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Stadecken (Gemeinde
Stadecken-Elsheim, Kreis Mainz-Bingen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Stadecken bestand eine jüdische Gemeinde bis um
1900. Danach gehörten die hier lebenden jüdischen Familien zur Gemeinde in Nieder-Olm.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1824 32 jüdische Einwohner, 1830 35, 1880 10 jüdische
Haushaltungen, 1890 15 Haushaltungen (sieben Familien Haas, drei Familien
Lauffer, fünf Familien Neumann), 1905 noch 18 jüdische Einwohner. Die
jüdischen Familien lebten insbesondere vom Viehhandel, Landesprodukten- und
Warenhandel.
1881 kam es zu gewalttätigen antisemitischen Gewalttätigkeiten am Ort
(siehe Bericht unten).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.). Die
Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof
in Jugenheim beigesetzt. Ob zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde
zeitweise ein Lehrer am Ort war (möglich in der 2. Hälfte des 19.
Jahrhunderts), der auch als Vorbeter und Schochet tätig war, ist nicht bekannt.
Möglicherweise war hierfür die Zahl der jüdischen Familien immer zu gering.
Der Unterricht der jüdischen Kinder dürfte durch den in
Nieder-Olm angestellten
Lehrer erteilt worden sein.
Nach 1933 sind die meisten der
jüdischen Einwohner (1931: elf Personen) auf Grund der Folgen des
wirtschaftlichen Boykotts, zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert.
Von den in Stadecken geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Henriette Marx geb.
Neumann (1863), Irma Mayer geb. Neumann (1899), Karl Neumann (1872), Moritz
(Moses) Neumann (1878), Regina Oppenheimer geb. Mayer (1856).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Antijüdische Aktionen örtlicher Antisemiten (1881)
Vgl. die Berichte in den Seiten zu
Nieder-Olm, Jugenheim und
Partenheim.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. März 1881: "Mainz, 12. März
(1881). Heute erschien bei der hiesigen Staatsanwaltschaft ein in
Nieder-Olm wohnender Israelit und
erstattete die Anzeige, dass in der verflossenen Nacht wiederholt der
Versuch gemacht worden sei, das Haus desselben in Brand zu stecken. Die
Staatsanwaltschaft hat sofort Schritte getan, die hoffentlich zur Ermittlung
der Täter führen. - Bezüglich der jüngst gemachten Mitteilung aus
Stadecken über das mit Pulver gefüllte Brennholz, erfahren wir, dass
schon vor einigen Tagen in der Wohnung eines dortigen Israeliten eine
Explosion durch solches Pulver gefülltes Holz hervorgerufen wurde, doch ist
glücklicherweise die gewünschte Wirkung nicht eingetreten. Erst durch diesen
Fall sah sich auch ein anderer Israelit veranlasst, sein Brennholz zu
untersuchen, wobei ihm die von uns schon erwähnten Holzstücke in die Hände
fielen. Die Untersuchung bezüglich des Täters ist bis jetzt noch erfolglos
geblieben." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Juni 1881: "Nieder-Saulheim
(Rheinhessen). Nachdem vor etlicher Zeit einem hiesigen Israeliten eine
Anzahl Bogreben von boshafter Hand abgeschnitten worden waren, wird uns
heute die verbürgte Mitteilung, dass einem anderen ein großes Stück
Roggenfeld total ruiniert worden sei. Im benachbarten Stadecken hat
man Anfangs dieser Woche den begüterten Israeliten Neumann und Haas ihre
Weinberge total ruiniert. Der Sohn des Ersteren ist in Folge der
Judenhetze von hier weggezogen. ebenso berichtet man unterm 30. dieses
Monats aus Alzey: Vergangene Nacht
wurden die Reben von drei Viertel Morgen Wingert vor Gemärk, hiesiger
Gemarkung, dem Simon Strauß gehörig, abgeschnitten. Jeder vernünftige
Mensch verurteilt diese Bubenstreiche aufs Schärfste und wünscht nur,
dass die Verüber dieser Rohheiten zur verdienten strengen Bestrafung
gezogen werden könnten." |
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Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Juni 1881: "Mainz,
22. Juni (1881). Aus den Verhandlungen des Schwurgerichts. Zur Zeit,
als die Ausschreitungen gegen die Israeliten in Stadecken sich
zutrugen, hat der achtzehnjährige Dienstknecht Michael Hahner von dort
seinem Herrn die Mitteilung gemacht, dass ein gewisser Peter Besant die
Anstiftung dazu gegeben. Als derselbe am 28. Februar in der Untersuchung
gegen die Excedenten von dem Amtsrichter in Wörrstadt unter dem Eide deshalb
vernommen wurde, erklärte er, dass er seinem Dienstherrn nichts derart
gesagt habe. Bei der Gegenüberstellung mit diesem räumte er ein, dass seine
eidliche Aussage eine falsche war. Die Geschworenen bejahten die Frage wegen
wissentlich falsch geleisteten Eides. Das Urteil des Gerichtes lautete auf
sechs Monate Gefängnis. Von der Untersuchungshaft kommen zwei Monate in
Abrechnung.
