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Höchst
im Odenwald (Odenwaldkreis)
mit Mümling-Grumbach (Gemeinde Höchst i.O.) und Seckmauern (Gemeinde
Lützelbach)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
(english version)
In Höchst bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17. Jahrhunderts
zurück. 1678 gab es zwei jüdische Familien (der Juden Löw und Joseph) am
Ort. Mitte des 18. Jahrhunderts lebten etwa 25 jüdische Personen am Ort.
1804-05 werden als Vorsteher der damals bereits relativ großen Gemeinde
genannt: Hirsch Mordochai und Mordochai Koppel. Mit Samuel Hirsch war auch ein
Gemeinderabbiner am Ort. Damals - bis 1806 - gehörte die jüdische Gemeinde
noch zum Rabbinatsbezirk Wertheim, da
Höchst im Gebiet des Fürsten Löwenstein-Wertheim lag.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1813 153 jüdische Einwohner, 1828 146, 1861 174 (11,5 % von insgesamt
1.518 Einwohnern), 1871 Höchstzahl von 189, 1880 180 (9,6 % von 1.875), 1900 127, 1910 119 (5,7
% von 2.091). Zur Gemeinde Höchst gehörten auch die in Mümling-Grumbach
und Seckmauern sowie nach Auflösung der jüdischen Gemeinde Hetschbach
die an diesem Ort lebenden jüdischen Personen. In Mümling-Grumbach wurden um 1837
drei jüdische
Familien gezählt, 1932 22 jüdische Einwohner; in
Seckmauern lebte 1837 eine jüdische Familie, 1891 10 jüdische Einwohner.
Die jüdischen Haushaltsvorsteher verdienten den Lebensunterhalt der Familien
vor allem durch Klein- und Viehhandel. Seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts
hatten mehrere von ihnen für die wirtschaftliche Entwicklung von Höchst
wichtige Läden und Geschäfte eröffnet. Anfang des 20. Jahrhunderts gehörten
jüdischen Familien/Personen mehrere Viehhandlungen (teils mit Landwirtschaft),
eine Pferdehandlung, drei Metzgereien, Textilien- und Kurzwarenhandlungen
beziehungsweise -geschäfte, drei Eisenwarenhandlungen, zwei Holzhandlungen,
zwei Landesprodukten- und Mehlhandlungen u.a.m.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Schule (Religionsschule, zeitweise Volksschule, 1935-38 Bezirksschule s.u.), ein rituelles Bad
(zunächst in einem Gebäude an der Groß-Umstädter Straße, seit 1918 oder
1922 im damals neuen Schulhaus der
Gemeinde) und seit 1898/99 einen Friedhof.
Zuvor waren die Toten der Gemeinde im jüdischen Friedhof
Michelstadt beigesetzt worden. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der
Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet
tätig war (siehe Ausschreibungen der Stelle unten). An der jüdischen Schule
der Gemeinde waren 1840 28 Kinder zu unterrichten, 1878 40, 1898 24. Seit 1900
(bis 1938) hatte die Lehrerstelle Hermann Kahn inne. Er engagierte sich auch im
kulturellen Leben örtlicher Vereine: 1910 bis 1933 leitete er den Gesangverein
"Liederkranz"; dazu war er einige Zeit Oberchormeister des
Odenwald-Sängerbundes, ab 1931 Leiter des Bühnenvereins (Theatergruppe) in
Höchst (vgl. die Berichte unten zu den Ehrungen 1925 und 1931).
Die jüdische Gemeinde gehörte zum
orthodoxen Bezirksrabbinat Darmstadt II.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Heinrich
Flörsheimer (geb. 4.2.1888 in Höchst i.O., vor 1914 in Darmstadt wohnhaft,
gef. 9.3.1916). Aus Seckmauern ist gefallen: Julius Marx (geb. 22.12.1890 in
Seckmauern, vor 1914 in Wörth am Main wohnhaft, gef. 1.1.1915). Aus Hetschbach
ist gefallen: Wolf Kahn (geb. 13.6.1881 in Hetschbach, vor 1914 in Groß Gerau
wohnhaft, gef. 21.7.1918).
Um 1925, als etwa 110 Personen der jüdischen Gemeinde
angehörten (ca. 5 % von insgesamt ca. 2.200 Einwohnern), waren die Mitglieder
des Gemeindevorstandes die Herren Bernhard Krämer, Josef Flörsheimer und Meier
Flörsheimer. Als Lehrer, Schochet und Kantor wirkte weiterhin Hermann Kahn, als Rechner
Wolf Muhr. An den öffentlichen Schulen erhielten jüdischen Religionsunterricht
damals 20 Kinder (1932: 12 Kinder). An jüdischen Vereinen bestanden
eine Chewra Kadischa (Ziele: Unterstützung und Hilfsbedürftiger,
Minjan, d.h. regelmäßige Teilnahme am Gottesdienstbesuch, um die nötige
Zehnzahl der Männer zu erreichen), eine Chewra Gemilos Chassodim
(gegründet 1904; Ziele: Gegenseitiger Schutz und Beistand der Mitglieder) sowie
der Israelitische Armenverein (Ziel: Unterstützung Hilfsbedürftiger). Bis 1932
war die Zahl der Gemeindeglieder seit 1925 nicht zurückgegangen (110). Der
Gemeinde angeschlossen waren weiterhin die in Mümling-Grumbach und in Hetschbach lebenden
jüdischen Personen (22 beziehungsweise 2 Personen).
Nach 1933 ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder (1933: 90 Personen, 3,8 % von insgesamt 2.378
Einwohnern) auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. So sind in den Jahren
1936-37 12 Personen in die USA emigriert. 1934 gehörten dem Gemeindevorstand
an: Arthur Flörsheim, Leopold Haas und Emil Kahn. 1937 wurden noch 50, 1939
nur noch 14 jüdische Einwohner gezählt. Beim Novemberpogrom 1938 wurden
von SA-Leuten und weiteren, insgesamt 150 bis 200 Personen die Häuser
jüdischen Familien (Muhr, Haas und Grünebaum) überfallen, ausgeraubt und
zerstört. Auch die Synagoge und die jüdische Schule wurden überfallen und die
Inneneinrichtungen völlig zerstört (s.u.).
Von den in Höchst geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Emma Altheimer geb.
Krämer (1871), Emma Cohn geb. Krämer (1867), Ida Flörsheimer geb. Rapp (1887), Selma Goldstein geb. Baschner
(1882), Gieda Grünebaum geb. Siegel (1876), Julius Grünebaum (1902), Mina
Grünebaum geb. Krämer (1866), Samuel Grünebaum (1875), Alfred Günther Haas
(1928), Herrmann Hirsch (1872), Regina Herrmann geb. Morgenthau (1875), Ernst
Herzfeld (1921), Heinrich Herzfeld (1886), Max Herzfeld (1865), Eva Heumann geb.
Herzfeld (1883), Babette (Babetta) Hirsch (1867), Jettchen Hirsch (1874), Moses
Kahn (1894), Betty Krämer (1932), Eva Krämer (1928), Flora Krämer (1878),
Frieda Krämer (1889), Ilse Krämer (1936), Jeanette Krämer (), Moses Krämer
(1869), Regine (Regina) Krämer (1872), Ruth Krämer (1934), Sofie Krämer
(1876), Johanna Levi geb. Herzfeld (1890), Lotte (Lotti) Levi (1919), Mathilde
Lichtenstein geb. Herzfeld (1893), Berta Löb (1876), Hannchen Löb (1875),
Paula Löb (1882), Abraham Mai (1858), Mathilde Mai (1902), Regina Mai (1877),
Therese Marx geb. Krämer (1885), Sigmund Morgenthau (1876), Abraham Muhr
(1865), Fanny Muhr geb. Muhr (1869), Ferdinand Muhr (1871), Hedwig Muhr (1887),
Heinrich Oppenheimer (1876), Ludwig Oppenheimer (1898), Jettchen Sternheimer
(1870), Eva Strauss geb. Morgenthau (1873), Sofie Wetterhahn geb. Herzfeld
(1876), Klara Wolf geb. Kahn
(1885).
Auf Grund der Recherche bei Yad Vashem kann keine
Zusammenstellung vorgenommen werden, da bei Eingabe des Ortsnamens
"Höchst" zu viele (insbesondere alle Frankfurter) Namen angezeigt
werden. Auch bei der Liste aus dem Bundesarchiv kann es zu einzelnen
Verwechslungen kommen!
