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Orten der Umgebung (VG Puderbach, Kreis Neuwied)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Puderbach bestand eine jüdische Gemeinde
(selbständig erst ab 1911, zuvor zu Dierdorf gehörig) bis 1938/40.
Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück: 1703 wird
"Jud Arron" in Puderbach genannt, 1767 gab es drei
jüdische Familien am Ort. In umliegenden Orten werden jüdische Bewohner
gleichfalls seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts genannt. 1767 lebten
in Urbach die beiden Juden Jacob und Michele mit ihren Familien. In
Niederhofen lebte ein Jude David. In Raubach lebte seit 1786 Mausche
Lazarus mit Familie.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1817 in Puderbach 22 jüdische Einwohner (von insgesamt 272), 1843 71, um 1890
20. 1813 bildete sich eine Synagogengemeinde in Urbach, zu der auch
Raubach und Daufenbach gehörten. Zu dieser Gemeinde gehörten 1852 5 jüdische
Familien mit zusammen 39 Personen. Zur jüdischen Gemeinde Puderbach
gehörten damals auch die in Niederwarnbach,
Rodenbach, Oberdreis und
Lautzert
lebenden insgesamt 14 Familien mit 78 Personen, darunter in Oberdreis die
Familien Samuel Fultheim, Michael Tobias, Herz Tobias und Anschel Veit, in Lautzert Aron Veit.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde zunächst eine Betstube,
später eine Synagoge
(s.u.), eine Religionsschule, ein rituelles Bad und einen Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war
möglicherweise eine Zeitlang ein jüdischer Lehrer angestellt, der zugleich als
Vorbeter und Schochet fungierte. Ansonsten kamen Lehrer benachbarter Gemeinden
zum Unterricht der Kinder nach Puderbach (seit Mitte des 19. Jahrhunderts der Lehrer
aus Dierdorf, vgl. Bericht zur Einweihung
der Synagoge 1911).
Um 1924, als in
Puderbach 45 jüdische Einwohner gezählt wurden (4,5 % von insgesamt etwa 1.000
Einwohnern) gehörten dem Gemeindevorstand an: Hermann Salomon und Leopold Aron.
Die damals 10 schulpflichtigen jüdischen Kinder der Gemeinde wurden durch
Lehrer Abenasch in Religion unterrichtet. Zur jüdischen Gemeinde gehörten
insgesamt 20 in Steimel, Daufenbach und Rodenbach lebenden jüdischen Personen.
1932 war Gemeindevorsteher Tobias Tobias, Schriftführer und Schatzmeister
Hermann Wolff (Inhaber einer Lebensmittelhandlung). Damals lebten 16 jüdische Personen in
Steimel, 26 in Urbach, die
zur Gemeinde Puderbach gehörten.
Nach 1933 ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder (1933 in Puderbach: 39 Personen von insgesamt 680
Einwohnern) auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Beim Novemberpogrom 1938
wurde die Synagoge zerstört (s.u.). Anfang 1941 wurden noch 13 jüdische
Einwohner gezählt, von denen mehrere aus Urbach
waren, die nach der Zerstörung ihrer Häuser beim Novemberpogrom 1938 nach
Puderbach eingewiesen waren (zwangseinquartiert im Haus des Albert Aron in der
Steimeler Straße 2). Die letzten acht jüdischen Personen wurden im Laufe des Jahres 1942 von
Puderbach aus in Vernichtungslager deportiert.
Von den in Puderbach geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Jakob Aron (1873), Julius Aron (1873), Albert Baer
(1887),
Louis Baer (), Thekla Irene Baer geb. Vos (1884), Selma Behr geb. Bär (1882), Johanna Daniel (1893), Selma
Hirsch geb. Levy (), Sigmund Jakob (1884), Ilse Schay geb. Baer (1914), Dina
Weiss geb. Aron (1872), Else Wolff (1922), Hermann Wolff (1890), Günther
Salomon Wolff (1926), Mathilde (Nelly) Wolff geb. Steinberg (1896).
Aus Steimel sind
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Paula Beretz geb. Herz
(1892), Irmgard Herz (1922), Jetta (Henriette) Levi geb. Baer (1863), Selma Tobias geb.
Levy
(1888).
