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Illingen
(Kreis Neunkirchen, Saarland)
mit Merchweiler (Kreis Neunkirchen),
Heiligenwald (Gemeinde Schiffweiler)
sowie
Gennweiler, Quierschied und Sulzbach/Saar (Stadtverband Saarbrücken)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Illingen bestand eine jüdische Gemeinde bis 1940. Ihre Entstehung geht in
die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. Möglicherweise lebten jedoch
bereits im 17. Jahrhundert einige Juden in Illingen. Erstmals lässt sich 1717
ein jüdischer Bewohner (1727 als Aron genannt, der mit Wachs, Pulver und Vieh
handelte) nachweisen. 1763 lebten bereits neun jüdische Familien am Ort,
die teilweise aus Orten der Umgebung zugezogen waren (Forbach, Gennweiler,
Eppelborn usw.).
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebten die jüdischen Familien
vor allem vom Vieh-, Lumpen- und Warenhandel. Auch mehrere Metzger gab es unter
ihnen. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eröffneten Juden als
Kaufleute mehrere Gewerbebetriebe und Handlungen (für Schuhwaren, Textilien, Möbel
und Betten, Lederwaren usw.), die für das wirtschaftliche Leben in Illingen große
Bedeutung bekamen. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden über 200 jüdische
Einwohner gezählt. Die höchste Zahl wurde 1910 mit 270 Gemeindegliedern
erreicht.
Der 1895 gebildete Synagogenbezirk Illingen umfasste auch die in Gennweiler,
Merchweiler, Quierschied
und Heiligenwald lebenden jüdischen
Personen (um 1925 gehörten aus Merchweiler, Sulzbach
und Quierschied zusammen etwa 25 Personen zur Gemeinde Illingen). An besonderen Einrichtungen
bestand eine jüdische Volksschule (bis zur Schließung 1933). Die
Gemeinde hatte zeitweise einen eigenen Rabbiner (seit den 1780er-Jahren Rabbiner
Samuel Oppenheimer), bis sie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dem Rabbinatsbezirk
in Trier zugeteilt wurde. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde
war ein Lehrer (Elementarlehrer) angestellt, der an der jüdischen
Volksschule unterrichtete. Als Lehrer werden genannt: Simon Bernhard
(1823-1830), Salomon Bromberger (1823-1825), Abraham Fuhrmann (1825-1830),
Abraham Levy (1830-1833), Marcus Pfeffer (1834-1863), Rachael Bechhöfer (um
1867), Victor Simon (um 1875), Friedmann Salomon (1885-1895), Moses Berlinger
(1895-1910), Willi Jonas (bis 1935). Längere Zeit war neben dem Lehrer zusätzlich
ein Kantor angestellt, der auch als Schochet tätig war (siehe
Ausschreibungen der Stelle unten). So war neben Lehrer Berlinger ab 1900 Kantor
Marx tätig; neben Lehrer Willi Jonas Kantor Benjamin Lion.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der Gemeinde Jakob Burgheimer (geb.
7.1.1885 in Freiburg i.B., gef. 1.11.1918), Moritz Gottlieb (geb. 4.10.1884 in
Saarburg, gef. 27.1.1916), Oskar Lazar (geb. 27.6.1889 in Illingen, gef.
19.11.1916), Max Levy (geb. 4.3.1884 in Illingen, gef. 2.9.1914), Hermann
Proskauer (geb. 27.6.1882 in Groß Döbern, gest. 21.9.1919 in Gefangenschaft)
sowie Gottlieb Schwarz (geb. 20..12.1879 in Illingen, gef. 4.3.1915). Außerdem
sind gefallen: Vizefeldwebel Leo Schwarz (geb. 1.8.1882 in Illingen, vor 1914 in
Mannheim wohnhaft, gest. 26.7.1918 in Gefangenschaft) und Gefreiter Edmund Levy
(geb. 7l.7.1890 in Illingen, vor 1914 in Stuttgart wohnhaft, gef. 12.9.1918).
Um 1925, als etwa 200 jüdische Personen am Ort lebten (4,5 % von
insgesamt ca. 4.500 Einwohnern) gehörten dem Vorstand der Synagogengemeinde an:
Emil Robert Levy, Abraham Adler I, Josef Schwarz (auch 1932 waren dieselben
Personen Gemeindevorsitzende). Der Repräsentanz gehörten an: Edmund
Levy, Max Weiler, Leo Alexander, Moritz Levy, Simon Levy, Joseph Abraham, Gustav
Herzog, Jacob Alexander und Isidor Michel. Als Kantor und Schochet war
(spätestens seit 1910) Benjamin Lyon angestellt. Die Jüdische Volksschule
besuchten 1925 13 Kinder unter Lehrer Willi Jonas; im Schuljahr 1932/33 waren es
16 Kinder. Es gab mehrere jüdische Vereine, die die Wohlfahrtspflege zum
Ziel hatten. Chewre I und Chewre II unterstützten die Ortsarmen;
die Chewre Gemilus Chessed war für das Bestattungswesen zuständig. Zwei
Frauenvereine unterstützen Arme bzw. hatten auch eine Armenkasse für
Durchwanderer. Seit 1902 bestand der "Israelitische Jünglingsverein"
Chevro hanorim", den der damalige Kantor Marx gegründet hatte und aus
dem auch ein Männerchor erwachsen ist (siehe Bericht unten). Nach dem Ersten
Weltkrieg wurde eine Ortsgruppe des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten
gegründet. Jüdische Einwohner waren selbstverständlich auch in den
allgemeinen kulturellen und sporttreibenden Vereinen tätig.
1933 lebten noch 107 jüdische Personen in Illingen. Nachdem 1935
die Saar dem Deutschen Reich angegliedert wurde, entschlossen sich viele der jüdischen
Einwohner zur baldigen Auswanderung. 1939 wurden noch 32 jüdische
Einwohner gezählt. Beim Novemberpogrom 1938 kam es auch in Illingen zu
schweren Ausschreitungen und Misshandlungen von jüdischen Einwohnern. Am 22.
Oktober 1940 wurden die noch verbliebenen 19 jüdischen Einwohner nach Gurs
deportiert.
Von den in Illingen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen
Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Albert Alexander (1882),
Blondine Alexander geb. Schwarz (1887), Clementine Alexander (1864), Dina
Alexander (1897), Dina Alexander (1923), Franziska Alexander (1876), Greta
Alexander geb. Meier (1913), Gudrun R. Alexander (1923), Isaak Alexander (1875),
Jakob Alexander (1884), Lucie (Luzia) Alexander (1927), Rosalie Alexander
(1923), Emma August (1885), Laura Bier geb. Lewy (1876), Paula Braun geb. Levy
(1898), Laura Cahen geb. Schwarz (1879), Henriette Cohen geb. Levy (1873),
Albert Emanuel(1879), Hugo Haas (1881), Camilla Hainebach geb. Hoffmann (1875),
Adele Hanau geb. Lichtenstein (1890), Leo Hanau (1888) Albert Herzog (1885),
Julius Herzog (1921), Rosa Herzog geb. Gottlieb (1894), Meta Höhne geb. Levy
(1897), Adele Homburg geb. Levy (1888), Helma Isaak geb. Ludwig (1877), Berthe
Israel geb. Schwarz (1884), Mathilde Jacob geb. Schwarz (1880), Else (Ilse)
Joseph geb. Barth (1893), Adolf Kahn (1876), Helene Katz geb. Levy (1870), Hilde
Klimeck geb. Alexander (1880), Bertha Lazar geb. Salmon (1903), Günther Moritz
Lazar (1927), Kurt Michael Lazar (1931), Ruth Lazar (1927), Albert Levy (1875),
Arthur Levy (1875), Edmond Levy (1879), Else Levy (1900), Emilie Levy (1900),
Johanna Levy geb. Weiss (1878), Lina Levy (1880), Ludwig Levy (1870), Olga Levy
(1910), Regina Levy geb. Neuberger (1884), Salomon Levi (1860), Sofie Levy
(1867), Herta Löbenstein geb. Levy (1905), Clementine Löffler geb. Schwarz
(1880), Benjamin Lyon (1876), Johanna Mayer geb. Schwarz (1876), Max Michel
(1911), Ruth Michel geb. Lyon (1910), Auguste Moses geb. Haas (1886), Moritz
Moses (1882), Sara Nussbaum geb. Levy (1883), Juliana Oppenheimer geb. Levy
(1869), Karoline Salomon geb. Levy (1860), Helene Samuel geb. Levy (1874), Ida
Schild geb. Lazar (1891), Ida Schwarz geb. Lorig (1890), Leopold Schwarz (1879),
Moritz Schwarz (1882), Salo Schwarz (1885), Walter Schwarz (1922), Theresia
Schwarz geb. Lorig (1889), Frieda Simon (1879), Abraham Stein (1875), Bertha
Strauss geb. Barth (1885), Max Strauss (1878), Helene Thom geb. Schoenenberger
(geb. ?), Saly Weil (1885), Anne Weiler geb. Alexander (1914), Therese Weiler
geb. Levy (1857), Justine Wolf geb. Levy (1885), Willi Wolf (1896).
Von den in Gennweiler geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften
jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den
Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den
Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Emma Barth geb.
Schwarz (1874), Albert Emanuel (1889).
Von den in Merchweiler geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften
jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den
Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den
Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"; links: Gedenkblatt in Yad
Vashem Jerusalem für Adelheid Löb geb. Schlachter aus Merchweiler): Johanna Dreifuss
geb. Simon (1859), Adelheid Löb geb. Schlachter (1876), Cölestine Löb geb.
Lazar (1868), Delphine (Delfin) Schwarz geb. Wolf (1892), Herbert Schwarz (1932), Isaak Schwarz (1885), Siegfried
Schwarz (1925), Sigmund Schwarz (1891), Werner Schwarz (1929), Betty Seewald geb. Voss (1905),
Karoline Voss geb. Nussbaum (1869), Albert
Weiler (1887), Arthur (Artur) Weiler (1901), Cölestine (Celestine, Zelestine) Weiler
geb. Lazar (1868), Ella Weiler (1899), Emmy Weiler (1899),
Frieda Weiler geb. Schwarz (1888), Frieda (Friedel) Weiler (1904), Ilse (Else) Weiler (1929), Leo
Weiler (1916), Leo Emanuel Weiler (1916), Lilly Weiler (1902), Markus Weiler (1863), Otto Weiler (1908),
Rosa Weiler geb. Levy (1902), Siegfried Weiler (1894), Walter Weiler (1904), Zacharias Weiler (1848).
