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"Synagogen im Kreis Bergstraße"
Reichenbach
im Odenwald mit
Elmshausen
(Gemeinde Lautertal, Kreis Bergstraße)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Reichenbach im Odenwald bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18.
Jahrhunderts zurück. In Reichenbach sowie den umliegenden Orten Elmshausen
(heute: Ortsteil von Lautern), Schönberg und Zell (heute Stadtteile von
Bensheim) nahmen die Grafen von Erbach-Schönberg im 18. und bis Anfang des 19.
Jahrhunderts mehrere jüdische Familien auf. Der erste bekannte Schutzbrief ist
aus dem Jahr 1786.
1822 lebten in Reichenbach acht jüdische Familien, in Zell
waren es fünf Familien, in Schönberg drei. In Elmshausen wurden zwischen 1815
und 1825 zwei jüdische Familien aufgenommen. Die meisten jüdischen Einwohner
hatte auch in den folgenden Jahrzehnten Reichenbach: 1828 52 jüdische
Einwohner, 1861 76 (Höchstzahl, 7 % der Gesamteinwohnerschaft), 1880 68, 1905 49; Elmshausen: 1830 10, 1905: 7; Schönberg: 1830: 13; Zell
1830: 20. Die jüdischen Einwohner in Schönberg und Zell gehörten spätestens
seit Mitte des 19. Jahrhunderts zur Gemeinde in Bensheim. Zu Reichenbach war
weiterhin Elmshausen zugehörig.
Ab Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge, eine
Religionsschule und vermutlich auch ein rituelles Bad. Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden in Alsbach
beigesetzt. Ein jüdischer Lehrer in Reichenbach wird seit
1842 genannt. Die Gemeinde war bis 1923 dem liberalen
Rabbinat Darmstadt I unterstellt, danach dem orthodoxen Rabbinat Darmstadt II.
Die jüdischen Familien lebten überwiegend vom Handel mit Vieh,
Pferden und Waren.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde
Reichenbach Julius Marx (geb. 31.1.1884 in Reichenbach, gef. 21.7.1916).
Um 1925 wurden in Reichenbach 39 jüdische Einwohner gezählt (2,6 % von
insgesamt etwa 1.500 Einwohnern), dazu kamen fünf Gemeindeglieder aus Elmshausen.
Die Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde waren damals Simon Oppenheimer
(Elmshausen), Adolf Oppenheimer, Gustav Oppenheimer und Nathan Marx (diese drei
aus Reichenbach). Als Lehrer und Schochet kam Salomon Kornfeld aus
Bensheim regelmäßig nach Reichenbach. Er erteilte 1925 sieben schulpflichtigen
jüdischen Kindern Religionsunterricht. Als Kantor in der Synagoge
Reichenbach war Gustav Oppenheimer tätig (auch 1932). 1932 war 1.
Vorsitzender der Gemeinde M. Oppenheimer, 2. Vorsitzender Th. Israel
(Elmshausen) und 3. Vorsitzender L. Mayer. Weiterhin kam zum Unterricht der
jüdischen Kinder (im Schuljahr 1932/33 allerdings nur noch ein schulpflichtiges
Kind) der Bensheimer Lehrer nach Reichenbach (1932: H. Müller).
Nach 1933 ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder (1932: 36 Personen, dazu vier in Elmshausen) auf Grund der zunehmenden Entrechtung,
des wirtschaftlichen Boykotts und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert, sodass 1939 nur noch zehn
jüdische Einwohner gezählt wurden (zum 31.12.1940 noch fünf). Beim
Novemberpogrom 1938 wurde das Textilgeschäft der Familie Israel in
Elmshausen überfallen und die Ware mit Benzin angezündet. Die Familie blieb in
Elmshausen bis 1942, da Auswanderungspläne scheiterten. Ende März 1942 wurde die
Familie deportiert.
Von den in Reichenbach geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Hanna
Dalsheim geb. Oppenheimer (1892), Berta Kahn geb. Schack (1879), Bertha Mayer
(1885, siehe Kennkarte unten), Ferdinand Mayer (1878), Henriette Mayer geb. Lehmann (1874), Karoline
Mayer geb. Schmidt (1884), Wilhelm Mayer (1889), Settchen Oppenheimer (1874),
Frieda Schack (1888), Malchen Schiff geb. Oppenheimer (1860).
Von den in Elmshausen geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945") Mina
(Minna) Israel
geb. Oppenheimer (1892), Theodor Israel (1891), Walter Israel (1925).
Hinweis: es kommt in einigen Listen zu Verwechslungen mit Elmshausen
(Gemeinde Dautphetal, Kreis Marburg-Biedenkopf)
Berichte
aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
In jüdischen Periodika des 19./20. Jahrhunderte konnten bisher keine Berichte
zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Reichenbach mit Elmshausen gefunden
werden.
