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Rödelheim (Stadt
Frankfurt am Main)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Rödelheim lebten Juden bereits im Mittelalter. 1290 gewährte
König Rudolf von Habsburg dem Burggrafen von Rödelheim das Privileg, sechs
Juden neben der Burg siedeln und Handel treiben zu lassen. In der Folgezeit erfährt
man freilich nur vereinzelt von jüdischen Einwohnern in Rödelheim, doch gab es
möglicherweise kontinuierlich eine kleine jüdische Ansiedlung am Ort. 1455/56
war ein Rödelheimer Jude Eigentümer einer zinspflichtigen Hofreite. Anfang
des 16. Jahrhundert lebte - inzwischen unter den Grafen von Solms -
mindestens eine jüdische Familie am Ort.
Die Entstehung der neuzeitlichen jüdischen Gemeinde geht in das 18.
Jahrhundert zurück. Der älteste gebliebene Schutzbrief eines jüdischen
Einwohner stammt aus dem Jahr 1728. Darin wurde dem Juden Löw Praunheim
erlaubt, weitere vier Jahre in Rödelheim zu bleiben. Das jüdische Wohngebiet
lag im Bereich des "Inselgäßchens", das im Volksmund "Judengasse"
genannt wurde. Im 18. Jahrhundert nahm die Zahl der jüdischen Einwohner zu: von
40-45 (1701) über 140-150 (1749) bis auf 236 (1800).
Aus dem 18./19. Jahrhundert werden vereinzelt Taufen (Konversionen zum
Christentum) jüdischer Personen gemeldet. Am bekanntesten ist Ludwig Börne,
der sich im Jahr 1818 einige Zeit bei seinem Freund Dr. Salomon Stiebel in Rödelheim
aufhielt und sich am 5. Juni 1818 durch den lutherischen Pfarrer Bertuch taufen
ließ.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1803 58 "Schutzgeldjuden" (= jüdische Familien) sowie einige
weitere Familien ohne Schutzbrief (acht Permissionisten und acht
"Schlafgeldzahlende"), 1814 342 jüdische Einwohner (28,1 % von
insgesamt 1.217 Einwohnern), 1830 380 (23,9 % von 1.588), 1845 421 (18,5 % von
2.272), 1866 376 (13,7 % von 2.736), 1871 255 (8,2 % von 3.109), 1885 192 (4,5 %
von 4.264), 1895 154 (3,1 % von 4.888), 1905 163 (3,1 % von 5.310). Die jüdischen
Familien lebten bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem vom Viehhandel,
Fleischhandel, Fellhandel, Tuchhandel, Hausierhandel und Kramhandel sowie von
der Geldleihe. Es gab Seifensiedereien im Besitz jüdischer Familien und ab 1796
die "Privilegierte orientalische und occidentalische Buchdruckerei"
von Wolf Heidenheim (näheres zu dieser Druckerei in den Berichten und
Texten unten).
Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eröffneten mehrere jüdische
Gewerbetreibende Geschäfte, Läden und Fabrikbetriebe am Ort.
An Einrichtungen bestanden insbesondere eine Synagoge (s.u.), eine jüdische
Schule (von 1826 bis 1848 jüdische Elementarschule mit 70 und mehr Kindern),
ein rituelles Bad und ein Friedhof
(alter, dann neuer Friedhof). Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde
war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig
war. Um 1800 werden "Vorsinger Bär und Abraham Moses, Rabbiner" (=
Lehrer) genannt. Nach Eröffnung der jüdischen Elementarschule war seit 1826 Löb
Küps aus Baiersdorf
als Elementarlehrer tätig, ab 1841 auf Grund seiner Erkrankung als Schulgehilfe
Salomon Lehr, dann ab 1845 gleichfalls als Schulgehilfe Saul Buchsweiler aus Grebenau,
danach wieder Lehrer Küps bis 1848. Seit der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts werden nach Schließung der jüdischen Konfessionsschule als
Religionslehrer, Kantoren und Schächter genannt: Moritz Prechner (um
1886/90), seit 1895 Julian Zinkes, der 1935 sein 40-jähriges Ortsjubiläum
begehen konnte (siehe Bericht unten). Der Lehrer wohnte im jüdischen
Gemeindehaus Inselgäßchen 12.