Von den in Heiligenwald geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben
nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem
und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Gustav Blum (1869), Gustav
Blum (1896), Martha Blum (1898).
Hinweis: der in einigen Listen aufgeführte Walter Blum (1906) konnte seine
Freilassung aus dem Internierungslager Gurs (Südfrankreich) erreichen und in die
Dominikanische Republik emigrieren. Dort gründete er später eine noch heute
existierende Gewürz- und Soßenfabrikation. Er starb am 9. Februar 1984 in Santo
Domingo und wurde im dortigen jüdischen Friedhof beigesetzt (Ausk. von H.-U.
Dillmann vom 6.3.2019).
Von den in Quierschied geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften
jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den
Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den
Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Adele Löb geb. Schlachter
(1876), Helmut Löb (1918), Hermann Lob (1900), Josef Hermann Simon (1887).
Von den in Sulzbach geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen
Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Emil Dreyfus (1883), Paul
Dreyfus (1880), Berta Heymann geb. Meyer (1887), Gertrud Meyer geb. Kleemann
(1909), Walter Straus (1892).
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer / Vorbeter / Schochetim
Anmerkung: die jüdische Gemeinde hatte für diese Ämter teilweise zwei
Personen angestellt, daher die unterschiedlichen Ausschreibungen.
Ausschreibungen der Stellen des Religionslehrers / Elementarlehrers / Vorbeters / Schochet
1859 / 1861 /
1873 / 1879 / 1895 / 1898 / 1907
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 6. Juni 1859: "Aufforderung an Kantoren.
Die hiesige Synagogen-Gemeinde beabsichtigt, sofort einen Chasan
und Schochet anzustellen, der imstande ist, einen Chor zu leiten.
Außer freier, anständiger Wohnung bringt die Stelle inklusive der Schechita
wenigstens jährlich 300 Thaler ein. Gewünscht wird auch, dass der
Bewerber in verschiedenen Vereinen allsabbatlich Vorträge halten kann,
was noch außerdem honoriert wird.
Bewerber müssen sich zu einer Probe im Vorbeten, ohne
Reiseentschädigung, verstehen.
Bewerber wollen sich baldmöglichst bei dem unterzeichneten Vorstande
melden, da man gesonnen ist, den Vorbeter noch vor Einweihung einer neuen
Synagoge, die im Laufe dieses Sommer stattfinden soll, anzustellen, was
dem Vorbeter einen bedeutenden pekuniären Vorteil gewährt.
Illingen, Kreis Ottweiler, den 25. Mai 1859. Der
Synagogen-Vorstand. Salomon Straus. Lassar Lövy." |
|
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23. Juli 1861: "Ein
musikalisch gebildeter, mit einer angenehmen Stimme begabter Vorbeter, der
einen Chor einzuüben und zu leiten versteht. Und zugleich auch entweder
als geprüfter Elementar- und Religionslehrer, oder als Schächter
fungieren kann und befähigt ist, Schiur (Toralernstunde) zu
lehren, kann sogleich in der Gemeinde Illingen mit einem jährlichen
Einkommen von 300 Talern nebst einer schönen, freien Wohnung an der
neuen Synagoge angestellt werden.
Bewerber, auch Verheiratete, wollen unter frankierter Einsendung ihrer
Zeugnisse sich sofort bei mir melden.
Auch sind noch andere gute Stellen
für Lehrer und Vorbeter in meinem Rabbinatssprengel vakant.
Trier, den 8.
Juli 1861. Der Oberrabbiner J. Kahn." |
|
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. März 1873:
"Ein Lehrer und Vorbeter
gesucht mit einem Gehalt von 150 Thalern, 50 Thaler garantierte
Nebenverdienste und freie Wohnung. Reflektierende wollen sich unter Einsendung
ihrer Zeugnisse wenden
an den israelitischen Gemeindevorstand in Illingen
(Regierungsbezirk Trier)." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Oktober 1879: "In der
hiesigen israelitischen Gemeinde wird zum 1. Dezember dieses Jahres die
Elementarlehrer- und Kantorstelle vakant, welche außer freier Wohnung ein
Jahreseinkommen von Mark 1.350 und Garantie für Mark 150 Nebeneinkünfte
einbringt.
Es wird nur auf solche Bewerber reflektiert, die ihre Prüfung
in den Elementarfächern abgelegt, im Hebräischen bewandert und imstande
sind, einen deutschen Vortrag zu halten.
Anmeldungen unter Beifügung der
Schulzeugnisse nimmt entgegen
der Vorstand: A. S. Levy, S. Levy jr. Illingen, 16. September 1879". |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Januar 1895:
"Die Synagogengemeinde Illingen sucht per 1. April dieses
Jahres einen durchaus tüchtigen, seminaristisch gebildeten
Elementarlehrer, welcher die Fähigkeit besitzt eventuell Vorträge zu
halten. Es wird besonders darauf gesehen, dass Reflektant religiös und
talmudisch gebildet ist. Die Schule soll demnächst eine Öffentliche
werden. Anfangsgehalt Mark 1.200 pro anno, nebst Mietsentschädigung.
Bewerber willen ihre Gesuche bis spätestens 14. Februar an den
unterzeichneten Vorstand einsenden.
Illingen, Regierungs-Bezirk Trier, 14. Januar 1895. Der Vorstand der
Synagogen-Gemeinde." |
|
Anzeige in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 23. Februar 1898: "In der Synagogengemeinde Illingen
(Regierungsbezirk Trier) ist die Stelle eines musikalisch gebildeten
Kantor und tüchtigen Schochet mit einem Gehalte von Mark 1.350 und Mark
250 garantiertes Nebeneinkommen, nebst freier Wohnung zu besetzen. Nur
religiöse Bewerber, die im Besitze von Kabolos von orthodoxen Rabbinen
sind, wollen sich unter Einsendung ihrer Zeugnisse und eines selbst
geschriebenen Lebenslaufs bei dem unterzeichneten Vorstand melden.
Bevorzugt werden Bewerber aus der Rheinprovinz und Süddeutschland von 25
bis 40 Jahren.
Illingen (Regierungsbezirk Trier). Der Vorsitzende des Vorstands.
A. S. Levy." |
|
Anzeige in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 18. April 1907: "In der Synagogengemeinde Illingen
Regierungsbezirk Trier ist am 1. Juli dieses Jahres die Stelle eines
Kantors und Schochets
neu zu besetzen.
Das Stellengehalt beträgt Mark 1.500, das garantierte Nebeneinkommen Mark
300. Außerdem wird freie Wohnung gewährt. Nur streng religiöse
Bewerber, die im Besitze von Kabbalot streng orthodoxer Rabbiner
sind und über gute Stimmmittel verfügen, wollen ihre Meldungsgesuche
unter Einreichung ihrer Befähigungsnachweise und genauer Angabe ihrer
bisherigen Tätigkeit bis zum 15. Mai an unterzeichnete Stelle gelangen
lassen. Ausländer können nicht berücksichtigt werden.
Der Vorsitzende des Vorstands Hermann Barth." |
Über den Kantor Marx und den von ihm gegründeten israelitischen
Jünglingsverein (1902)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Juli 1902: "Illingen,
im Juli (1902). In wie weit ein Kultusbeamter seine erzieherische Kraft in
den Dienst der Religion und der geistigen Bildung zu stellen vermag, davon
ist uns durch unseren Kantor und Lehrer, Herrn Marx, ein nachahmenswertes
Beispiel gegeben. Dieser überaus tüchtige Beante wirkt bereits seit zwei
Jahren in unserer Gemeinde. In dieser Zeit hat es derselbe verstanden,
durch seine erhebende Abhaltung des Gottesdienstes, durch sein
aufrichtiges, religiöses Betragen und seinen Amtseifer einerseits die
Herzen unserer Gemeindeangehörigen zu erwerben, während er andererseits
durch sein korrektes Auftreten und freundliches Benehmen jedem Mitmenschen
gegenüber, die Hochachtung und Sympathien unserer christlichen Mitbürger
sich errungen hat. Von welcher Seite Herr Kantor Marx seinen Beruf
auffasst, beweist der von ihm am Lag beomer dieses Jahres gegründete israelitische
Jünglingsverein "Chevro hanorim".
Der Verein verfolgt in erster Reihe den Zweck, durch allwöchentliche
Vorträge des Herrn Kantor Marx über die laufende 'Sidra (=
Wochenabschnitt der Tora) mit Raschierklärung' und daran geknüpfter Erläuterung
der Dinim und Minhagim bei den jungen Leuten, das Interesse für die
heilige Lehre wieder zu wecken und zum Festhalten an derselben
beizutragen. In zweiter Reihe hat es scih der Verein zur Aufgabe gemacht,
durch vierteljährliche Vorträge über ein in jüdische Volksgeschichte
einschlagendes Thema, den Gemeindemitgliedern mit ihren Familien einen
geistig genussreichen Abend zu schaffen. Aber auch der Verherrlichung des
Gottesdienstes soll der Verein dienen, indem unter der Leitung des Herrn
Marx ein vierstimmiger Männerchor aus den stimmbegabten
Vereinsmitgliedern sich gebildet hat. Dass dieser Verein in unserer
Gemeinde einen äußerst guten Anklang fand, beweist unsere Vereinsliste,
welche bereits 56 aktive und passive Mitglieder zählt.
Die Gründung und Erhaltung solcher Vereine, besonders in den
Landgemeinden, ist allerdings nicht immer leicht, da nicht selten
Interesselosigkeit und Parteilichkeit Hemmnisse schwierigster Art bilden.
Wir haben aber die feste Überzeugung, dass, wo die Leitung eine solch
tüchtige und energische Kraft aufweist, wie wir sie in der Person des
Herr Kantor Marx besitzen, diese so vielen hohen Zwecken dienende Vereine,
deren Nützlichkeit auf dem vor einiger Zeit in Frankfurt am Main tagenden
'Deutschen Rabbinerverband' anerkannt wurde, zum Segen der Gemeinde
entstehen und bestehen werden.