Über Max Liebster (1915-2008)
Artikel
von Harry Siegert im "Viernheimer Tageblatt" vom 29. Juli 2008:
"Gesellschaft: Zeitzeuge Viernheimer Geschichte gestorben. Max
Liebster im Alter von 93 Jahren verstorben.
Aix-les-Bains/Viernheim (kt) - Wie erst in diesen Tagen bekannt wurde,
ist in seinem Haus im französischen Kurort Aix-les-Bains ein Zeitzeuge
der Nazizeit in Viernheim, Max Liebster, im Alter von 93 Jahren
gestorben. Max Liebster wurde 1915 in Reichenbach im Odenwald
in eine streng gläubige jüdische Familie geboren. Bevor er im Jahre 1929
eine Lehre im Textilgeschäft seiner Cousins Julius und Hugo Oppenheimer
in Viernheim begann, besuchte Max Liebster die Volksschule in
Reichenbach..." Zum weiteren Lesen des Artikels bitte anklicken. |
Kennkarte
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarte
der in Reichenbach
geborenen Bertha Mayer |
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Kennkarte (Dieburg 1939) für Bertha
Mayer (geb. 13. Mai 1885 in Reichenbach im Odenwald),
Hausangestellte, wohnhaft in Babenhausen,
Reichenbach und Seligenstadt, am
25. März 1942
deportiert ab Mainz - Darmstadt in das Ghetto Piaski,
umgekommen |
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Zur Geschichte der Synagoge
1852 soll ein eigenes Synagogengebäude in Reichenbach vorhanden
gewesen sein. 1904 wurde eine neue Synagoge mit Lehrerwohnung und rituellem Bad
erbaut. Charakteristische Merkmale des Gebäudes waren von außen die
hohen Rundbogenfester, die nicht mehr erhalten sind. Gebaut war die Synagoge aus
Bruchsteinmauerwerk mit einem Satteldach giebelseitig zum Straßenzug. Das
Gebäude umfasst nach den Außenmaßen eine Fläche von 12,5 x 8,5 Metern.
Anmerkung des Webmasters: Ein Bericht zur Einweihung der
Synagoge wurde weder im Frankfurter Israelitischen Familienblatt (Jg. 1904) noch
in den Zeitschriften "Allgemeine Zeitung des Judentums" und "Der
Israelit" gefunden.
Auf Grund des Rückganges der jüdischen Gemeindeglieder
wurde die Synagoge bereits vor 1933 geschlossen und an die Ortsgemeinde
verkauft. Daher wurde sie beim Novemberpogrom 1938 nicht zerstört. Im
Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude zeitweise für französische
Kriegsgefangene als Unterkunft zweckentfremdet, daher wurde eine Zwischendecke
auf Höhe der Frauenempore eingezogen. Nach 1945 wechselte mehrfach der
Besitzer: ein Schreiner richtete zeitweise seine Werkstatt ein. Er verwendete
die noch verbliebene Inneneinrichtung aus Holz für seine Werkstatt. Mehrere
Jahre gehörte das Gebäude der katholischen Kirchengemeinde aus Bensheim. Der
Umbau zu einem Wohnhaus erfolgte 1956.
1988 wurde an der Mauer, die den Bachverlauf in der
Bangertsgasse begleitet, eine Gedenktafel angebracht.
Adresse/Standort der Synagoge: Bangertsgasse 1
Fotos
(Quelle: Altaras: Synagogen in Hessen 1988 S. 122)
Foto vor dem Umbau
zum Wohnhaus
(Foto links erhalten von Klaus W. Schneider) |
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Synagogengebäude - aufgenommen
vom Nachbargrundstück (um 1950) |
Kinder vor dem ehemaligen
Synagogengebäude (1953/54) |
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Das Synagogengebäude
in den 1980er-Jahren
(September 1985) |
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Südöstliche Traufseite |
Südwestlicher Giebel |
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Neue Fotos werden bei Gelegenheit erstellt;
über Zusendungen
freut sich der
Webmaster;
Adresse siehe Eingangsseite |
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Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
November 2014:
Gedenkveranstaltung zum
Novemberpogrom 1938
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Artikel von Jutta Haas im "Bergsträßer
Anzeiger" vom 11. November 2014:
"Lautertal. 9. November Das Schicksal der Elmshäuser Familie
Israel stand im Mittelpunkt der Gedenkfeier in Lautertal. Ein Scherbenhaufen
zur Erinnerung
Reichenbach. Die Opfer der Pogromnacht am 9. November 1938 bekamen bei
der Gedenkveranstaltung am Sonntagabend in Reichenbach Namen und Gesichter.