Aus Oberdreis und Rodenbach sind umgekommen: Röschen (Rosalie) Ascher geb. Loeb
(1863), Rosa Ermann geb. Tobias (1881), Amalie
Tobias (1873), Gustav Tobias (1873), Libetta (Bertha) Schönbaum geb. Veit (1865), Adolf Veit (1890), Isaak Veit (1884), Julius Veit
(1884), Julius
Veit (1892), Michael Veit (1862), Sally Veit (1894).
Vgl. zur Familie Gustav Tobias in Rodenbach in der Website von Daniela
Tobias: http://tobiasherz.de/familie-gustav-tobias-rodenbach
Anmerkung: keine Namen werden im Gedenkbuch des Bundesarchives aus
Niederwarnbach und Lautzert genannt.
An der Friedhofshalle Rodenbach befindet sich eine Gedenktafel der
evangelischen Kirchengemeinde Puderbach zur Erinnerung an Gustav, Selma und
Otense Tobias.
Die Verlegung von "Stolpersteinen" in Puderbach ist nach
dem Beschluss des Gemeinderates vom September 2016 in absehbarer Zeit
geplant.
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Gutes konfessionelles Miteinander
bei Verabschiedung eines jüdischen Mannes zum Militärdienst (1903)
Artikel in "Israelitisches Familienblatt" vom 29. Januar 1903: "
Puderbach. Wie das gute Einvernehmen in unserem Orte von ungefähr 600
Einwohnern zwischen den Konfessionen herrscht, dafür genügt der Umstand,
dass ein junger Glaubensgenosse, der als einziger aus dem hiesigen
Ort zum Militär eintreten musste, in ganz besonderer Weise von dem hiesigen
Männergesangverein, dessen Mitglied er war, gefeiert wurde. Der Herr
Dirigent des Vereins hielt eine schwungvolle Rede, welche er mit einem Hoch
auf den jungen Vaterlandsverteidiger schloss. Am vorletzten Abend
versammelten sich sämtliche Burschen des Dorfes, um nochmals Abschied zu
nehmen und sie begleiten ihn dann noch bis zum Zuge. Auch wurden ihm
Geldgeschenke und Zigarren in seine Wohnung gebracht, gewiss ein
erfreuliches Zeichen der herrschenden friedlichen Eintracht."
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Spendenaufruf von Hermann Daniel (Dierdorf) für eine verarmte jüdische Familie
(in Puderbach, 1906)
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 28. September
1906: "Aufruf! Eine allein auf einem Dorfe wohnende jüdische
Familie, bestehend aus Eltern und 5 ganz kleinen Kindern, hat keine
Wohnung, da solche gekündigt und keine andere zu erhalten ist. Es ist
Gelegenheit geboten, ein Häuschen zu erwerben, welches auf den Namen der
Kinder eingetragen werden würde. An alle Glaubensgenossen richte ich die
herzliche Bitte, mir zu diesem Zwecke Gaben zukommen zu lassen, über
welche in diesem Blatte öffentlich quittiert wird. Nähere Auskunft
erteilt auf Wunsch Herr Bürgermeister Ermich in
Puderbach (Westerwald). Spenden
nehme (im Voraus danken) entgegen und werden solche für die betreffende
Familie zu dem erwähnten Zwecke verwendet. Hermann Daniel, Dierdorf,
Bezirk Koblenz." |
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Anzeige
in "Israelitisches Familienblatt" vom 11. Oktober 1906:
Dieselbe Anzeige wie im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" s.o.
|
Der Pfarrer des Ortes möchte einer jüdischen Frau helfen (1907)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Juli 1907: "Herzliche
Bitte! Eine in hiesiger evangelischer Gemeinde wohnende Waise,
Israelitin, 38 Jahre alt, die ein kleines Spezerei- und Kurzwarengeschäft
betreibt, muss, weil das elterliche Haus zwangsweise verkauft wurde,
seither in einem älteren Hause des betreffenden Dorfes, dessen Dach in
mangelhaftem Zustande ist, zur Miete wohnen. Sie möchte gern ein eigenes
Heim gründen, hat aber keine Mittel dazu. Sie ist eine achtungswerte,
fleißige Person, die aber zu anstrengender Arbeit nicht fähig ist, weil
sie hinkt. Es ergeht deshalb an alle Israeliten, die Gott mit irdischen
Gütern gesegnet hat, die Bitte, sich dieser Tochter ihres Volkes annehmen
zu wollen. Gaben nimmt dankend entgegen. F. Mohn, evangelischer Pfarrer,
Puderbach, Westerwald." |
Aufruf zu Spenden für die in Not
geratene Familie Tobias Tobias in Oberdreis (1921)
Anzeige in "Israelitisches Familienblatt" vom 3. März 1921: "Dierdorf
(Kreis Neuwied), Februar 1921.