Im Ersten Weltkrieg nahmen aus der jüdischen Gemeinde als Soldaten teil:
Alfred Hammel, Max Marx (geb. 23.12.1886 in Rödelheim, gef. 5.6.1918), Max May
(geb. 15.3.1887 in Rödelheim, gef. 16.4.1917) und Georg Seelig (geb. 12.10.1897
in Rödelheim, gef. 20.8.1917) teil (eventuell noch weitere Personen).
Gefallen ist im Krieg auch der älteste Sohn von Lehrer Zinkes: Ludwig Zinkes
sowie der Gefreite Leopold Jonas (geb. 9.10.1874, vor 1914 in Neu-Isenburg
wohnhaft, gef. 15.10.1918).
Um 1924, als zur Gemeinde noch 113 Personen gehörten (0,9 % von
12.891 Einwohnern; Zahl von 1927) waren die Gemeindevorsteher Heinrich
Hammel, Salli Fleisch und Josef Strauß. Als Lehrer, Kantor und Schochet
war der bereits genannte Julian Zinkes tätig, als Synagogendiener Abraham
Markus und als Synagogenwärterin Witwe Gutberlett. Lehrer Zinkes erteilte
damals acht Kindern der Gemeinde den Religionsunterricht; an öffentlichen
Schulen erhielten fünf weitere Kinder den Religionsunterricht. An jüdischen Vereinen
bestanden u.a. die Beerdigungsgesellschaft "Chewra Kadischa"
(gegründet 1700; 1924 unter Leitung von Louis Schönthal mit etwa 20
Mitgliedern, 1932 unter Leitung von Lehrer Julian Zinkes; Zweck und
Arbeitsgebiete: Krankenwachen, Bestattungswesen), die "Krankenunterstützungskasse
des israelitischen Jünglingsvereins" (gegründet 1820, siehe unten
Bericht zum 75-jährigen Jubiläum 1895), die Israelitische Frauenvereinigung
(gegründet 1912, 1932 unter Leitung von Lina Hammel, Burgfriedenstraße 5 mit
29 Mitgliedern; Zweck und Arbeitsgebiete: Unterstützung Hilfsbedürftiger und
Bestattungswesen); der Geselligkeitsverein (1924 unter Leitung von Louis
Schönthal mit ca. 25 Mitgliedern). An Stiftungen bestand u.a. die Jos.
und Hannchen May'sche Stiftung (Vorsitz Heinrich Hammel; Zweck: Armenunterstützung;
im Besitz der Stiftung war ein kleines Hospital in Rödelheim). 1932 war
Gemeindevorsteher weiterhin Heinrich Hammel (1. Vors. und Schriftführer), als
Schatzmeister war Louis Schönthal tätig. Lehrer Julian Zinkes unterrichtete im
Schuljahr 1931/32 insgesamt 16 Kinder in Religion (wohnte Inselgase 12).
1933 lebten noch etwa 100 jüdische Personen in Rödelheim. In der
damals wichtigsten Geschäftsstraße des Ortes Alt-Rödelheim gab es
damals mehrere Geschäfte/Läden/Handwerksbetriebe und Wohnungen jüdischer
Familien: Nr. 4 Haus der Familie Strauß, Nr. 6 Haus der Familie Schönthal, Nr.
11 Geschäft der Süßigkeitswarenkette "Wittwe Hassan", Nr. 12 Arthur
Stern (Textil- und Zigarrengeschäft), Nr. 20 Haus der Geschwister Berta und
Rebekka Marx (Lebensmittelhandlung "Zum Knusperhäuschen"), Nr. 23
Haus und Geschäft der Familie Nelken (Leder- und Schusterladen), Nr. 30 Haus
der Familie Eisemann (Metzgerei), Nr. 32 Haus der Familie Hammel, Nr. 38 Haus
der Familie Grünebaum, Nr. 40 Rosalie Markus (Eisen- und Metallwarenhandel),
Nr. 42 Wohnung und Laden von Sally Eisemann (Fischgeschäft). Andere Familie
lebten (teils auch mit Läden beziehungsweise Gewerbebetrieben) u.a. in der
Assenheimer Straße, Burgfriedenstraße, Radilostraße, Lorscher Straße, Röderichstraße.
