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Guntersblum mit
Uelversheim (VG
Rhein-Selz,
Landkreis Mainz-Bingen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Guntersblum bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/40. Ihre Entstehung
geht in die Zeit des 16. Jahrhunderts zurück. 1548 werden zwei jüdische
Familien erwähnt, 1555 waren bereits sechs jüdische Familien am Ort. In
der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts waren es zwischen sechs und elf
Familien. 1770 war eine Synagoge vorhanden (s.u.).
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1807 16 jüdische Familien, 1824 124 jüdische Einwohner, 1828 130, 1834
169 (Höchstzahl), 1861 138 (6,0 % von insgesamt 2.312 Einwohnern), 1880 126
(6,3 % von 2.009), 1900 80 (3,7 % von 2.183), 1910 83 (3,5 % von 2.394).
Die im benachbarten Uelversheim (Wald
Ülversheim) wohnhaften wenigen jüdischen Personen gehörten vermutlich auch
zur jüdischen Gemeinde Guntersblum (vgl. unten Kennkarte für Otto Levi aus
Uelversheim).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule
(zunächst israelitische Elementarschule, s.u. Bericht von 1858; dann
Religionsschule),
ein rituelles Bad und ein Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Religionslehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl.
Ausschreibungstexte der Stelle unten). Die jüdische Gemeinde hatte im 18.
Jahrhundert einen eigenen Rabbiner. Im 19. Jahrhundert wurde sie dem
Rabbinatsbezirk Mainz zugeteilt.
Um 1880 bestand für eine Jahre eine Privat-Realschule am Ort unter
Leitung des Rektors E. Landau.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Theodor Monat
(geb. 4.9.1893 in Guntersblum, gef. 3.4.1915).
Mitte der 1920er-Jahre (auch noch nach 1930) bildeten den
Synagogenvorstand David Rüb, Adolf Mayer, David Monat und Isidor Wolf. Lehrer
und Kantor war Isaac Stein. Er unterrichtete Mitte der 1920er-Jahre allerdings
nur noch drei Kinder.
1933 lebten noch ca. 50 jüdische Personen in Guntersblum. Auf Grund der
Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien verließen in den folgenden Jahren die meisten der jüdischen
Einwohner Guntersblum, verzogen in andere Orte oder wanderten aus. Über die
Ereignisse beim Novemberpogrom 1938 gegen die Synagoge s.u. bei der
Synagogengeschichte. Am Nachmittag des 10. November 1938 wurden auch die
jüdischen Wohnungen und die Gewerbebetriebe überfallen. Täter waren vor allem
SA-Leute aus Osthofen, jedoch beteiligten sich auch Guntersblumer
Nationalsozialisten an den Verwüstungen.
Zu den Ereignissen vgl. auch dern Artikel
von Sven Felix Kellerhoff "Öffentlich gedemütigt" in der
Zeitschrift "Die Welt" vom 8. November 2008.
Von den in Guntersblum geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen
Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945", ergänzt/korrigiert durch einige Namen
auf der Gedenktafel und auf Grund einer Mitteilung von Fred Trumpler,
Guntersblum vom 6.11.2013): Bertha Benjamin (1865), Elisabeth Bergheimer geb. Heumann
(1868), Bernhard Deutsch (1856), Helene Eisenmann geb. Vogel (1890), Amanda Gabriel geb. Mann (1873),
Adolf Grünewald (1878), Johanna Grünewald geb. Schack (1870), Emanuel Haas
(1874), Erna Haas (1906), Rudolf Haas (1910), Salomon (Sally) Haas (1879), Carl
Hartogsohn (1905), Hedwig Hartogsohn geb. Rüb (1911), Hedwig Hertz geb.
Oppenheimer (1905), Moritz Hertz (1893),
Klara Koch geb. Haas (1877), Emilie Kohlmann geb. Mayer (1890), Elisabetha
(Betty, Beda) Lichtenstein geb. Mann (1897), Betty Liebmann geb. Kahn (1883), Paula Loeb geb.
Heumann (1870), Eva Mayer geb. Morgenstern (1867), Hugo Mayer (1862),
Thekla Mayer (1896), Martha Metzger geb. Mayer (1892), Friederike Michel geb.
Mayer (1861), David Monat (1864), Frieda Reinheimer
geb. Wolf (1874), Berta Rüb geb. Dornberger (1881), David Rüb (1878), Eugenie
Simon geb. Liebman (1876), Elfriede Stolzenberg geb. Leopold (1911), Albert
Leopold Vogel (1882), Marie Vogel geb. Eisenmann (1895), Eugen Wolf (1893), Georgine Wolf geb.
Deutsch (1885), Isidor Wolf (1880), Johanna Wolf geb. Mann
(1895), Marianna Wolf (1932).
Zu drei in den Listen bisher genannten Personen haben sich neuere
Erkenntnisse ergeben (Recherchen des Arbeitskreises "Stolpersteine" in
Guntersblum - mitgeteilt von Fred Trumpler vom 4.4.2011); diese Personen wurden
daher aus obiger Liste herausgenommen: Johanna (Julia) Monat geb. Guthmann (geb.
1867 in Guntersblum, gest. 19.8.1941 in einem Mainzer Krankenhaus), Pauline
(Paulina) Spier geb. Mayer (geb. 1891 in Guntersblum, konnte mit ihrem Ehemann
Dr. Spier über Russland und Japan in die USA fliehen); Johanna Strauss
geb. Oppenheimer (geb. 1874 in Fränkisch-Crumbach;
hielt sich nach dem 14. Dezember 1938 - von Michelstadt
kommend - nur besuchsweise in Guntersblum auf und konnte durch Flucht nach
Johannesburg, Südafrika entkommen).
Für 23 Personen wurden in Guntersblum "Stolpersteine" verlegt (zu
den Namen siehe unten). Für Carl und Hedwig Hartogsohn liegen
"Stolpersteine" auch in Frankfurt-Höchst (siehe unten); für Albert
und Marie Vogel liegen "Stolpersteine" seit September 2010 auch in
Mainz (Diether-von-Isenburgstraße 11; Link).