Dringender Hilferuf!
Die Familie Tobias Tobias in Oberdreis, Kreis Neuwied, bestehend aus
dem alten Vater von 78 Jahren und einer älteren Tochter, ist in große Not
geraten. Ihr Haus brannte vollständig nieder, mit allem Inventar und
Vorräten. Nur das nackte Leben dieser Unglücklichen konnten die Bewohner
retten. Um den Bedauernswerten wieder aufzuhelfen, ergeht deshalb an alle
Edeldenkenden der Ruf: Helfet durch reichliche Spenden der Not leidenden
Familie.
Spenden nehmen die Unterzeichneten entgegen und wird darüber an dieser
'Stelle quittiert
Der Vorstand der Kultusgemeinde Moritz Salomon in Dierdorf
Moses Seligmann Dierdorf, Kreis Neuwied.
Befürwortet der v. Bürgermeister Schmidt A. von Nieden,
Pfarrer a.D. evangelische Gemeinde Oberdreis bei Steimel." |
Antijüdische Schändung des
Gedenksteines für Gefallene (1924)
Artikel
in "Israelitisches Familienblatt" vom 6. November 1924: "
Die Krieg gegen kriegsgefallene Juden. Wir werden auf einen Vorfall
aufmerksam gemacht, der sich in Puderbach (Westerwald) ereignete. In
Puderbach soll in den nächsten Wochen die Einweihung eines Gedenksteines
für die gefallenen Kriegsteilnehmer stattfinden. Darunter befinden sich
zwei jüdische Gefallene, die Gebrüder Bär (Bertolt und Karl) aus
Puderbach. In der Nacht vom 28. zum 29. September wurden diese beiden Namen
von einem Schandbuben mit Teer überstrichen. Die Untersuchung hat natürlich
noch keine Erfolge gezeitigt. Puderbach hat sich schon bei der letzten Wahl
ausgezeichnet durch 29 völkische Stimmen. Das lässt natürlich nicht auf die
stärke der 'völkischen' Bewegung schließen, sondern lediglich auf die
Umtriebe gewisser Personen, die vom sicheren Port aus Heimkriegerstrategie
betreiben und im Verborgenen gegen Wehrlose hetzen. In Puderbach schämt sich
jeder ehrenhafte Mensch über dieses Vorkommnis. " |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Berthold Baer ist unter den
Gefallenen des Ersten Weltkrieges (1914 / 1929)
Aus
einer Übersicht über jüdische Gefallene im Ersten Weltkrieg in "Der Schild"
vom 4. Januar 1929:
"Puderbach, Rheinprovinz. Berthold Baer geb.
18.8.1880 Puderbach Metzger 3.8.1914."
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Hermann Wolf wird mit dem Eisernen
Kreuz II ausgezeichnet (1916)
Mitteilung in "Dr. Bloch's österreichische Wochenschrift" vom 5. Mai 1916
zur Verleihung des Eisernen Kreuzes II:
"Puderbach (Bezirk Koblenz). Landsturmmann Hermann Wolf." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Geburtsanzeigen von Töchtern von
Adolf Aron und Thekla geb. Tannenwald (1902/03)
Anzeige in "Israelitisches Familienblatt" vom 14. August 1902: "Die
glückliche Geburt eines
kräftigen Mädchens zeigen hocherfreut an
Adolf Aron und Frau Thekla geb. Tannenwald, Puderbach, 3.
August 1902."
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Anzeige in "Israelitisches Familienblatt" vom 3. Dezember 1903: "Die
glückliche Geburt eines
kräftigen Mädchens zeigen hocherfreut an
Adolf Aron und Frau Thekla geb. Tannenwald, Puderbach, den 30.
