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Partenheim (Kreis
Alzey-Worms)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Partenheim bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938.
Ihre Entstehung geht mindestens in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1804 75 jüdische Einwohner, 1824 110 (9,32 % von insgesamt 1.180 Einwohnern),
1828 130, 1855 Höchstzahl von 165, 1861 119 (10,5 % von 1.128), 1880 68
(6,4 % von 1.064), 1900 36 (3,5 % von 1.035), 1905 27, 1910 26 (2,7 % von 948). Die
jüdischen Familienvorstände verdienten ihren Lebensunterhalt als Schuhmacher,
Metzger, Viehhändler beziehungsweise Pferdehändler, Weinhändler. Viele hatten
dazu auch eine Landwirtschaft (Weinbau; vgl. den Bericht über die
antisemitischen Ausschreitungen 1881, als den jüdischen Weinbergbesitzern die
Weinstücke ausgerissen wurden).
An Einrichtungen war eine Synagoge
und (im 19. Jahrhundert) eine israelitische Schule sowie ein rituelles Bad vorhanden.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war im 19. Jahrhundert zeitweise
ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war
(vgl. Ausschreibungen der Stelle unten). Die Toten der
Gemeinde wurden im jüdischen Friedhof in Jugenheim
beigesetzt. Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Alzey.
1881 kam es zu Ausschreitungen
gegen die jüdische Bevölkerung: in den von Juden bewohnten Häusern wurden
Fenster eingeworfen oder die jüdischen Einwohner durch andere Aktionen
schikaniert. Die sich über mehrere Monate hinziehenden Vorfälle führten zu
einer verstärkten Abwanderung der jüdischen Familien aus Partenheim
(vergleiche die oben genannten Zahlen). Bereits 1927 war die Auflösung der jüdischen Gemeinde geplant.
Um 1900 war Gemeindevorsteher ein Herr Grünebaum; sein Sohn Otto
Grünebaum wurde Lehrer und war u.a. in Schornsheim
tätig.
Um 1925, als noch 16 jüdische Einwohner gezählt wurden (in vier
Familien, 1,8 % der
Einwohnerschaft) waren die Gemeindevorsteher Philipp Walter (Metzger), Wilhelm
Sanders und Julius Hirschmann (Weinkaufmann).
Seit 1933 (12 jüdische Einwohner = 1,3 % von insgesamt 947 Einwohnern) trafen die nationalsozialistischen antijüdischen Maßnahmen auch die
noch in Partenheim lebenden jüdischen Einwohner. Philipp Walter beziehungsweise
Julius Hirschmann waren in den ersten Jahren der NS-Zeit die letzten Vorsteher der
Gemeinde. 1939 waren keine jüdische
Personen mehr am Ort. Zwei von den 1933 am Ort lebenden jüdischen Personen starben nach der Deportation im
Oktober 1940 nach Gurs, zwei wurden in Auschwitz ermordet.
Von den in
Partenheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Helene Eichbaum geb.
Kahn (1863), Max Hirsch (1886), Friedrich Hirschmann (1888), Julius Hirschmann
(1893), Marga Martha Frieda Hirschmann (1925, siehe Kennkarte unten), Nathan Kahn
(1867, siehe Kennkarte unten), Karl Löwenstein (1873, siehe Kennkarte
unten), Emma Reifenberg geb.
Hirschmann (1863), Karoline (Lina) Simon geb. Kahn (1862), Frieda Walter (1897),
Henriette Walter geb. Kahn (1858), Friedrich Wolf (1911), Heinrich Wolf (1878), Ida Wolf geb. Dornhardt (1905), Karl Wolf (1908).
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1865 /
1870
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. April 1865: "Die
israelitische Gemeinde zu Partenheim (Rheinhessen) sucht einen
Religionslehrer. Nebst gutem Gehalt wird freie Wohnung und Heizung
zugesichert.
Der Vorstand. Jakob Hirsch." |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Juni 1870:
"Lehrer gesucht! In der israelitischen Gemeinde zu Partenheim,
Rheinhessen, ist die Stelle eines Lehrers, Vorsängers und Schächters
vakant. Fixer Gehalt 300 Gulden, Nebenakzidenzien circa 100 Gulden, freie
Wohnung und Heizung. Verheiratete Bewerber werden bevorzugt. Anmeldungen
wolle man richten an Jacob Hirsch, Vorsteher". |
Aus dem
jüdischen Gemeindeleben
Berichte zu den antisemitischen Ausschreitungen in
Partenheim 1881
Anmerkung: vgl. die Berichte in den Seiten zu
Jugenheim und
Nieder-Olm.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9.