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer und der Schulen
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1898,
1901, 1902, 1903 und
1908 beziehungsweise Hilfsvorbeter (1886)
sowie Ausschreibung der Lehrerstelle an der Privat-Realschule 1879
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Januar 1898:
"Per sofort wird ein seminaristisch gebildeter Religionslehrer
gesucht, der auch Kantor sein muss, mit einem Jahresgehalt von 800 Mark,
bei freier Wohnung. Offerten nebst Zeugnisabschriften an den Vorstand
J.
Morgenstern,
Guntersblum" |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. September 1901:
"Vom 1. Oktober dieses Jahres ab ist die hiesige Religions- und
Kantorstelle, mit einem jährlichen Gehalt, mit neunhundert Mark,
nebst freier Wohnung zu besetzen. Reflektanten, seminaristische gebildet,
belieben ihre Zeugnisse einzusenden an
Otto Mann, Vorstand,
Guntersblum." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Oktober 1901:
"Die hiesige Religionslehrer- und Kantorstelle, mit einem jährlichen
Gehalt von eintausend Mark, nebst freier Wohnung ist zu besetzen.
Reflektanten, seminaristisch gebildet, belieben ihre Zeugnisse einzusenden
an
Otto Mann, Vorstand,
Guntersblum." |
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Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. März 1902: "In Guntersblum
(Rheinhessen) ist die Religions- und Kantorstelle per 1. April dieses
Jahres zu besetzen. Jährlicher Gehalt Mark 1.000 nebst freier Wohnung.
Seminaristisch gebildete Lehrer belieben ihre Zeugnisse an den
Unterzeichneten einzusenden. Ausländer sind ausgeschlossen.
Otto Mann,
Guntersblum, Vorstand."
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Ausschreibung
der Stelle im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 24.
April 1903: "Religionslehrer und Kantor per sofort in
Guntersblum. Gehalt Mark 1.000 und freie Wohnung. Offerten seminaristisch
gebildeter Bewerber zu richten an den Vorsteher, Herrn Otto
Mann." |
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Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Dezember 1908: "In Guntersblum
(Rheinhessen) ist die
Religionslehrer- und Kantorstelle
per 1. Januar 1909
zu besetzen. Jährlicher Gehalt Mark 1.000 nebst freier Wohnung.
Seminaristisch gebildete Lehrer belieben ihre Zeugnisse an den
Unterzeichneten einzusenden. Ausländer sind ausgeschlossen.
Otto Mann,
Guntersblum, Vorstand."
|
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Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. September 1886: "Die hiesige
Gemeinde sucht auf Rosch Haschana
und Jom Kippur oder auch nur,
wenn gewünscht wird, für den Versöhnungstag allein, einen Hilfsvorbeter
(Chasan), und wollen sich Interessenten mit ihren Ansprüchen wegen
Honorar an den Vorstand dahier franco wenden.
Guntersblum. Der Vorstand J.
Guthmann." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. August 1879: "In
der Gemeinde Guntersblum wird die Stelle eines Lehrers an der
Privat-Realschule, sowie die eines Kantors vakant und sollen diese bis zum
15. Oktober, spätestens 1. November dieses Jahres mit einem akademisch
gebildeten Manne besetzt werden. Gehalt beträgt Mark 1.600 nebst freier
Wohnung und Garten.
Qualifizierte Bewerber werden gebeten, ihre Zeugnisse
an den Vorstand der Privat-Realschule einzusenden." |
Lobende Erwähnung der israelitischen
Elementarschule in Guntersblum (1858) .
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 12. Juli 1858: "Wenn in einer
Korrespondenz aus Worms neulich (in No. 22 dieser Zeitung) von der
Gleichgültigkeit mehrerer Landgemeinden des Kreises Worms gegen allen
Religionsunterricht gesprochen wurde, so muss andererseits wieder
hervorgehoben werden, dass in einem anderen Teile Rheinhessens gerade die
bestgestellten Schulen des Großherzogtums sich befinden, dass zum Beispiel
in Oppenheim, Guntersblum,
Odernheim,
Niederwiesen und
Bechtheim gut dotierte Elementarschulen
mit definitiv vom Großherzoge angestellten Lehrern sich befinden, die
zumeist seit langen Jahren dort wirken, und dass außerdem die Lehrer in
Schornsheim,
Sprendlingen von ihren Gemeinden
freiwillig als Religionslehrer etc. definitiv angestellt sind, außer
anderen, die wir vielleicht nicht wissen; und dass aus all diesem zu
schließen ist, dass es um das jüdische Schulwesen hierzulande nicht so
schlecht bestellt ist." |
Anzeige der Privat-Realschule in Guntersblum am Rhein
(1880)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 9. März
1880:
"Die Privat-Realschule zu Guntersblum am Rhein
bereitet Knaben für die höheren Klassen des Gymnasiums, sowie für den Einjährigen-Dienst
vor und gibt den Mädchen die Ausbildung wie die höhere Töchterschule. Pensionäre
finden freundliche Aufnahme - Zurückgebliebene besondere Nachhilfe!
Mäßiger Preis.
E. Landau, Rektor. Susanne Landau, geprüfte
Lehrerin". |
Anstellung von Lehrer Schwarz an der Volksschule
Guntersblum (1891)
Meldung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Januar 1891: "Oppenheim. Bei der
vor Kurzem stattgehabten Umwandlung der bisherigen Frenzel’schen
Privatschule in Guntersblum in eine erweitere Volksschule wurde der
israelitische Lehrer Schwarz daselbst als Schulvikar an dieser Schule
angestellt." |
Anstellung von Herrn Leopols aus Warburg als Lehrer der
israelitischen Gemeinde (1909)
Meldung in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. August 1909: "Guntersblum, 20.
August (1909). Zum Lehrer der hiesigen israelitischen Gemeinde wurde,
nachdem die Stelle acht Monate unbesetzt war, Herr Leopols aus Warburg
bestellt." |
Aus dem jüdischen
Gemeinde- und Vereinsleben
Über das gute Miteinander zwischen den
Konfessionen in Guntersblum (1838)
Artikel in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. Juli 1838: "Vom Rhein, 1.
Juli (1838). Mit Freuden berichte ich Ihnen ein schönes Gegenstück zu
den an den östlichen und westlichen Rändern Preußens künstlich
hervorgerufenen religiösen Aufregungen. Am verflossenen Mittwoch, den 27.