November 1903." |
Anzeige des Manufaktur-, Möbel und
Maschinengeschäftes Adolf Aron (1904)
Anzeige in "Israelitisches Familienblatt" vom 17. März 1904: "1
Lehrling
mit guter Schulbildung aus achtbarer Familie für mein Manufaktur-, Möbel-
und Maschinengeschäft per sofort oder Ostern gesucht. Samstags und Feiertage
geschlossen, Kost und Logis im Hause.
Adolf Aron, Puderbach, Regierungsbezirk Koblenz. " |
Anzeigen von Aron Baer
(1904)
Anzeige in "Israelitisches Familienblatt" vom 17. November 1904:
"Ich suche für meine zwei Söhne im Alter von 15-16 Jahren
Lehrlingsstellen,
ersterer geeignet für Klempner- und Installationsgeschäft, nächster für
Sattler und Polsterer.
Anfragen erbeten an Aron Bär, Puderbach, Westerwald. " |
Anzeigen des Manufaktur- und
Herren-Konfektionsgeschäftes Adolf Aron (1911 / 1912)
Anzeige in "Israelitisches Familienblatt" vom 31. August 1911: "Für
mein Manufaktur- und Herren-Konfektions-Geschäft suche ich per 1. Oktober
einen jüngeren tüchtigen
Verkäufer
der auch zu dekorieren versteht und im Verkehr mit Landkundschaft bewandert
ist. Offerten nebst Zeugnissen, Fotografie und Gehaltsansprüchen bei freier
Station erbeten
Adolf Aron, Puderbach. "
|
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Anzeige
in "Israelitisches Familienblatt" vom 20. Juni 1912: "Tüchtiger
Verkäufer und Dekorateur
per 1. Juli oder 15. Juli gesucht.
Offerten mit Bild bei freier Station erbeten.
Adolf Aron, Manufaktur und Modewaren,
Puderbach (Bezirk Koblenz). " |
Anzeigen von Schneidermeister
Jakob Mayer (1926)
Artikel in "Neue Jüdische Presse" vom 28. März 1913:
"Tüchtiger Schneidergeselle
sofort gesucht. Selbigem ist Gelegenheit geboten, sich im Zuschneiden und
Anprobieren auszubilden.
Jakob Mayer, Maßgeschäft,
Puderbach (Westerwald). " |
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Anzeige in "Israelitisches Familienblatt" vom 11. Februar 1926:
"Suche für meinen Sohn,
welcher 1 Jahr in Metzgerei gelernt, anderweitig Stellung.
Selbiger ist kräftig, fleißig und ehrlich. Offerten erbeten an
Jakob Mayer, Schneidermeister. Puderbach, Westerwald. ." |
Anzeige des
Manufakturwarengeschäftes Hugo Aron (1934)
Anzeige in "Israelitisches Familienblatt" vom 16. August 1934:
"Suche per sofort
für mein Manufakturwarengeschäft strebsamen
jungen Mann als Detail-Reisenden.
Offerten mit Bild, Gehaltsansprüchen und Zeugnisabschriften an
Hugo Aron
Puderbach Bezirk Koblenz. |
Hochzeitsanzeige von Artur Aron und
Sofie geb. Girdisky (1938)
Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 11.
August 1938:
"Arthur Aron - Sofie Aaron geb. Girdisky
Vermählte
Puderbach
Düsseldorf, Luegallee 72
Johannesburg (Südafrika), 14. August 1938 P.O.Box Box 6557."
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Zur Geschichte der Synagoge
1781 wird berichtet, dass die im Bereich der späteren
Bürgermeisterei Puderbach lebenden Juden nach Dierdorf zu dem
"Judenschulmeister Elias" ging, also wohl dort die Synagoge besuchten.
Mitte des 19. Jahrhunderts gab es zwei Betstuben, eine davon war in dem noch
erhaltenen Gebäude Steimeler Straße 12 eingerichtet (Wohn- und
Stallhaus).
