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Naumburg /
Hessen mit den Stadtteilen Altendorf, Altenstädt, Elben und Heimarshausen
sowie Riede (Gemeinde Bad Emstal) (Kreis Kassel)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Naumburg bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/39. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 16/18.
Jahrhunderts zurück. 1503 wird erstmals eine Jude in der Stadt genannt:
Jud Lewe (Löw) aus Naumburg führte damals einen Prozess vor dem Freistuhl zu
Sachsenhausen. 1692 werden sechs jüdische Einwohner (mit Familien?)
aufgeführt.
Zur jüdischen Gemeinde Naumburg gehörten auch
die in Altendorf, Altenstädt,
Elben, Heimarshausen und Riede
(heute Gemeinde Bad Emstal) lebenden jüdischen Personen: in Altendorf 1728 3
jüdische Einwohner,
1861 0; in Altenstädt 1728 5, 1861 25 jüdische Einwohner (Familien des Levi
Hecht, Feist Kugelmann und Isaac Höh; nach 1883 keine jüdischen Einwohner mehr
am Ort); in Elben seit 1654 (Simon Jacob) jüdische Einwohner, 1774 Seligmann
Heinemann, 1861 6 jüdische Einwohner, nach 1884 keine mehr; in Heimarshausen
1774 Familie des Abraham Katz, 1861 2 jüdische Einwohner; in Riede 1861
14, 1924 4 jüdische Einwohner.
1804 zahlten die folgenden jüdischen Haushaltsvorstände Schutzgeld an den
Landesherrn: Jacob Kaiser, Aron Moses, Schaft Elias, Selig Moises, Salomon
Moises, Moises Kaiser, Joseph Kanter, Isac Moises; aus Altenstädt: David
Mendels Witwe, Michel Schmul.
An den Freiheitskriegen 1813/14 nahmen zwei Männer aus der jüdischen
Gemeinde teil: Moses Katz und Aron Rosenbaum.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie
folgt: 1827 75 jüdische Einwohner (4,9 % von insgesamt 1.541 Einwohnern),
1855 81, 1861 65 (3,9 % von 1.649), 1871 67 (4,7 % von 1.430), 1885 47 (3,5 %
von 1.329), 1905 53 (3,9 % von 1.376).
Die jüdischen Familienvorsteher verdienten den Lebensunterhalt bis ins 19.
Jahrhundert hinein fast durchweg als Händler; die meisten hatten ein eigenes
Haus und etwas Garten beziehungsweise Ackerland. Seit der 2. Hälfte des 19.
Jahrhunderts gab es mehrere Geschäfte und Handlungen in der Stadt, die im
Besitz jüdischer Einwohner waren. Um 1900 gab es zwei jüdische Metzger, einen
Apotheker, einen Schuhmacher, einen Pferdehändler, einen Viehhändler, mehrere
Handelsleute und Kaufleute
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische
Schule (Israelitische Elementarschule, 1890 aufgelöst, danach Religionsschule), ein rituelles Bad
(um 1833 zwei private Mikwen im Haus des Gemeindeältesten Avram Josef Spittel
und im Haus des Gumpert Hakelberg; 1836 neue Mikwe in einem anderen Privathaus;
seit 1845 im Synagogen-/Schulgebäude) und ein Friedhof.
Die Schule war von 1827 bis 1845 in gemieteten Räumen in der Stadt
untergebracht. 1844/45 wurde unmittelbar neben der Synagoge und mit ihr
verbunden ein Schulhaus mit Schulsaal und Lehrerwohnung erstellt. 1840
gab es 23 schulpflichtige Jungen und 17 schulpflichtige Mädchen in der
Gemeinde. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl.
Ausschreibungen der Stelle unten). An Lehrern sind bekannt: Jacob Bamberger (ca.
