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Langgöns (Kreis
Gießen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Langgöns bestand eine jüdische
Gemeinde bis nach 1933. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18.
Jahrhunderts zurück. 1770 gab es bereits elf jüdische Familien am Ort.
Der Ort war von besonderer Attraktivität für jüdische Familien, da seit 1775
dreimal im Jahr ein großer Vieh- und Krämermarkt abgehalten wurde. Es war
zeitweise der größte Viehmarkt Nordhessens.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie
folgt: 1828 30 jüdische Einwohner, 1861 64 (4,2 % von insgesamt 1.541
Einwohnern), 1880 36 (2,5 % von 1.467), 1900 7 (0,4 % von 1.561), 1910 9 (0,5 %
von 1.722). Um 1830 gehörten auch die in Kirchgöns lebenden jüdischen
Personen zur Gemeinde in Langgöns. Später gehörten sie zur Gemeinde in Pohl-Göns.
Die Vorsteher der jüdischen Familien waren als Vieh- oder Pferdehändler u.a.m.
tätig. Pferdehändler Oppenheimer hatte dazu eine Landwirtschaft mit 32 Morgen
Land. Die meisten Familien lebten jedoch in bescheidenen
Verhältnissen.
Auf Grund der großen Erfolge der Antisemiten in Langgöns und Umgebung am Ende
des 19. Jahrhunderts wanderten die meisten jüdischen Familien nach 1890 aus
Langgöns ab (vgl. Bericht unten). 1905 waren nur noch zwei jüdische Familien
(Grünebaum und Heymann) in Langgöns. In den 1920er-Jahren sind noch zwei jüdische
Familien von Holzheim zugezogen.
Da in den Orten Langgöns, Kirch-Göns, Pohl-Göns,
Niederkleen u.a.m. seit Ende des 19. Jahrhunderts jeweils nur noch wenige
jüdische Familien lebten, half man sich bei der Abhaltung von Gottesdiensten
immer wieder aus, um den Minjan (10 religionsmündige Männer beim
Gottesdienst) erreichen zu können. Zu den Hohen Feiertagen wurde auch bisweilen
ein auswärtiger Vorbeter angestellt (siehe Anzeigen
unten).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), vermutlich auch ein
Schulzimmer und ein rituelles Bad sowie ein Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein eigener Lehrer
angestellt. So wird um 1860 Lehrer Morgenthal als jüdischer Lehrer in Langgöns
genannt (im Bericht
über eine Lehrerkonferenz in Gießen 1860). Bis um
1900 kam zum Gottesdienst jeweils ein Lehrer beziehungsweise ein Vorbeter aus
einer Nachbargemeinde. 1904 schlossen sich mehrere jüdische Gemeinden der
Umgebung zusammen, um gemeinsam einen Wanderlehrer (mit Sitz in Wieseck)
anstellen zu können (siehe Bericht unten). In den letzten Jahren war - soweit überhaupt noch
immer wieder möglich - der Kaufmann Sally Grünebaum ehrenamtlicher Vorbeter im
Gottesdienst.
1924, als nur noch 8 jüdische Einwohner in Langgöns gezählt wurden
(0,4 % von insgesamt 1.832 Einwohnern), findet sich Lang-Göns immerhin noch in
der Liste der bestehenden jüdischen Gemeinden.
1933 lebten noch 10 jüdische Personen in Langgöns (0,5 % von 1.912
Einwohnern, in vier Familien). In
den folgenden Jahren haben nur wenige von ihnen Langgöns verlassen. Sally
Grünebaum kam wegen angeblicher "Schwarzgeschäft" ins Gefängnis, wo
er verstarb. 1939 wurden noch sieben jüdische Einwohner gezählt. Die letzten
sechs wurden 1942 von Langgöns aus deportiert.
Von den in Langgöns geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Gertrude Bamberger (1910),
Meier Bamberger (1878), Zerline Bamberger geb. Kahn (1891), Abraham Grünebaum
(1873), Auguste Grünebaum geb. Rosenstein (1892), Mathilde Grünebaum
(1880).