1907 beantragte die jüdische Gemeinde, eine Synagoge bauen und eine
selbständige jüdische Gemeinde gründen zu dürfen. Zunächst lehnten die Behörden ab,
da ihnen die Gemeinde hierfür finanziell zu schwach erschien. Dennoch gab die
Gemeinde mit ihren Antragstellungen nicht nach und hatte schließlich Erfolg,
indem am 4. und 5. August 1911 eine neue Synagoge durch den
Dierdorfer Lehrer Ginsberg feierlich
eingeweiht werden konnte. Die Synagoge war durch den Bauunternehmer
Johann-Philipp Spies aus Puderbach erstellt worden. Sie stand auf einer
Grundfläche von 9 x 7 m. Seitlich hatte sie hohe Rundbogenfenster. An der
Westfassade hatte sie einen Portalvorbau mit einem Treppenaufgang. Über dem
Portalvorbau befand sich ein Rundfenster zur Beleuchtung der Frauenempore.
Eine neue Synagoge soll gebaut
werden - die jüdische Gemeinde muss noch das Korporationsrecht bekommen (1907)
Artikel
in "Israelitisches Familienblatt" vom 20. September 1907: "Dierdorf
(Rheinprovinz). (Synagogenbau). In dem nahen Orte Puderbach
beabsichtigen die dortigen jüdischen Familien, die bisher ihren Gottesdienst
in einem Betsaal abgehalten haben, eine Synagoge zu bauen. Zu diesem Zwecke
reichten sie ein Baugesuch mit der Zeichnung bei der Regierung ein, das
jedoch, da die jüdische Gemeinde hier noch nicht Korporationsrecht hat,
einstweilen zurückgewiesen wurde. Man will jetzt schleunigst die fehlenden
Korporationsrechte erwerben, um den Bau alsdann bald in Angriff nehmen zu
können. " |
Die Einweihung der Synagoge
(1911)
Artikel
in "Israelitisches Familienblatt" vom 10. August 1911: "Puderbach,
Westerwald. (Synagogen-Einweihung). Am 4. und 5. dieses Monats fand
hier die Einweihung der neuen Synagoge statt. Die Feier begann mit der
Abholung der Torarollen aus der alten Synagoge am Freitag Nachmittag. Ein
imposanter Festzug bewegte sich von hier nach der neuen Synagoge. Voran
schritt die Musikkapelle, dann folgte eine Dame, die den prächtigen
Schlüssel zu dem neuerbauten Gotteshaus auf einem seidenen Kissen trug. Von
den Gemeindeältesten wurden die Torarollen getragen. Zu beiden Seiten gingen
je drei weißgekleidete Damen, die Kränze trugen, und daran schlossen sich
die übrigen Festteilnehmer. Eine große Anzahl von Teilnehmern und Zuschauern
auch anderer Bekenntnisse aus Puderbach selbst und den umliegenden
Ortschaften waren herbeigeeilt. Im Vorhofe der Synagoge hielt der Zug.
Nachdem der Schlüssel unter einer Ansprache in poetischer Form dem
diensttuenden Lehrer, Herrn Ginsberg,
Dierdorf, übergeben worden war, öffnete dieser die Pforte des
Gotteshauses und man begab sich ins Innere, wo alles im festlichen Glanze
strahlte. Es begann dann der Einweihungsakt. Nachdem der Chor einige Lieder
gesungen hatte, hielt Herr Lehrer Ginsberg eine tiefempfundene und
eindrucksvolle Festrede unter Zugrundelegung des Textwortes Chronik 16,
Verse 10-14: 'Rühmet seinen heiligen Namen. Es freue sich das Herz derer,
die den Ewigen suchen' usw. und schloss mit einem besonderen Gebete für den
deutschen Kaiser." |
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge durch ein Rollkommando unter
Leitung eines SS-Führers niedergebrannt. Nur eine Torarolle konnte gerettet
werden. Die Brandruine wurde in der Folgewoche abgebrochen, das Grundstück
verkauft.
Am 10. November 1979 wurde zur Erinnerung an die jüdischen Einwohner und
die Synagoge eine Gedenktafel an der Friedhofskapelle angebracht. Auch
eine Freundschaftsgedenktafel - gestiftet von einem ehemals in Puderbach
lebenden jüdischen Ehepaar - wurde in der evangelischen Kirche angebracht.
Im November 2012 wurde an der Rückseite des Gebäudes der Pulverbacher
Sparkasse eine Gedenktafel angebracht zur Erinnerung, dass an diesem
Standort einst die Synagoge stand (siehe Pressebericht unten).