S.L." |
Zur ersten Generalversammlung des
Jünglingsvereines 1903 siehe unten. |
Lehrer Moses Berlinger geht in den Ruhestand (Lehrer in
Illingen von 1896 bis 1916, danach in Trier; Bericht von 1931)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Oktober 1931:
"Trier, 8. Oktober (1931). Am 1. Oktober trat Herr Lehrer Moses
Berlinger nach 45-jähriger Tätigkeit in den Ruhestand. Herr Lehrer
Berlinger wirkte mehr als 20 Jahre an der jüdischen Volksschule zu
Illingen (Saar) und folgte im Jahre 1916 einer Berufung zum Lehrer der
Jüdischen Volksschule in Trier. Er genoss während seiner ganzen
Amtstätigkeit bei Behörden und Elternschaft den Ruf eines hervorragenden
Pädagogen und eines besonders pflichttreuen Menschen. In allen Kreisen
der jüdischen und auch der nichtjüdischen Bevölkerung unserer Stadt
erfreut sich Herr Lehrer Berlinger der größten Beliebtheit. Ein schöner
Beweis der Anerkennung war die erhebende Abschiedsfeier, die dem von
seinem Amte Scheidenden veranstaltet wurde. Während derselben
überbrachte Kreisschulrat Dr. Braun dem Jubilar die Wünsche des Staates
und der Stadt und dankte dem bewährten Erzieher in herzlichen Worten für
seine aufopfernde und hingebungsvolle Tätigkeit. Die Überreichung des
Diploms und eines Glückwunschschreibens der Stadt Trier gaben den
inhaltvollen Worten ihre äußere Form. - Im Namen der Gemeinde dankte
Herr Oberrabbiner Dr. Altmann in sinnvoller Deutung eines Bibel- und
Midraschwortes für die liebevolle Besorgnis um die heranwachsende Jugend
und die bewundernswerte Selbstlosigkeit, mit der Herr Lehrer Berlinger
unter steter Hinansetzung seiner Person seinem idealen Berufe diente. -
Als Vorsteher der Gemeinde sprach Herr Moritz Kaufmann Worte der
Anerkennung und hob besonders die Verdienste des Jubilars als Mitgliedes
der Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde zu Trier hervor. -
Für die Lehrerschaft fand Herr Rektor Halfen besonders schöne Worte
über das kollegiale und friedfertige Wesen des Herrn Lehrer Berlinger,
der es stets verstanden hat, in konfessioneller Eintracht und aufrichtiger
Freundschaft mit allen Kollegen zu verkehren. - Eine Fülle von schönen
Darbietungen des Schülerchores sowie einzelner Schüler und Schülerinnen
und die Überreichung eines Ehrengeschenkes sollten den Dank und die
Anhänglichkeit der Schüler zum Ausdruck bringen. - Herr Lehrer Berlinger
dankte in tiefer Rührung für all die Worte der Anerkennung und die
Beweise der Verehrung. Er ermahnte die Schüler zu weiterem fleißigem
Schaffen und legte ihnen ans Herz bewusste Juden und nützliche Glieder
der menschlichen Gesellschaft zu werden. Seine Seele sei eingebunden in
den Bund des Lebens" |
Der hebräische Schlusswunsch steht bei
Berichten über verstorbene Personen, daher die Korrektur im nächsten
Artikel. |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 22. Oktober 1931: "Berichtigung. In der Würdigung des
Herrn Lehrer Moses Berlinger in Trier aus Anlass seines Eintretens in den
Ruhestand in der jüngsten Nummer unseres Blattes (Seite 8) kam aus
Versehen des Setzers eine hebräische Formel an den Schluss, die zu einem
anderen Artikel gehörte. Wir bedauern diese Verwechslung und wünschen
Herrn Lehrer Berlinger einen heiteren Lebensabend in frischer
Gesundheit und ungetrübtem Glück. (Alles Gute) bis 120
Jahre". |
Zum Tod von Oberlehrer i.R. Willy Jonas (1937)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 4. Februar 1937: "Trier, 25. Januar (1937). Die
Jüdische Gemeinde Trier hat einen schweren Verlust erlitten durch das
Ableben eines ihrer besten Mitglieder, des Oberlehrers i. R. Willy
Jonas (früher Illingen, Saar). Neben den besten jüdischen und
menschlichen Qualitäten zeichnete diesen Mann außerordentliche
Bescheidenheit aus. Nichts für sich, alles für die anderen! Dieser edle
Charakterzug brachte ihm ungewollt die Zuneigung aller ein, die jemals mit
ihm in Berührung kamen. Davon legte auch die außergewöhnlich große
Beteiligung an der Bestattung beredtes Zeugnis ab. Selbst seine erste
Gemeinde, die er vor etwa 40 Jahren betreute, war durch zahlreiche
Mitglieder vertreten. Herr Oberrabbiner Dr. Altmann zeichnete an der Bahre
das Charakterbild dieses edlen Jehudi in zu Herzen gehenden Worten. Möge Gott
der schwergeprüften Gattin, die ihren Lebensgefährten aufopfernd
pflegte, und den Kindern die Kraft zur Überwindung des schweren
Schicksalsschlages geben. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Aus dem jüdischen Gemeinde- und
Vereinsleben
Zur Situation der jüdischen Gemeinden im 18. Jahrhundert
(Beitrag von 1841)
Artikel
in der Zeitschrift "Israelitische Annalen" vom 26. März 1841 zur
Situation der jüdischen Bevölkerung im Saarland: "2) Kreis Ottweiler,
bis 1777 durften hier und in Saarbrücken keine Juden wohnen. Für den
täglichen Aufenthalt zahlt jeder 12 Kr. Oder für ein Jahr 2-3
Friedrichsd’or Leibzoll. Damals gestattete der humane Fürst Ludwig den
Juden im Fürstentum, mit Ausnahme Saarbrücken selbst, welches
Privilegien hatte, keinen Juden zuzulassen, die Aufnahme. Der Magistrat
von Ottweiler wollte dagegen ramonstrieren, da aber auf dessen Reise zum
Fürsten der Wagen umstürzte und einer der Herren ein Bein brach, nahm
man dies für ein Omen und so unterblieb der Antrag. Ein mir vorliegender
Schutzbrief vom 1. Januar 1777 gestattet dem Inhaber freien Handel, jedoch
Abschließung von Verträgen nur unter Aufsicht oder Bescheinigung der
betreffenden Ortsbehörde; ferner den Gottesdienst nur privatim zu halten,
jedoch für hohe Feierlichkeiten jüdischer Männer bis zur Zahl 10 aus
der Nähe zum Gottesdienste einzuladen, ohne für diese Zeit Zoll zu
entrichten; der Rabbiner hatte kein Schutzgeld zu zahlen. Auch hatten sie
in allen inneren Angelegenheiten Autonomie. Ähnlich waren die
Verhältnisse in Illingen, wo die Gemeinde jedoch älter ist, deren
Geschichte manches Interessante darbietet. – Hier war der Sitz eines
Rabbinen für das ganze freiherrliche Gebiet. Die Gemeinde zählt 40
Familien und enthält die trefflichsten Elemente zu Verbesserungen. Sie
haben eine sehr gut eingerichtete Gemeindeordnung und eine öffentliche
Elementar- und Religionsschule unter dem Lehrer Herrn Pfeffer. Es sind
hier nicht weniger als 5 Wohltätigkeitsvereine." |
Spendenaufruf für eine in Not geratene Familie
(1874)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 2. Juni 1874: "Wohltätige
Glaubensbrüder und Schwestern! In unserer zwar zahlreichen aber nicht
begüterten Gemeinde ist über eine brave Familie ein großes Unglück
hereingebrochen. Ein fleißiger Handelsmann, Mendel Levy von hier, ist vor
einem Jahre geisteskrank geworden und hat infolge dessen ein trauriges
Ende genommen. Er hinterlässt eine Frau mit sieben unmündigen Kindern,
von denen das älteste 14 Jahre und das jüngste Kind kaum sechs Monate
alt ist, in der drückendsten Armut. Schrecklich ist der Anblick, welche
diese Unglücklichen dem mitleidigen Auge darbieten und erschütternd ihr
Jammer. Die Unterzeichneten wagen es, an das humane Herz aller
Menschenfreunde zu appellieren, dass es durch milde Gaben diesen vom
Schicksal so hart Betroffenen beistehen möge, um deren unglückliches Los
zu erleichtern. Möge dieser Aufruf ein starkes Echo finden und Viele ein
Scherflein beitragen, wo es geht, die Not einer sehr betrübten Witwe
lindern zu helfen.
Die Unterzeichneten sind gerne bereit, Gaben in Empfang zu nehmen und in
dieser Zeitung zu verzeichnen.
Illingen, Kreis Ottweiler, den 28. Mai 1874.
Der Vorstand der Gemeinde: Salomon Strauß. A. S. Levy." |
Kollekte zugunsten der bedrängten russischen Juden (1891)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Juni 1891: "Illingen
(Bezirk Trier). Zu Gunsten unserer unglücklichen, russischen
Glaubensbrüder wurde dieser Tage in hiesiger Synagogengemeinde eine
Kollekte vorgenommen, die das verhältnismäßig sehr erfreuliche Resultat
von Mark 355,50 Pfennig ergab, welcher Betrag sofort an Herrn Rabbiner Dr.
Rülf in Memel abgeführt wurde." |
Erste Generalversammlung des israelitischen
Jünglingsvereins (1903)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Juni 1903: "Illingen.
Vorigen Monat fand die erste Generalversammlung des vor einem Jahr von
Herrn Kantor Marx gegründeten israelitischen Jünglingsvereins
statt.
Nachdem die statutengemäße Neuwahl des Vorstandes, in welchen die
seitherigen Mitglieder wieder gewählt wurden, vorüber war, wurde vom
Vorsitzenden des Vorstandes über die aktive Tätigkeit des Vereins im
verflossenen Jahre berichtet. Derselbe erwähnte, dass, abgesehen von der
literarischen und unterhaltungsbietenden Seite des Vereins, wodurch
unserer, über 70 Familien starken Gemeinde schon so manche schöne Stunde
geboten wurde, hauptsächlich die allsabbatlichen schönen und belehrenden
Vorträge unseres allgemein geehrten und geachtet Lehrers und Kantors
Herrn Marx es sind, welche in den Herzen der jungen aktiven Mitglieder
schon sehr beachtenswerte Früchte gezeitigt haben.