Von den in Mümling-Grumbach geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Emil Kahn (1887), Gutta
Kahn (1916), Helmut Kahn (1920), Hermann Kahn (1880), Julius Khan (1932),
Manfred Kahn (1918), Rosa Kahn geb. Finke (1894), Sophie Kahn geb. Gutmann
(1882), Selma Roßmann geb. Kahn (1891).
Aus Seckmauern ist umgekommen: Emil Marx (1887, zuletzt wohnhaft in
Kassel).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schule
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1881 /
1887 / 1889
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. September 1881:
"Bekanntmachung. Mit dem 1. Dezember dieses Jahres wird die
hiesige israelitische Lehrerstelle, verbunden als Religionslehrer,
Vorsänger und Schächter, vakant.
Gehalt 700 Mark, freie Wohnung, nebst Einkommen von mindestens 400
Mark.
Bewerber für diese Stelle wollen sich unter Vorlagen von Zeugnissen an
Unterzeichneten wenden.
Seminaristisch gebildete Lehrer, welche ihren Militärpflichten Genüge
geleistet, erhalten Vorzug. Riesekosten werden demjenigen vergütet,
welchem die Stelle übertragen wird.
Höchst im Hess. Odenwald, 26. September 1881. Der Vorstand der
israelitischen Religionsgemeinde Höchst:
Mendel Herrmann, Isaak Flörsheimer, Marx Oppenheimer." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. September 1887:
"Mit dem 15. Oktober laufenden Jahres oder per sofort wird die
hiesige israelitische Lehrerstelle, verbunden als Religionslehrer,
Vorsänger und Schächter vakant. Gehalt 700 bis 800 Mark, freie Wohnung,
nebst circa 400-500 Mark Nebeneinkommen. Bewerber wollen sich unter
Vorlage von Zeugnissen an Unterzeichneten werden. Nur seminaristisch
gebildete Lehrer, welche schon Stelle begleitet haben, finden
Berücksichtigung.
Reisekosten werden dem Gewählten vergütet. Höchst im hessischen
Odenwald, 4. September 1887.
Der israelitische Vorstand Marx Oppenheimer." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. April 1889:
"Die hiesige Kantor-, Schächter und Religionslehrerstelle ist sofort
zu besetzen. Das Gehalt beträgt nebst freier Wohnung 7-800 Mark und ca.
3-400 Mark Nebeneinkommen. Bewerber wollen sich unter Einsendung ihrer
Zeugnisse melden.
Der israelitische Vorstand: Marx Oppenheimer. Höchst i.O., 12.
April 1889." |
25-jähriges Gemeindejubiläum von Lehrer Hermann Kahn
(1925)
Der damals noch junge Lehrer Hermann Kahn (geb. 18. September 1878) war seit
1900 in Höchst auf seiner vermutlich zweiten Stelle nach Strümpfelbrunn.
Er war die wichtigste Persönlichkeit der jüdischen Gemeinde Höchst bis zu
ihrer Auflösung und Zerstörung in der NS-Zeit. Kahn war auch für die klein
gewordenen Gemeinden in der Umgebung von großer Bedeutung, da mehrere von ihnen
in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg keine eigenen Lehrer mehr hatten (u.a. Habitzheim,
Oberklingen,
Groß-Umstadt). Hermann Kahn hat die
NS-Zeit überlebt und starb 1968 in Alter von 90 Jahren in New York.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Juni 1925: "Höchst,
1. Juni (1925). Am 15. Juni begeht Herr Lehrer Hermann Kahn das
25-jährige Jubiläum seines Wirkens in hiesiger jüdischer Gemeinde. Herr
Kahn, der von 1898 bis 1900 in Strümpfelbrunn
wirkte, stellte seine ganze Kraft bei Erziehung und Belehrung der Jugend
und im Gotteshause in den Dienst von Tora und Jirah
(Gottesfurcht). Seine Kollegen vom Unabhängigen Lehrerverein in Hessen
werteten seine schützungswerte Kraft durch Entsendung in die
Vorstandschaft dieser Organisation. Auch in die Vorstandschaft des neu
gegründeten Gesamtlehrervereins für Hessen wurde Herr Kahn gewählt. -
Möge es Herrn Kahn noch recht lange vergönnte sein, in bisheriger,
vorbildlicher Weise weiterzuwirken." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Juni 1925:
"Höchst im Odenwald, 14. Juni (1925). Heute feierte unsere Gemeinde
das silberne Dienstjubiläum ihres Lehrers Hermann Kahn. Die Mitglieder
aus Höchst und allen angeschlossenen Bezirksgemeinden versammelten sich,
um den Mann zu ehren, dem ihre Wertschätzung, ihre Liebe und Dankbarkeit
gebührt. Herr Kahn hat es verstanden, in unermüdlichem Pflichteifer, in
nie rastender Arbeit und Fürsorge seinen Gemeinden ein herrlicher Lehrer
und Führer zu sein, der Jugend den Geist unserer heiligen Tora in
unverfälschter Treue einzuimpfen, die Männer und Frauen seiner Gemeinde
mit tiefem jüdischen Sinn zu erfüllen. Unter welch unsäglichen Opfern
an Zeit und Geld hat Herr Kahn seiner Gemeinde ein moderne rituelles
Bad geschaffen! Mit welcher flammenden Begeisterung, mit welcher
unversiegbaren Willensstärke arbeitete er im verflossenen
Vierteljahrhundert daran, alle religiösen Institutionen seiner Gemeinden
der Tradition gemäß einzurichten, auszubauen und zu erhalten! Ob es die
Einrichtung von Minjan- und Lernvereinen, von Vereinen und
Synagogenchören betrifft, an welches Gebiet seines reichen Arbeitsfeldes
man auch denken mag, überall war Herr Kahn derjenige, von dessen Lippen
man Belehrung und Erkenntnis schöpfte, zu dem man in Ehrfurcht aufblicken
konnte! -
Die Gemeinden waren es sich deshalb bewusst, die Verdienste ihres Führers
an seinem Jubiläumstage anerkennen und laut verkünden, ihm Beweise von Liebe
und Dank geben zu müssen. Weite Teile der christlichen Bevölkerung
hatten es sich schon am Abend zuvor nicht nehmen lassen, den in
allgemeiner, hoher Achtung stehenden Mann durch Fackelzug und Ständchen
zu ehren. Die Vorstände der einzelnen Gemeinden und die Jugendvertreter
überbrachten reiche und sinnige Geschenke, fanden zur Ehrung des Jubilars
schönste Lobesworte. Herr Bick aus Michelstadt
überbrachte die Grüße des Hessischen Jüdischen Lehrervereins
und wie im Anschluss an das Prophetenwort 'Denn ich gieße
Wasser auf Lechzendes usw.' (Jesaja 44,3) auf das reich gesegnete
Wirken des Jubilars hin. In tiefer Andacht nahm die Versammlung die mit
Tora-Worten geschmückte Rede entgegen, in der die Gemeinden aufgefordert
wurden, diesem - an seiner Stelle großen - Führer in Jisroel weiterhin
treue Gefolgschaft zu leisten.