Bis 1938 mussten alle jüdischen Geschäfte aufgegeben werden beziehungsweise
kamen zwangsweise in nichtjüdischen Besitz. Beim Novemberpogrom 1938 wurde
die Synagoge geschändet und angezündet (s.u.), mehrere jüdische Geschäfte
demoliert. Ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder konnten noch emigrieren. Die
letzten jüdischen Einwohner wurden aus Rödelsheim beziehungsweise aus
Frankfurt oder von anderen Orten in die Ghettos und Vernichtungslager deportiert
und teilweise alsbald ermordet. Lehrer Julian Zinkes und seine Frau war
vermutlich bereits im Oktober 1938 nach Polen ausgewiesen worden.
Von den in Rödelheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen
Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): u.a. Leopold Asch
(1882), Melanie Blitz geb. Holzer (1881), Frieda Cossmann geb. Jonas (1891),
Albert Dreyfuß (1873), Amalie Dreyfuß geb. Salomon verw. Rosenthal (1890),
Siegbert Dreyfuß (1926), Johannette Eisemann geb. Hermann (1867), Sally Fleisch
(1878), Selma Fleisch (1892), Paula Gallinger geb. Lehrberger (1879), Josef Grünbaum
(1880), Kurt Grünebaum (1927), Max Grünebaum (1895), Martha Grünebaum geb. Günter
(1897), Minna Gundersheim geb. Blum (1874), Uri Willi Holzer (1874), Lucy
Jaschek geb. Hammel (1901), Emma Laufer geb. Stern (1877), Max Lehmann (1875),
Johanna Löllbach (1861), Ferdinand Markus (1901), Flora Markus (), Inge Ursula
Markus (), Rosalie Markus geb. Grün (1870), Rebekka Marx (1875), Hermine May
geb. Drucker (1880), Hugo May (1880), Johanna May geb. Sichel (1881), Julius May
(1876), Gustav Rosenthal (), Rosa Rosenthal (), Jenny Spanier geb. Schönthal
(1871), Max Spanier (1899), Alice Stein geb. Hammel (1901), Fanny Stern (1868),
Isidor Strauß (1894), Renate Strauß (1926), Selma Strauß geb. Capell (1900),
Emma Wallerstein geb. Rosenthal (1871), Henriette Wallerstein (1891), Isak
Weinstock (1859), Fanny Zinkes geb. Stern (1868), Julian (Julius, Joel) Zinkes
(1870).
Anmerkung: eine vollständige Recherche in den angegebenen Listen nicht möglich,
da die Geburts- und Wohnorte der Rödelheimer Personen vielfach mit
"Frankfurt" und nicht mit "Rödelheim" angegeben sind. Für
die Zusammenstellung wurden auch die Dokumentationen von www.stolpersteine-frankfurt.de
herangezogen.
Am 23. Februar 2006, 5. März 2007 und am 24. April 2008 wurden an "Stolpersteinen"
in Rödelheim verlegt: für Ferdinand Markus (Flussgasse 5-7), Rosalie Markus
(Alt Rödelheim 40), Albert, Amalie und Siegbert Dreyfuß (Radilostraße 29),
Sally und Selma Fleisch (Reichsburgstraße 2), Isidor, Selma und Renate Strauß
(Alt Rödelheim 12), Rebekka Marx (Alt Rödelheim 20), Emma und Henriette
Wallerstein (Radilostraße 8), Kurt, Max und Martha Grünebaum (Alt Rödelheim
38), Fanny und Julian [Julius] Zinkes (Inselgässchen 12), Alice Stein
(Burgfriedenstraße 5), Fanny Stern (Inselgäßchen 12), Hermine und Julius May
(Niddagaustraße 21), Hugo und Johanna May (Rödelheimer Landstraße 24),
Johanette Eisemann (Alt Rödelheim 30), Hermann Maier (Am Rödelheimer Wehr 4).
Allgemein zu "Stolpersteinen in Frankfurt": www.stolpersteine-frankfurt.de.