So kann konstatiert werden, dass hier das sabbatentweihende Kegelspielen
bei den aktiven Mitgliedern aufgehört hat, das Tefillinlegen strenger
beobachtet wird und auch die Beteiligung am Wochengottesdienst eine regere
geworden ist. Obwohl unserem Herrn Marx betreffs Ermahnung zur
Sabbatheiligung und Erfüllung sonstiger Chukim und Mizwot
noch Vieles zu tun übrig bleibt, so ist es doch wohltuend, wenn man auf
solche Erfolge in so kurzer Zeit zurückblicken kann.
In Anerkennung seiner Verdienste um den verein und seiner lehrreichen und
schönen Vorträge, wurde Herrn Marx vom Vorsitzenden, Herrn Strauß, im
Namen des ganzen Vereins ein schöner, silberner Kelch mit Widmung
überreicht.
Zu unserer aller Freude sei hier noch mitgeteilt, dass Herr Marx
einstimmig vom Vorstande und dem Repräsentanten-Kollegium der hiesigen
Synagogengemeinde eine schöne Gehaltsaufbesserung erhalten und seine
tüchtige Kraft durch einen neuen Vertrag uns wieder gesichert ist." |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 6. Juli 1903: "Regierungsbezirk Trier, 3. Juli 1903: Der Artikel
in Nummer 51 Ihres geschätzten Blattes aus Illingen bedarf einiger
Berichtigungen. Die Gemeinde ist nicht über 70, sondern mit vielen
auswärtigen Mitgliedern erst über 60 Familien stark. Lehrer der Gemeinde
ist nicht Herr Marx, sondern ein anderer, ein sehr bescheidener Mann,
der, was nebenbei bemerkt werden soll, dem betreffenden Vereine aus guten
Gründen vollständig fern steht.
Herr Marx ist Schächter und Kantor der Gemeinde, Lehrer ist derselbe
überhaupt nicht. Wohl hat derselbe im Badischen Lande die
Religionslehrerprüfung abgelegt, hat aber für diesen Beruf
augenblicklich keine Anstellung, eine solche auch in seinem früheren
Wirkungskreise, Sulzburg in Baden nicht gehabt. Der Dank für die
bereiteten schönen Stunden geziemt doch hauptsächlich Seiner Ehrwürden
Herrn Oberrabbiner Dr. Baßfreund in Trier, der durch seine
hochinteressanten Vorträge alle entzückte, und den Damen und Herren, die
aber auch schon vor Marx's Zeichen ihre Kräfte in den Dienst der guten
Sache stellten." |
Antijüdische Beschuldigungen und Boykott jüdischer
Geschäfte nach den Wahlen (1907)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. März 1907: "In Illingen, einem kleinen Flecken im Kreise Ottweiler, wurden die
ansässigen jüdischen Geschäftsleute beschuldigt, die Niederlage des
Zentrums mit herbeigeführt zu haben, und der Boykott wurde über sie
verhängt. Das geschah, wie uns von zuverlässiger Seite mitgeteilt wird,
in der Kirche; mit welchem Erfolge, erhellt aus der Tatsache, dass der
Landrat am Fastnachtsdienstag, der zu einer öffentlichen Kundgebung gegen
die Israeliten ausgegeben war, zehn Gendarmen nach Illingen
beorderte." |
|
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22. März 1907: "Illingen,
im März. Wir haben schon über den politischen Boykott berichtet, der
über die hiesige jüdische Gemeinde verhängt wurde. Jetzt schreibt die
‚Kölner Zeitung’ von hier: ‚In unserem 4.000 Einwohner zählenden
Ort besteht eine Anzahl nicht unbedeutender Geschäfte, die sich im Besitz
von Israeliten befinden. Die stark bevölkerte Umgegend deckt ihren Bedarf
ebenfalls in den hiesigen Geschäften. Seit Jahren war das Verhältnis
unserer zu 90 % katholischen Bevölkerung zu diesen israelitischen
Geschäftsleuten das denkbar beste. Durch die letzte Reichstagswahl ist es
jedoch gründlich zerstört worden. Unser Wahlkreis gehört zum Wahlkreise
St. Wendel – Ottweiler – Meisenheim, in dem sich bei der letzten
Reichstagswahl der Zentrumskandidat Marx und der Nationalliberale von
Schubert gegenüber standen. Die Wahl endete mit der Niederlage des
Zentrums, das auf einen sicheren Sieg gerechnet hatte und durch den
Ausgang doppelt enttäuscht worden ist. Es war leicht festzustellen, dass
die israelitischen Geschäftsleute nicht für das Zentrum gestimmt haben
konnten. Schon gleich nach der Hauptwahl setzte die Agitation gegen die
israelitischen Geschäftsleute ein; es wurden ihnen Drohbriefe gesandt.
Der Ausgang der Stichwahl brachte die Judenhetze offen zum Ausdruck. Die
Drohungen mehrten sich. In der Nacht wurden aufhetzerische Flugblätter in
die Häuser geworfen, die ‚an die katholischen Glaubensgenossen’
gerichtet waren, und in denen es hieß, es sei festgestellt, dass die
Juden in Saarbrücken, Neunkirchen und Illingen liberal gewählt hätten.
Die Juden hätten damit gegen die Katholiken, die ihnen das ganze Jahr
hindurch ihren Verdienst zutrügen, gestimmt. Es folgte dann die
Aufforderung, nichts mehr bei den Juden zu kaufen, sondern nur bei
katholischen Geschäftsleuten. Am Fasnachtsdienstag folgten große
Kundgebungen gegen die Juden. Auf einem Wagen sammelten sich mehrere
Personen mit die Israeliten verhöhnenden Masken, und, gefolgt von einer
mehr als tausendköpfigen menge, zog man durch die Straßen; vor den
Häusern der israelitischen Geschäftsinhaber machte man Halt und sang
Spottlieder auf die Juden. In einem heißt es: Die Reichstagswahl, die
wäre jetzt vorüber. Geschlagen ist die fürchterliche Schlacht, Ein
Zentrumsmann, der ging uns hinüber, Die Juden haben es soweit gebracht!
Das ist ein Streich, den muss man jetzt parieren usw. usw. Die Spott-
und Hetzlieder wurden in den Wirtschaften gesungen, die Kinder riefen sie
auf der Straße vorübergehenden Israeliten zu. Der geschäftliche Boykott
aber wird seit vier Wochen streng durchgeführt, ja immer schärfer
gehandhabt, da nach und nach auch die Kundschaft in der Umgegend mit
aufgehetzt wird. Jüdische Metzger, die seit Jahren ihrer Kundschaft das
Fleisch ins Haus trugen, finden die Türen verschlossen. ‚Verkauft das
Fleisch an Schubert’ so lauten die Zurufe. Die großen Geschäftshäuser
hier am Platze, die besonders sonntags nach dem Kirchgang gedrängt voll
waren, sind jetzt leer, kein Kunde kommt. Einen schärferen
wirtschaftlichen Boykott kann es kaum geben.’ Wird die Leitung der
Zentrumspartei diesem Unfug schweigend zusehen? Wird sie dulden, was sie
entschieden missbilligen würde, falls Parteigenossen wegen ihrer
politischen Haltung geboykottet würden? Wie war doch die Erregung in der
Zentrumspresse groß, als es unbegründeterweise hieß, die katholischen
Geschäftshäuser in Duisburg seien in Verruf erklärt worden." |
1937: Illingen betreut die jüdischen Gemeindeglieder
einer weiten Umgebung
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Februar 1937: "Die
saarländischen Synagogengemeinden Merzig und Neunkirchen, die einst
bedeutende Gemeinden waren, sind heute fast gänzlich aufgelöst. Nur noch
einige Mitglieder sind zurückgeblieben. Dank der finanziellen Hilfe des
Preußischen Landesverbandes jüdischer Gemeinden kann die Gemeinde
Illingen, die zur zweitgrößten Gemeinde im Saarland geworden ist, ihren
Kantor und Lehrer weiter behalten. Die Gemeinde betreut die Juden in den
Orten Merchweiler, St. Wendel, Ottweiler und
Neunkirchen. Der Anschluss
der Gemeinden Merzig und Neunkirchen ist beschlossen worden und bedarf nur
noch der behördlichen Genehmigung. Der Anschluss anderer Gemeinden an die
Gemeinde Illingen wird erstrebt." |
Berichte zu einzelnen Gemeindegliedern
Schwierigkeiten bei der Beisetzung der Witwe des
langjährigen langjährigen Gemeindevorstehers Samuel Beckhard (1878)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. März 1878: "Von der Saar.
Die ‚St.-Johann Zeitung’ bringt folgendes ‚Eingesandt’, das eine
merkwürdige Schilderung von der Pietät einer jüdischen
Gemeindeverwaltung gegen Verstorbene gibt: Folgende Historie, die ihres
Gleichen wohl |
so
leicht nicht finden dürfte, möge zu Nutz und Frommen derer, die es
angeht, und zur Erinnerung für die betreffende Mit- und Nachwelt hiermit
der Öffentlichkeit übergeben werden. Die Tatsache, die hier ganz
objektiv mitgeteilt werden sollen, mögen dabei selbst für sich sprechen,
ein Kommentar wird für keinen vernünftige und fühlenden Menschen nötig
sein:
In der Gemeinde Illingen (Kreis Ottweiler) wohnte vor vielen Jahren und
etwa bis zum Jahre 1864 die israelitische Familie Beckhard, die wegen
ihrer Ehrenhaftigkeit, und vor Allem wegen ihrer unbegrenzten
Wohltätigkeit und Gastfreundschaft weit und breit des ehrenvollsten Rufes
genoss und mit Recht als eine Zierde, nicht bloß der israelitischen Gemeinde,
sondern des ganzen Ortes betrachtet und allgemein beliebt und geachtet
war. Der Mann, Herr Samuel Beckhard, der ebenso wie ehemals schon sein
Schwiegervater, Abraham Strauß, lange Jahre und bis zu seinem Tode
Vorsteher der israelitischen Kultusgemeinde war, hatte sich um dieselbe in
jeder Weise verdient gemacht und seinen Bemühungen fast ausschließlich
war es auch zu danken, dass die israelitische Gemeinde, deren Friedhof zu
jener Zeit angefüllt war, einen eigenen neuen Friedhof erhielt, zu dessen
Beschaffung der Vorsteher Bernhard einen Teil der Kaufsumme aus eigenen
Mitteln bestritt, ja später sogar die Einfriedigung desselben durch eine
Mauer herbeiführte, zu der er ebenfalls einen Teil der Kosten hergab. Im
Jahre 1843 starb Herr Beckhard mit Hinterlassung von Frau und 12 Kindern.