Vorträge und Reden, Theaterspiel und Musik erhielten die Feststimmung bis
zum Morgen. Dem verehrten Jubilar (unsere besten Wünsche)!" |
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Fotos zu Hermann
Kahn
(erhalten von
Joe (Justin) Flörsheimer) |
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Hermann Kahn 1903
im Alter von 25 Jahren als
Lehrer der jüdischen Schule. Links Salli Flörsheimer
(im Alter von 8 Jahren, hält einen Hut), der Vater
von Joe (Justin) Flörsheimer |
Hermann Kahn (hinter dem
Mädchen
mit der Hinweistafel) als Leiter des
Liederkranzes Höchst
|
Hermann Kahn, vermutlich
gleichfalls mit dem Liederkranz Höchst. Kahn sitzt in der
ersten Reihe, 5. von rechts
|
Referat von Lehrer Hermann Kahn in Höchst: "Was
kann der jüdische Lehrer zur Hebung des religiösen Lebens auf dem Lande
tun?" (1930)
Anmerkung: das Referat wurde gehalten auf der Jahresversammlung des
'Unabhängigen israelitischen Lehrervereins in Hessen' im Hörsaal der
'Israelitischen Religionsgesellschaft Frankfurt am Main' am 5. Januar 1930;
abgedruckt in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Juni und 17. Juli
1930 (zum Lesen bitte Textabbildungen anklicken)
Auszeichnung für Lehrer Hermann Kahn - "Ehrenchormeister des Hessischen
Sängerbundes" (1931)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Februar 1931: "Höchst
im Odenwald, 17. Februar (1931). Lehrer Kahn, unser langjähriger
Gemeindebeamter, wurde in Anbetracht seiner 27-jährigen ersprießlichen
Tätigkeit als Gesangvereinsdirigent unter Verleihung der silbernen
Ehrennadel zum Ehrenchormeister des Hessischen Sängerbundes ernannt. Ein
Beweis, dass trotz der antisemitischen Strömung sich auch heute noch eine
jüdische Persönlichkeit durchzusetzen vermag, falls sie die nötigen
Qualitäten besitzt." |
Die jüdische Bezirksschule 1935-1938
Nachdem die jüdischen Kinder 1935 die allgemeinen Volksschulen nicht mehr
besuchen konnten, gründete der seit 1900 in Höchst tätige Lehrer Hermann Kahn
mit Hilfe der Reichsvereinigung der deutschen Juden eine Bezirksschule in
Höchst. Sie wurde in der Folgezeit von Kindern im schulpflichtigen Alter aus
bis zu neun umgebenden Gemeinden besucht. Nur gegen großen Widerstand vor Ort
konnte die Schule betrieben werden. Als Lehrer unterrichteten die noch
amtierenden Lehrer dieser Gemeinden: Lehrer Hermann Kahn und Lehrer Richard Seif
(Reichelsheim) die allgemeinen Volksschulfächer, zwei nebenamtliche Lehrer die
Fächer Religion, Englisch, Neuhebräisch (Iwrit), Lehrerin Oppenheimer (Fränkisch-Crumbach)
und Lehrer Leopold Strauß (Michelstadt) Chemie und Physik, Frau Flörsheimer
(Tochter von Lehrer Hermann Kahn) Handarbeit. Im November 1936 betrug die
Schülerzahl 44 Kinder. Seit Dezember 1937 war auch
Leopold Rothschild aus Pfungstadt Lehrer an der Bezirksschule, nachdem Lehrer
Leopold Strauß zum 1. November 1937 ausgeschieden war. Mit den Ereignissen beim
Novemberpogrom 1938 kam das Ende der Bezirksschule. Wie die Synagoge und
jüdische Wohnhäuser wurde auch die jüdische Schule durch SA-Leute überfallen
und völlig verwüstet. Lehrer Seif meldete am 16.
Dezember 1938: "Unser Schulbetrieb ruht seit dem 10. November
1938".
Fotos zur Jüdischen Bezirksschule siehe Website www.vor-dem-holocaust.de.
Eröffnung einer Jüdischen Bezirksschule in
Höchst (1935)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Oktober 1935:
"Höchst i.O., 2. Oktober (1935). Am Montag, den 16. September wurde
die Jüdische Bezirksschule in Höchst im Odenwald eröffnet. Die Leitung
der Schule hat davon Abstand genommen, eine größere Eröffnungsfeier zu
veranstalten und hatten sich außer den Schülern und Schülerinnen (40 an
der Zahl), die Lehrer, Herr Rabbiner Dr. Merzbach und der Vorstand unserer
Gemeinde zur Eröffnung eingefunden. Die Schüler und Schülerinnen kommen
teils per Bahn teils per Auto nach Höchst. Beteiligte Gemeinden sind
Großumstadt, Oberklingen, Reichelsheim,
Fränkisch-Crumbach, Neustadt, König,
Michelstadt. Die Schule wird geleitet von der Lehrern: Herrn Kahn,
Höchst, Herrn Strauß, Michelstadt, Herrn Seif, Reichelsheim, Frau
Oppenheimer, Fränkisch-Crumbach, Frau S. Flörsheimer, Höchst i.O. Die
Feier fand in der Synagoge statt und nach kurzer Begrüßung durch den
Direktor der Schule, Herrn Lehrer Kahn in Höchst i.O. ergriff Herr Dr.
Merzbach das Wort, um ermahnende und aufmunternde Worte an die Kinder, an
die Lehrer und an den Vorstand der Gemeinde zu richten. Bei dieser
Gelegenheit wurde der Gründer der Schule, Herr Lehrer Kahn, durch Herrn
Dr. Merzbach durch Verleihung das Chawer-Titels geehrt. Am darauf
folgenden Schabbos hielt unsere Gemeinde anschließend einen
Festgottesdienst ab; derselbe wurde durch schöne Gesänge usw.
verschönert. Der erste Vorstand der Gemeinde, Herr Arthur Flörsheimer,
gratulierte im Namen der Gemeinde dem Jubilar mit dem besonderen Wunsche,
dass der Baum (Schule), welcher von Herrn Lehrer Khan angepflanzt wurde,
auch weiterhin blühen und gedeihen möge und unsere Kinder zu frommen
wahrhaften Jehudim erzogen werde. Die Gemeindemitglieder wurden alle zur
heiligen Tora aufgerufen und durch einen extra Mischeberach von Seiten der
Mitglieder für den Jubilar sowie für die Schule wurde der gespendete
Erlös der Schule zugeteilt. - Mit einer ergreifenden Dankschlussansprache
des Herrn Lehrer Kahn, welcher uns auch weiterhin seine Treue bekundete,
fand der feierliche Gottesdienst sein Ende. F.S." |
Schulabschluss des Schuljahres 1935/1936
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. April 1936: "Höchst
i.O., 20. April. Anlässlich der Schulabschlussfeier der jüdischen
Bezirksschule in Höchst i.O. wurde eine Bibliothek, die der Landesverband
Hessen des Zentralvereins dieser Schule gestiftet hatte, durch den
Syndikus des Landesverbandes, Herrn Dr. Matzdorff, Frankfurt am Main übergeben.
der Leiter der Schule, Herr Lehrer Kahn, dankte dem Zentralverein und
Herrn Dr. Matzdorf persönlich für das wertvolle Geschenk, das bewiesen
habe, ein wie großes Interesse der Zentralverein für die Entwicklung des
jüdischen Schul- und Gemeindelebens habe. Die Bücherei wird nicht nur
den Schülern, sondern auch ihren Eltern und Lehrern zur Verfügung
stehen." |
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Links: Jahrgang 1935/36 der jüdischen
Bezirksschule in Höchst mit
den beiden hauptamtlichen Lehrern Hermann
Kahn (in Hintergrund rechts) und Richard Seif (am Bildrand links). |
Die Namen
der Schülerinnen und Schüler nach Mitteilung von Joe (Justin)
Flörsheimer vom 26.2.2018 - soweit bekannt, siehe Nummerierung auf dem
Foto rechts: 1. Joe (Justin) Flörsheimer, 2. Meinholt Kahn, Martin, Sohn
von Lehrer Hermann Kahn, 4. Werner Haas, 6. Fred Haas, 12. Ernst Joseph
(Reichelsheim), 14. Kurt Marx, 20. Margrit Haas, 21. Hanna Oppenheimer,
23. Gertrude Kahn, 26. Helga Reichelsheimer, 27. Ruth Oppenheimer, 28. Evi
Kramer (?), 29. Kurt Reinheimer, 31. Fred Reinheimer, 32. Fritz Reinheimer,
37. Wolf Colder, 39. Lehrer Oppenheimer. Lehrer Seif am Bildrand links hat
die Kinder der umliegenden Gemeinden immer mit dem Bus im Hintergrund
abgeholt. |
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Gruppe von Mädchen an der
Schule, die Handarbeiten lernten durch Rosa Flörsheimer, Tochter von
Lehrer Hermann Kahn und durch die Mutter von Joe (Justin)
Flörsheimer |
Auf dem Foto
konnten identifiziert werden: Hanna Oppenheimer, Ruth Oppenheimer, Evi
Kramer, Margit Haas, Doris Katz*, Ilse NN aus Reichelsheim
oder Fränkisch-Crumbach. |
*nach Mitteilung von Carsten Hofferbert
vom 2.11.2018 mit dem Hinweis auf einen Artikel in der "Frankfurter
Allgemeinen" über Doris Katz:
"Von der Wiege bis in die Gaskammer" (nach Recherchen von Brigitte
Diersch) sowie weiterführendem Link mit vielen Informationen und Fotos:
"Brigitte Diersch: "Und dann war sie
weg...' Das kurze Leben der Doris Katz". |
Über die jüdische Bezirksschule in Höchst (1936): Bericht der Mutter einer
Schülerin (1936) und Zeitzeugenbericht der Tochter (2004)
Anmerkung: die ersten Sätzen des Lesebriefes beziehen sich auf die Frage der
grundsätzlichen Einrichtung einer jüdischen Schule; im weiteren wird auf die
positiven Erfahrungen in Höchst verwiesen. Bei der Autorin Grete
Oppenheimer-Kraemer (= Margarete Oppenheimer) handelt es sich um die die Frau
des Zigarrenfabrikanten Moritz Oppenheimer in Fränkisch-Crumbach
und spätere
(Januar 1939 bis Oktober 1940) Leiterin des israelitischen Waisenhauses in
Mannheim. Die Kinder des Ehepaares Oppenheimer besuchten - zumindest teilweise -
die jüdische Bezirksschule in Höchst. Moritz und Margarete Oppenheimer
wurden in Auschwitz ermordet.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Juni 1936: "Eingesandt.