Adresse/Standort der Synagoge: Betstube:
Steimeler Straße 14 (ehem. Nr. 12); Synagoge: Barentoner Straße
(unmittelbar an der Eisenbahnlinie; 1932: Haus Nr.
59a).
Fotos
(Quelle: Landesamt s. Lit. S. 316)
Historische Ansichtskarte
zur
Einweihung der Synagoge in
Puderbach 1911 |
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Fotos der
Gedenktafeln und des Synagogenstandortes heute sind noch nicht vorhanden.
Über Zusendungen freut sich der Webmaster von "Alemannia
Judaica",
Adresse siehe Eingangsseite. |
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Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
November 2012:
An die ehemalige Synagoge erinnert nun eine
Gedenktafel |
Artikel von Wolfgang Tischler im
"NR-Kurier" vom 18. November 2012: "An einstige Synagoge in Puderbach erinnert Gedenktafel
Die neue Gedenktafel an der Rückseite der Puderbacher Sparkasse erinnert, dass an diesem Platz bis zum 9. November 1938 eine Synagoge gestanden hat. Die Tafel soll ein Mahnmal sein, damit sich solch schreckliche Ereignisse nie wiederholen, war der Wunsch der Anwesenden.
Puderbach. Man schrieb den 9. November 1938 als auch in Puderbach schreckliche Dinge passierten. Die Nazis hatten die im Jahre 1911 fertig gestellte Synagoge in Puderbach angezündet und ließen sie bis auf die Grundmauern niederbrennen. Der Puderbacher Bernd Schmidt setzte sich schon seit längerem dafür ein, dass eine Gedenktafel auf ewig an das Unrecht erinnern soll.
Am vergangen Freitag war es aus seiner Sicht endlich soweit. In einer kleinen Feierstunde wurde die Tafel enthüllt. Sie hängt an der Rückseite der örtlichen Sparkasse, dort wo früher die Synagoge stand. Das Kreditinstitut hatte sich bereiterklärt, die Tafel an ihrem Gebäude anbringen zu lassen. Bernd Schmidt präsentierte auf einer Informationstafel zwei Texte. Zum einen war es der Bericht der Neuwieder Zeitung vom 9. August 1911 über die Einweihung der Synagoge. Dort ist nachzulesen, dass das Gotteshaus am 4. und 5. August 1911 mit einem großen Fest seiner Bestimmung übergeben wurde.
Ein anderer Text ist der Bericht von Lotte Wolff, die am 25. 6. 1929 geboren ist und heute in den USA lebt. Sie hatte 1947 ihre Erinnerungen aufgeschrieben. Sie wohnte 1938 mit ihren Eltern und Großeltern in dem Haus direkt neben der Synagoge. Als neunjährige musste sie die Geschehnisse hautnah erleben. In ihrem Bericht schildert sie sehr anschaulich, wie sie von ihrer Mutter aus der Schule geholt wurde, was auf dem Heimweg passierte und den Schmerz, als ihr Vater nach Dachau transportiert wurde. Der Leser wird in die schweren Wochen des Kindes Lotte und der Familie hineinversetzt. Lotte hatte Glück, ihr Vater kam zurück. Vielen Kindern blieb dieses Glück versagt.
Bernd Schmidt erinnerte in seiner Ansprache an die Vorgänge des schlimmen 9. November 1938. Auch Verbandsbürgermeister Volker Mendel mahnte an, dass unsere und die künftige Generation dies nicht vergessen oder verdrängen dürften. Er freute sich über das Engagement von Bernd Schmidt, der dafür sorgte, dass die Erinnerung jetzt ein sichtbares Zeichen hat."
Link
zum Artikel |
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Oktober 2013:
Nach dem Beschluss des Gemeinderates soll es in
Puderbach keine "Stolpersteine" geben |
Artikel von Wolfgang Tischler im
"NR-Kurier" vom 31. Oktober 2013 (Link
zum Artikel): "Keine Stolpersteine in Puderbach
Mit den Stolpersteinen soll an das Schicksal der Menschen erinnert werden, die in der Zeit des Nationalsozialismus ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. In Puderbach gab es schon längere Zeit die Diskussion um die Verlegung.