1806-1814), Moses Müller (1820-1824), Lehrer Weinstein (um 1824), Emanuel Bien
(1827-1857, dann mit Familie in die USA ausgewandert), Eliser Gutkind (aus Zierenberg, 1857-1866), Moses Levi (aus Ronshausen, 1866-1871, danach in
Hofgeismar), Nathan Jaffa (aus Heinebach, ab 1872-1877), Simon Schön
(1877-1891, letzter Elementarlehrer der Gemeinde, danach in
Helmarshausen); ab 1891 die Religionslehrer:
Lehrer Heiser (1891-1884), Levi Grünstein (1894-1928(, Lehrer Katzenstein
(1928-1937). Die Gemeinde gehörte innerhalb des damaligen Kreises Wolfhagen zum Provinzialrabbinat in Kassel.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Berthold Schon
(geb. 16.9.1887 in Naumburg, vor 1914 in Hannover wohnhaft, gef. Februar 1917)
und Unteroffizier Julius Schön (geb. 14.11.1884 in Naumburg, gef.
25.8.1918).
Um 1924, als zur Gemeinde noch 40 jüdische Personen gehörten (2,7 % von
insgesamt 1.468 Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher Siegmund Kaiser-Blüth
und Isaak Wertheim (die beiden waren von 1911 bis 1925 Gemeindevorsteher). Als
Lehrer und Vorbeter war der bereits genannte Levi Grünstein tätig. Er erteilte
damals sieben jüdischen Kindern den Religionsunterricht. An jüdischen Vereinen
gab es einen Wohltätigkeitsverein Chewra Kadischa (1924 unter Leitung
von Lehrer Grünstein). 1932 war Gemeindevorsteher Isaak Wertheim (von 1926 bis
1936 Gemeindevorsteher). Im Schuljahr 1931/32 erhielten noch drei jüdische
Kinder der Gemeinde durch Lehrer Katzenstein
Religionsunterricht.
1933 lebten noch etwa 35 jüdische Personen in Naumburg. In
den folgenden Jahren ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Letzter
Gemeindevorsteher wurde 1937 Gustav Schlesinger. 1938 waren noch Angehörige der
Familien Blumenkron und Diekhof (Untere Straße 23), Kaiser-Blüth (Untere
Straße 24), Plaut (Untere Straße 11), Rosenstein (Roter Rain), Schlesinger (Dielenhenn-Straße
2) und
Wertheim (Im Altenhagen 1) in Naumburg. Am 3. Oktober 1938 wurden die
jüdischen Familien von der Ortspolizei aufgefordert, den Ort binnen vier Wochen
zu verlassen. Beim Novemberpogrom 1938 wurde das Synagogengebäude
teilweise zerstört, die (damals leerstehenden) Häuser der Familien Rosenstein
und Blumenkron wurden geplündert und angezündet.
Der letzte Gemeindevorsteher Gustav Schlesinger konnte nach Chile emigrieren;
der frühere Gemeindevorsteher Siegmund Kaiser-Blüth ist mit Familie über
Frankfurt nach Argentinien ausgewandert. Die letzten jüdischen Einwohner sind
im November 1939 von Naumburg weggezogen (teilweise Kassel, von wo einige
deportiert wurden). Unter den Umgekommenen ist der Gemeindevorsteher (bis 1937)
Isaak Wertheim. Insgesamt sind fünf Familien ausgewandert: drei nach
Südamerika, zwei nach Palästina/Israel.
Von den in
Naumburg geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945", sowie nach der Gedenktafel
im Stadtmuseum
Hofgeismar, Jüdische Abteilung, siehe Foto links): Bertha Blumenkron
geb. Meyberg (1857), Selma Blumenkron geb. Grünberg (1892), Walter Blumenkron (1897),
Edith Diekhoff (1933), Erna Eva Diekhoff geb. Blumenkron (1890),
Herbert Diekhoff (1894), Margarete Diekhoff (1930), Werner Diekhoff
(1931), Johanna Gotthelf geb. Blumenkron (1896), Karoline Grünstein geb.