Unter den Jahresdokumentation 2006, 2007, 2008 und 2009 nähere
Informationen zu den einzelnen Personen. Am 19. Oktober 2009 wurden
Stolpersteine verlegt für Flora und Inge Ursula Markus (Flussgasse 5-7) sowie
Gustav und Rosa Rosenthal (Rödelheimer Landstraße 130.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Allgemeine Berichte zur jüdischen Geschichte in Rödelheim
Aus der Geschichte der Rödelheimer Juden (Beitrag von
1921)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 17. November 1921: "Alt-Rödelheim. Im Verlag von Englert
und Schlosser, hier, ist ein Werk 'Alt-Rödelheim in Wort und Bild. Ein
Heimatbuch von Emil Hartmann und Paul Schubert (Preis geb. 70 Mark) soeben
erschienen. Die Seiten 154-160 sind der Geschichte der Juden in Rödelheim
gewidmet. Diese Geschichte beginnt bereits im Jahre 1290, in welchem Jahre
Kaiser Rudolf von Habsburg die Erlaubnis zur Ansiedlung von 6 Juden gab.
Jahrhundertelang waren sie gleich den anderen Juden in Deutschland
entrechtet. So mussten sie Sonntags in ihren Häusern blieben, die Christen
durften mit ihnen nicht gesellschaftlich verkehren, am Sabbat keine Hilfe
leisten usw. Ihre höchste Zahl hatten die Rödelheimer Juden im Jahre
1845; damals zählten sie 421 Seelen." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Dezember
1921: "Aus der Geschichte der Rödelheimer Juden.
(Aus dem Werke 'Alt-Rödelheim in Wort und Bild'. Ein Heimatbuch von
Paul Schubert. Verlag Englert & Schlossert in Frankfurt am Main. Preis
geb. 70.- Mk.)
Am 18. September 1290 erteilte Kaiser Rudolf von Habsburg dem früheren
Frankfurter Schulheißen Heinrich und den Burgmannen der Reichsburg zu
Rödelheim die Erlaubnis, sechs Juden, die aber nicht aus den königlichen
Städten genommen werden durften, in der Nähe der Burg Rödelheim wohnen
zu lassen. Diese ersten Rödelheimer Juden sollten den Frankfurter
Glaubensgenossen rechtlich gleichgestellt werden und durften Handel
treiben, doch musste die erzielte Einnahme zum Ausbau und zur Erhaltung
der Rödelheimer Burg verwandt werden.
Vier Jahre später traten auch die Königsteiner Juden zu Rödelheim in
Beziehung, denn der von Kaiser Adolf zum Burgmann in Rödelheim
angenommene Edle Werner von Münzenberg erhielt, da der Kaiser die ihm
für seine Dienste versprochenen 100 Mark kölnischer Pfennige aus Mangel
an Bargeld nicht bezahlen konnte, jene Juden als Pfand (2. August 1294,
Frankfurt am Main). Die Juden des 13. und 14. Jahrhunderts waren nämlich
als "Kammerknechte" Eigentum des Kaisers und konnten - wie
anderes Reichsgut - zur Aufbesserung seiner Einkünfte verkauft oder
verpfändet werden, doch wurden sie dadurch nicht als Leibeigene
gekennzeichnet, da der Kaiser sogar ganze Reichsstädte verpfänden durfte
und auch verpfändete. Vielmehr erfreuten sich die Juden auch der
Fürsorge mehrerer Kaiser, die ihre Lage nicht selten verbesserten und sie
oft mit Geld unterstützten, ihnen auch Abgaben oder Strafen erließen.
Fast vier Jahrhunderte lang hören wir nichts mehr von den Rödelheimer
Juden. Sie |
werden
die Judensteuer und den Judenzehnten bezahlt, in Rödelheim und den
benachbarten Orten Handel getrieben und die Freuden und Leiden der
Frankfurter Juden geteilt haben, und alle für die Juden erlassenen
Reichsgesetze werden auch in Rödelheim gültig gewesen sein. So haben
wohl auch die Rödelheimer Juden die vorgeschriebenen Abzeichen und
Kleidungsstücke getragen; sie mussten sich Bärte wachsen lassen, stets
ohne Stock gehen und durften keine Waffen bei sich führen, keine
christlichen Wirtshäuser besuchen, keine christlichen Dienstboten halten
und die Arzneikunst an Christen nicht ausüben. Unter Aufsicht des Grafen
bildeten sie bald eine selbständige Gemeinde, besaßen als gemeinsames
Eigentum wohl bald einen Betsaal, später eine Synagoge und Schule und
eine Badestube; zwar hatten sie das Recht des eigenen
Grundbesitzes,
links: Wolf Heidenheim 1757 bis 1832 |
aber
keinen Anteil an den aktiven politischen Rechten, gehörten keiner Zunft
an und waren von allen Dienstleistungen und Kriegslasten
befreit.