Puderbach. Die Stolpersteine sind in der Regel kubische Betonsteine mit einer Kantenlänge von zehn Zentimetern, auf deren Oberseite sich eine individuell beschriftete Messingplatte befindet. Sie werden vorzugsweise vor den letzten frei gewählten Wohnhäusern der NS-Opfer niveaugleich in den Gehweg eingelassen.
Am gestrigen Donnerstagabend stand die Verlegung der Stolpersteine auf der Tagesordnung des Ortsbeirates in Puderbach. Der Gemeinderat hatte in seiner letzten Sitzung vereinbart, lediglich abzustimmen und nicht mehr darüber zu debattieren.
Sechs Anlieger in der Mittelstraße/Hauptstraße hatten im Vorfeld auf Befragen der Ortsgemeinde erklärt, dass sie nichts dagegen haben, wenn auf dem Bürgersteig vor ihrem Anwesen Stolpersteine verlegt werden.
Von zwölf anwesenden abstimmungsberechtigten Mitgliedern des Gemeinderates stimmten dann fünf mit
'Ja', fünf mit 'Nein' und zwei enthielten sich der Stimme. Fünf Ratsmitglieder fehlten bei der Abstimmung. Da bei Stimmengleichheit keine Mehrheit festzustellen war, ist der Antrag auf Verlegung von Stolpersteinen innerhalb der Ortsgemeinde Puderbach auf öffentlichen Flächen damit abgelehnt.
Verbandsbürgermeister Volker Mendel meinte in einer ersten Stellungnahme gegenüber dem NR-Kurier nur:
'Das macht mich ehrlich traurig!'" |
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November 2013:
Gedenken an die Reichspogromnacht 1938 |
Artikel von Helmi Tischler-Venter im
"NR-Kurier" vom 10. November 2013 (Link
zum Artikel): "Gedenken an die Reichspogromnacht in Puderbach
Das Theaterensemble 'Theattraktion' gedachte in einer szenischen Lesung der Pogromnacht in Puderbach vor 75 Jahren. Die Texte zeigten, dass Judenhass und Judenverfolgung sich seit dem tausendjährigen Römischen Reich durch die Jahrhunderte zog....
Dr. Martin Henn beendete den erschütternden Abend mit dem Appell, nicht wegzusehen und nicht zu schweigen, wenn Menschen verleumdet und verfolgt werden. Auf den Gesichtern der über 50 Besucher zeigte sich Betroffenheit und Nachdenklichkeit. Vor der Tür wurde noch über Stolpersteine in Puderbach diskutiert." |
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August 2016:
In Puderbach ist die Verlegung von
"Stolpersteinen" geplant
Über mehrere Jahre wurde in Puderbach zur möglichen Verlegung von
"Stolpersteinen" vor Ort diskutiert. Der Gemeinderat Puderbachs
hat sich mehrfach damit beschäftigt. Lange ließ sich keine Mehrheit für
oder gegen das Projekt finden. Erst nach der letzten Kommunalwahl hat sich
mit den Mehrheitsverhältnissen auch das Meinungsbild verschoben, sodass
der Rat das Thema nochmals aufgriff und dieses Mal positiv beschied. Mit
nur zwei Gegenstimmen sprach sich die große Ratsmehrheit für die
"Stolpersteine" aus. Bislang sind elf Stolperstein-Stellen
bekannt für ehemalige jüdische Einwohner, unter anderem in der
Mittelstraße, in der Steimeler Straße und vor dem heutigen
Rathaus. |
vgl. Artikel von Angela Göbler in der
"Rhein-Zeitung" (Lokalausgabe) vom 4. August 2016: "Stolpersteine:
Chancen für positives Votum stehen gut..." Link
zum Artikel
und Artikel von Angela Göbler in der "Rhein-Zeitung"
(Lokalausgabe Neuwied) vom 29.9.2016: "Stolpersteine: Puderbacher
Rat sagt Ja..." Link
zum Artikel |
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November 2017:
In Puderbach wurden am 20. November 2017 die
ersten "Stolpersteine" verlegt
Anmerkung: die ersten neun "Stolpersteine" in Puderbach
wurden vor drei Häusern in der Mittelstraße verlegt: für die
vierköpfige Familie Wolf, für Familie Bär sowie für Solomon
Seligmann. |
Artikel im "NR-Kurier" vom 23.