Die Witwe Beckhard hatte nach dem Tode ihres Mannes mit einigen ihrer
jüngeren Kinder noch über 20 Jahre in Illingen ihren Wohnsitz, wo sie,
beiläufig bemerkt, bis zu ihrem vor Kurzem erfolgten Tode,
Miteigentümerin ihres daselbst befindlichen elterlichen Hauses war,
ebenso wie sie in der dortigen Synagoge noch ihren eigenen, käuflich
erworbenen Platz besaß. Vor kurzem nun und zwar am 17. Januar dieses
Jahres starb Frau Witwe Beckhard in Merzig, wo sie bei einer dort
verheirateten Enkelin zu besuch war, im Alter von 78 Jahren. Da sie, wie
ihren Angehörigen bekannt war, schon früher den Wunsch geäußert hatte,
in ihrem Geburts- und Heimatorte Illingen mit ihren ihr vorangegangenen
Gatten, Eltern und Kindern vereint ihre letzte Ruhestätte zu finden, so
trafen selbstverständlich und den Gefühlen kindlicher Pietät folgend,
ihre Kinder sofort nachdem sie Kunde vom Tode der Mutter respektive
Schwiegermutter erhielten, Anstalt, die Leiche nach Illingen zu
überbringen. Da wegen der Beerdigung die Sache Eile hatte, so wurde von
Merzig aus an einen israelitischen Gemeindeangehörigen in Illingen die
Todesnachricht der Frau Beckhard telegraphisch berichtet und derselbe
ersucht, das Grab zu bestellen, da am anderen Morgen, den 18. Februar, die
Leiche per Bahn von Merzig abgehen sollte, um am selben Tage noch in
Illingen Beerdigung zu werden. Der Betreffende kam auch diesem Ersuchen
nach. Die Leiche war inzwischen am Morgen des 18. von Merzig abgegangen,
um nach Illingen überführt zu werden, als auf einmal, an einen Sohn der
Verstorbenen, ein Telegramm aus Illingen anlangte, wonach der Vorstand die
Annahme der Leiche verweigere, bis die rückständigen Kultuskosten des
Sohnes Beckhard in Dudweiler berichtigt seien. Es wird nun wohl jedem
Unbefangenen einleuchten, dass eine etwaige Verpflichtung des Herrn
Beckhard, der schon seit Jahren zum Synagogenverband Saarbrücken gehört
und daselbst Kultuskosten zahlt, gegen die israelitische Kultusgemeinde
Illingen, mit der Beerdigung von dessen dort gemeindeangehörigen Mutter
nicht das Geringste zu schaffen hatte, da, wenn die Gemeinde wirklich an
diesen noch eine berechtigte Forderung zu haben glaubte, sie wohl andere
und zwar rechtliche Mitte und Wege hätten finden können, um ihre
Ansprüche geltend zu machen. Wie es bezeichnet zu werden verdient, dass
der israelitische Gemeindevorstand im Angesicht einer allverehrten Toten
eine vorläufig in Betreff ihrer Berechtigung noch sehr zweifelhafte
Forderung geltend machte, will Einsender dem Urteil jedes Unbefangenen
überlassen, der noch eine Spur von Pietätsgefühl in sich trägt. Noch
eklatanter illustriert diese Handlungsweise sich dadurch, dass ein in
Dudweiler wohnender Israelit, sich bei dem Vorstande erbot, eventuell,
wenn man die Berechtigung der Verstorbenen auf ein Begräbnis in Illingen
nicht anerkennen wollte, da die Leiche bereits nach Illingen unterwegs
sei, jeden für die Begräbnisstätte zu fordernden Preise zu zahlen, die
Antwort erheilt: ‚Nein, das tun wir nicht, wir sind nur froh, dass wir
eine Gelegenheit gefunden haben, den Sohn Beckhard zur Zahlung der
Kultuskosten zu zwingen.’ Inzwischen war die Leiche gegen 2 Uhr
nachmittags (es war freitags) auf Station Reden angelangt, so schon im
Laufe des vormittags eine große Anzahl israelitische Männer und Frauen
aus Neunkirchen sich eingefunden hatten, um der Verstorbenen von dort das
Geleit nach Illingen zu geben und zur Weiterbeförderung der Leiche sogar
einen Leichenwagen mitgebracht und denen auch von anderen Ortschaften her
sich Leidtragende angeschlossen hatten. Als man von der unbegreiflichen
Weigerung des israelitischen Gemeindevorstandes Kunde erhielt, war man
ebenso entrüstet wie erstaunt, und wie Ein Mann erhoben alle anwesenden
Neunkirchener, |
Auch
mit Rücksicht auf den eintretenden Sabbat, den Wunsch, ja die Forderung,
die Leiche nach Neunkirchen überführen und auf ihrem Friedhofe beerdigen
zu dürfen, da sie es sich zur besonderen Ehre rechneten, der allverehrten
Verblichenen daselbst die letzte Ruhestätte zu bereiten. Und so geschah
es denn auch; die edle Verstorbene, der man in ihrem Geburts- und
Heimatsorte aus niedrigen Mammonsgelüsten das kleine Stückchen Erde
verweigerte, fand auf dem Friedhofe ihrer Glaubensgenossen in Neunkirchen
die letzte Ruhestätte. Dass die israelitische wie auch teilweise die
christliche Gemeinde in Illingen, die übrigens zum Empfang und zur
Beerdigung der Leiche bereit waren, über diese Handlungsweise des
israelitischen Vorstandes entrüstet waren, und dass auch der Vorstand
selbst, der, wie aus erweislichen Äußerungen hervorgeht, ‚diesen
Ausgang’ nicht erwartet, und jetzt zu einer Aufnahme der Leiche gern
bereit wäre, falls die Angehörigen sie wieder ausgraben lassen wollten,
ändert leider an der Tatsache nichts, denn die endlich gefundene Ruhe der
Toten nochmals zu stören, dürfte selbst ihrem Wunsche gegenüber, in
Illingen zu ruhen, gegen die zumal bei Israeliten bekannte angeborene
Pietät verstoßen. L…." |
Zum Tod von Emilie Levy aus Sulzbach/Saar (1878)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Mai 1878: "Illingen,
Regierungsbezirk Trier, im Monat Ijjar. Die in stiller Häuslichkeit
geübte Pflichttreue einer jüdischen Gattin und Mutter hatte zu allen
Zeiten, hat insbesondere in unserer Zeit für die Erhaltung und Förderung
unserer heiligen Religion eine so hohe Wichtigkeit, dass wir es als
Pflicht … betrachten, einem jüngst aus dem irdischen Dasein
geschiedenen Biederweibe (einer wackeren Frau) in diesem Blättern ein
Ehrendenkmal zu setzen und nach den Worten des weisen Königs ‚lobt in
den Toren ihre Taten’ deren Taten öffentlich zu preisen. Frau Emilie
Levy, Gattin des Herrn Michael Levy aus Sulzbach bei Saarbrücken,
war einer angesehenen Gelehrtenfamilie in Hürben entsprossen. Ihr vor 1
Jahr dahingegangener Vater, Herr Lewinger aus Hürben, war ein eifriger
Förderer von Gottesfurcht und Tora. Ihre ebenfalls jung aus dem Leben
gerufene Mutter war eine große Frau von Frömmigkeit und Wohltätigkeit.
So hatte denn die Heimgegangene in ihrem elterlichen Hause nur Muster
wahrhafter Frömmigkeit, Wohltätigkeit und Toraliebe vor Augen; sie hat
diesen Mustern nachgestrebt und ist selbst ein Muster für ihre Kinder
geworden. Die religiösen Grundsätze, nach welchen sie erzogen wurde,
bewahrte sie auch im Ehestande, gründete darauf ein jüdisches Hauswesen
und das Geschäft war an Schabbat und Feiertag streng geschlossen. Trotz
ihrer religiösen Denk- und Handelsweise gehörte die Verblichene ganz der
modernen Gegenwart an. Sie wusste sich in den feinsten Kreisen zu bewegen
und stand sogar bei Nichtisraeliten in sehr hoher Achtung. Eine treue,
zärtliche Gattin, eine liebende, sich aufopfernde Mutter, eine fleißige
Hausfrau, eine anhängliche Schwester, war sie der Ihrigen Glück und
Segen. Aber es gefiel der Vorsehung in ihrem unerforschlichen Ratschlusse,
diesen reichen Schatz des Segens, die Verewigte war erst 48 Jahre alt, an
sich zu ziehen. Gerade weilte ihr Bruder, Herr Lewinger aus Mainz, zum
Besuche bei ihr, da ereilte sie am 5. Ijjar, den 6. dieses Monats ein
Schlaganfall, und der Allmächtige hatte sie in eine bessere Welt
geführt. Ein harter Schlag für den ohnehin schwächlichen Gatten, für
die verwaisten Kinder. Der großartige Leichenzug, dem sich die
angesehensten jüdischen und christlichen Einwohner Sulzbachs und
Umgegend, teils zu Fuß, teils zu Wagen nach Illingen, der
Begräbnisstätte anschlossen, gab Zeugnis von der Liebe und Achtung, die
sich die Verstorbene zu erfreuen hatte. Herr Simon, Prediger der
Synagogengemeinde, gab in einer kernigen Leichenrede den Gefühlen den
wärmsten Ausdruck! Ihr Andenken gereiche uns zum Segen! Ihre Seele sie
eingebunden in den Bund des Lebens." |
25-jähriges Amtsjubiläum des Synagogen-Vorstandes A. S. Levy
(1890)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Oktober 1890:
"Illingen, Regierungsbezirk Trier, 12. Oktober. Eine einfache,
aber würdige Feier hatte am verflossenen Schabbat Chol Hamoed schäl
Sukkot (gemeint der an einem Halbfeiertag des Laubhüttenfestes
gelegene Schabbat, das war 4. Oktober 1890) unsere israelitische Gemeinde
dahier, zu Ehren des 25-jährigen Amtsjubiläums ihres allverehrten 1.