Herz (1857), Rosa Homberg geb. Blumenkron (1887), Carl Kaiser-Blüth
(1868), Julius Kaiser-Blüth
(1873), Kurz Kaiser-Blüth (1903), Adolf Kander (1880), Johanna Kander
geb. Levinstein (1893), Sally Lazarus (1901), Flora Levi geb. Rosenstein
(1901), Elias Plaut (1879), Dora Plaut geb. Hammerschlag (1893), Siegberg
Plaut (1931), Walter Plaut (1931), Ella Rosenstein geb. Levy (1904),
Julius Rosenstein (1868), Jonny Rosenstein (1904), Bernhart Schlesinger
(1857), Isfried Schön (1884), Ida Steinheim geb. Kaiser-Blüth (1910),
Isaak Wertheim (1867). |
Mitte März 2014 wurden in Naumburg durch
Gunter Demnig 24 "Stolpersteine" zum Gedenken an die
deportierten und geflohenen jüdischen Einwohner verlegt. An sieben
Stellen in der Stadt wurden diese Gedenksteine verlegt (Untere Straße 11,
Untere Straße 23, Dielenhennstraße 2, Am Roten Rain, Graf-Volkwin-Straße 9,
Altenhagen 1 und 7).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1871 /
1893
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Oktober 1871:
"Die israelitische Gemeinde Naumburg bei Kassel sucht auf sogleich
oder zum baldmöglichsten Antritt einen Lehrer, Vorsänger und Schochet.
Fixer Gehalt 150 Thaler nebst freier Wohnung, freier Heizung im Schul- und
Wohngebäude, 2 Gemeindegärten. Die Schechita ist mit 60 Thalern
veranschlagt, Synagoge, Schul- und Wohngebäude bilden ein Ganzes und sind
sehr vollständig und schön eingerichtet. Nebeneinkünfte ca. 30 Thaler
und steht einem tüchtigen und konvenierenden Manne noch eine extra
persönliche Zulage in Aussicht, und ist einem solchen auch Gelegenheit
geboten, circa 100 Thaler für Privatunterricht einzunehmen. Musikalisch
gebildete Lehrer mit guter Stimme erhalten den Vorzug. Reflektierende
wollen sich alsbald an den Gemeindeältesten B. Kaiser-Blüthe
wenden." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Juni 1893:
"Die israelitische Synagogengemeinde Naumburg,
Regierungsbezirk Kassel, sucht per sofort einen Religionslehrer, der
zugleich Vorbeter und Schächter sein muss. Fixes Gehalt 750 Mark nebst
freier, schöner Wohnung und Garten und freiem Brand. Nebenverdienste ungefähr
400 Mark. Bewerber wollen sich unter Beifügung ihrer Zeugnisse an die
Unterzeichneten wenden.
Die Gemeinde-Ältesten: Jacob Kaiser Blüth I. & II." |
Anmerkung: Jacob Kaiser-Blüth I und II
waren von 1875 bis 1897 Gemeindevorsteher. |
Lehrer Schön wechselt von Naumburg nach
Helmarshausen
(1891)
Aus
einem Artikel in "Der Gemeindebote" vom 6. März 1891: "Manche Stellen wurden
daher bei Vakanzen überhaupt nicht wieder besetzt. In anderen dagegen wurde
selbst bei der geringen Schülerzahl die Schule forterhalten. So in
Naumburg. Dort waren zuletzt nur noch zwei Schüler. Infolge einer
Differenz zwischen Lehrer und Gemeinde beantragte nun vor kurzem die
Letztere bei der Regierung die Aufhebung, die von dieser auch ausgesprochen
wurde. Es wurde daher dem Lehrer Schön von der Regierung per 1. April
gekündigt. Da er indessen definitiv angestellt ist und nach einer
Ministerialverfügung einem solchen solange das Gehalt weiter zu zahlen ist,
bis er eine mindestens gleichdotierte andere Stelle gefunden hat, wurde ihm
gleichzeitig aufgegeben, sich bis zu gedachtem Termin um eine andere Stelle
zu bewerben. Zum Glück wurde gerade eine andere Stelle,
Helmarshausen,
durch den Tod des seitherigen Inhabers erledigt, und so wurde der Lehrer
Schön von Naumburg nach Helmarshausen versetzt. " |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Erste jüdischen Handwerker in Naumburg (1818)