November 2017: "Erste Stolpersteine in Puderbach verlegt
Mit den Stolpersteinen soll an das Schicksal der Menschen erinnert werden, die in der Zeit des Nationalsozialismus ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. In Puderbach gab es schon lange Zeit die Diskussion um die Verlegung. Jetzt wurden die ersten neun Steine verlegt.
Puderbach. Die Stolpersteine sind in der Regel kubische Betonsteine mit einer Kantenlänge von zehn Zentimetern, auf deren Oberseite sich eine individuell beschriftete Messingplatte befindet. Sie werden vorzugsweise vor den letzten frei gewählten Wohnhäusern der NS-Opfer niveaugleich in den Gehweg eingelassen.
Schon 2012 hatte sich in Puderbach eine Bürgerinitiative unter dem Motto
'Stolpersteine in Puderbach – Jetzt!' zusammengeschlossen, nachdem der Gemeinderat mehrmals ergebnislos über das Projekt debattiert hatte. Am 30. Oktober 2013 hatte der Ortsgemeinderat Puderbach dann endgültig die Verlegung der Steine abgelehnt.
Nach der Kommunalwahl 2014 hatte sich der neue Ortsgemeinderat mit den neuen Ortsbürgermeister Manfred Pees erneut mit dem Thema befasst und den Weg für die Verlegung freigemacht. Jetzt wurden die ersten neun Steine in der Mittelstraße verlegt. Die ersten Steine erinnern an die vierköpfige Familie Wolf, allesamt 1942 nach Minsk deportiert und ermordet, die Familie Bär, deportiert nach Krasnicyn und ins Ghetto Riga und ebenfalls ermordet, sowie Solomon Seligmann, der in Theresienstadt starb. Ortsbürgermeister Mandfred Pees erklärte bei der Verlegung der Steine:
'Die Stolpersteine sollen das Andenken bewahren und uns mahnen, auch in einer noch so hektischen Zeit solche Gräueltaten nie wieder geschehen zu
lassen.'
Rolf-Wüst vom Deutsch-Israelischen Freundeskreis Neuwied war für die Verlegung nach Puderbach gekommen. Er sagte:
'Es muss in vielen Menschen einen unzerstörbaren Kern geben, der sie trotz allem zur Selbstbehauptung befähigt. Die Selbstbehauptung der Opfer soll uns heute zum entschiedenen und unermüdlichen Widerstand gegen Unmenschlichkeit und gegen die Anfänge der Barbarei aus der Mitte unserer Gesellschaft heraus befähigen.'
In Puderbach soll es am Ende rund 30 Gedenktafeln in den Bürgersteigen geben. Einen Zeitplan hierfür gibt es nicht, aber die ersten Schritte sind nun gemacht. (woti)"
Link
zum Artikel
Weiterer Artikel von Angela Göbler in der Rhein-Zeitung Neuwied vom 21.
November 2017: "Nach langer Debatte: Erste Stolpersteine in Puderbach
verlegt..."
Link
zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 316-317 (mit weiteren Literaturangaben).
|
| Albert Hardt: Juden im Umland von Puderbach. In: Vom
Holzbach zur Wied. Puderbach 1992 S. 131-146 - online
zugänglich. |
| Gerhard Ebbinghaus: So wurden sie ausgebootet. Die
Ausschaltung des jüdischen Viehhändlers Gustav Tobias aus Rodenbach. In:
SACHOR. Beiträge zur Jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit
in Rheinland-Pfalz Heft Nr. 8 - 3/94 (4. Jahrgang) S. 44-47. Online
eingestellt (pdf-Datei). |
| Manfred Faust: Der schwere Judenpogrom in Puderbach
am 10./11. November 1938. In: Heimatjahrbuch 2010 des Kreises Neuwied. |
| ders.: Die Ausplünderung, Vertreibung, Deportation und
Ermordung der Puderbacher Juden 1933 bis 1944. In: Heimatjahrbuch 2012 des
Kreises Neuwied. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Puderbach Rhineland. The
Jewish population was 22 (total 272) in 1817 and 17 in 1843. It then dropped to
yout 20 in the late 19th century and rose again to 36-38 in 1925-32. Forty-two
Jews from Urbach and Steimel also belonged to the congregation. The synagogue
built in 1911 was burned on Kristallnacht (9-10 November 1938).
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