschlands eine
hervorragende Stellung ein. Geboren zu Geinsheim bei Oppenheim, ist
er seit 1847 ununterbrochen in dem freundlich am Fuße rebenbestandener
Hügel gelegenen Orte Alsheim tätig. Im Jahre 1897 feierte er unter der
Teilnahme nicht bloß der jüdischen, sondern auch der politischen
Gemeinde und zahlreicher Kollegen und Freunde von nah und fern das
50jährige Dienstjubiläum, wobei er vom Landesherrn durch den
Philippsorden ausgezeichnet wurde. Viele Vereine sowohl an seinem
Wirkungsort als auch in seinem engeren und weiteren Vaterland verehren in
Marx ihren Mitbegründer und eifrigen Förderer. Vor 40 Jahren gründete
er mit seinem unvergesslichen Freunde Klingenstein die 'Achawa' zur
Unterstützung hilfsbedürftiger israelitischer Lehrer, Lehrerwitwen und
-Waisen. Marx wirkt seitdem ununterbrochen im Vorstand dieses Vereins und
hat in Gemeinschaft mit anderen edlen Menschenfreunden schon viele Tränen
trocknen helfen. Marx ist außerdem Mitbegründer des israelitischen
Lehrervereins im Großherzogtum Hessen, dessen zweiter Vorsitzender er
ist, und eifriger Förderer des Verbandes der jüdischen Lehrervereine in
Deutschland. Er ist im Vorstand des Vereins zur Unterstützung
israelitischer Seminaristen in Jessen und war mehrere Jahre
Vorstandsmitglied des paritätischen hessischen Landeslehrervereins. Die
Gründungen an seinem Wirkungsort kommen allen seinen Mitbürgern, ohne
Unterschied des Glaubens zugute, so ein Männergesangverein, den er nun 57
Jahre leitet, und dessen vorzügliche Leistungen vielen Brudervereinen als
Vorbild dienen; ferner ein gemischter Chor, durch den er die Geselligkeit
wesentlich hob, und ein Leseverein, durch den er seinen Mitbürgern die
Werke unserer besten Schriftsteller nahe zu bringen suchte. Bei all diesem
gemeinnützigen Wirken hat Marx nichts in seiner engeren Berufstätigkeit
versäumt. Die Anhänglichkeit seiner Schüler zeigte sicht in geradezu
überwältigender Weise an seinem goldnen Amtsjubiläum, wo ihm Zeichen
der Dankbarkeit und Verehrung aus den fernsten Weltteilen dargebracht
wurden. In seinem Glauben, dem heiligsten Band, welches das Menschenleben
für seine kurze Dauer knüpft, zeigt sich Marx stets als der Mann des
Gemüts. Seine Religion ist in erster Linie rastlose, werktätige
Menschenliebe. Sein innerstes Wesen ist durchdrungen 'von jenem Glauben,
der sich, stets erhöhter, bald kühn hervordrängt, bald geduldig
schmiegt, damit das Gute wirke, wachse, fromme, damit der Tag dem Edlen
endlich komme.' Dieser Glaube ist Geist von jenem Geiste, der in den
großen Meistern der Pädagogik lebte, der das Geheimnis all ihres Sinnens
und Erfolges ist. So ist Marx ein ganzer Mann des Geistes und des Herzens,
in seinem Wesen und Wirken jedem desto höher, je mehr er mit ihm zu
verkehren Gelegenheit hat. Mögen dem Wackeren noch viele Jahre der Ruhe
in seinem hübschen Familienkreise vergönnt sein." |
Weitere Berichte zu Karl Marx siehe bei Alsheim. |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Private Anzeige von Isaak Goldschmidt (1872)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Juni 1872: "Für
einen jungen Mann, welcher die Realschule absolviert und ein glänzendes
Abgangszeugnis erhalten hat, wird eine Lehrlingsstelle am liebsten in
einem Bankiergeschäfte (Sabbat- und Feiertage geschlossen) gesucht.
Franco-Offerten an Isaak Goldschmidt in Geinsheim bei Groß-Gerau,
Großherzogtum Hessen." |
Kennkarte
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarte
des in Geinsheim
geborenen Simon Kahn |
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Kennkarte für Simon Kahn
(geb. 18. Oktober 1863 in Geinsheim), Kaufmann |
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Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war ein Betraum in einem der jüdischen
Häuser vorhanden. Nach der Erzählung über den Aufenthalt von Rabbi Josel von
Rosheim soll es bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine Synagoge
/ Betstube in Geinsheim gegeben haben.
Seit 1813 planten die jüdischen Familien am Ort die
Errichtung einer Synagoge. In der Bornhasse konnte sie erbaut werden. Auf Grund
der bereits um 1860 durch Abwanderung der Familien in die Städte
zurückgehenden Zahl der jüdischen Einwohner wurde das Synagogengebäude noch
im 19. Jahrhundert verkauft.
Nachdem die Synagoge in Geinsheim geschlossen war, besuchten die am Ort lebenden
jüdischen Personen die Synagoge in Trebur
(Bericht von Manfred Kaufmann nach Schleindl s.Lit. S. 314).
Anmerkung: Ob es sich bei dem heutigen Gebäude Borngasse 5 - zumindest in
Teilen - noch um das Gebäude handelt, in dem sich die ehemalige Synagoge der
Gemeinde befand, geht aus den dem Webmaster der "Alemannia Judaica"
vorliegenden Darstellungen nicht vor. Wenn jemand weitere Angaben machen kann:
bitte beim Webmaster melden, Adresse siehe Eingangsseite.
Adresse/Standort der Synagoge: Borngasse
5
Foto
(Foto: Hahn, Aufnahmedatum 16.7.2007)
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Blick auf das heutige Gebäude
Borngasse 5 |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| keine Abschnitte zu Geinsheim in den Publikationen von Paul Arnsberg
bei Thea Altaras. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 178-179. |
| Angelika Schleindl: Verschwundene Nachbarn.
Jüdische Gemeinden und Synagogen im Kreis Groß-Gerau. Ein Beitrag zur
Geschichte der Landjuden in Südhessen. Hg. vom Magistrat der Kreisstadt
Groß-Gerau 1993. S. 308-318.
Hierin wird aus den Erinnerungen von Menachem Manfred Kaufmann
"Jüdische Kindheit und Jugend in Deutschland. Die Jahre 1921 bis 1937
in Geinsheim und Groß-Gerau" zitiert. |
n.e.
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