Juni wurde in Guntersblum die Tochter eines israelitischen Bürgers, der
schon seit langen Jahren durch das Vertrauen seiner Mitbürger als
Gemeinderat fungierte, zur Erde bestattet. Trotz der dringenden Geschäfte,
die der Landmann in der jetzigen Jahreszeit im Felde zu besorgen hat,
schloss sich der bei weitem größte Teil der dortigen katholischen sowohl
als evangelischen Gemeinde dem wohlgeordneten Leichenzuge an. Herr Dr.
Cahn, der wackere Religionslehrer der israelitischen Kultusgemeinde in
Mainz, der, von den Leidtragenden ersucht, eine Herz und Geist erhebende,
mit vielem Beifall aufgenommene Leichenrede abhielt, war so freudig überrascht
von der gegenseitigen Liebe und Achtung, die er unter den verschiedenen
Religionsgenossenschaften wahrnahm, dass er nicht umhin konnte, am
Schlusse seine Gefühle in einer kurzen, improvisierten Anrede
auszusprechen, die Anwesenden zu ermutigen, auf der betretenen Bahn
wechselseitiger Liebe und Anerkennung fortzuwandeln, um so dem erwünschten
Ziele religiöser Einigkeit immer näher zu kommen. – Wahrlich, wo, wie
in unserem Lande, die Ideen einer echt religiösen Toleranz selbst die
Landleute schon durchdringen hat, da müssen alle Versuche des
Obskurantismus scheitern. (F.J.)" |
Schweres Überschwemmungsunglück im Juni 1876
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Juli 1876. "Bitte an
Menschenfreunde! Von einem schweren Unglück wurden die Gemeinden Oppenheim, Dienheim, Ludwigshöhe,
Guntersblum und Gimbsheim am 22. Juni
durch den bei Ludwigshöhe erfolgten Dammbruch heimgesucht. Der größte
Teil dieser Gemarkungen steht heute noch 6-8’ unter Wasser. Von Dienheim
und Oppenheim sind fast alle Frucht und Kartoffelfelder sowie Weingärten
überschwemmt oder von Grundwasser durchzogen.
Da in den Niederungen meist die weniger Bemittelten begütert sind, so ist
die Not umso größer. Noch sind die Bestellungskosten der großenteils
zum zweiten Male bepflanzten Äcker, die im Frühjahr schon vielen Schaden
gelitten, nicht bezahlt, und schon ist die ganze Ernte vernichtet, von der
die Schulden getilgt und die Winterbedürfnisse bestritten werden sollten.
Die Verdienste der Arbeiter sind in manchen der genannten Gemeinden durch
die Verkehrsstockungen geringer. Daher sind viele Familien in einer
verzweifelten Lage.
Darum richten wir an Alle, denen die Not ihrer Mitmenschen zu Herzen geht,
die dringende Bitte, von ihrem Überflusse zur Linderung dieses
unberechenbaren Elendes an einen der Unterzeichneten eine Liebesgabe
beizusteuern.
Zugleich bitten wir die verehrlichen Expeditionen der verschiedenen
Zeitungen diesen Aufruf aufzunehmen und wie in anderen Fällen, so auch für
unsere Orte, der Sammlungen sich unterziehen zu wollen. Oppenheim etc.
etc., den 26. Juni 1876.
Balzhäuser, Fabrikant, Beny Jakob I., Oßwald, Bürgermeister, Rehn,
Gemeinde-Einnehmer, Weitzel, Pfarrer, von Gimbsheim. Blatz, Weinhändler,
Keller, Pfarrer, Küstner Wilhelm, Malzfabrikant, Schuppert, Bürgermeister,
von Guntersblum. Becker, Dr.,
Bürgermeister, Gräf Joh., Gemeinderat,
Schaad Ad. Beigeordneter, von Ludwigshöhe. Diehl, Pfarrer, Starck,
Bürgermeister, von Dienheim. Egly,
Bürgermeister, Herrmann,
Pfarrer, Koch, Fabrikant, Müller, Pfarrer, Müller,
Schulinspektor, Rechel,
Dirigent, Schmidt, Gr.
Kreisrat, Weil,
Obereinnehmer, von Oppenheimer. Lotheißen,
Gr. Kreisrat, Dr. Schröder,
Landtagsabgeordneter, von
Worms." |
Zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Wahl von Julius Heumann in den Gemeinderat (1913)
Meldung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 26. September 1913.
"Guntersblum.
Julius Heumann wurde in den Gemeinderat gewählt." |
Auszeichnung für den Kriegsteilnehmer im Ersten Weltkrieg Gustav Grünebaum
(1915)
Meldung im
"Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 5. Februar 1915: "Guntersblum.
Gustav Grünebaum erhielt das Eiserne Kreuz". |
Zum Tod des langjährigen Vorstehers der Gemeinde Otto Mann (1918)
Artikel im
"Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 1. November 1918: "Guntersblum.
Am 21. starb hier im Alter von 56 Jahren der langjährige erste Vorsteher
unserer Gemeinde, Otto Mann. Das ungewöhnlich große Trauergefolge legte
beredtes Zeugnis von der Beliebtheit und Wertschätzung des Entschlafenen
ab. Am Grabe entwarf Rabbiner Dr. Levi – Mainz ein lebensvolles Bild des
Heimgegangenen und schilderte namentlich seine ernste Lebensauffassung,
strenge Rechtlichkeit und ausgezeichnete Führung der israelitischen
Gemeinde." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige von David Monat (1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. August 1901:
"Suche ein Mädchen zur Stütze der Hausfrau per 1. Oktober,
ein Dienstmädchen noch vorhanden, Familienanschluss.
Schriftliche Offerten an
David Monat, Guntersblum, Rheinhessen." |
Verlobungs- und Heiratsanzeigen von Hede Rüb
(Guntersblum) mit dem Lehrer Carl Hartogsohn (Höchst am Main) (1936 /
1937)
Anmerkung: Carl Hartogsohn
aus Emden war der letzte jüdische Lehrer in Höchst
am Main; er und seine Frau Hede geb. Rüb wurden
nach der Deportation ermordet. Hede geb. Rueb war eine Tochter des jüdischen
Gemeindevorstehers David Rueb in Guntersblum. David Rueb und seine Frau Berta geb.
Dornberger sind nach den Ereignissen beim Novemberpogrom 1938 zu ihrer Tochter
nach Höchst geflohen; sie wurden nach der Deportation 1942 von Frankfurt
gleichfalls ermordet. Vgl. Seite
des Kulturvereins Guntersblum zu David Rueb. In Frankfurt-Höchst
wurden für Carl und Hedwig Hartogsohn "Stolpersteine" verlegt
(Heimchenweg 47; weitere
Informationen; auch in Guntersblum liegen für die beiden
"Stolpersteine").