Synagogen-Vorstandes des selbst in weiten Kreisen bekannten Kaufmannes
Herrn A. S. Levy dahier, mit dem Morgengottesdienste verbunden.
In Anbetracht der großen Verdienste, welche sich derselbe um das Wohl und
Gedeihen seiner Gemeinde erworben, bestimmte Letztere, dass ihm als
besondere Anerkennung der Achtung und Liebe eine Ehrengabe überreicht
werde. Herr Levy wusste, selbstredend, nicht, dass er gefeiert werden
sollte, und so wurde derselbe an oben erwähntem Schabbat in der
Synagoge mit dem Geschenke überrascht. Nach Aschrei betrat Herr
Isaac Alexander, ein Mitglied der Gemeindedeputierten, den Almemor,
begrüßte den Herrn Jubilar und dankte ihm namens der Gemeinde für seine
segensreiche, aufopfernde Wirksamkeit, hauptsächlich seiner persönlichen
Autorität, seiner ungeheuchelten Frömmigkeit, seiner allgemeinen
Beliebtheit bei Jedermann, ohne Unterschied des Glaubensbekenntnisses, sei
es zu denken, dass der Friede, sowohl in der Gemeinde, als auch mit den
Einwohnern der anderen Konfessionen hier und in der Umgegend gewahrt
werde; ja, seiner echt religiösen Gesinnung sei es mit zuzuschreiben,
dass unsere heilige Religion und deren religiösen Institutionen noch in
altherkömmlicher Weise gewahrt werden. - Nach diesem trug das 9-jährige
Töchterchen des Herrn Lehrers Friedmann ein eigens hierzu verfasstes
Festgedicht vor und überreichte ihm dann auf einem roten Samtkissen einen
kostbaren Brillantring mit Etui.
Tier ergriffen ob des gewordenen Beweises wahrer Liebe und Anerkennung,
nahm der Jubilar hierauf das Wort und dankte für die ihm gewordene
Aufmerksamkeit, welche ihm besonders die Genugtuung gebe, dass er seine
übernommenen Pflichten zu erfüllen verstanden und mit Gottes Hilfe noch
weiter tun werde. Aber nicht nur mit schönen Worten hat Herr
Levy seinen Dank bekundet, sondern er ließ die Tat alsbald darauf folgen.
Als er nämlich am darauffolgenden (Feiertag) Simchat Tora (das war
am 7. Oktober 1890) als Chatan Tora ("Bräutigam der
Tora", der an Simchat Tora den letzten Abschnitt des 5. Buches
Mose liest) aufgerufen wurde, spendete er in die Synagoge eine Menora
LeNer Tamid (Lampe für das ewige Licht) mit dem dazu nötigen Kapitale
zur Beschaffung des Öles für alle Zeiten.
Möge ihn der Allmächtige noch viele Jahre mit Gesundheit und Rüstigkeit
erfreuen, damit er noch lange das Ruder der Gemeinde nach dem alten Kurs
führe. Amen." |
|
Artikel in den "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 23. Oktober 1890: "Das Fest der 25jährigen
Amtstätigkeit als Vorsteher beging am 4. Oktober Herr A. S. Levi
in Illingen. Die Gemeinde ehrte ihn durch Glückwünsche und
Überreichung eines kostbaren Billiantringes." |
Über den jüdischen Bergmann Blum in
Heiligenwald (1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Februar 1901: "Koblenz,
8. Februar (1901). Die alberne Mär von der Arbeitsfaulheit der Juden ist
zu lange und zu oft schon widerlegt, als dass sie heute noch ernsthaft
genommen würde. In allen Handwerkerständen sind heute die Juden
vertreten und nicht die schlechtesten in ihrem Gewerbe. Neu indes ist der
Jude als Bergmann. Ein solcher lebt in Heiligenwald
(Regierungsbezirk Trier). Blum, der dreißig Jahre lang in den
königlichen Gruben der Saargegend arbeitete und jetzt der wohl verdienten
Ruhe pflegt, während sein Sohn Schuhmacher ist. Der Alte genießt
allgemein Achtung, und nicht zum Wenigsten bei seinen Vorgesetzten. - Dies
zur Kenntnisnahme für die Lügenfabrik Berlin, in Firma
'Staatsbürgerzeitung und Gen.' N.H." |
Hermann Barth wird zum Beigeordneten für den Bürgermeisterrat gewählt (1906)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 12. Januar
1906: "Illingen (Regierungsbezirk Trier). Der Vorstand der hiesigen
Synagogengemeinde Hermann Barth ist zum Beigeordneten für den
Bürgermeisterrat gewählt worden." |
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Neujahrswünsche der Ehepaare Simone Levy und Moses Barth (1898)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. September 1898:
"Allen Freunden und Bekannten wünschen gute Einschreibung und
Versiegelung Simon Levy und Frau, Illingen.
Freunden und Bekannten wünschen gute Einschreibung und Versiegelung Moses
Barth und Frau, Illingen." |
Anzeige des Manufaktur- und Konfektionsgeschäftes S. Levy junior (1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. April 1901:
"Für mein Manufaktur- und Konfektionsgeschäft suche per
sofort einen
Lehrling
mit guter Schulbildung aus achtbarer Familie. Offerten erbittet
S. Levy junior, Illingen, Regierungsbezirk
Trier." |
Anzeige der Frau von Emil Robert Levy (1902)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 17. November 1902:
"Per 1. Dezember - suche für bürgerlichen Haushalt eine
perfekte
Köchin gegen hohen Lohn.
Frau Emil Robert Levy, Illingen
(Rheinprovinz)." |
Anzeige von Edmund Emanuel in Gennweiler (1904)
Anmerkung: bei dem genannten 14 Jahre alten Sohn von Edmund Emanuel handelte
es sich vermutlich um den in der NS-Zeit nach der Deportation umgekommenen
Albert Emanuel (geb. 1889, später wohnhaft in Dillingen, 1943 ab Nancy in das
KZ Majdanek deportiert).
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 11. April 1904:
"Suche für meinen 14 Jahre alten, mit Ia Schulzeugnissen
versehenen Sohn, Stelle als
Lehrling. Manufaktur- oder Eisenbranche im Rheinland, wo Sabbat und
Feiertage geschlossen, bevorzugt.
Offerten an
Edmund Emanuel, Illingen - Gennweiler, Bezirk
Trier." |
Anzeige von Metzgermeister Gustav Levy (1904)
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 7. Juli 1904: "Junger
Bursche kann sofort eintreten bei Metzgermeister Gustav Levy,
Illingen bei Saarbrücken." |
Hochzeitsanzeige von Hannchen Jonas (Tochter des Lehrers
Willi Jonas) und Lazarus
Oberndörfer (1931)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. April 1931: "Zu
der - so Gott will - Dienstag, den 5. Mai - an Lag BaOmer - in
Frankfurt am Main, Liederhalle, Langestraße 26, um 1 1/4 Uhr
stattfindenden Trauung ihrer Kinder Hannchen und Lazarus beehrten sich,
Bekannte und Freunde einzuladen
Oberlehrer W. Jonas und Frau, Illingen (Saargebiet) -
Oberlehrer J. Oberndörfer und Frau, Niederstetten
(Württemberg).
Telegrammadresse: Langestraße 55,I. Man bittet, die Telegramme
zugunsten des Schulwerks der Agudoh abzulösen." |
Zur Geschichte des Betsaales / der Synagogen
Von Gottesdiensten in jüdischen Privathäusern erfährt
man bereits in den 1720er-Jahren. Mitte des 18. Jahrhunderts war eine zentrale
Betstube im Haus des Aaron Abraham. 1768 wurde eine eine erste Synagoge
am Anfang der "Judengasse" erbaut (auf der rechten Seite von der
Hauptstraße aus) erbaut. Im Erdgeschoss brachte man ein Schulzimmer unter; im
oberen Stockwerk der Betsaal. Teilweise wurde die Synagoge durch Verkauf der
Betstühle, teilweise durch eine Synagogensteuer (hekdesch) finanziert.
Eine nach Illingen zugezogene erwachsene Person hatte im Voraus zwei Dukaten für einen
Betstuhl zu bezahlen. Die Verteilung der Synagogenplätze wurde "dem Range
nach" unternommen.
Ende der 1830er-Jahre war das Synagogengebäude in
einem stark reparaturbedürftigen Zustand. Oberrabbiner Joseph Kahn
in Trier, der sich in seinem ganzen Rabbinatsbezirk für einen guten
Zustand der Synagogengebäude einsetzte, berief zum 13. Juni 1842 eine
Gemeindeversammlung in Illingen ein, in der der Bau einer neuen Synagoge
beschlossen wurde. Im neuen Gotteshaus sollten mindestens 80 bis 100 Männer sowie ebenso viele
Frauen Platz haben sollten. Das alte Synagogengebäude sollte durch einen Notar
öffentlich versteigert werden. Trotz dieses Beschlusses tat sich zunächst
nichts, sodass Oberrabbiner Kahn die jüdische Gemeinde zum 31. Januar 1846 nochmals
zusammenkommen ließ, um über den dringend notwendigen Neubau der Synagoge zu
beraten. Spätestens im Frühjahr 1847 sollte damit begonnen und der Bau
innerhalb von vier Jahren fertig gestellt sein. Der bauliche Zustand der alten Synagoge
wurde derweil immer schlechter. Aus Anlass einer Besichtigung des
Gebäudes durch Baumeister Benzel wurde festgestellt, dass auch durch eine
eiserne Verankerung keine Stabilität des Gebäudes mehr geleistet werden
konnte. Aus nicht bekannten, vermutlich finanziellen Gründen schob die
jüdische Gemeinde allerdings den Bau ihrer neuen Synagoge immer noch hinaus,
bis schließlich die alte Synagoge am 30. Januar 1856 durch eine baupolizeiliche Verfügung abgeschlossen und versiegelt wurde. Zu groß war
offenbar die Gefahr eines plötzlichen Einsturzes des Gebäudes. Nun blieb der
Gemeinde nur noch, schnellstens mit dem Bau einer neuen Synagoge zu beginnen.