Artikel
in der Zeitschrift "Sulamith" Jg. 1817/18 S. 392: "Auch im
Kurfürstentum Hessen zeigen sich die wohltätigsten Folgen der
Zivilisierung der Israeliten. Auch in diesem Staate verfehlen die weisen
und humanen Maßregeln der hohen Landesregierung, die Kultur der
Israelitischen Jugend zu befördern (wie z.B. die Zulässigkeit zu
zunftmäßigen Gewerben) ihren edlen Zweck nicht. - So treiben bereits
seit mehreren Jahren in der Residenz Kassel und deren Gegend
folgende jüdische Professionisten (welche größtenteils in dieser Stadt
ihr Handwerk erlernt), teils als Meister, teils als Gesellen und
Lehrbursch zunftmäßige Gewerbe, als: 1 Rothgießer, 2 Buchbinder, 2
Schneider, 1 Sattler, 2 Schuhmacher, 2 Schlosser, 1 Bordenwirker, 1
Tischler und ein Schönfärber; und nicht zunftmäßige, mehr ins Gebiet
der freien Künste gehörende Gewerbe treiben: 1 Mechanikus und 1
Tapezier.
In Naumburg (unweit Kasel) befinden sich 1 Lohgerber, 1 Schönfärber,
1 Sattler und 1 Schuhmacher.
Kassel 1818. B." |
Die jüdische Gemeinde wird kleiner - am Schabbat gibt es keinen Minjan mehr
(1929)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 16. August 1929: "Naumburg. Mit der
fortschreitenden Entvölkerung der jüdischen Gemeinden hält der
religiöse Verfall gleichen Schritt - wenn er nicht gar noch rascher
vonstatten geht. Bisher galt das 'Land' noch als Reservoir, das die
jüdischen Stadtgemeinden speiste und das religiöse Leben neu belebte.
Wenn sich aber die religiösen Verhältnisse in der bisherigen Weise
weiter entwickeln, ist es damit sehr bald vorbei. Bei ein bis zwei Stunden
wöchentlichem Religionsunterricht oder, was dem fast gleich ist, bei
keinem Religionsunterricht, wächst die Jugend auf, indifferent gegen
alles religiöse Leben. Und was im allgemeinen von der Jugend gilt, trifft
hier auch beim 'Alter' zu. Obwohl die hiesige Gemeinde noch die zum
gemeinsamen Gottesdienst nötige Anzahl Leute hat, gibt's selbst am
Schabbos kein Minjan mehr. Umsonst ist alle Mühe, die sich unser
Synagogenältester, Herr Wertheim,, gibt. Möchten diese Zeilen dazu
beitragen, dass sich jeder einzelne seiner Pflicht bewusst wird, alle
privaten Differenzen nicht auf das K'hilloleben (Gemeindeleben) zu
übertragen und es zu ermöglichen, dass wir wieder einen geregelten
Gottesdienst bekommen. W'zidkosom aumedes load." |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Zur Beisetzung des Musketiers Appel aus Naumburg in
Kassel (1847)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 30. August 1847: "Kassel, 7. August (1847). Das
Frankfurter Journal enthält von hier aus folgenden bittern Artikel:
'Folgender Fall erregt hier außerordentliches Aufsehen. Unter fünf
Soldaten, die an einem schweren gastrischen Fieber gestorben, befand sich
auch einer, der sich zur mosaischen Religion bekannte. Kaum hatten die
Vorsteher der israelitischen Gemeinde Kunde davon erhalten, als sie auch
alles aufboten, um die Bestattung des Leichnams nach jüdischem Ritus zu
erwirken. Es ist ihnen auch gestattet worden; obgleich es gar vielen nicht
einleuchten will, was die Vorsteher bewegen konnte, zu verhindern, dass
der Verstorbene mit militärischen Ehren zur Erde bestattet werde. Der
einfache Grund mag wohl darin zu suchen sein, dass sie nicht wissen, was
sie tun, indem die hiesige israelitische Gemeinde nun schon seit fünf
Jahren ohne Seelsorger, man kann nicht sagen besteht, sondern vegetiert.