Fränkisch-Crumbach, Mai
1936.
An die Redaktion der Pädagogischen Beilage des "Israelit".
Gestatten Sie folgenden, aus eigener Erfahrung erwachsenen Beitrag einer
'Zionistin' zum viel diskutierten Problem der neuen jüdischen Schule.
Kaum bekommt man ein jüdisches Zeitungsblatt in die Hand, das nicht
Aufsätze enthält über die Ausgestaltung der Schule und die Frage
behandelt, die mir ihr in Zusammenhang stehen und Beantwortung verlangen.
Die Bemühungen der Organisationen, Lehrer und Eltern gehen in derselben
Richtung. Dabei macht man mancherorts die Beobachtung, dass wohl viel
geredet und auch geschrieben wird, es aber schwer hält und ziemlich lange
dauert, zur frischen, frohen Tat zu schreiten. So wird die Gründung der
Schule immer wieder hinausgeschoben, viel länger, als es Kindern und
Eltern, die die jüdische Schule brauchen, tunlich erscheint. Natürlich
ergeben sich Schwierigkeiten mancherlei Art. Aber sie können behoben
werden, wenn der Hebel an der richtigen Stelle angesetzt wird. Lasst die
jüdische Schule nur einmal vorhanden sein! Viele Schwierigkeiten lösen
sich dann von selbst, und die Arbeit schreitet besser und erfreulicher
vorwärts, als man vorher gedacht. Als Beweis diene die jüdische
Bezirksschule in Höchst im Odenwald, die im Herbst 1935 gegründet
wurde, teilweise gegen den Widerstand der Leute, die heute ihren Segen
verspüren, und die, abseits aller Öffentlichkeit tüchtige Arbeit
leistet. Die Gründung dieser Schule ist die Tat eines zielbewussten und
tatkräftigen Mannes, des Religionslehrers Kahn in Höchst i.O., der Zeit
und Kraft, Bequemlichkeit und schließlich sogar einen Teil der eigenen
Wohnung opferte, dadurch aber auch erreichte, was größeren Gemeinden
noch nicht gelang. Die Schule wird heute von nahezu 50 Kindern aus etwa 10
kleinen und kleinsten Gemeinden des nördlichen Odenwalds besucht. Der
Unterricht liegt in den Händen der Religionslehrer von Höchst, Michelstadt
und Reichelsheim. Eine Frau aus
Höchst erteilt unentgeltlich den Handarbeitsunterricht und einige Stunden
hat eine ehemalige Lehrerin übernommen, die heute hauptberuflich als
Hausfrau in einem Nachbardorfe tätig ist. Das schwierigste Problem war
der Schulweg. Aber es gelang, auch dieser Schwierigkeit Herr zu werden.
Wohl können die meisten Kinder die Bahn benutzen, für die Kinder aus
drei Dörfern ist jedoch eine Bahnverbindung nicht vorhanden. Hier griff
in dankenswerter Weise die Reichsvertretung der Juden in Deutschland ein,
sie stiftete ein Auto und übernahm einen Teil der entstehenden Kosten.
Natürlich bleibt das Autofahren in schwierigem Gelände immer etwas
Unbehagliches. Es gab auch schon allerhand Aufregungen, wenn es dem Wagen
zu streiken beliebt, aber das muss mit in Kauf genommen werden. Sehr
schwierig und heute noch nicht restlos gesichert ist die Finanzierung. die
Kinder zahlen Schulgeld, die angeschlossenen Gemeinden leisten außerdem
den Beitrag an die Schulkasse, den sie früher für die |
Kosten
des Religionsunterrichts aufbrachten, d.h. sie sollen ihn zahlen.
Der Lehrplan ist der einer Volksschule. Religions- und Bibelunterricht
nehmen einen großen Raum ein. Daneben besteht fakultativer Unterricht in
Neuhebräisch und Englisch. (Im neuen Stundenplan ist auch Stenographie
vorgesehen.) Es sind zwei Klassen mit je vier Jahrgängen vorhanden. Störend
wirkt vor allem der Mangel an Lehrmitteln, sowie das Fehlen einer
ausreichenden Lehrerbibliothek. Der Zentralverein hat in liebenswürdiger
Weise jetzt eine Bibliothek zur Verfügung gestellt. Vielleicht findet
sich hie und da ein Freund der jüdischen Schule und des jüdischen Kindes
bereit, der Schule das eine oder andere ihr fehlende Lehrmittel zu
überweisen. Er könnte sich innigsten Dankes versichert halten. Trotz der
noch vorhandenen Mängel wird in der Schule tüchtig gearbeitet, und vor
allem - die Kinder fühlen sich wohl in dem Milieu, in das ihre Schule sie
hineinstellt. Der Schulleiter und fast alle Lehrer sind orthodox. Wenn
aber ich, die ich seit einem Vierteljahrhundert zum Zionismus gehöre und
selbst lange Zeit an einem zionistischen Gymnasium in Litauen gearbeitet
habe, mir die Frage vorlege, was ich an der Schule, in die ich meine
eigenen Kinder schicke, anders sehen möchte, so kann ich sagen, es wäre
mir lieb, wenn solche selbstverständlichen Dinge wie Globus,
physikalischen Apparate, Chemikalien, Bilder, Turngeräte, Sportgeräte
usw. vorhanden wären, von Projektionsapparaten, schönen Räumen ganz zu
schweigen. Was aber jüdische Erziehung und Beeinflussung - nicht nur
durch den Religionsunterricht, sondern durch den Geist, den die Schule
durchweg atmet - anbelangt, so beobachte ich, dass die Art, wie die Kinder
und gerade die jüngeren, ins Judentum hineinwachsen, so erfreulich
unproblematisch, so natürlich, organisch lebendig und intensiv ist, dass
ich froh zu allem 'Ja' sagen kann. Grete
Oppenheimer-Kraemer." |
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Zeitzeugenbericht
der Tochter der Verfasserin des obigen Leserbriefes mit Bericht über
ihren Besuch der jüdischen Schule in Höchst |
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Oben: Ehepaar
Margarete (Grete) und Moritz Oppenheimer mit Tochter Feodora (geb. 1934).
Grete Oppenheimer - die den obigen Leserbrief über die jüdische Schule
Höchst geschrieben hatte - war seit Januar 1939 Leiterin des
Israelitischen Waisenhauses in Mannheim. Zusammen mit ihrem Mann, der
krank aus dem KZ Buchenwald zurückkam, betreute sie etwa 15 Waisenkinder.
Mit zwei ihrer Kinder - Michael und Feodora - und den etwa 15
Waisenkindern wurde das Ehepaar am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert.
1942 wurde das Ehepaar nach Auschwitz deportiert und ermordet. Michael und
Feodora wurden gerettet. |
Oben: Ruth L. David
geb. Oppenheimer (jeweils 2.von rechts), die 1929 geborene Tochter von
Grete und Moritz Oppenheimer berichtet an der Georg-August-Zinn-Schule in Reichelsheim. Zusammen mit Hilde
Katzenmaier - Verfasserin eines Buches zur jüdischen Geschichte in
Fränkisch-Crumbach - gab Ruth David mit Auszügen aus ihrem Buch, "Ein Kind unserer Zeit", teilweise erschütternde Einblicke in das Leben jüdischer Familien im
Nazi-Deutschland. |
Fotos: links aus
Volker Keller: Bilder vom jüdischen Leben in Mannheim 1988 S. 93; die
beiden Fotos oben aus der Website der Georg-August-Zinn Schule in
Reichelsheim (fotos: koe; Quelle). |
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Im nachfolgenden
Zeitzeugenbericht berichtet Ruth David geb. Oppenheimer u.a. über ihre
Zeit als Schülerin in der jüdischen Bezirksschule in Höchst: Dem Holocaust entkommen. Die erste Lesung mit Ruth David an der
Georg-August-Zinn-Schule Reichelsheim (Oktober 2004).