Im
April 1856 gelang es, einen geeigneten Bauplatz zu finden. Im Mai traf
man sich wiederum mit Oberrabbiner Joseph Kahn, um einen Vertrag zu Klärung der
finanziellen Fragen zu unterzeichnen. Schließlich konnte, vermutlich 1858 mit dem Bau begonnen werden.
Vom August 1858 liegt folgender Presseartikel vor:
Pläne zum Bau einer neuen Synagoge (August 1857)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. August 1857: "Nachschrift.
Die jüdische Gemeinde zu Illingen (statt Ellingen) baut eine neue
Synagoge mit Schullokal und Lehrerwohnung und ist genötigt, ein Kapital
aufzunehmen. Da die Gemeinde dermalen noch keine Korporationsrechte
besitzt, so haben sich mehrere der Begütertsten derselben an die
Königliche Regierung um ein Darlehen gewandt und sich erboten, die
solidarische Bürgschaft zu übernehmen. Damit nun die Königliche
Regierung umso weniger Anstand nehmen möge, dem Gesuche zu willfahren,
erklärte sich der Königliche Landrat zu Ottweiler, Freiherr v. W.
Sonsfeld bereit, sich der solidarischen Bürgschaft anzuschließen, wenn
es verlangt würde. Dieser hochherzige Zug eines Beamten verdient gewiss
veröffentlicht zu werden. Y." |
Im November
1859 fand die feierliche Einweihung der neuen Synagoge statt. Zahlreiche Ehrengäste nahmen an
der Einweihung teil, u.a. der Landrat von Ottweiler, die Bürgermeister von
Illingen und Ottweiler sowie die Baumeister von Ottweiler und
Saarbrücken. Bei der Illinger Synagoge handelte es sich um einen
zweigeschossigen Putzbau mit Satteldach. Das Gebäude zeigt charakteristische
neuromanische Stilelemente. In ihm waren auch die Schule und die Lehrerwohnung
untergebracht (Seitentrakte).
Fast 90 Jahre war die Synagoge der gottesdienstliche Mittelpunkt der jüdischen
Gemeinde. Beim Novemberpogrom 1938 wurde das Gebäude um die Mittagszeit
des 10. November von SS- und SA-Leute geplündert und in Brand gesteckt. Die
Kultgegenstände wurden abtransportiert. Vor den Augen einer gaffenden Menge
übergießt ein Täter einen Teppich aus der Synagoge mit Terpentin und setzt
ihn in Brand. Gegen 12 Uhr steht die Synagoge in Flammen. Eine Stunde später
rückte die Feuerwehr an. Sie beschränkte sich jedoch auch in Illingen nur auf den Schutz der
Nachbargebäude. Übrig blieb von der Synagoge eine ausgebrannte Ruine. Im
Februar 1939 zeigte sich die Gemeinde Illingen interessiert am Kauf des
Grundstücke, verlangte jedoch von der inzwischen für Illingen zuständigen
Synagogengemeinde des Stadt- und Landkreises Saarbrücken die Beseitigung der
Synagogenruine. Da die Synagogengemeinde dies jedoch nicht mehr zahlen konnte,
wurden die Abbruchkosten mit dem Grundstückswert verrechnet. Das Anwesen wurde
mit Kaufvertrag vom 17. Juni 1940 an die Gemeinde Illingen für 1.500 RM
verkauft. Auf Grund der Kriegszeit wurde der Abbruch verschoben. Erst nach dem
Krieg wurde am 16. Mai 1949 mit dem Abbruch der Synagogenruine begonnen.
Der Torbogen des Eingangstores wurde sichergestellt und zum jüdischen Friedhof
verbracht. Er trägt die hebräische Inschrift: "Wie schön sind deine
Zelte Jakob, deine Wohnstätten Israel". An Stelle der ehemaligen
Synagoge wurde ein Geschäftshaus erstellt.
Am 18. September 1949 wurde auf dem jüdischen Friedhof in Illingen ein
Ehrenmal eingeweiht, das auch an die zerstörte Synagoge erinnert mit dem
Inschrift: "Der Synagogengemeinde Illingen, ihrem zerstörten Gotteshaus,
ihren Toten und Opfern der Gewalt, zur ehrenden Erinnerung".
Standort der Synagoge: Hauptstraße 11
Fotos:
Historische Fotos
der Synagoge |
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Blick auf Illingen (rechts in
der Mitte
die Synagoge; Quelle:
O. Nauhauser s.Lit. S. 245) |
Einzig bekannte historische Aufnahme
der ehemaligen Synagoge vor 1938
(Quelle: Landesamt s. Lit. S. 446) |
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1938/49: Zerstörung und Abbruch der
Synagoge
(Quelle: links auf E. Tigmann s. Lit. S. 50; rechts aus
O. Nauhauser s.Lit. S. 275.315) |
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Die Ruine der Synagoge
(zwischen 1938 und 1949) |
Nach dem Abbruch: Rest des
Eingangsportales auf dem
jüdischen Friedhof |
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Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
Zu den Stolpersteine-Verlegungen: In
Illingen fand am 19. November 2007 die erste Verlegung von Stolpersteinen im
Saarland statt. Die Initiative ging von den Schülern Sebastian und Matthias
Schneider vom Illtal-Gymnasium aus. Der Stolperstein von Rosa Herzog wurde
am 9. März 2010, die Stolpersteine der Familie Michel am 23. Februar 2014
verlegt. Eine weitere Verlegung von Stolpersteinen fand am 15. April 2019
(19 Stolpersteine) statt. |
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April 2019:
Stolpersteine-Verlegung in
Illingen
Vgl. Wikipedia-Artikel
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Illingen_(Saar)
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Artikel von Andreas Engel in der
"Saarbrücker Zeitung" vom 16. April 2019: "Kleine Hürden gegen das
Vergessen.
Illingen In Illingen verlegte Gunter Demnig gleich 19 Stolpersteine zur
Erinnerung an jüdische Mitbürger und deren Schicksale.
'Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist', zitiert
Gunter Demnig den Talmud. Der Künstler erinnert mit seinem Großprojekt
Stolpersteine an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor ihrem letzten
selbstgewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing ins Trottoir einlässt.
Gestern verlegte er gleich 19 Stolpersteine in Illingen, so viele wie noch
nie. Fast 50 Angehörige von den Nazis verschleppten und ermordeten Illinger
Bürgern jüdischen Glaubens waren zu diesem Großereignis der
Erinnerungskultur nach Illlingen gereist, aus Frankreich, Luxemburg und
sogar aus den Vereinigten Staaten. Gunter Demnig baute am Montagmorgen 19
Stolpersteine für die Familien Ludwig Lazar und Bertha, geborene Salomon, in
der Hauptstraße, Simon Levy und Bella, geborene Lazar, Ecke
Haupt/Eisenbahnstraße, und Geschwister Leo, Kurt und Alice Levy mit ihren
Familien in der Judengasse ins Straßenpflaster ein. Einen Tag vor der
Verlegung fand ein Vortrag und eine Diskussion mit Gunter Demnig statt. 'Wir
setzen ein Zeichen, indem wir uns erinnern', sagte Bürgermeister Armin König
vor den vielen Gästen. Diese 19 neuen Stolpersteine stünden für 19 Namen, 19
Familien und 19 Schicksale. König lobte die Illinger Schulen, die sich
systematisch in das Thema eingearbeitet hätten, um 'Licht in dieses dunkle
Kapitel deutscher Geschichte' zu bringen. Der Nationalsozialismus sei Teil
deutscher Geschichte. Auch in Illingen sei die 'Banalität des Bösen' Alltag
gewesen. 'Wir in Illingen sind der Auffassung, dass es gerade jetzt
notwendig ist, ein Zeichen für Menschlichkeit, Menschenwürde, für Toleranz
und Frieden zu setzen', sagte der Bürgermeister. Besonders das Schicksal der
Familie Lazar erschüttert die Menschen bis heute. Die Lazars waren nach
Frankreich geflüchtet. Ludwig Lazar glaubte, es gehe nur um ihn, und
versteckte sich im Kleiderschrank. Er wurde nicht gefunden, aber seine ganze
Familie wurde deportiert und umgebracht. Er suchte noch lange nach dem Krieg
nach seinen Angehörigen und starb im Alter von 60 Jahren, wie viele
annehmen, an gebrochenem Herzen. Es liegen Stolpersteine in 1265 Kommunen
Deutschlands und in 21 Ländern Europas. Die Illinger Initiative ist 2007 von
den Brüdern Sebastian und Matthias Schneider vom Illtal-Gymnasium
ausgegangen."
Link zum Artikel |
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Artikel
in Der "Kreuznacher Rundschau" vom 3. Juli 2019: "Stolperstein Werner
Strauß
Foto: In der Illinger Hauptstraße war einst das Kaufhaus Moritz Lazar. In
den Bürgersteig vor dem Haus wurden sieben Stolpersteine für die Opfer des
Nationalsozialismus verlegt, einer davon ist der Bad Kreuznacher Werner
Strauß. Foto: Gemeinde Illingen.
Illingen: Erinnerung an Bad Kreuznacher NS-Opfer
Bad Kreuznach/Illingen (red). 'Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein
Name vergessen ist', heißt es im Talmud, einem der bedeutendsten
Schriftwerke des Judentums. Seit dem Juli vergangenen Jahres steht auf der
Mühlenteichbrücke eine Stele aus schwarz poliertem Granit, in den die Namen
von 226 jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die Opfer des
Nationalsozialismus wurden, eingraviert sind. An Werner Strauß, einer von
ihnen, erinnert außerdem ein 'Stolperstein', der erst kürzlich in einer
feierlichen Zeremonie in der saarländischen Gemeinde Illingen verlegt wurde.