Wo dem Israeliten es gestattet ist, in den Reihen der vaterländischen
Krieger zu stehen, da soll er im Leben und im Tode auch die gleichen Rechte
genießen. So lange Einzelne das nicht begreifen, und wenn sie selbst sich
Vorsteher nennen, so sind sie nicht reif zur Emanzipation mit ihren
christlichen Mitbürgern oder das Blatt hat sich gewendet, die
Unduldsamkeit gegen Andersglaubende herrscht bei ihnen; sie sind nicht
mehr die Unterdrückten, sondern die Unterdrücker.'" |
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Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 6. September 1847: "Kassel, 12. August (1847).
Das Frankfurter Journal enthält folgende Berichtigung des in voriger
Nummer mitgeteilten Artikels: 'Der wahre Sachverhalt ist folgender: In dem
vom Regimentskommando des 1. (Leib-)Infanterieregiments, welchem der
Verstorbene angehörte, an den Vorstand der israelitischen Gemeinde
gemachten schriftlichen Anzeige vom erfolgten Ableben des Musketiers
Appel aus Naumburg, israelitischer Religion, wurde demselben zugleich
eröffnet, dass in Folge höchster Ordre die Beerdigung der Soldaten
israelitischen Konfession der betreffenden israelitischen Gemeinde obliege
und nicht durch das Regiment zu geschehen habe usw. Hiernach musste die
Beerdigung auf dem israelitischen Friedhofe von den Glaubensgenossen des
Verstorbenen übernommen werden. Dem Sarge folgte aber nichtsdestoweniger
der Hauptmann, der Feldwebel, mehrere Unteroffiziere und ein großer Teil
der Kameraden des Verstorbenen, um demselben die letzte Ehre zu erweisen.
Dieses ist die einfache und zuverlässige Darstellung jenes Vorganges."
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Pferdehändler Adolf Kander übernimmt das Amt des
Gemeinderechners (1928)
Anmerkung: statt "Kanter" ist "Kander" zu
lesen.
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 20. April 1928: "Naumburg. Herr Pferdehändler
Adolf Kander hat das Amt des Gemeinderechners ehrenamtlich
übernommen." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeigen des Manufakturwarengeschäftes B. Kaiser Blüth
Sohn (1901 / 1902)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Juli 1901: "Für
mein Manufakturwarengeschäft, Samstags und Feiertage streng geschlossen, suche
per sofort eventuell per 1. August, einen tüchtigen,
angehenden
Commis
für Lager und Comptoir; ferner einen Lehrling mit guten
Schulkenntnissen unter günstigen Bedingungen. Kost und Logis im
Hause.
B. Kaiser Blüth Sohn, Naumburg, Regierungsbezirk
Kassel." |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 17. November 1902: "Per sofort oder per 1. Dezember suche
einen tüchtigen jüngeren Commis f
ür mein Samstags und Feiertage streng geschlossenes
Manufakturwarengeschäfte. Station im Hause.
B. Kaiser Blüth Sohn. Naumburg, Regierungsbezirk
Kassel." |
Anzeige von Siegfried Appel (1903)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. November 1903:
"Für einen kleinen Haushalt Dienstmädchen vorhanden, suche per
sofort zuverlässige tüchtige
Person
zur Führung des Haushalts.