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. November 1936:
"Statt Karten - Gott sei gepriesen -
Hede Rüb - Carl Hartogsohn
Kantor und Lehrer - Verlobte
Guntersblum (Rheinhessen) - Emden
(Ostfriesland) / Frankfurt-Höchst.
November 1936 - Kislew
(5)697." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. August 1937: "Gott
sei gepriesen.
Kantor und Lehrer Carl Hartogsohn - Hede Hartogsohn - Rüb.
Vermählte.
Frankfurt a.M. - Höchst - Guntersblum (Rhein). Elul (5)697 / August
1937.
Trauung und Empfang: Hotel Ulmann, Frankfurt am Main, Bethmannstraße 52.
29. August 1937, 14 Uhr. 1. Tag der Selichot". |
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Foto
links: Lehrer Carl Hartogsohn aus Frankfurt
- Höchst unterrichtet in einem Privathaus in
Guntersblum zwei jüdische Mädchen; Aufnahme vom 26. April 1936 in
Guntersblum. Von links: Ann Hellmann, Carl Hartogsohn und Inge Seeman.
Quelle: Archiv
des United States Holocaust Memorial Museum. |
Kennkarten
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarten
zu Personen,
die in Guntersblum geboren sind |
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KK (Mainz 1939) für Emanuel
Haas (geb. 1. Mai 1874 in Guntersblum),
von Beruf Schneider, wohnhaft in Mainz; am 27. September 1942
deportiert
ab Darmstadt in das Ghetto Theresienstadt, von hier am 18. Mai 1944
in das Vernichtungslager Auschwitz, ermordet |
KK (Mainz 1939) für Rudolf
Haas (geb. 6. Februar 1910 in Guntersblum),
Kontorist, wohnhaft in Mainz, am 25. März 1942 deportiert
ab Frankfurt am Main in das Ghetto Piaski, umgekommen |
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KK (Mainz 1939) für
Salomon Haas (geb. 26. März 1879 in Guntersblum),
Kaufmann, wohnhaft in Mainz; am 27. September 1942 deportiert ab
Darmstadt in das Ghetto Theresienstadt, wo er am
2. Mai 1943 umgekommen ist |
KK (Mainz 1939) für Albert
Mann
(geb. 22. März 1880 in Guntersblum), Kaufmann
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Kennkarte
für den in Uelversheim
geborenen Otto Levi |
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KK (Mainz 1939) für Otto
Levi
(geb. 14. Juli 1867 in Wald Uelversheim), Vertreter |
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Zur Geschichte der Synagoge
1744 wird erstmals eine "Judenschule" (Synagoge) am Ort genannt.
Ein Neubau erfolgte 1769/70. Dazu wurde ein schon bestehendes Gebäude erworben
und umgebaut. Neben der Synagoge wurde 1839 eine jüdische Schule erbaut, in der
auch ein neues rituelles Bad eingebaut wurde. 1860 bis 1862 erfolgte eine umfassende
Renovierung und ein Innenausbau der Synagoge. Zur Durchführung dieser Arbeiten
half eine Spende des Frankfurter Mayer Carl von Rothschild. Anfang Oktober
1862 wurde die Synagoge feierlich eingeweiht. Bis Oktober 1938 wurden hier die
Gottesdienste der jüdischen Gemeinde abgehalten.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde
die Synagoge geschändet, die Inneneinrichtung und die Ritualien teilweise
verbrannt. Fünf ältere jüdische Männer wurden gezwungen, unter dem Spott von
Ortsbewohnern die Torarollen aus der Synagoge mehrere Stunden durch den Ort zu
tragen. Mindestens zwei dieser Männer wurden schwer misshandelt. Am Schluss des
Umzuges mussten die Männer die Torarollen in ein Feuer werfen.
Ende Dezember 1938 erwarb ein Nachbar das Synagogengebäude. Es wird seitdem
als Weinlager/Kelterhaus genutzt. Die Bausubstanz ist im Wesentlichen erhalten. Das
Gebäude steht seit 1984 unter Denkmalschutz. Eine Renovierung wurde 1996
durchgeführt.
Adresse/Standort der Synagoge: Bleichstraße 12, Jüdische Schule
in der Viehgasse 1.
Fotos
(Fotos: obere Zeile Mitte und rechts: Hahn, Aufnahmedatum 30.3.2005;
Pläne und Foto zweite Zeile rechts aus den Publikationen von Dieter
Michaelis s.Lit., Quelle: Website
des Kulturvereins Guntersblum)
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Hinweis: die meisten Links zu den
Artikeln funktionieren nach einiger Zeit nicht mehr, da die "Allgemeine
Zeitung" diese aus dem Web herausnimmt. Etliche Artikel sind noch über http://www.stolpersteine-guntersblum.de/index.php/chronik
zu lesen.
Februar 2010:
Die Guntersblumer CDU-Faktion verweigert
finanzielle Beteiligung an der "Stolperstein"-Aktion |
Artikel von Jockel Kohlmann in der
"Allgemeinen Zeitung" vom 27. Februar 2010 (Artikel):
"Guntersblum - "Stolpersteine" bringen Rat ins Straucheln.
HOLOCAUST Guntersblumer CDU-Fraktion verweigert Beteiligung an Erinnerungsstücken.
In jüngster Gemeinderatssitzung lehnten es die fünf Mitglieder der CDU-Fraktion ab, sich finanziell mit Mitteln aus ihrer Fraktionskasse an der Aktion
'Stolpersteine' zu beteiligen. Stattdessen wollten sie Pflegearbeiten auf dem jüdischen Friedhof mit einer Spende unterstützen. Die dafür entstehenden Kosten allerdings werden komplett vom Land bezahlt..."