Februar 1881. Aus Rheinhessen. Auch in unserer Provinz hat die
Antisemitenbewegung böse Früchte gezeitigt. In den beiden, meistens von
Protestanten bewohnten Dörfern Partenheim und Jugenheim ist die
bekannte antisemitische Petition fast von allen protestantischen Bewohnern
derselben unterzeichnet worden. - "Was von Berlin kömmt," sagte ein
Bürgermeisterei-Adjunkt, "ist gut und muss unterschrieben werden."
Dabei ließen es aber die Herren Antisemiten nicht bewenden. Sie warfen den
Juden die Fenster ein; schwere Steine wurden auf die Dächer geworfen, die
natürlich großen Schaden gelitten haben. Schon haben sich einige Israeliten
entschlossen, diese beiden Dörfer zu verlassen und nach Mainz oder Bingen zu
ziehen. - Gegen die in den genannten Dörfern wohnenden Juden liegt nicht die
geringste Beschwerde vor; es sind fleißige, friedliche Menschen, und unter
ihnen befinden sich keine Wucherer. Der Hass ist ein künstlich geschürter,
lediglich durch die von Berlin ausgehende Antisemitenbewegung angefacht,
Während der großen Kälte in den verflossenen Wochen hatte man, um den Juden
einen Schabernack zu spielen, auf das Strengste verboten, für die Juden am
Sabbat Feuer anzumachen und die Wärmeöfen zu bedienen, sodass die Armen gezwungen
waren, bei 12 Grad Kälte in ungeheizten Zimmern zu sitzen.
Nach den hier geltenden Gesetzen sind die politischen Gemeinden verpflichtet,
für den durch Ruhestörung verursachten Schaden aufzukommen und werden beide
Gemeinden die eingeworfenen Fenster und die zerstörten Dächer wieder
herstellen müssen, wenn die Täter nicht zu eruieren oder nicht im Stande zu
bezahlen sind. Die Anzeuge ist bereits bei der Staatsbehörde gemacht. Die
Herren Stöcker, Förster etc. können auf diese Erfolge stolz sein.
Wie wir vernehmen, sind von der Behörde energische Maßregeln ergriffen worden,
um die Wiederkehr der Exzesse zu verhindern. |
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Artikel in der Beilage zur Zeitschrift "Der
Israelit" vom 9. Februar 1881. Mainz. Auf Verfügung des Großherzoglichen
Ministeriums ist die Gemeinde Partenheim, in welcher jüngst verschiedene
Ausschreitungen gegen die dort wohnenden Israeliten vorgekommen sind, auf die
Dauer von vier Wochen mit einem Gendarmerie-Wachposten, aus zwei Mann bestehend,
belegt worden.
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Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. März 1881: "Darmstadt,
14. Februar (1881, Privatmitteilung). Die 'Germania', die sich bekanntlich
seit Jahren nach Exzessen gegen die Juden sehnt, ließ sich jüngst aus Mainz
über Untaten berichten, die in einer Reihe von Ortschaften geschehen sein
sollten, in Oberingelheim,
Stadecken,
Essenheim, Partenheim,
Jugenheim, überall sollen Demolierungen
von Judenhäusern vorgekommen sein. Das Jesuitenblatt knüpft daran selbst
allerhand Betrachtungen, die sich bis zu Dr. Bamberger versteigen. Aber auch
diese kleine Tröstung verbleibt der edlen Germania nicht. Der 'Darmstädter
Anzeiger' bringt aus Partenheim folgenden authentischen Bericht:
Es ist unwahr, dass den hiesigen Israeliten schon seit drei Wochen
allabendlich die Fenster eingeworfen werden. Es kam allerdings vor, dass
einem Israeliten zwei, dem anderen drei Fenster eingeworfen wurden, es
geschah dies aber von 12-15-jährigen Buben und nicht von erwachsenen
Einwohnern, die sämtlich diese Bubenstreiche verurteilen und bedauern. Da
die in Rede stehende Notiz in allen Mainzer Blättern zu lesen war, so kam
die dortigen Staatsanwaltschaft auch hierher, um sich von dem Stand der
Dinge zu überzeugen, fand aber gar nichts vor, das ihr Einschreiten nötig
gemacht hätte, indem die hiesigen israelitischen Einwohner selbst bemerkten,
die Sache sei ja gernicht der Rede wert. In
Jugenheim ist gar nichts vorgekommen, und die zwei Familien, welche nach
Bingen, respektive nach Mainz ziehen, haben diesen Entschluss schon lange
gefasst, indem dort ihre Kinder und Anverwandte wohnen. (Die Vorgänge
waren doch schlimmer, siehe nächste Nummer. Redaktion.)" |
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Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18.