Offerten mit Gehaltsansprüchen per Monat erbitte sofort
Siegfried , Naumburg, Bezirk Kassel." |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war vermutlich ein Betraum in einem der jüdischen
Häuser vorhanden. Von 1793 bis 1795 wurde eine Synagoge erbaut; als
Bauherr wird Salomon Moises genannt. Das Gebäude
umfasste einen Betsaal mit Empore und eine kleine Wohnung für den Lehrer der
Gemeinde. Da das rituelle Bad
sich in einem jüdischen Privathaus und die Schule in gemieteten Räumen in der
Stadt befanden, bemühte sich der jüdische Lehrer Emanuel Bien seit Januar 1833
darum, dass auf dem Grundstück neben der Synagoge ein jüdische Gemeindehaus
mit rituellem Bad, Schulhaus und Lehrerwohnung erstellt werden könnte. Dieser
Anbau konnte jedoch erst 1844/45 erbaut werden. Für die Planung und
Ausführung des Baus war Landbaumeister Schnackenberg aus Hofgeismar
verantwortlich. Nach Abschluss der Bauarbeiten befanden sich in dem Anbau ein
großer Schulsaal sowie für den Lehrer eine Wohnstube, eine Schlafkammer und
ein Dachkämmerchen; im bisherigen Gebäude waren weiterhin weitere
Wohnräumlichkeiten des Lehrers. Im Betsaal gab es nach einem
Inventarverzeichnis von 1857 zehn Bänke (Stände) mit Platz für 40
Männer, auf der Empore sechs Bänke mit 27 Plätzen für die Frauen. Dazu noch
zusätzliche Sitzplätze für Gäste und die Jugendlichen der Gemeinde. Der
Synagogensaal verfügte über eine reiche und festliche Ausschmückung mit
vielen Lampen und Leuchtern aus Messing.
Auf Grund der zurückgehenden Zahl der jüdischen Einwohner am Ort gab es
bereits Ende der 1920er-Jahre kein geregeltes gottesdienstliches Leben
mehr. Im August 1929 wird geschrieben (siehe Bericht oben): "Obwohl die
hiesige Gemeinde (sc. Naumburg) noch die zum gemeinsamen Gottesdienst nötige
Anzahl Leute hat, gibt's selbst am Schabbos kein Minjan (sc. die für einen
Gottesdienst notwendige Zahl von zehn Männern) mehr".
Beim Novemberpogrom 1938 wurde das Synagogengebäude (am 11. November
1938) teilweise zerstört. Beteiligt waren an der Aktion auswärtige SA-Leute
wie auch einheimische Personen. Die zweistöckige Anbau des Betsaal, der in den
Garten / Hofteil ragte, wurde zum Einsturz gebracht und noch in derselben Nacht
völlig abgebrochen. Eine Brandfackel wurde in das Gebäude geworfen. Wieviel
Schaden sie zusätzlich angerichtet hat, ist nicht bekannt.
Eine Hinweistafel ist am Gebäude angebracht (siehe Foto unten).
Adresse/Standort der Synagoge: Graf-Volkwin-Straße
9 (ehemalige Gerichtsstraße)
Fotos
(Quelle: neuere Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 16.6.2008)
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Historische Fotos
der ehemaligen Synagoge sind noch nicht vorhanden; über Zusendungen oder
Hinweise freut sich der
Webmaster der "Alemannia Judaica";
Adresse siehe Eingangsseite. |
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Blick auf das
Vordergebäude der
ehemaligen
Synagoge (Giebel zur Straße, in dem sich
Teile der
Lehrerwohnung befanden) und das
der ehemaligen jüdischen
Schule (links davon;
mit ehemaligen Schulraum und Teilen der
Lehrerwohnung) |
Blick auf den
erhaltenen Teil der
ehemaligen
Synagoge von der Hofseite.
Im Hofbereich stand der ehemalige
Betsaal mit
Empore, der 1938
zerstört wurde.
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Inschrift: "Baudenkmal.
Gedenke.
Von 1503 bis 1938 haben Juden in
Naumburg gelebt. Von 1795 bis
1938
war dies die Synagoge." |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Dezember 2013:
Im April 2014 sollen "Stolpersteine" in
Naumburg verlegt werden |
Artikel von Norbert Müller in der
"Hessischen Allgemeinen" (hna.de) vom 26. Dezember 2013: "Erinnerung wach halten.