Der folgende Fall steht mit dem ersteren in engem Zusammenhang. Die Anklage
ist ebenfalls auf Meineid gerichtet, dessen der Dienstknecht Peter Besant,
18 Jahre alt, aus Stadecken, beschuldigt ist. Am 27. Dezember vorigen Jahres
wurden einem Israeliten in Stadecken die Fenster eingeworfen. Die Familie
zog wegen der Verfolgungen später nach Oberwesel. Bei der Frau jenes
Israeliten erschien eines Tages der Peter Besant und soll mit ihr über die
Sachbeschädigung gesprochen, ebenso die Namen dreier Leute genannt haben,
die bei der Tat zugegen gewesen. Es wurde eine Untersuchung eingeleitet und
der Besant gab am 7. März 1881 vor dem hiesigen Untersuchungsrichter unter
eidlicher Bekräftigung die Erklärung ab, dass er mit der fraglichen Frau die
gedachte Besprechung nicht gehabt und ihr auch hinsichtlich der Täter keine
Mitteilung gemacht habe. Die den Geschworenen vorgelegte Frage auf
wissentlich falsch geleisteten Eid wurde verneint und der Angeklagte
freigesprochen. Die Verteidigung führte Herr Rechtsanwalt Dr. Hangen."
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Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Über den Pferdehändler Philipp Werner
1826 wird in Bad Sobernheim der aus Stadecken
zugezogene Pferdehändler Philipp Werner (Uri Mosche bar Ascher)
genannt. Er erscheint dort als persönlicher Eigentümer des jüdischen
Friedhofes. Der Friedhof Bad Sobernheim blieb noch bis mindestens 1860 im
Besitz der Familie Werner, die das Vorrecht hatte, ihre Verstorbenen in
einer besonderen Reihe des Friedhofes zu begraben. Als erster der Familie
wurde der genannte Philipp Werner 1829 dort begraben. Er war auch ein
Wohltäter der Gemeinde Bad Sobernheim: 1816 hat er der Gemeinde einen
Raum unentgeltlich als Synagoge zur Verfügung gestellt. Sein Sohn Isaac
Werner schenkte 1859 der jüdischen Gemeinde sein Haus als
Schulgebäude. |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war ein Betraum vorhanden. Aus dem Jahr 1845 liegt
eine besondere Synagogenordnung vor sowie ein Regulativ über das Benehmen in der
Synagoge (Quellenhinweis: 'Regulativ' betr. Stadecken siehe
http://www.archivdatenbank.lha-rlp.de/speyer/b/b.2/u176/fb/akten/05/05.02/76/).
Eine kleine Synagoge wurde 1881 erbaut, in der bis um 1900 zu den Hohen
Feiertagen Gottesdienste abgehalten wurden.
1931-32 wurde das Synagogengebäude durch Rechtsanwalt Alfred Haas
verkauft.
Weitere Informationen zur Synagoge in Stadecken im Beitrag von Wolfhard Klein
(siehe Literatur).
Adresse/Standort der Synagoge: Obergeschoss
des heutigen Hauses Langgasse 19
Fotos
Vgl. Dokumente im
Beitrag von Wolfhard Klein (s. Lit.) |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 140-141 (innerhalb des
Abschnittes zu Nieder-Olm). |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 357 (mit weiteren Literaturangaben).
|
| Wolfhard Klein: Die Synagogen in Essenheim,
Jugenheim, Nieder-Saulheim, Partenheim, Stadecken und Vendersheim. In:
Mandelzweig (Hrsg.: Förderverein der Synagoge Weisenau) Nr. 2 - 2022.
Eingestellt als pdf-Datei. |
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