Reichelsheim (der ganze Bericht wird auf der Seite zu Fränkisch-Crumbach
zitiert, hier nur der den Schulbesuch in Höchst betreffende Abschnitt):
"...Ruth Oppenheimer wird 1935 im Alter von sechs Jahren in Fränkisch-Crumbach eingeschult. Sie begreift sehr schnell, dass sie anders ist. Während alle Klassenkameraden beim Betreten des Lehrers aufstehen und den Arm zum Hitler-Gruß in die Höhe reißen, muss Ruth als einzige Jüdin sitzen bleiben. Aber nach bereits einem halben Jahr endet für sie die Schulzeit in der Volksschule. Die Nationalsozialisten im Odenwald wollten besonders "fortschrittlich" sein und ihre Schulen schnell "judenfrei" haben.
Nach dem Rausschmiss aus der Schule bemühen sich die Eltern, die Kinder irgendwo anders unterrichten zu lassen. In
Höchst wird eine kleine Schule eingerichtet, die die jüdische
Gemeinde finanziert. Es waren etwa 35 Kinder aus dem ganzen Odenwald,
berichtet Ruth David, die zum Teil mit einem alten zum "Schulbus
umgebauten Auto nach Höchst gefahren wurden. Ihr Schulweg führt von
Reichelsheim nach Fränkisch-Crumbach, über Brensbach und Höllerbach
nach Höchst. Ein Erlebnis blieb ihr besonders im Gedächtnis haften, als
ein NSDAP-Mann ihren Schulweg blockierte und mit einer Motorkurbel sämtliche
Scheiben ihres Autos einschlug. Oft wurde der 'Judenbus' mit Steinen
beworfen..." |
Werbung für die Bezirksschule im Frühjahr 1938
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. März 1938:
"Die jüdische Bezirksschule Höchst/Od. nimmt Schüler und
Schülerinnen im volksschulpflichtigen Alter gegen mäßiges Schulgeld und
billigen Pensionspreis auf. Ausbildung außer in den
Volksschulfächern in Englisch, Iwrith, Kurzschrift und Buchführung.
Beaufsichtigung der Schulaufgaben und Nachhilfe durch die Lehrkräfte
unentgeltlich. Näheres durch die Schulleitung." |
Spendenaufrufe für notleidende Gemeindeglieder 1889 / 1893 / 1894
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Februar 1889:
"Dringende Bitte! Höchst im Odenwald, 4. Februar 1889. In
unserer israelitischen Gemeinde haben wir zwei unzurechnungsfähige, arme,
ledige Waisen im Alter von 25 und 26 Jahren, deren Mutter über 1 1/2 Jahr
tot, und der Vater diese Woche in das bessere Jenseits abberufen worden
ist, somit keinen Ernährer mehr haben. Da schon durch das lange
Krankenlager des letzteren die Gemeinde viel Opfer gebracht hat, so sehen
wir uns dringend veranlasst, für die Genannten die Mildtätigkeit in
Anspruch zu nehmen. Es fehlen denselben gänzlich die Mittel zum Lebensunterhalt,
ohnedies hat der Vater viel Schulden hinterlassen, sodass es kommen kann,
dass das Haus, welches dieselben haben, durch Zwang verkauft wird, und
dadurch noch ihrer Wohnung verlustig werden. Da wir es aber uns zur
Aufgabe machen, durch alsbaldige Gaben die dringendsten Schulen zu decken,
um denen Wohnsitz womöglich zu retten, so bitten wir edle Menschenfreude
um Zusendung milder Gaben, deren Empfang öffentlich quittiert wird.
Der israelitische Vorstand: Moses Oppenheimer, Marx Rapp.
Auch die Expedition des 'Israelit' ist gern bereit, Gaben in Empfang zu
nehmen und weiter zu befördern." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. September 1893:
"Der ergebenst Unterzeichnete erlaubt sich hiermit Folgendes
höflichst der gefälligen Berücksichtigung zu empfehlen. Meine beiden
seligen Schwestern haben schon einige Jahre das Zeitliche gesegnet ohne
Vermögen zu hinterlassen, zwar ein Haus, allein ich war nicht imstande,
die auf dem Hause ruhenden Lasten zu bestreiten und ist dasselbe voriges
Jahr auf dem Zwangsweg verkauft worden. Ich wohne jetzt mit meiner geistig
zurückgebliebenen Schwester in Miete und fällt es mir sehr schwer die
Hausmiete zu zahlen, wie es mir überhaupt schwer fällt für den nötigen
Lebensunterhalt zu sorgen. Sodann bin ich, sowie meine Schwester wegen
schwacher Körperbeschaffung heimgesucht und ich Unterzeichneter leide an
Rheumatismus und sonstige Krankheiten dadurch ich gar nichts verdienen
kann, und wir Armen Not leiden müssen. Um doch als frommer Israelit zu
leben, und nicht auf den Abweg zu geraten, so fühle ich mich benötigt,
mich an alle edel gesinnten Glaubensgenossen die gehorsamste Bitte zu
richten, dass Sie meine Bitte beherzigen mögen und uns Armen eine gütige
Unterstützung von ihrer milden Hand zukommen lassen. Der liebe Gott wird
es Ihnen lohnen.
Höchst im Odenwald. Hochachtend Emanuel Flörsheim.
Die Angaben des Bittstellers werden unter dem Anfügen als auf Wahrheit
beruhend bestätigt, dass es demselben und seiner Schwester in Folge ihres
körperlich traurigen Zustandes nicht möglichst ist, etwas für ihren
Unterhalb zu erwerben. Höchst, 3. August 1893. Großherzogliche
Bürgermeisterei Höchst. Lang." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Juli 1894:
"Aufruf. In unserer Gemeinde befinden sich zwei arme, ledige
Glaubensgenossen, die, mit körperlichen Gebrechen behaftet, großen Mangel
leiden müssen. Die hiesigen Jehudim haben schon sehr viel getan, doch
sind sie nicht imstande, diese Armen gänzlich zu unterhalten, da noch
andere ähnliche Pflichten sie zu erfüllen haben! Um nun diesen
bejammernswerten Menschen irgend einen Erwerb verschaffen zu helfen, rufen
wir die Hilfe edler Menschen an! Unterstützungen wolle man an den
unterzeichneten Vorstand gelangen lassen, welcher in diesem Blatte
Quittung erteilen wird.
Höchst im Odenwald, 7. Tammus 5654 (11. Juli 1894). Der Vorstand
der israelitischen Gemeinde. Max Oppenheimer, Levi Stein, Lehrer. Auch die
Expedition dieses Blattes ist gerne bereit, Gaben unter Nr. 3796 in
Empfang zu nehmen und weiter zu befördern." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Tod von Herz Löb I. (1903)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. September 1903:
"Höchst im Odenwald, 8. September (1903). Am vorigen Freitag, den
12. Elul (= 4. September 1903), trugen wir einen Mann zu Grabe, der es
verdient hat, auch in Ihrer geschätzten Zeitschrift gewürdigt zu werden.
Herr Herz Löb I. hauchte im gottgesegneten Alter von 94 Jahren am 10.