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Juni 2010:
Nach aktuellen Recherchen sind 22
"Stolpersteine" in Guntersblum zu verlegen |
Aus einem Artikel von Jockel Kohlmann in der
"Allgemeinen Zeitung" vom 24. Juni 2010 (Artikel):
"...Ingesamt 22 'Stolpersteine'
Im Februar beschloss der Gemeinderat mit der Stimmenmehrheit von FWG, GLG und SPD, so genannte Stolpersteine in Guntersblum verlegen zu lassen. Die CDU hatte eine Kostenbeteiligung abgelehnt. Mit diesen Gedenksteinen soll an das Schicksal jener ehemaligen Guntersblumer jüdischen Mitbürger erinnert werden, die während der Zeit des Nationalsozialismus vertrieben, deportiert, ermordet oder in den Suizid getrieben wurden.
'Für die ermordeten Bürger gibt es keine Gräber, die Stolpersteine können die Gräber nicht ersetzen, aber sie können an die Menschen
erinnern', so Schmitt..." |
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September 2010:
In Guntersblum sollen im Frühjahr 2011
"Stolpersteine" verlegt werden. |
Artikel in der "Allgemeinen
Zeitung" vom September 2010 (Artikel):
"Erinnerung an Nazi-Opfer.
GUNTERSBLUM. STOLPERSTEINE Guntersblum will 23 jüdischer Mitbürger gedenken.
(red). Voraussichtlich im Frühjahr nächsten Jahres werden in Guntersblum die Stolpersteine zum Gedenken an die Opfer des nationalsozialistischen Terrors verlegt werden..." |
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April 2011:
Gedenkfeier und Verlegung von
"Stolpersteinen" in Guntersblum
Anmerkung: "Stolpersteine" wurden verlegt: in der Hauptstraße 48
für Bernhard Deutsch, Isidor Wolf, Georgine Wolf geb. Deutsch; in der Bleichstraße 8
für Johanna Grünewald geb. Schack, Adolf Grünewald; in der Alsheimer Straße 1
für Moritz Hertz, Hedwig Hertz geb. Oppenheimer, Vera Henriette Hertz
(konnte in die USA emigrieren);
in der Hauptstraße 60 für Betty Liebmann geb. Kahn; am Bahnhof Guntersblum
für Johann Maurer (nichtjüdischer Mann im Widerstand); in der Hauptstraße 11 für Eva Mayer geb. Morgenstern;
in der Hauptstraße 52 für Franziska Mayer geb. Hirsch (in Frankfurt
1941 verstorben und dort beigesetzt), Thekla Mayer;
in der Mittelstraße 8 für David Monat; in der Wormser Straße 4 für David Rüb, Bertha Rüb geb. Dornberger, Hedwig
Hartogsohn geb. Rüb, Carl Hartogsohn; in der Julianenstraße 2 für Albert Vogel, Marie
Vogel geb. Eisenmann; in der Hauptstraße 41 für Eugen Wolf, Johanna Wolf, geb. Mann, Marianne Wolf.
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Artikel von Jockel Kohlmann in der "Allgemeinen Zeitung" vom 4.
April 2011 (Artikel): "Versöhnen durch Erinnern
GUNTERSBLUM. NAZI-VERBRECHEN Rund 100 Bürger gedenken in Guntersblum der ermordeten Juden.
Rund 100 Gäste erlebten im Bürgerhaus eine würdevolle Gedenkfeier zur Verlegung der
'Stolpersteine', die an die ermordeten Guntersblumer Juden erinnern sollen. Im Beisein von Lotte Avner und Yael Hacohen (Jerusalem), Dina Romero (USA), Daniel Avner (Berlin), Heinz-Erhard Thiele (Montabaur) sowie Christel Thiele (Guntersblum), allesamt Nachfahren der einstigen jüdischen Mitbürger, dankte Ortsbürgermeister Reiner Schmitt der Projektgruppe
'Stolpersteine' für deren großes Engagement..." |
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Weiterer Artikel von Jockel Kohlmann in der
"Allgemeinen Zeitung" vom 4. April 2011 (Artikel):
"Symbolische Verbeugung vor NS-Opfern
GUNTERSBLUM. ALSHEIMER STRASSE Kölner Künstler verlegt Stolpersteine in Guntersblum / Einstiger Weinhändler Moritz Herz deportiert
Lautlos verrichtet der Kölner Künstler Gunter Demnig (63) seine Arbeit. Genau nach Zeitplan erscheint er mit einem ebenso stillen Mitarbeiter vor dem Anwesen Alsheimer Straße 1, um hier drei so genannte
'Stolpersteine' im Bürgersteig zu verlegen. Schnell haben sich rund 50 Zuseher um ihn geschart..."
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April 2011:
Bericht über die gegenwärtige Nutzung der
ehemaligen Synagoge als Teil des Weingutes "Domhof" |
Artikel von "phi" in der "Allgemeinen Zeitung" vom 22.
April 2011 (Artikel):
"Guter Wein im ehrwürdigen Haus
GUNTERSBLUM - EHEMALIGE SYNAGOGE Historisches Guntersblumer Gebäude ist heute Teil des
'Domhofs'
Eine Gedenktafel in der Viehgasse an der ehemaligen Judenschule erinnert daran - hinter diesem Gebäude befand sich die Synagoge der jüdischen Gemeinde. In dem eng bebauten, ehemals jüdischen Viertel schmiegen sich die Gebäude dicht aneinander. Verschachtelt geht ein Anwesen in das andere über, bildet eine Hausmauer die Grenze zum Nachbargrundstück.
Die ehemalige Synagoge befindet sich in der Bleichstraße 12, auf dem Anwesen der Familie Baumann, im
'Domhof'. Der einstige Gemeindezugang befindet sich jedoch auf dem Nachbargrundstück..." |
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Juli 2011:
Dokumentation des "Kulturvereins" zu
den "Stolpersteinen" am Ort (vgl. Literatur
unten)
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Artikel in der "Allgemeinen Zeitung" vom 1. Juli 2011 (Artikel):
"Wenn Stolpersteine sprechen lernen
GUNTERSBLUM. BROSCHÜRE Kulturverein gedenkt mit aufrüttelnder Dokumentation Opfern des NS-Terrors.
(red). Kleine, schlichte kubische Betonsteine mit einer individuell beschrifteten Messingplatte mahnen im Ort nun vor früheren Heimen und Geschäften der von Nazi-Terror Betroffenen als
'Stolpersteine'. Damit verwirklicht die Kommune, in der zur 'Machtergreifung' Hitlers noch mindestens 50 Juden lebten, die Idee des Künstlers Gunter
Demnig. NS-Opfer, die das Terrorregime in Konzentrationslagern zu Nummern degradierte, erhalten Namen zurück. Im Ort, vor Ort funktioniert Verdrängung nicht länger. Sich häufig verdrängter Historie zu stellen, richtet Licht auf schmerzende Wunden. Eine reich illustrierte Dokumentation des Kulturvereins geht noch mutiger vor. Denn dort erhalten Vertriebene und Ermordete nicht nur den Namen, sondern dank Fotos ihr Gesicht und mittels Kurzbiographien ihren Lebenslauf zurück..."