24 Stolpersteine zum Gedenken an Naumburger Juden werden verlegt
Naumburg. Für jeden Juden, der seinen letzten freiwilligen Wohnsitz in Naumburg hatte und von den Nazis umgebracht wurde einen Stolperstein, darauf hatte sich der Freundeskreis um Karin Albrecht und Christa Meuser nach einer Stadtführung im Oktober 2011 durch Naumburg festgelegt.
Sie wollten etwas dafür tun, dass die Entrechteten, Geschundenen, Ermordeten in ihrem Heimatort in Erinnerung bleiben. Die Naumburger Gruppe, zu der gut drei Dutzend Leute gehören, entschied sich dafür, sich dem Projekt des Künstlers Gunter
Demnig anzuschließen. Der Kölner hat mittlerweile in fast 900 Orten Pflastersteine, so genannte Stolpersteine, vor den Häusern platziert, in denen die Juden zuletzt freiwillig wohnten. In die Messingoberfläche eingraviert sind Name und Geburtsdatum sowie Tag der Deportation und – wenn bekannt – das Vernichtungslager.
Seit der Stadtführung haben Albrecht, Meuser und Co. viel recherchiert, ihr Projekt im Magistrat vorgestellt, die Hauseigentümer informiert, vor deren Immobilien in der Altstadt auf städtischen Grund die Steine eingelassen werden sollen, kurz, alles getan, damit die Steine – 20 ergaben die Nachforschungen – verlegt werden konnten.
Demnig bekam die Daten für die Steine und wies in der Antwort darauf hin, dass auch jene einen Stein bekommen sollten, denen die Flucht gelang, die den Holocaust überlebten.
'Man will, dass die Familien symbolisch wieder zusammengeführt werden', sagt Christa
Meuser. 'Da sind wir ein bisschen in Druck geraten', ergänzt Karin Albrecht, schließlich stand mit dem 17. März 2014 der Starttermin für das Pflastern schon fest.
Die beiden Frauen mussten nachlegen und nach Überlebenden forschen. Aus 20 Steinen wurden nun 24, die an sieben Stellen in Naumburg verlegt werden.
'Das ganze hat und schon viel Herzblut gekostet. Und auch Adrenalin', sagt die in Altendorf lebende Karin Albrecht. Wohl auch, weil bei all der breiten Unterstützung von Stadt bis Geschichtsverein einer der sieben Hauseigentümer noch immer bockig gegen das Projekt ist.
Verhindern wird er es nicht können, die Erinnerungssteine werden auf öffentlichem Grund gesetzt – fest mit schnell bindendem Beton verankert."
Link
zum Artikel |
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März 2014:
Zur Verlegung von "Stolpersteinen" in
Naumburg |
Artikel von Sascha Hoffmann in der
"Hessischen Allgemeinen" (hna.de) vom 17. März 2014: "Stolpern mit dem Herzen: 24 gravierte Steine erinnern an Naumburger Juden-
Naumburg. Gut 70 Jahre nachdem er in Auschwitz starb, wird ihm an dem Ort gedacht, an dem er bis zu seinem unfreiwilligen Auszug im Jahr 1938 gelebt hat.
'Hier wohnte Elias Plaut', steht auf einem kleinen, messingfarbenen Pflasterstein.
'Jahrgang 1879, deportiert 1941, ermordet
2.11.1943.'..."
Link
zum Artikel |
Artikel in der "Hessischen
Allgemeinen" (hna.de) vom 26. März 2014: "Abschluss zum Gedenken an die jüdischen Opfer Naumburgs mit Lutz Kann
Naumburg. Zum Abschluss der Veranstaltungen anlässlich der Verlegung der Stolpersteine für die von Naumburg aus deportierten und größtenteils ermordeten Bewohner jüdischen Glaubens, organisierte die verantwortliche Initiative einen weiteren Rundgang mit anschließender Gedenkveranstaltung..."