Elul (2. September 1903) in Folge eines Schlaganfalles seine reine Seele
aus. Groß ist der Verlust, den die hiesige Gemeinde, die Chewra Kadischah
und nicht zum mindesten die Familie des Verstorbenen durch den Hintritt
dieses Mannes erlitten hat. Gehörte er doch zu Jenen, die in unserer
heutigen materiellen zeit immer seltener werden, die für die Ideale des
unverfälschten Judentums mit allen Kräften eintreten und in keiner
Weise, auch nicht in den schwierigsten Verhältnissen von den Gesetzen
unseres Glaubens abweichen. Die ausgedehnte Beteiligung auch von
nichtjüdischer Seite an der am Freitag stattgefundenen Beerdigung legte
beredtes Zeugnis ab von der großen Beliebtheit des Verstorbenen. Am Grabe
entwickelte Lehrer Kahn ein Lebensbild des Entschlafenen und schilderte
die hohen Tugenden, die diesen Frommen krönten. Obwohl in ärmlichen
Verhältnissen lebend, scheute er nie eine noch so große Ausgabe, um
jedes Gebot auszuführen. Groß war sein Eifer im Besuche des
Gotteshauses. Keine Jahreszeit konnte ihn abhalten bis zu den letzten
Wochen vor seinem Tode immer als Erster im Gotteshause zu erscheinen. An
ihm hing er mit einer grenzenlosen Liebe und noch vor 14 Tagen, als schon
Krankheit ihn befallen, konnte ihn nichts zurückhalten, den Gottesdienst
zu besuchen, bis ihm das Versagen seiner Kräfte den ihm lieb gewordenen
Gang nicht mehr gestattete. Sein sehnlichster Wunsch, noch das im
Neubau befindende Gotteshaus nach seiner Vollendung betreten zu dürfen,
sollte ihm leider nicht mehr erfüllt werden, wie ihm überhaupt in seinem
langen Leben gar mancher Wunsch nicht erfüllt wurde. An ihm
bewahrheiteten sich die Worte unserer Weisen: 'Viel Unglück wird der
Gerechte erdulden müssen, aber durch seine Gerechtigkeit wird er leben
und noch im höchsten Alter Früchte tragen.' Mehr als 60 Jahre gehörte
der Verstorbene der hiesigen Chevra Kadischah an, die einen treuen
Freund ihrer Bestrebungen durch seinen Tod verloren hat. 'Die Krone der
Großeltern sind die Enkel und der Schmuck der Kinder ihre Eltern.' Möge
dieser Sprach sich auch hier bewahrheiten, mögen die Kinder, Enkel und
Urenkel unseres braven Mitbruders auch in seinem Tode seine Krone bleiben,
indem sie in seinem Sinne und Geiste leben und wirken, so wie er stets
über das Grab hinaus ihre Ehre und ihr Schmuck bleiben wird. Das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen." |
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Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 18. September
1903: "Höchst (Odenwald). Am 2. dieses Monats starb unser
ältester Mitbürger, der greise Herz Löb I, im Alter von 94 Jahren.
Über 60 Jahre gehörte er der Chewra Kadischa an, die in ihm ihren
treusten Förderer, ihren wärmsten Freund verliert. Voll tiefster
Religiosität war er ein durch und durch lauterer Charakter und erfreute
sich der ungeteilten Verehrung seiner christlichen und jüdischen
Mitbürger. An der Bahre sprach Herr Lehrer Cahn bewegte Worte des
Nachrufes." |
Zum Tod von Josef Kahn (1930)
Anmerkung: unklar ist, ob Josef Kahn aus Höchst oder aus
Groß-Umstadt stammte - dem letzten Satz des Artikels nach eher aus Groß-Umstadt.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Dezember 1930: "Höchst
im Odenwald, 15. Dezember (1930). Am 13. Kislew (3. Dezember
1930) hat Josef Kahn im 71. Lebensjahre seine reine Seele
ausgehaucht. In unserer kleinen Gemeinde bildete er noch die letzte Säule
des orthodoxen Judentums, dem er mit ganzem Herzen und ganzer Seele angehörte
und das mit seinem Heimgange einen unersetzlichen Verlust erlitte. War er
doch derjenige, der bei dem, zumal auf dem Lande, immer mehr zunehmenden
Materialismus noch ideales Streben zeigte und in der Liebe zur Religion
der Väter Opfer zu bringen, gerne bereit war. Bei der unter überaus
großer Beteiligung stattgefundenen Beerdigung schilderte Herr
Rabbiner Dr. Merzbach - Darmstadt, wie Kahn stets als ein
wahrheitsliebender, nach Wahrheit strebender Mensch, aufrecht als
ehrlicher Mann, reeller Geschäftsmann und überzeugungstreue Jehudi
seinen Weg ging, unbeirrt um das Urteil und Tun seiner Zeitgenossen. So
war es kein Wunder, dass er in allen Kreisen wohlbeliebt und innerhalb der
Familie der Mittelpunkt war, um den sich alle Liebe und Hingebung der
Seinen, an denen er mit allen Fasern seines liebevollen Herzens hing,
kristallisierte. Mögen die Hinterbliebenen in ihrem großen Schmerze
Trost finden in dem Gedanken, einen herrlichen Vater, einen
aufopferungsfähigen Gatten, einen vorbildlichen Wegweiser besessen zu
haben. Mögen aber auch in der Gemeinde Groß-Umstadt sich wieder
Männer finden, die sich bestreben, die durch seinen Heimgang
entstandene Lücke wieder auszufüllen, um das jüdische Leben, wie er es
liebte und pflegte, für alle Zukunft zu erhalten. Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe sowie Einzelpersonen, dazu eine allgemeine Anzeige
(Werbung für Höchst)
Anzeige des Vorstandes einer mildtätigen Stiftung -
Aron Flörsheimer II und Lösermann Krämer I. (1849)
(Anzeige erhalten von Hans Peter Trautmann)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Odenwälder" vom 16. Januar 1849: "Man
bringt hiermit zur öffentlichen Kenntnis, dass die Moses Krämers Witwe
von Höchst ihren Sohn Löw Krämer wegen einem Beitrage von 1 fl. 26 kr.,
den derselbe als Mitglied in eine hiesige milde Stiftung verschuldete, aus
derselben ausstreichen ließ. Es ist dieses umso mehr zu bedauern, da die
Moses Krämers Witwe in sehr guten Vermögensverhältnissen lebt, und verdient
der Fall veröffentlicht zu werden.
Höchst, am 14. Januar 1849. Im Auftrage der Stiftung:
Aron Flörsheimer II., Stiftungsvorsteher. Lösermann Krämer I.,
Stiftungsrechner." |
Anzeige des Sofer
(Torarollenschreibers) H. Herrmann (1870)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. August 1870: "Annonce.
Bei dem Unterzeichneten sind fertige Tefillin und Mesussot fortwährend zu
mäßigen Preisen zu beziehen. Derselbe empfiehlt sich ferner für alle in
dieses Fach einschlagende Arbeiten und Reparaturen; Zeugnisse über
Befähigung und Religiosität können jederzeit vorgelegt werden.
H.
Herrmann,
Zehngeboteschreiber (Sofer) in Höchst im Odenwalde." |
Anzeige von Minna Flörsheimer (1903)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Juli 1903: "Bei
Trauerfällen
zu wachen empfiehlt sich.
Minna Flörsheimer, Höchst
i.O." |
Anzeige von Emanuel Flörsheimer (1903)
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 17. Juli 1903:
"Suche für meinen Sohn Lehrlingsstelle. Emanuel
Flörsheimer, Höchst i.O." |
Werbung für Höchst mit Hinweis auf Möglichkeiten der streng
koscheren Küche" (1904)
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 6. Mai 1904:
"Höchst im Odenwald. Herrlich gelegener waldreicher
Luftkurort, Station der Strecke Frankfurt - Hanau - Eberbach. - Streng
koschere Küche und freundliche Privatwohnungen werden nachgewiesen. -
Schöne Spaziergänge in nahe gelegenen Wäldern, ausgezeichnetes
Quellwasser, Bäder, Ärzte und Apotheke am Platze. Auskunft erteil
Bernhard Krämer, Vorsitzender des Verkehrsvereins." |
Verlobungsanzeige für Clara Kahn und Hermann Kahn (1922)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. August 1922:
"Gott sei gepriesen.
Clara Kahn - Hermann Kahn. Verlobte.
Groß-Umstadt - Höchst, Odenwald. August 1922." |
Verlobungsanzeige von Hedwig Stern und Arthur Wertheimer
(1922)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. September 1922:
"Hedwig Stern - Arthur Wertheimer.
Verlobte. Hochstadt Kreis Hanau -
Höchst im Odenwald. 8. September 1922." |
Hochzeitsanzeige von Hermann Flörsheim und Tilly geb.
Grünebaum (1930)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Januar 1930:
"Statt Karten:
Hermann Flörsheim - Tilly Flörsheim geb. Grünebaum.
Vermählte.
Frankfurt am Main - Frankfurt am Main / Höchst (Odenwald).
Trauung und Empfang: Sonntag, 12. Januar, 1 1/2 Uhr, Loge Sokrates,
Hochstr. 14". |
Verlobungsanzeige für Selma Kahn und Ernst Grünstein
(1929)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. April 1929:
"Statt Karten - Gott sei gepriesen.
Selma Kahn - Ernst
Grünstein. Verlobte.