Mai 1881. Partenheim, 10. Mai (1881). Die Antisemiten scheinen immer noch
keine Ruhe zu haben; neuerdings verlegen sie sich auf Schändlichkeiten, die
nicht scharf genug getadelt werden können. In einer der jüngst verflossenen
Nächte wurden die Reben derjenigen Weinberge, die Israeliten gehören, fast
sämtlich abgeschnitten, dem Weinmakler B. von Partenheim wurden nicht allein
die Einlager und Sprösslinge, sondern auch die Stöcke aus der Erde
herausgerissen. |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Verlobungsanzeige für Hedwig Löwenstein und Richard
Neu (1932)
(aus der Sammlung von Hans-Peter
Trautmann)
Anzeige
im "Darmstädter Tagblatt" vom 16. Februar 1932:
"Hedwig Löwenstein - Richard Neu.
Verlobte.
Partenheim (Rheinhessen) - Fränkisch-Crumbach
(im Odenwald)" |
Kennkarten
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarten
zu Personen,
die in Partenheim geboren sind |
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KK (Mainz 1939) für Marga
Frieda Hirschmann
(geb. 17. April 1925 in Partenheim), Schülerin,
wohnhaft in Mainz, am 27. September 1942
deportiert ab Darmstadt in das Ghetto
Theresienstadt, am 6. Oktober 1944 in das
Vernichtungslager Auschwitz, ermordet |
KK (Mainz 1939) für Nathan
Kahn
(geb. 19. April 1867 in Partenheim), wohnhaft
in Mainz, am 27. September 1942
deportiert ab Darmstadt in das Ghetto
Theresienstadt, wo er am 13. Oktober 1942
umgekommen ist |
KK (Mainz 1939) für Karl
Löwenstein
(geb. 9. November 1873 in Partenheim, wohnhaft
in Darmstadt, am 27. September 1942
deportiert ab Darmstadt in das Ghetto
Theresienstadt, wo er am 26. November 1943
umgekommen ist ) |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine kleine Synagoge
unbekannten Baujahres war vorhanden (1855 genannt). Sie stand in der
Schmiedgasse auf dem Grundstück des Josef Kahn. 1895 wurde festgestellt, dass
die Zugänge zur Synagoge unwürdig seien, da unmittelbar daneben ein
Schlachthof und eine Metzgerei lagen.
Bereits in den 1920er-Jahren waren kaum noch Gottesdienste in der
Partenheimer Synagoge möglich, da es keine zehn jüdischen Männer mehr am Ort
gab. Die jüdischen Familien besuchten meist die Gottesdienste im benachbarten
Jugenheim. Im Februar 1938 wurde das Synagogengebäude verkauft. Es
entging damit der Zerstörung beim Novemberpogrom 1938, doch wurde es in den
Kriegsjahren durch Artilleriebeschuss vollkommen zerstört.
Adresse/Standort der Synagoge: Schmiedgasse
Fotos
Fotos sind noch
nicht vorhanden; über Hinweise oder Zusendungen freut sich der
Webmaster
der "Alemannia Judaica"; Adresse siehe Eingangsseite |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen.
Anfang - Untergang - Neubeginn. Darmstadt 1972. Bd. 2. S. 194-195. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 273-274. |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 310 (mit weiteren Literaturangaben).
|
| Wolfhard Klein: Die Synagogen in Essenheim,
Jugenheim, Nieder-Saulheim, Partenheim, Stadecken und Vendersheim. In:
Mandelzweig (Hrsg.: Förderverein der Synagoge Weisenau) Nr. 2 - 2022.
Eingestellt als pdf-Datei. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Partenheim. Numbering 165
at its height in 1855, the community dwindled to 36 (3 % of the total) in 1900
and 12 in 1933. Partenheim was a Nazi stronghold from 1930 and the Jews disposed
of their synagogue before Kristallnacht (9-10 November 1938). By the end
of 1939, there were no Jews in Partenheim.
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