Die Frankfurter Judenschlacht des Jahres 1349 mag auch in Rödelheim ihre
Wirkungen
links: Titelblatt der von Heidenheim im Jahre 1800 herausgegebenen
ersten Machsor-Ausgabe (Festtags-Gebetbuch)
|
gehabt
haben. Aber abgesehen von diesen um die Mitte des 14. Jahrhunderts
plötzlich einsetzenden Judenverfolgungen, die besonders von den
Geißlerscharen veranlasst wurden, werden die Rödelheimer Juden nicht
viel angefeindet worden sein. Das änderte sich im 15. Jahrhundert: Der
Jude musste sich den Schutz der Obrigkeit mit schweren Abgaben erkaufen,
galt er jetzt doch nur als Leibeigener, über dessen Leib und Gut der
Kaiser oder der Graf nach Willkür verfügen konnte. Sämtliche Juden
mussten - etwa seit 1461 - zusammen in einer Gasse wohnen, ein Gesetz, das
bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts in Kraft blieb. Ihrem Namen wurde
amtlich das Wort 'Jude' oder 'Schutzjude' hinzugefügt, durch das sie
gekennzeichnet werden sollten, und auf der Straße waren sie
Belästigungen sehr oft ausgesetzt. Aus mehreren Städten Süddeutschlands
wurden gegen Ende des 15. Jahrhunderts die Juden vertrieben: sie wandten
sich nach Frankfurt, und es ist wahrscheinlich, dass damals auch in
Rödelheim die Zahl der Juden sich vermehr hat. In den folgenden
Jahrhunderten blieben die Verhältnisse im wesentlichen die gleichen. Die
Rödelheimer Juden hatten sich Sonntags ganz still in den Häusern zu
halten. Den Christen war jeder Verkehr mit den im Orte wohnenden Juden
untersagt: wer sich mit ihnen einließ oder gar am Sabbat ihnen in ihrem
Hause Hilfe leistete, wurde bestraft, musste dieses Vergehen sogar noch
nach seinem Tode büßen, wie jener Rödelheimer Schweinehirt, der, als er
1681 starb auf Befehl des Grafen Johann Karl Eberhard 'ohne Gesang und
Klang und Predigt des abends an einem abgesonderten Ort des Kirchhofs'
begraben wurde, weil er seine Frau und Tochter als Schabbesgojim zu den
Juden gesandt hatte. |
Zu
Beginn des 18. Jahrhunderts waren in Rödelheim und Offenbach 'der Juden
ganze Nester, die sich dann täglich nach Frankfurt begeben und durch
allerhand geringe Hantierung und Schachern ihre kümmerliche Nahrung
suchen'. Wie feindselig die Rödelheimer Christen und Juden um 1700
einander gegenüberstanden, geht aus folgendem Bericht Schudts hervor:
'Vor gar wenig Jahren sollen die Juden in Rödelheim einen christlichen
Mann von Bockenheim in ihre Schule auf den Versöhnungstag kommen lassen
haben, selbigen angespieen und verflucht als einen Sündenbock, da aber
solches der Hochgräflichen Herrschaft hinterbracht worden, haben Ihre Hochgräfliche
Exzellenz der Herr Graf Ludwig sofort dero Sekretarium, den Herrn
Wachtmeister und einige Soldaten dahin geschickt, welche die Juden in
ihrer wohl verschlossenen Synagog unvermutet übereilet, die doch davon
schon müssen Wind gehabt haben, indem man sie über solche Verrichtung
nicht betreten, doch den Christen attrapieret (ertappt), festgenommen und
zur gefänglichen Haft gebracht, aus welchem aber weiter nichts zu
bringen gewesen, als dass er den Juden die Lichter angezündet habe:
dennoch haben Ihre Hochgräfliche Exzellenz solche vermutliche
Juden Bosheit nicht leiden wollen, sondern den Juden das exercitium
religionis, die Religionsausübung und die Synagog genommen, dahero
sie jetzt nach dem benachbarten Höchgräflichen Hanauischen Dorf
Bockenheim zur Synagoge sich begeben, aus ihrer Synagoge, so vorhero eine
Scheuer gewesen, ist nun ein Herrschaftlicher Kuhstall gemacht, da an den
Wänden noch unterschiedliche Hebräische Schrift zu finden.'