Werner Strauß wurde nur 15 Jahre alt. Am 24. Oktober 1928 kam er in Bad
Kreuznach zur Welt. Am 3. Februar 1944 ermordeten ihn die
Nationalsozialisten im Konzentrationslager Auschwitz. Bei ihrer Emigration
nach Nyons in Südfrankreich, hatte das Ehepaar Lazar, das mit ihren drei
Kindern in Illingen lebte, ihren Neffen Werner mitgenommen. Dort ereignete
sich dann am 20. Januar 1944 die Tragödie: Ludwig Lazar glaubte, dass nur
ihm die Verhaftung drohte und versteckte sich im Kleiderschrank. Er wurde
nicht gefunden, dafür aber seine ganze Familie, die deportiert und
umgebracht wurde. Im Exil wurde am 26. Juni 1939 das vierte Kind, die
Tochter Francine, geboren. Ludwig Lazar suchte noch lange nach dem Krieg
nach seinen Angehörigen und starb im Alter von 60 Jahren, an gebrochenem
Herzen, wie viele annehmen. 'So ein schweres Schicksal berührt noch heute',
sagt Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer, die zur feierlichen
Verlegung der Stolpersteine eingeladen war, aber wegen anderer terminlicher
Verpflichtungen nicht teilnehmen konnte. Auch in Bad Kreuznach wird immer
wieder der Wunsch geäußert, 'Stolpersteine' dort zu verlegen, wo jüdische
Bürger lebten und deportiert wurden. Meist sind es Nachfahren, die diese
Aktionen initiieren. In Illingen waren es die Brüder Max und Gerard Michel,
deren Großmutter die Schwester von Ludwig Lazar war. Die Verlegung von
Stolpersteinen an den Orten, an denen NS-Oper selbst gewählt zuletzt lebten,
ist ein Projekt des Künstlers Günter Demnig. Mittlerweile liegen in 1.265
Kommunen Deutschlands und in 21 Ländern Europas diese Gedenktafeln aus
Messing in Bürgersteigen. Unter der Federführung von Oberbürgermeisterin Dr.
Heike Kaster-Meurer wurde die Arbeitsgemeinschaft 'Erinnerungskultur' ins
Leben gerufen. Ihr gehören Vertreter von Bad Kreuznacher Schulen, der
katholischen und evangelischen Kirche, der jüdischen Gemeinde, der
Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, der muslimischen
Gemeinden Ditib und Ahmadiyya sowie der Stadtverwaltung an. Das Interesse
der Schulen an der Erinnerungsarbeit ist sehr groß. Für das kommende Jahr
sind bereits einige Projekte geplant. Darüber ist die Oberbürgermeisterin
sehr erfreut. 'Unser Ziel ist es, möglichst viele junge Menschen für das
Thema zu interessieren und für eine Mitarbeit am Gedenken der Opfer von
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu gewinnen.'"
Link zum Artikel
Ähnlicher Artikel in der "Allgemeinen Zeitung" vom 4. Juli 2019: "Für in
Bad Kreuznach geborenen Juden Stolperstein verlegt..."
Link zum Artikel |
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November 2019:
Resolution des Gemeinderates
Illingen gegen Antisemitismus und rechtsradikale Tendenzen
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Artikel
von Heike Jungmann in der "Saarbrücker Zeitung" vom 21. November
2019:
" Sitzung des Gemeinderates : Gemeinde Illingen betont ihre
Weltoffenheit
Resolution vom Gemeinderat Illingen gegen Antisemitismus und rechtsradikale
Tendenzen.
Illingen Der Gemeinderat Illingen hat sich in einer Resolution
einstimmig gegen Rassismus, Hetze und Gewalt ausgesprochen. Es hatten
Anträge von SPD, AfD und vom Bürgermeister zum Thema Antisemitismus
vorgelegen.
Emotionale Reden sind die Zuhörer von Guido Jost im Gemeinderat gewohnt.
Doch am Mittwochabend brachte der Vorsitzende der SPD-Fraktion seine Worte
mit besonderer Leidenschaft dar. Bürgermeister Armin König (CDU) hatte Jost
zu Beginn der Sitzung im Rathaussaal die Gelegenheit gegeben, eine
'persönliche Erklärung' abzugeben. Thema: Die Reichspogromnacht am 9.
November 1938, als auch die Synagoge in Illingen ein Raub der Flammen wurde,
sowie die 'aktuellen antisemitischen und fremdenfeindlichen Aussagen der
führenden Repräsentanten der AfD', von denen sich die beiden Vertreter der
Partei im Illinger Rat laut Jost bisher nicht distanziert hätten. Sowohl die
SPD-Fraktion als auch die AfD-Fraktion hatten dem Gemeinderat Resolutionen
vorgelegt. Die SPD gegen 'antisemitische und rechtsradikale Tendenzen in
Deutschland', die AfD zur 'Bekämpfung des Antisemitismus'. Wörtlich heißt es
hier unter anderem: 'Der Gemeinderat in Illingen steht für die Bewahrung des
christlich-jüdischen Abendlandes.'
AfD-Ratsmitglied Peter Walter Müller wollte auf die Erklärung von Jost
antworten, was ihm der Bürgermeister gemäß Geschäftsordnung nicht erlauben
konnte. Daraufhin verlas Müller ebenfalls eine 'persönliche Erklärung', die
nach einiger Zeit nicht nur den Unmut des übrigen Rates hervorrief, sondern
schließlich auch vom Bürgermeister abgebrochen wurde, weil sie eine nicht
zulässige 'Sachdarstellung' sei. Ausführlich schilderte dann
SPD-Fraktionsmitglied Christian Petry seine Erfahrungen als
Bundestagsabgeordneter mit Mitgliedern der AfD in Berlin. Fremdenfeindliche
Zitate von Gauland, Höcke und Weidel seien an 'Unappetitlichkeit nicht mehr
zu überbieten.' Der Verwaltungschef hatte in Anbetracht des AfD-Antrages
selbst eine Rede vorbereitet, die in eine Resolution mündete. Sein
Hauptkritikpunkt: Die AfD bringe einen Resolutionsentwurf ein, der spalte,
statt klare Abgrenzung zu schaffen gegenüber Hetzern und Hasskommentierenden
und antisemitisch agierenden Spitzenpolitikern in ihren eigenen Reihen. Nach
dieser außergewöhnlichen Sitzungseröffnung handelte der Gemeinderat die 13
öffentlichen Punkte der Tagesordnung ab, um nach einer von CDU-Sprecher
Alfons Vogtel vorgeschlagenen Beratung über die vorgelegten Resolutionen
abzustimmen. Eine Mehrheit ohne Gegenstimmen fand schließlich die etwas
modifizierte Resolution des Bürgermeisters, die Claudia Ziegler von den
Grünen vorlas...
Die einstimmig verabschiedete Resolution des Gemeinderates Illingen im
Wortlaut: 'Illingen ist eine Gemeinde, in der der jüdische Glaube eine
zweihundertjährige Tradition hatte, bis Nationalsozialisten und deren
Helfershelfer die Synagoge niederbrannten, die jüdischen Mitbewohner
deportierten und in den Tod trieben. Im Bewusstsein seiner historischen
Verantwortung gegenüber Menschen jüdischen Glaubens, die über viele
Jahrzehnte das Gemeindeleben in Illingen mit geprägt haben, spricht sich der
Gemeinderat Illingen entschieden gegen Antisemitismus in jeder Form aus.
Illingen ist eine weltoffene Gemeinde, in der Rassismus, Hetze und Gewalt
geächtet werden. Wir wenden uns gegen jede Form von Hass und Diskriminierung
gegen Minderheiten, die religiös oder ethnisch begründet sind. Wir bekennen
uns vorbehaltlos zu unserer historischen Verantwortung und verurteilen jede
Form offener oder versteckter antisemitischer und hetzerischer Handlungen
gegen Menschen und Institutionen jüdischer Mitbürger.' "
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Hans Eckert: Die Visionen des Aaron von Illingen.
Ottweiler 1988. |
| Otto
Nauhauser: Die jüdische Gemeinde zu Illingen. Hg. von der Gemeinde
Illingen 1980. |
| Eva Tigmann: "Was geschah am 9. November
1938?" - Eine Dokumentation über die Verbrechen an der jüdischen
Bevölkerung im Saarland im November 1938. Eine Veröffentlichung des
Adolf-Bender-Zentrums St. Wendel. 1998. |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 463-464 (mit weiteren Literaturangaben). |
| Edgar Schwer: "Damit sie einen Namen
haben". Spurensuche in der jüdischen Exilszeitschrift AUFBAU. In:
Unsere Heimat. Mitteilungsblatt des Landkreises Saarlouis für Kultur und
Landschaft. Hrsg. von der Vereinigung für die Heimatkunde im Landkreis Saarlouis
e.V. 35. Jahrgang Heft Nr. 2 2010 S. 90-103. Online
eingestellt. Zu Illingen S. 92-93. |
| ders.: Den jüdischen Gefallenen des Saarlandes 1914-1918
zum Gedenken. In: Saarländische Familienkunde Band 12/4. Jahrgang XLVIII
2015 S. 559-600. Online
zugänglich: eingestellt als pdf-Datei. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Illingen Saar.
Evidence of the first Jew dates from 1717, but Jews were probably already living
in Illingen in the 17th century. In 1763, there were nine Jewish families living
in Illingen. At its peak in 1910, the community numbered 270. In 1859 a new
synagogue was dedicated and in 1895 Illingen became an independent synagogue
community, its school becoming a public Jewish elementary school (closed in
1933). Between 1926 and 1929, there were three Jewish representatives on the
town council. By March 1935, when the Nazis annexed the Saar, the community
numbered 115. Large-scale emigration began and by 1936 only 41 Jews were left.
The community was merged with Merzig and Neunkirchen.
On Kristallnacht (9-10 November 1938), the synagogue was burned down, the
cemetery was desecrated, and stores and homes were wrecked. Jewish men were
deported to the Dachau concentration camp. After the Saarbruecken community was
disbanded, Illingen took over the communal care of the region's Jews. On 22
October 1940, the town's last 19 Jews were taken to the village of Forbach and
from there deported to the Gurs concentration camp, where 15 perished. The Nazis
murdered at least 37 Jews from Illingen, including those who had moved elsewhere
within Germany as well as those who had emigrated to neighboring countries,
seeking safety.
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