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Februar 2012:
Artikel über das Schicksal
der jüdischen Familie Grünewald (ehemals Bleichstraße 8 in
Guntersblum) |
Link zum Artikel: Nur Sohn Hermann überlebt Holocaust (Allgemeine Zeitung, 27.02.2012) . |
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Juni 2012:
Artikel über Betty Liebmann und ihre Familie |
Artikel in der "Allgemeinen
Zeitung" vom 20. Juni 2012: "Nazi-Horden verwüsteten Haus.
Stolpersteine: Betty Liebmann und ihr STiefsohn verließen Guntersblum /
59-Jährige starb in Auschwitz..."
Link zum Artikel: Nazi-Horden verwüsteten Haus (Allgemeine Zeitung, 20.06.2012) |
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Juli 2012:
Neue Recherchen zur jüdischen Geschichte in der NS-Zeit |
Artikel von Nadine Herd in der
"Allgemeinen Zeitung" vom 30. Juli 2012: "Auch in
Guntersblum wurden Geschichte der Juden zerstört..."
Link zum Artikel: Auch in Guntersblum wurden Geschäfte der Juden zerstört (Allgemeine Zeitung, 30.07.2012)
Anmerkung: Der Historiker und leitende Redakteur für Zeit- und
Kulturgeschichte in der "Welt" und der Berliner Morgenpost, Sven
Felix Kellerhoff, recherchierte in Guntersblum die Ereignisse in der
Reichspogromnacht. |
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November 2017:
Eine Ausstellung zum Novemberpogrom 1938 wurde
gestaltet |
Artikel von Nadine Herd in der
"Allgemeinen Zeitung" vom 7. November 2017: "Stolpersteingruppe Guntersblum entwickelt Ausstellung zum Gedenken an Pogromnacht
GUNTERSBLUM - (abs). ''…besehn wir, ob der Rebstock treibt…' – Wein im Judentum: Von Tradition und Genuss
–' So heißt die Ausstellung, die am 5. November im Guntersblumer Rathaus eröffnet wurde. Möglich wurde die Wanderausstellung, die unter anderem bereits in Mainz, Speyer und Worms zu sehen war, von der Stolpersteingruppe Guntersblum.
Dr. Susanne Urban, Geschäftsführerin des SchUM Städte Speyer, Worms, Mainz e.V. gab eine Einführung in die Ausstellung zu Wein und Judentum.
'Die Erinnerung an den Holocaust ist wichtig, aber das Leben der Juden hat auch etwas mit Lebensfreude und Feiern zu
tun', sagte Dr. Susanne Urban. 'Judentum und Wein gehören zusammen, ob am Schabbat über den Kiddusch oder die Hawdala, ob zur Hochzeit oder Beschneidung… Für den Wein gibt es einen eigenen Segen. Darin wird Gott gedankt, ihm, dem Schöpfer des
Weinstocks.'
Gottesdienste mit koscherem Wein. Auf einer der zwölf Ausstellungstafeln wird Rhabbi Pinchas Shapiro zitiert:
'Der Talmud erklärt, dass Weingenuss in Maßen zur Entfaltung des Gehirns führt. Wer völlig abstinent lebt, wird selten von Weisheit
besessen.' Dr. Susanne Urban hat die Texte auf den Ausstellungstafeln allesamt selbst erfasst und auch die Illustrationen gewählt.
Heute gibt es in den Gemeinden der SchUM Städte – (Speyer, Worms und Mainz), wieder Räume jüdischen Lebens. Es werden wieder Gottesdienste gefeiert, auch mit koscherem Wein. Dieser muss aber importiert werden, unter anderem aus dem Elsass, dem Burgund, aus Italien und Argentinien. Oder auch aus dem jahrtausendealten Weinland Israel. Die Ausstellung zeigt die Verbindung zwischen Wein und Judentum.
Ausschließlich aus Spenden finanziert. Die Stolperstein Gruppe Guntersblum, die sich ausschließlich aus Spenden und mit Hilfe des Kulturvereins Guntersblum finanziert, wurde von dem verstorbenen Bürgermeister Guntersblums, Reiner Schmitt, initiiert. Er hatte schon lange den Wunsch, in Guntersblum Stolpersteine zu installieren. Im Jahr 2010 wurde dann die
'Projektgruppe Stolperstein Guntersblum' gegründet und 2011 die Stolpersteine verlegt.
Jedes Jahr, zum Gedenken an die Pogromnacht am 10. November 1938, erinnert die Stolpersteingruppe an die Nacht, in der die Nazis unter anderem das Weinlager von Winzer und Weinhändler Albert Vogel verwüsteten – in diesem Jahr mit der Ausstellung
'…besehn wir, ob der Rebstock treibt…'. Was unterscheidet koscheren von nichtkoscherem Wein? Was steht in Thora und Talmud, dem Hohelied und den Psalmen zu Wein und Weinbau? Die Ausstellung beantwortet diese und weitere Fragen zum Thema
'Wein und Judentum'."
Link zum Artikel: Stolpersteingruppe Guntersblum entwickelt Ausstellung zum Gedenken an Pogromnacht (Allgemeine Zeitung, 07.11.2017) |
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Oktober 2018:
Neue Publikation zu den
Ereignissen beim Novemberpogrom 1938 |
Artikel von Constantin Lummitsch in "echo-online.de"
vom 16. Oktober 2018: "Fotos und Akten dokumentieren Verbrechen im
rheinhessischen Weindorf Guntersblum zur Reichspogromnacht.
Im November 1938 geht im ganzen Deutschen Reich die Saat des Hasses auf. In
Hunderten Gemeinden demütigen Einwohner ihre jüdischen Nachbarn. Sven Felix
Kellerhoff zeigt am Beispiel von Guntersblum wie der Hass wucherte, ausbrach
und welche Folgen er hatte.