Karlsruhe in Baden, Kreuzstraße 25 / Höchst im
Odenwald - Miltenberg/Main. April 1929." |
Kennkarten
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarten
zu Personen,
die in Höchst im Odenwald geboren sind |
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KK (Mainz 1939) für Eva
Heumann geb. Herzfeld
(geb. 22. Juni 1883 in Höchst i.O.), wohnhaft in
Mainz, am 27. September 1942 deportiert ab
Darmstadt in das Ghetto Theresienstadt, wo sie
am 23. Dezember 1944 umgekommen ist |
KK (Dieburg 1939) für
Auguste Jonas geb. Oppenheimer
(geb. 21. Juni 1875 in Höchst i.O.)
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KK (Dieburg 1939)
für
Jettchen Stein
(geb. 1. August 1889 in Höchst i.O.)
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In Höchst im
Odenwald lebte: |
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*Anmerkung Ida
Flörsheimer (Kennkarte rechts): Quelle: Geschichte und Schicksale der Juden
zu Höchst. Hrsg. Gemeindevorstand Hochst i.Odw. 1985 S. 187. |
KK (Erbach 1939)
für Ida Flörsheimer geb. Rapp (geb. 18. Oktober 1882 in
Groß-Umstadt), wohnhaft in Höchst
i.Odw.*, Ehefrau von Meier F., abgemeldet nach Frankfurt am 27. April 1939; am 22. November 1941 ab
Frankfurt nach Kowno (Kaunen, Fort IX) deportiert, umgekommen |
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Zur Geschichte der Synagoge
Um 1700 dürfte eine
Synagoge vorhanden gewesen sein. Auf einem Stein war die Jahreszahl 1732
mit dem Vermerk "renoviert" eingetragen. Auch 1796 wurde die
Synagoge erneuert - nach der Erinnerung von 1904 (siehe unten) wurde die
Synagoge in diesem Jahr erbaut. 1859 wurde eine Synagogenordnung erstellt. 1870
wurde die Synagoge erneuert.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Neubau einer Synagoge geplant,
nachdem sich die alte Synagoge in einem inzwischen baufälligen Zustand befand.
Der Darmstädter Architekt (Brandversicherungsassistent) Fleckenstein zeichnete
die Pläne. Mit einem Kostenaufwand von 30.000 Mark wurde an Stelle der alten
Synagoge eine für den Ort repräsentative Synagoge erstellt. Während der
Bauzeit wurden die Gottesdienste in einem provisorischen Betsaal abgehalten. Mit
einem großen Fest für den gesamten Ort konnte vom 12.-14. Februar 1904 die
Synagoge durch den Darmstädter Landesrabbiner Dr. Marx eingeweiht werden.
Ankündigungen der Synagogeneinweihung (Ende 1903 / Anfang
1904)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 6. November
1903: "Höchst i. Odenwald. Die Vollendung des
Synagogenneubaues schreitet bei dem günstigen Wetter rüstig vorwärts.
Die Einweihung wird voraussichtlich im Februar stattfinden." |
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Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Januar 1904:
"Höchst i.O. Freitag, 12. Februar (1904), wird unsere neu
erbaute Synagoge eingeweiht werden. Das Programm der Feier verspricht
viele geistige und physisches Genüsse." |
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Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 5. Februar
1904: "Höchst im Odenwald. Die Einweihungs-Feierlichkeiten
unserer neuen Synagoge finden am 12., 13. und 14. Februar statt. Freitag,
den 12. Februar, nachmittags 12 3/4 Uhr ist Abschieds-Gottesdienst im seitherigen
Betsaale, dann Zug nah der neuen Synagoge, dann Einweihungsfeier. Samstag
Morgen wird ein Festgottesdienst abgehalten. Samstag und Sonntag Abend
finden Bälle statt. Zu Auskunftserteilungen ist Herr Meier Flörsheimer
gerne bereit." |
Die Einweihung der neuen Synagoge vom 12.-14. Februar 1904
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 19. Februar
1904: "Höchst im Odenwald. Am 12. dieses Monats wurde die an
der Stelle des 1796 erbauten und im vorigen Jahre niedergelegten
israelitischen Gotteshauses nach den Plänen der
Brandversicherungsassistenten Herrn Fleckenstein in Darmstadt neu
aufgeführte und bis in alle Einzelheiten wohl gelungene Synagoge unter
Beteiligung der gesamten Bevölkerung eingeweiht. Außer der
israelitischen Gemeinde gehörten dem Festzuge sechs hiesige Vereine an.
Die Festpredigt in der neuen Synagoge hielt Herr Rabbiner Dr. Marx in
eindrucksvoller, ergreifender Weise. Die Synagoge ist im maurischen Stile
gehalten und verursachte einen Kostenaufwand von über 30.000 Mark." |
Ausführlicher Bericht zur Einweihung von
Lehrer Hermann Kahn in der Zeitschrift
"Der Israelit" (1904)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Februar 1904: "Höchst
i.O. Im Anschluss an Ihre kurze Notiz über die hiesige
Synagogeneinweihung gestatte ich mir, Ihnen einen ausführlichen Bericht
über erwähnte Feierlichkeit behufs Aufnahme in Ihrem geschätzten Blatte
zukommen zu lassen: Die hiesige Synagogenweihe gestaltete sich zu einem
wahren Kiduschhaschem (Heiligung des Gottesnamens). Aus der
weitesten Umgebung waren nicht nur Juden, sondern auch Nichtjuden in
großer Anzahl herbeigeeilt, um an unserem Feste teilzunehmen. Der ganze
Ort prangte in Flaggen- und Girlandenschmuck und eine große Anzahl
hiesiger Bürgersleute beteiligten sich nebst den Beamten und Vereinen an
dem die Feierlichkeiten einleitenden Festzuge. Nachdem Mittags 12 3/4 im seitherigen
Betlokale das Mincha-Gebet gesprochen und Herr Landesrabbiner Dr. Marx -
Darmstadt in tief ergreifenden, zu Herzen gehenden Worten Abschied von der
bisherigen Andachtsstätte genommen, wurden die Torarollen den Trägern
übergeben und der Festzug formierte sich. Voraus schritt die hiesige
freiwillige Feuerwehr, sodann folgten ein Musikkorps, die Schulkinder,
bunte Fahnen mit der Aufschrift K"T (= Kewod Torato =
"Die Ehre Seiner Tora") tragend, der Synagogenchor, die
Schlüsselträgerin mit Ehrendamen, die Torarollenträger unter einem von
Girlanden tragenden Ehrendamen umgebenden Baldachin, Rabbiner und Lehrer,
Kreisamtmann Langemann, der Vorstand hiesiger Gemeinde, Bürgermeister und
Gemeinderäte, und verschiedene andere Gemeinde und Staatsbeamten. Hierauf
schlossen sich dem Zuge, als Zeichen schönster Toleranz, sämtliche
hiesige Vereine mit ihren Fahnen an. Ihnen folgten dann die hiesigen
Gemeindemitglieder und alle übrigen Festteilnehmer. Ein nicht zu
übersehender Zug war es, der sich zur neuen Synagoge bewegte, und
allgemein herrschte die Ansicht vor, dass Höchst eine solche Menge
Menschen noch nie bei einem Feste vereinigte. Vor der neuen Synagoge
überreichte Frl. Lina Muhr mit einer kurzen Ansprache den Schlüssel des
Gotteshauses dem Vertreter der Staatsbehörde, Herr Kreisamtmann Langmann.
Dieser gab seiner Freude Ausdruck über das schöne Verhältnis des
Friedens und der Eintracht in hiesiger Gemeinde, das sich heute durch das
Beteiligen aller Stände und Konfessionen in großartiger Weise gezeigt
habe und schloss mit dem Wunsche, dass dies immer so bleiben möge. Er
überreichte den Schlüssel dem Vorstand hiesiger Gemeinde und dieser dem
Herrn Landesrabbiner, der dann mit den Psalmworten 'ich freute mich über
die, die zu mir sagten: lasst uns geben zum Haus des Herrn' die Pforten
des Gotteshauses öffnete. Ein herrlicher Anblick bot sich nun allen
Besuchern. Das in allen seinen Teilen wohl gelungene Gotteshaus erstrahlte
in elektrischem Lichte und machte auf alle Beschauer einen geradezu
überwältigenden |
Eindruck.