Link
zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Hinweis
auf online einsehbare Familienregister der jüdischen Gemeinde Naumburg
mit umliegenden Orten |
In der Website des Hessischen Hauptstaatsarchivs
(innerhalb Arcinsys Hessen) sind die erhaltenen Familienregister aus
hessischen jüdischen Gemeinden einsehbar:
Link zur Übersicht (nach Ortsalphabet) https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/llist?nodeid=g186590&page=1&reload=true&sorting=41
Zu Elben und Altenstädt sind vorhanden (auf der jeweiligen Unterseite zur
Einsichtnahme weiter über "Digitalisate anzeigen"):
HHStAW 365,153 Abschrift der Geburts-, Trau- und Sterberegister der
Juden von Elben: Jüdisches Geburtsregister 1854 - 1868, Jüdisches
Trauregister 1861 - 1865, Jüdisches Sterberegister 1853 - 1882; enthält
auch: Altenstädt
https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v4801164
|
|
Zu Naumburg sind vorhanden (auf der jeweiligen Unterseite zur
Einsichtnahme weiter über "Digitalisate anzeigen"):
HHStAW 365,607 Geburtsregister der Juden von Naumburg
1823 - 1852; enthält auch Angaben zu Personen aus Altenstädt, Elben und
Martinhagen https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v1510961
HHStAW 365,605 Geburts-, Trau- und Sterberegister der Juden
von Naumburg 1825 - 1883: enthält Abschriften des Geburtsregisters
1825 - 1883, des Trauregisters 1826 - 1877 und des Sterberegisters 1826 -
1883, enthält auch Angaben zu Personen aus Altenstädt, Elben
und Martinhagen https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v4449187
HHStAW 365,603 Gräberverzeichnis des jüdischen Friedhof in
Naumburg, aufgenommen im April und Mai 1941 durch Jacob Frankenberg und
Aron Hahn aus Kassel 1832 - 1933; enthält eine kurze Beschreibung
des Friedhofs mit Situationsplan https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v289986
HHStAW 365,604 Geburtsregister der Juden von Naumburg
1854 - 1883 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v2126658
|
|
Zu Riede sind vorhanden (auf der jeweiligen Unterseite zur
Einsichtnahme weiter über "Digitalisate anzeigen"):
HHStAW 365,710 Abschrift der Geburts-, Trau- und Sterberegister der
Juden von Riede von 1937: jüdisches Geburtsregister 1827 - 1894,
jüdisches Trauregister 1829 - 1885, jüdisches Sterberegister 1828 -
1887; enthält auch Angaben zu Heimarshausen https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v131328
|
Literatur:
| Umfassende Literaturhinweise siehe bei Michael
Dorhs [Zsst.]: Bibliographie zur Kultur und Sozialgeschichte der
Jüdinnen und Juden im Bereich der alten Landkreise Hofgeismar, Kassel,
Wolfhagen und in der Stadt Kassel. Ausführliche Zusammenstellung. 200 S.
Eingestellt als pdf-Datei (Stand
November 2023). |
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 112-114. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 (kein Artikel zu Naumburg). |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 45-46. |
| dies.: Neubearbeitung der beiden Bücher. 2007. S.
138-140. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S.
82-83. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 512-513. |
| Volker Knöppel und der Magistrat der
Stadt Naumburg (Hrsg.): "...da war ich zu Hause".
Synagogengemeinde Naumburg 1503-1938. Gemeinschaftsausgabe des Vereins für
hessische Geschichte und Landeskunde e.V. - Zweigverein Naumburg und des
Geschichtsverein Naumburg: "Die Geschichte unserer Heimat" Band
29. Hofgeismar/Naumburg 1998. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Naumburg
Hesse-Nassau. Established in the 18th century, the community dedicated a
synagogue in 1795 and together with members in three local villages numbered 147
in 1847, but dwindled to 40 in 1925. The 30 Jews living there in October 1938
received notice to leave and only two families remained on Kristallnacht
(9-10 November 1938), when the synagogue was destroyed. By September 1929 they
had also left. Few emigrated, most settling in Frankfurt and Kassel.
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