GUNTERSBLUM - 10. November 1938: Das Dorf treibt sechs jüdische Bürger
durch die Straßen. SA-Männer, Kinder und ganz normale Bürger plündern
jüdische Wohnungen. Der Bürgermeister sieht zu. Ein Pogrom, wie überall in
Deutschland, das im Dorf Guntersblum besonders gut dokumentiert ist. Die
Guntersblumer sind ein bisschen spät dran. In den meisten Städten brennen
die Synagogen schon in der Nacht zuvor. Aber im schönen rheinhessischen
Weindorf verschonen die Bürger die Synagoge. Zu dicht stehen die
Fachwerkhäuser an der Synagoge. Dafür zertrümmern Dorfnazis mit Äxten die
Wohnzimmer jüdischer Bürger. Kinder haben schulfrei und randalieren,
schmeißen Möbel aus dem Fenster. Ein Klavier kracht aus dem Obergeschoss auf
die Straße. Guntersblumer schlagen mit Stöcken und Ketten auf Juden ein. Ein
Wirt 'beschlagnahmt' eine Schreibmaschine. Kinder greifen Spielzeug ab. Eine
Augenzeugin erinnert sich: 'Da ging Porzellan zu Bruch, Lampen wurden aus
Wand und Decken gerissen (...) und zum Schluss hat jemand ein Deckbett
aufgeschlitzt und über das schöne schwarze Haar von Frau Wolf rieseln
lassen.'
Viele Guntersblumer verstecken sich in ihren Häusern, spähen aus den
Fenstern. Haben sie Angst?
Spucken, prügeln, demütigen. Auf der Straße geht die Erniedrigung
weiter. Die Guntersblumer zwingen die Gedemütigten, Talare und Gebetsschals
anzulegen. Die Juden müssen ihre Thorarollen aus der Synagoge tragen. Kinder
lachen sie aus. Guntersblumer spucken, werfen Steine und Pferdeäpfel.
Stundenlang treiben sie die Juden durch das Dorf. Am Ende werden die
religiösen Artefakte auf einen Scheiterhaufen geworfen und verbrannt. Die
Verbrechen sind dokumentiert und archiviert. Fotos von damals beweisen, wer
dabei war und was geschah. Historiker und Journalist Sven Felix Kellerhoff
hat das Unrecht zu einem Buch verdichtet. 'Ein ganz normales Pogrom', heißt
das Sachbuch. Kellerhoff profitiert von umfangreichen Polizeiakten, denn der
angerichtete Schaden wurde genauestens protokolliert. Nach dem Krieg klagten
emigrierte Juden ihre einstigen Nachbarn an, es kam auch zu Prozessen, doch
die Täter gingen straffrei aus oder erhielten harmlose Strafen. Eine
doppelte Schande für Deutschland. Dabei war Guntersblum lange ein tolerantes
Dorf, in dem Nazis kaum Wählerstimmen erhielten und Juden zu
Vereinspräsidenten gewählt wurden. Das Beispiel Guntersblum zeigt, wie
schnell eine radikale Minderheit die schweigende Mehrheit kassieren kann.
Die große Frage nach dem Warum ist leicht zu beantworten. Weil es was zu
'beschlagnahmen' gab. Spielzeug, Geld, Alltagsdinge. Klingt zu simpel? So
ist er halt, der Mensch. Kellerhoffs Buch genießt gerade viel Aufmerksamkeit
von zahlreichen Medien. Zu Recht. Außerdem ist ja bald wieder der 9.
November, der Schicksalstag der deutschen Geschichte.
Sachbuch klärt auf. Aber es braucht dafür keinen historischen Anlass,
um über das Geschehene zu sprechen. Unsere Gegenwart fliegt uns gerade um
die Ohren. Die Nazis sind schon längst da, und ein großer Teil einer Stadt
sieht bei Hetzjagden zu. Waren denn all die Geschichtsstunden, die zu Tränen
rührenden Hollywoodinterpretationen des Holocausts umsonst? Geschichte
wiederholt sich nicht. Doch das Beispiel Guntersblum zeigt, wie brüchig
Zivilisation ist."
Link zum Artikel |
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November 2018:
Veranstaltung zum 80. Jahrestag
der Pogromnacht 1938 |
Artikel von Fred Balz in der "Allgemeinen
Zeitung" vom 12. November 2018: "Guntersblum. 'Menschenrechte sind unteilbar'
Rund 130 Guntersblumer Bürger gedenken bei Mahnwache am Rathaus der Opfer
des Pogroms vom November 1938: Klezmer-Klänge und Bildprojektionen
GUNTERSBLUM - Zu Beginn der Mahnwache am Guntersblumer Rathaus ist es
mucksmäuschenstill. Eine leise Klezmer-Melodie ist dem Gedenken an das
Judenpogrom vom 11. November 1938 gewidmet. Erst nachdem die Instrumente
verstummt sind, beginnen die Ansprachen zum Gedenken an 23 jüdische und
einen nichtjüdischen Mitbürger, die vom Naziregime ermordet wurden. Ihnen
hat die Guntersblumer Stolpersteingruppe, Ausrichter der Mahnwache,
Stolpersteine vor den einstigen Wohnhäusern gewidmet. 'Ozhidanje'
(Erwartung) heißt der stimmungsvolle Walzer, den Ulrike Laubenheimer auf der
Klarinette und Andrea Seilheimer auf dem Akkordeon anrührend intonieren.
Ortsbürgermeisterin Claudia Bläsius-Wirth erinnert in ihrer Rede vor 130
Mitbürgern an die Kristallnacht, in der deutschlandweit 1400 Synagogen
brannten und abertausende Geschäfte und Privatwohnungen geplündert und
verwüstet wurden. Die Judenpogrome rund um den 10. November 1938 markierten
den Beginn der systematischen Vernichtung der Juden in Deutschland,
übertönte eine laute Minderheit die schweigende Mehrheit. 'Auch deshalb
müssen wir innehalten und an das Leid der Juden erinnern', hieß es.