In der Zeit von 1682 bis 1722 ließen sich in Rödelheim 5 Jüdinnen und 2
Juden taufen. Ein Rödelheimer Jude, der 1682 in Frankfurt von Dr. Spener
getauft wurde, trat, wie Schudt erzählt, zum Christentum über, 'weil ihm
Zeit während drei vierteljährig Unpässlichkeit, in der er fleißiger an
seine Seele gedacht, drei unterschiedliche Mal, und immer mit mehrerem
Eindruck in sein Herz im Traum angezeigt worden, er müsse ein Christ
werden, wolle er anders selig werden. Darauf ist er |
am
5. April bei den Barfüßern getauft, hat den Namen Carl Christoph
empfangen, und ist 8 Tage nach der Taufe gestorben.' Auch in Rödelheim
wurden Bekehrungsversuche an den Juden gemacht. 'Eodem tempore 1737',
berichtet Schenck, 'kam ein Mann namens Andreas Ladenbach hierher und
wollte die Juden bekehren; er ging auch in ihre Synagog und tat seinen
Antrag an sie, fand aber wenig Gehör. Er war aus Preußen gebürtig, und
schien ein redlicher Mensch zu sein.'
Wann die erste Synagoge in Rödelheim erbaut wurde und wo sie
gestanden hat, ist nicht festzustellen gewesen; sicher ist, dass die
Rödelheimer Juden bereits um 1700 eine Synagoge besaßen, die vorher eine
Scheune war, und 'anno 1730 ist ihnen wiederum eine Synagoge zu bauen
erlaubt worden, welche noch jetzo in der Judengasse zu sehen ist.' Einige
Jahre später, im Oktober 1738, wurde ein Einbruch in diese neue Synagoge
verübt. 'Die Juden aber kundschafteten den Diebstahl aus und erlangten
das meiste wieder. Die Zigeuner hatten den Diebstahl begangen und solchen
bei einem Wirt in Schmitten auf dem Reifenberg hinterlegt. Als nun die
hiesigen Juden es inne worden, haben sie dem Wirt 10 und den Zigeunern 50
fl. gegeben, da so denn der Wirt mit seinem Harren den Diebstahl wieder
hierher geliefert. Er ließ aber Illustrissimus Comes der Graf dem Wirt
die Ochsen ausspannen und den Juden zur Ersetzung ihres Schadens
übergeben.' Auch bei den am 6. Juli 1800 durch Soldaten der polnischen
Legion in Rödelheim verübten Einbrüchen wurde der Synagoge ein Besuch
abgestattet und ein hellblauer, mit goldgestickten hebräischen Buchstaben
und goldenen Spitzen versehener Altarvorhang sowie ein silberner Becher
mitgenommen. Der Rödelheimer Judenbaumeister Meier Dülsheimer sah die
Sachen in Bornheim und kaufte sie zurück. (Schluss folgt)." |
|
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Januar 1922: "Aus der Geschichte
der Rödelheimer Juden. (Fortsetzung). Gewöhnlich wurden die Rödelheimer
Juden vom Grafen zu keiner Arbeit herangezogen, sie hatten aber zur
Unterhaltung der Wege, Stege und Brunnen des Ortes jährlich eine
bestimmte Summe (1792: 20 fl., ebenso 1808) zu zahlen, auch – gemeinsam
mit der Christengemeinde – den Rödelheimer Nachtwächter zu besolden.