Die Feier in der Synagoge wurde von dem eigenes zu dieser Feier gebildeten
Synagogenchor mit dem Absingen des Begrüßungsliedes des Baruch Haba
eingeleitet. Sodann entzündete Herr Rabbiner Dr. Marx das Ner tamid
(ewiges Licht), die Torarollen wurden unter Gesang des Kantors mit Chor
aus der heiligen Lade gehoben, ein dreimaliger Umzug mit ihnen
veranstaltet, und nach Vortrag des Gebetes für den Landesfürsten unter
erneuten Gesängen zur heiligen Lade zurückgebracht. Unter Zugrundlegung
des Psalmistenwortes 'Eines wünsche ich vom Ewigen, das erbitte ich,
dass ich möge bleiben im Hause des Ewigen all meine Lebenstage, zu
schauen die Anmut des Ewigen' (Psalm 27,4) hielt der Herr Rabbiner die
auf alle Anwesenden einen tiefen Eindruck machende Festrede, und der Chor
schloss sodann mit dem Absingen des 128. Psalmes die erhebende Feier, die
noch lange in der Erinnerung aller Teilnehmer haften wird. Freitag Abend
und Samstag Morgen fanden ebenfalls Festgottesdienste statt, die durch das
Mitwirken eines exakt gehenden Kinderchores eine besondere Weihe
erhielten. Auch für weltliche Vergnügungen war Sorge getragen, indem
Freitag Abend ein Festkonzert, Samstag Abend drei Festbankette und Sonntag
Abend ein Schlussfest abgehalten wurden, die sich eines solch regen
Besuches erfreuten, dass sämtliche zur Verfügung stehenden räume nicht
ausreichten, um alle Besucher aufzunehmen. Hoch befriedigt dürfen auch
wir auf die schöne Feier zurückblicken, die nach allgemeiner
Übereinstimmung sämtlicher Festteilnehmer eine der herrlichsten
Synagogeneinweihungen des letzten Dezenniums war. Hoffentlich hält die
Begeisterung für die neu erbaute Synagoge bei den hiesigen
Gemeindemitgliedern auch recht lange an, sodass zu erwarten ist, dass
durch ein beständiges tägliches Minjan der Zweck des Gotteshauses auch
vollständig erreicht wird. H.K." |
Die neue Synagoge war von romanischen und maurischen Stilelementen
geprägt. Auffallend waren die beiden Ecktürmchen mit den Zwiebelaufsätzen. Im
Innenraum gab es 84
Männer- und 66 Frauenplätze. An der Rückseite der Synagoge stand seit
1918 das Schulgebäude.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge überwiegend
von SA-Leuten geschändet und geplündert. Die Sitzbänke und andere
Einrichtungs- und Kultgegenstände wurden auf den Sportplatz gebracht und
angezündet. Die Giebelspitze mit den Gebotstafeln und die Zwiebeltürme wurden
demoliert, das Dach durch Brand stark beschädigt. Während des Krieges wurde
das Gebäude zu Luftschutzübungen zweckentfremdet. 1946 wurde die ehemalige
Synagoge abgebrochen.
Seit November 1985 erinnert am Standort des jüdischen Gemeindezentrums
bei der ehemaligen Synagoge ein Mahnmal an die jüdische Gemeinde und ihre
Synagoge.
Adresse/Standort der Synagoge: Wilhelminenstraße
2 (Montmelianer Platz)
Fotos
Historische Darstellungen:
Karten / Foto / Pläne |
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Historische
Ansichtskarte mit Darstellung der Synagoge (Außen- und Innenansicht),
rechts der Synagoge ist das Schulgebäude erkennbar |
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Foto: Blick in
die Wilhelminenstraße - Arresthausgasse; links die
Teilfassade der Synagoge (um 1900; Quelle: private Bestände) |
Fassade der Synagoge (Quelle:
Architektur der Synagoge
s. Lit. S. 246) |
Die Synagoge
(Quelle:
Beilage des "Mümling Bote", 2004) |
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Einladung und
Programm zur Einweihung der Synagoge von 12.-14. Februar 1904 (Quelle:
Staatsarchiv Darmstadt,
Akten Kreisamt Erbach Abt. XIII, aus: Arnsberg
Bilder S. 93) |
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Denkmal für die Synagoge
auf
dem Montmelianer Platz
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 17.3.2009) |
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Das Denkmal für
die ehemalige Synagoge im Bereich des früheren Synagogenstandortes
inmitten auf dem hier geschaffenen Montmelianer Platzes |
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Text: "Zum
Gedenken an die jüdische Gemeinde Höchst und zur Mahnung an die Zeit, in
der sie
verfolgt wurde, und in der die Zerstörung ihrer Synagoge möglich
war"; rechts Abbildung der Synagoge. |
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Straßenbezeichnung in
Höchst -
Erinnerung an den Lehrer Hermann Kahn
(siehe Berichte oben) |
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"Hermann-Kahn-Weg"
mit Erläuterungstafel: "Hermann Kahn, geb. 18.09.1878,
gest.
06.11.1968. Lehrer, Dirigent und Ehrenrabbiner". |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Artikel
März 2011: Bernhard
Krämer zu Gast in Höchst |
Foto links: Besucher mit Geschichte: Bernhard Krämer (Zweiter von links) lebt in den USA und besuchte jetzt Höchst, die Heimat seiner jüdischen Familie. Das Bild zeigt ihn mit (von links) Heimatforscherin Brigitte
Diersch, Ruth David, Bürgermeister Reiner Guth und dem Ersten Beigeordneten Günther
Podzimek. Im Hintergrund ist die Gedenktafel zur Erinnerung an die im Jahr 1938 zerstörte jüdische Synagoge in Höchst am heutigen Montmélianer Platz zu sehen. Foto: Gemeinde Höchst
Artikel in echo-online.de vom März 2011 (Artikel):
"Amerikaner besucht Höchst, Heimat der Vorfahren
HÖCHST. Der in den USA lebende Bernhard Krämer, Enkel des früheren Höchster Rechtsanwaltes Bernhard Krämer aus der Bahnhofstraße, war für zwei Wochen bei Bürgermeister Reiner Guth in Höchst zu Besuch. Bernhard Krämers Vater Herbert Krämer hatte seine Heimatgemeinde Höchst aufgrund seines jüdischen Glaubens im Jahr 1936 verlassen müssen. Die Mutter von Bernhard Krämer starb bereits eine Woche nach dessen Geburt im Jahr 1945, so dass er in einem Waisenhaus und später bei Familienangehörigen im Staat New York seine Kindheit verbrachte. Nach dem Schulbesuch erlernte er den Beruf des Sozialarbeiters und war Jahrzehnte für die staatliche Blindenfürsorge in Michigan tätig. Gleichzeitig wirkte Krämer als Reserveoffizier der US-Army, zuletzt war er Oberst.
Vor 40 Jahren heiratete er seine aus Syrien stammende Ehefrau Caroline, mit der er eine Tochter bekam. Inzwischen ist er auch Großvater zweier Enkelkinder.
Bereits 1998 besuchte Bernhard Krämer mit seinem Freund, dem Brigadegeneral Marc Montjar, die Heimatgemeinde seines Vaters und seines Großvaters, der über 30 Jahre dem Höchster Gemeinderat angehört hatte.
Am Standort der früheren jüdischen Bezirksschule in Höchst, die sich neben der Höchster Synagoge am heutigen Montmélianer Platz befand, begegnete Bernhard Krämer auch der aus
Fränkisch-Crumbach stammenden Jüdin Ruth David, geborene Oppenheimer. Die Höchster Synagoge war in der sogenannten Reichspogromnacht am 9. November 1938 zerstört und später abgebrochen worden." |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 376-378. |
| ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. 92-93. |
| Reiner Guth: Geschichte und Schicksale der Juden zu Höchst.
Hg. vom Heimat- und Geschichtsverein / Gemeindevorstand Höchst. Höchst
1985.
Hinweis: Artikel in echo-online.de vom 11.10.2011: Zum
Tod von Bürgermeister i.R. Reiner Guth. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 168-169. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 251-253. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 178-180. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Hoechst im
Odenwald Hesse. Established before 1700, the community numbered
174 (11 % of the total) in 1861 and was affiliated with Darmstadt's Orthodox
rabbinate. Its third synagogue, established in 1904, was a Moorish structure,
with an adjoining community center built in 1918. After 1933, the towns's
anti-Jewish reputation was fully confirmed and Jews starting emigrating. On Kristallnacht
(9-10 November 1938), valuable Torah scrolls were burned and the synagogue was
vandalized. Townsfolk lent a hand in the pogrom. Most of the 90 Jews living
there in 1933 hat fled by 1940; the remaining 14 were deported in 1942. A
Holocaust memorial was erected by the town council in 1985.
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