Zur Erinnerung an die deportierten Langgönser Juden wurde am 6. November 2008
in einer Gedenkfeier ein Mahnmal auf dem ehemaligen Viehmarkt - Ecke
Amtshausstraße/Mühlberg eingeweiht.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Hilfsvorbeters für die Hohen Feiertage (1903 /
1904)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. September 1903: "Vorbeter
zur Beihilfe für Jom-Kippur wird gesucht. Offerten mit Gehaltsansprüchen
sind zu richten an
David Grünebaum, Vorsteher, Lang-Göns bei Gießen". |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. September 1904: "Vorbeter
gesucht
zur Beihilfe für Jom Kippur. Offerten sind zu richten an den
Vorsteher
David Grünebaum, Lang-Göns bei Gießen." |
Zur Anstellung eines gemeinsamen Wanderlehrers mit Sitz
in Wieseck schließen sich mehrere jüdische Gemeinden zusammen (1904)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 18. April 1904: "Gießen, 21. April (1904). Als Ergebnis
des Eintretens der hessischen Regierung für Anstellung nur seminaristisch
gebildeter Religionslehrer in den israelitischen Gemeinden ist eine
Vereinigung der jüdischen Kultusgemeinden von Wieseck,
Großen-Linden (statt
Gießen-Linden), Langgöns, Leihgestern,
Holzheim, Grüningen und
Watzenborn-Steinberg (statt
-Steinbach)
zustande gekommen, um einen Wanderlehrer mit dem Sitze in Wieseck
anzustellen, zu dessen Gehalt die Regierung vorerst einen kleinen Zuschuss
leistet. Wenn die Einrichtung sich bewährt, ist die feste Anstellung des
Lehrers in Aussicht genommen. Man hört, dass auch in den anderen
oberhessischen Kreisen Verhandlungen schweben, die die Frage der
israelitischen Religionslehrer in gleicher Weise regeln
sollen." |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Die jüdischen Viehhändler meiden antisemitisch
geprägte Orte, darunter Langgöns (1890)
Anmerkung: vorausgegangen war die Reichstagswahl zum 8. Deutschen Reichstag
am 20. Februar 1890. Bei dieser erhielten in mehreren Wahlkreisen des
Regierungsbezirkes Kassel (Provinz Hessen-Nassau) antisemitische Kandidaten die
Mehrheit und wurden direkt in den Reichstag gewählt, darunter die Antisemiten
Max Liebermann von Sonnenberg und Otto Böckel.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 20. Juni 1890: "Eine Art Boykott über diejenigen
Ortschaften in Hessen, welche antisemitisch gewählt haben, scheint von
den jüdischen Viehhändlern in Hessen verhängt worden zu sein. So
schreibt man: Der am 3. Juni in Langgöns abgehaltene Viehmarkt
ist, wie vorauszusehen war, von jüdischen Händlern nicht besucht worden.
Der Langgönser Markt war in Folge dessen recht flau, obgleich man viele
Landleute aufgeboten hatte, die an Stelle der ausgebliebenen
israelitischen Handelsleute den Handel machen sollten." |
Antisemitismus 1891: "Judenreiner Viehmarkt" mit
besonderem Engagement des Pfarrers von Eckartshausen (1891)
Anmerkung (Zitat aus Arnsberg s.Lit. S. 476): "Langgöns galt
bereits Ende des vergangenen Jahrhunderts als Hochburg der antisemitischen
Bewegung; nach 1890 boykottierten die jüdischen Viehhändler - aufgrund der
Tätigkeit von Dr. Böckel u.a. - den Viehmarkt, der bald darauf einging. Im
November 1890 fand der zweite 'Judenfreie Markt' statt, der mit 15.000
Teilnehmern zur größten Kundgebung der antisemitischen Bewegung wurde!"
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. April 1891: "Aus
Oberhessen, 18. März (1891). In der heutigen Sitzung der hessischen Ersten
Kammer legte der Prälat Habicht Verwahrung dagegen ein, dass in Hessen
antisemitische Umtriebe von Geistlichen ausgingen. Die in der anderen
Kammer vom Abgeordneten Schröder erhobenen Beschuldigungen seien nicht
berechtigt gewesen, seines Wissens habe sich kein evangelischer
Geistlicher an der genannten Bewegung beteiligt. Staatsminister Finger
konstatierte hierauf, es hätten sich allerdings einige Geistliche an der
Bewegung beteiligt, dies müsse auch der Vorredner wissen. Mit Bezug auf
die Behauptung des Herrn Prälaten konnten wir sofort mit einem Beispiele
dienen. Der Pfarrer von Eckartshausen, Kreis Büdingen, hat sich sehr
lebhaft an dem 'judenreinen' Viehmarkt zu Lang-Göns beteiligt und
zwar nicht mit dem Zwecke, Vieheinkäufe zu machen. Weiter hat er den Lehrer
des Ortes veranlasst, mit von der Partei zu sein, was Veranlassung war,
dass an zwei Tagen der Schulunterricht ausgesetzt werden musste. Wie das
der Herr Pfarrer mit seiner Eigenschaft als Lokalschulinspektor
vereinbaren konnte, ist nicht gut erklärlich. Die vorgesetzte höhere
Behörde ist von dem Faktum in Kenntnis gesetzt worden. (Fr.
Ztg.)." |
"Judenfreier Markt" in Langgöns (1935)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Mai 1935:
"Gießen. Wie der 'Gießener Anzeiger' meldet, fand aus Anlass des
zweiten 'judenfreien Marktes' in Lang-Göns eine Kundgebung statt,
auf der Landesbauernführer Dr. Wagner und Reichsstatthalter Sprenger
Ansprachen hielten." |
Zur Geschichte der Synagoge
Ein Betraum befand sich im Hinterhof zu einem der jüdischen
Häuser (Arnsberg s.Lit.: "in einem dunklen Zimmer").
Das Haus mit dem Betraum wurde um 1933
verkauft und abgebrochen.
Adresse/Standort der Synagoge: unbekannt
Fotos
Es sind noch keine
Fotos/Abbildungen zur jüdischen Geschichte in Langgöns vorhanden;
über
Hinweise oder Zusendungen freut sich der Webmaster der "Alemannia
Judaica"; Adresse siehe Eingangsseite. |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 476-477. |
| Keine Artikel bei Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 und dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. Auch kein Abschnitt in der
Neubearbeitung 2007. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 41. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 223-224. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Lang-Goens,
Hesse. Jews lived there from the late 18th century, numbering 64 (4 % of the
total) in 1861. The community dwindled to ten in 1933, when the synagogue was
demolished. Three Jews emigrated, one committed suicide, and six were eventually
deported.
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