Menschenrechte, demokratische Verfassung und Gewaltenteilung seien
Errungenschaften, die heute wieder verteidigt werden müssen. Als zweite
Rednerin geht Ulrike Laubenheimer auf den Schandmarsch ein, bei dem sechs
Juden vom Rathaus aus durch den gesamten Ort getrieben, bespuckt, getreten
und geschlagen wurden: 'Daran zu erinnern ist gleichzeitig Bekenntnis zu
unteilbaren, für alle verbindliche Menschenrechte. Kein Mensch darf wegen
seines Glaubens, seiner Herkunft oder seiner Meinung herabgewürdigt oder
verfolgt werden.' Sechs erhaltene Fotos vom Schandmarsch werden auf die
Rathauswand projiziert. Anschließend erklingt die Stimme des
Rundfunkjournalisten Elmar Bartel, der die Anzeige Ludwig Liebmanns, einer
der sieben Gedemütigten des Schandmarschs, die dieser 1946 bei der
Staatsanwaltschaft gestellt hatte, verlas. Eugen Wolf, Leo Fränkel, Adolf
Grünewald, David Monat, David Rüb, Samuel Erlanger und Ludwig Liebmann
wurden wie Vieh durch den Ort getrieben. Nur wenige Erwachsene begleiteten
den Schandmarsch. Die meisten schauten weg. Im Anschluss verlesen die
Konfirmanden die Namen der deportierten und ermordeten Juden, deren Fotos
oder Bilder der Stolpersteine ebenfalls projiziert werden. Die jüdische
Gemeinde in Guntersblum erlitt dasselbe Schicksal wie alle jüdischen
Gemeinden in Deutschland. 1933 zählte sie etwa 50 Mitglieder. 23 wurden
ermordet und 27 gelang die Emigration. Lediglich die jüdische Frau des
Dorfarztes Ernst Huhn kam zurück, während die Tochter nach Amerika
auswanderte. Eine Gedenktafel am Haus der ehemaligen Guntersblumer jüdischen
Schule in der Viehgasse erinnert zusammen mit 23 Stolpersteinen an die
ermordeten jüdischen Mitbürger, ein Stolperstein ehrt Wilhelm Kopf, einen
Nichtjuden, der Juden geholfen hatte. Mit dem musikalischen Gruß und Gebet 'Shalom
Alechem' des Klezmerduos endet die etwa einstündige Mahnwache."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Dieter Michaelis: Die jüdische Gemeinde Guntersblum. Von den
Anfängen bis zur Vernichtung durch den Nationalsozialismus. Eigenverlag Guntersblum
1998. 109 S. |
|
ders.: Die jüdische Gemeinde Guntersblum. Von den
Anfängen bis zur Vernichtung durch den Nationalsozialismus. Hrsg. vom
Verein zur Erhaltung Guntersblumer Kulturgutes e.V. 2014.
Wissenschaftlicher
Verlag Berlin 2014. ISBN 978-3-86573-765-6. 19,80 €. 229 S.
Vgl. den Presseartikel: Dieter Michaelis hat das jüdische Leben in Guntersblum erforscht (Allgemeine Zeitung, 22.10.2014)
Zu diesem Buch: Sie waren hier zu Hause. Guntersblum, das kleine rheinhessische Dorf, war ihre Heimat. Harte Arbeit in der Woche, uraltes Brauchtum rund um Geburt, Hochzeit, Sterben und Bestattung, und die Synagoge am Sabbath, das war ihr Leben. Viele Generationen jüdischer Familien wuchsen so auf – bis zum
'Dritten Reich'. Bis man sie vertrieb oder ermordete. Heute kommen die Nachfahren derer, die überlebt haben, wieder nach Guntersblum, auf der Suche nach den Wurzeln ihrer Eltern und Großeltern: Ihnen gibt dieses Buch eine verlorene Geschichte zurück. Sie beginnt vor fast 500 Jahren, und Dieter Michaelis erzählt
dieses Schicksal der Jüdischen Gemeinde Guntersblum anhand zahlreicher Augenzeugenberichte und Archivdokumente. Ein regionalgeschichtlicher Beitrag zur Erforschung des Nationalsozialismus und ein Handbuch gegen das
Vergessen. |
| ders.: Synagoge, Judenschule, Judenbad, Jüdischer Friedhof, in:
Guntersblumer Geschichte(n). Guntersblum 1997 S. 85-100. |
| ders. / Jutta Hager-Latz / Landesamt für
Denkmalpflege Rheinland-Pfalz: Der jüdische Friedhof in Guntersblum.
Guntersblum 2002. 221 S.
|
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 172-174 (mit weiteren Literaturangaben). |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 121-122. |
| Reihe
"Guntersblumer Blätter", hrsg. vom Verein
zur Erhaltung Guntersblumer Kulturgutes e.V. Heft 01/2011: Stolpersteine
in Guntersblum. Weitere
Informationen.
Vgl. Artikel: Brauner Mob verwüstete Häuser (Allgemeine Zeitung, 17.02.2012) |
| Hans-Dieter Graf / Gabriele Hannah: Mrs. Abe
Maas - Die Frau an der Seite des "Prince of Tampa Merchants". In: Heimatjahrbuch Mainz-Bingen 2013 (Hinweis: Prince of Tampa
Merchants = Abraham [Abe] Maas aus Dolgesheim und Mrs. Abe Maas = Philabena
Wolf geb. in Mommenheim, später nach
Guntersblum verzogen). |
|
"Kristallnacht" - Antijüdischer Terror 1938 - Ereignisse und Erinnerung.
Hrsg. von Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Uwe Neumärker.
Stiftung Topographie des Terros, Prof. Dr. Andreas Nachama. Berlin 2018.
973-3-941772-39-7. zu Guntersblum S. 42-52.
|
|
Sven
Felix Kellerhoff: Ein ganz normales Pogrom. November 1938 in einem deutschen
Dorf. Klett-Cotta Verlag Stuttgart 2018. 244 S. 20,00 €. ISBN
978-3608981049.
Vgl. Artikel von Sven Felix Kellerhoff in "Die Welt" vom 8. November 2008:
Öffentlich gedemütigt.
Link zum Artikel
Buchbesprechung von Magnus Münzinger und Silva Schreiner in
literaturkritik.de:
https://literaturkritik.de/kellerhoff-ein-ganz-normales-pogrom-antisemitismus-auf-der-mikroebene,26446.html
|
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Guntersblum
Hesse. The community numbered 138 (6 % of the total) in 1861. Between 1933 and
1938, 17 Jews emigrated and 21 moved elsewhere. The village head who warned the
remaining 12 to leave before Kristallnacht (9-10 November 1938), when the
synagogue was burned down, tried to protect them during the riot. The last three
Jews were deported in 1942.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
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