Im Lautertal lebten Menschen jüdischen Glaubens, denen nicht nur großes
Unrecht geschah. Die Aktion der Nazis in jener Novembernacht stand vielmehr
in einer ganzen Kette grausamer Ereignisse. Ein Nachkomme der Familie Israel
aus Elmshausen ist der Amerikaner Ryan Lilienthal, der die Andacht in der
Reichenbacher evangelischen Kirche besuchte und auch bei der
Kranzniederlegung an der ehemaligen Synagoge in der Bangertsgasse dabei war.
Im vergangenen Jahr hatte Lilienthal dafür gesorgt, dass zeitgleich mit der
Veranstaltung in Lautertal auch in seiner Heimat New Jersey eine
Gedenkveranstaltung stattfand. Über das Internet waren die beiden Feiern
verbunden worden. Durch den Gottesdienst führte Pfarrer Reinald Engelbrecht.
Musikalisch begleitete Salome Blöcher die Veranstaltung. Mit dem Schicksal
der Familie Israel beschäftigten sich Schüler der neunten Klasse der
Mittelpunktschule Gadernheim. Unterstützung hatten sie dabei vom
Heimatforscher Frank Maus und von Ryan Lilienthal bekommen. Ein
Scherbenhaufen stand im Gottesdienst symbolisch für die Elmshäuser Familie.
Theodor, Minna - eine geborene Oppenheimer - und Walter Israel hatten in
Elmshausen ein Geschäft und verkauften Textilien und Stoffe. Bekannt ist,
dass sie in der Bevölkerung verwurzelt waren und sich gut mit ihren Nachbarn
verstanden. Am 9. November 1938 wurden ihre Waren mit Benzin übergossen und
angezündet. 'Mit einer Judenvermögensabgabe mussten sie für den Schaden
selbst aufkommen', berichteten die Schüler. Anträge auf eine Ausreise in die
USA wurden nicht bewilligt. Anfangs hatte es die Familie nicht übers Herz
gebracht, Elmshausen zu verlassen. Später durfte sie nicht mehr ausreisen.
Ab März 1942 durften die Israels ihr Haus nicht mehr verlassen, einen Monat
später wurden sie wohl deportiert.
Ein ungewisses Schicksal. Von den Erzählungen seiner Großmutter
berichtete Ryan Lilienthal. Von ihr habe er erfahren, dass das Leben ihres
Onkels und ihrer Tante schon 1938 geendet habe. Erst später fand Ryan
Lilienthal Briefe aus dem Jahr 1941 bei seinem Großvater. Damals müssen die
Israels also noch in Elmshausen gewesen sein. Die Ungewissheit machte ihn
neugierig; er begann, selbst nachzuforschen. 'Von den Augenzeugenberichten
können wir lernen, was es bedeutet, verfolgt und ausgegrenzt zu werden', so
Pfarrer Reinald Engelbrecht. Für die Gemeindevertretung erinnerte deren
Vorsitzende Beate Dechnig, dass die Erinnerung an die Schreckenszeit nicht
enden dürfe. Die Schuld der Vergangenheit wirke in die Zukunft, das Gedenken
sei Erinnerungskultur. Dechnig zeigte sich besorgt über die Entwicklung des
Rechtsextremismus, dessen Vertreter ganz bürgerlich gekleidet durchs Leben
gingen. 'Schon ein einzelner Mensch mit solchen Gedanken ist zu viel.'
Nach der Andacht in der Kirche gingen die Besucher mit Kerzen in der Hand zu
dem Haus in der Bangertsgasse, das einst als Synagoge genutzt wurde.
Bürgermeister Jürgen Kaltwasser sagte, was in der Nacht zum 9. November 1938
geschehen sei, sei ein 'unauslöschliches Mahnmal' und das Signal zum größten
Völkermord in der Geschichte gewesen. 'Leider bildete unsere Gemeinde keine
Ausnahme.' Über sechs Millionen Menschen verloren in den folgenden Jahren
ihr Leben, unzählige Menschen zerbrachen an den Erlebnissen. 'Wir dürfen
unsere Augen nicht verschließen, auch wenn ideologisch verblendete Menschen
davon nichts wissen wollen. Die Lehren aus dem Pogrom dürfen niemals
verdrängt werden.' Gemeinsam legten Bürgermeister Kaltwasser, Beate Dechnig
und Ryan Lilienthal einen Kranz an der Mauer des Hauses der ehemaligen
Synagoge nieder."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 213-214. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 122. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 110. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 24. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 302. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Reichenbach
Hesse. The community, established by 1829 and numbering 76 (7 % of the total) in
1861, also had members in Elmshausen, Schoenberg and Zell. Most of the 34 Jews
remaining there in 1933 left by 1939; six were deported in 1942.
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