Bei besonderen Gelegenheiten aber, wenn Not am Mann war, konnte man auf
die Hilfe der Juden nicht verzichten. So mussten sie im Jahre 1738, als
Zigeuner und anderes Gesindel die Straßen unsicher machten, den Nachtwächter
begleiten, bei den häufigen Truppendurchzügen Soldaten in ihre Häuser
nehmen, am 16. Juni 1733, als österreichische Truppe durch Rödelheim
kamen, auch beim Brückenbau helfen und am 20. Juli 1748, als die
Prannheimer Kirche brannte, Wasser zum Löschen tragen, obwohl es Sabbat
war. Die Rödelheimer verlangten 1796, dass auch die im Orte wohnenden
Juden zu allen Lasten herangezogen werden sollten; diesem Ersuchen wurde
erst 1824 stattgegeben. Die
Blütezeit der Rödelheimer Judengemeinde – in einem Schriftstück aus
dem Jahre 1826 ist von der ‚bedeutenden, größtenteils wohlstehenden
und auf höhere Bildung Anspruch machenden Judenschaft in Rödelheim’
die Rede – fällt in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, in jene
Zeit, in der die härtesten Gesetze gegen die Juden aufgehoben wurden,
wenn auch die mannigfachen Abgaben (Beschneidungsgeld, Schutzgeld u.a.)
zum größten Teil noch bestehen blieben und die Aufnahmebedingungen noch
sehr schwer waren. Niemand durfte ohne obrigkeitliche Genehmigung einen
nicht im Rödelheimer Schutze stehenden fremden Juden länger als eine
Nacht bei sich beherbergen. Blieb der Jude über eine Woche, so hatte er
sich einen Erlaubnisschein zu beschaffen und konnte dann als ‚Permissionist’
längere Zeit im Orte sich aufhalten. Aber die Aufnahme in die
Ortsgemeinde, die der Juden gewöhnlich ‚für sich un seine Verlobte
zwecks Verehelichung’ beantragte, war an schärfere Bedingungen geknüpft.
Beide mussten ihren Geburtsschein und ihr Führungszeugnis vorlegen, das
gesetzliche Barvermögen und ein gutes Auskommen nachweisen und auf die
Tora schwören, dass sie jenes Vermögen wirklich besitzen. Der fremde
Jude hatte außerdem ‚durch ein Zeugnis der Schuldirektion darzutun,
dass er die Schule vormals vorschriftsmäßig besucht und gute
Fortschritte in Deutsch, Lesen, Schreiben und Rechnen gemacht habe’.
Konnte dieses Zeugnis nicht mehr beigebracht werden, musste sich der Jude
beim Rödelheimer evangelischen Dekan Thudichum einer Prüfung in jenen Fächern
unterziehen. Waren die verlangten Kenntnisse vorhanden und alle anderen
Bedingungen erfüllt, so werden der Jude und seine Verlobte auf Beschluss
des stets duldsamen Rödelheimer Gemeinderats aufgenommen.
Die seit über 100 Jahren in der Judengasse stehende Synagoge
war baufällig geworden und wurde deshalb 1837 auf Abbruch verkauft. Am
29. Juni 1838 fand die feierliche Einweihung des jetzigen Gotteshauses
(Inselgässchen) statt. Die
bedeutendsten Rödelheimer Juden des 19. Jahrhunderts sind Baschwitz und
Heidenheim.
Baruch Baschwitz (geb. 1765 in Frankfurt a.O.) erlernte in Berlin
und Holland die Buchdruckerkunst und kam dann nach Frankfurt a.M., wo er
mit Heidenheim in Verbindung trat. Beide erhielten 1798 vom Grafen
Vollrath die Erlaubnis, in Rödelheim eine Druckerei errichten zu dürfen.
Der Graf befreite sie und ihre Familien sogar von allen Steuern und
sicherte ihnen auch sonst jede Unterstützung zu. Aus Dank für dieses
Entgegenkommen widmete Heidenheim dem Grafen eine schwungvolle Ode in hebräischer
und deutscher Sprache, die als erste Schrift die Presse dieser im Jahre
1799 gegründeten Rödelheimer ‚privilegierten orientalischen und
occidentalischen Buchdruckerey’ verließ. Die Druckerei (sie war zuerst
im Schlosse, dann im Insel-Gässchen, später im Hause Rödelheimer
Landstraße 174 untergebracht) hatte anfangs mit so großen
Schwierigkeiten zu kämpfen, dass Baschwitz sich im Jahre 1807 von
Heidenheim trennte und ihm seinen Anteil am Geschäft überließ. Aber
Baschwitz blieb nicht untätig. Durch Vermittlung des Rödelheimer Hofrats
W. Kugler wurde er mit den angesehensten Staats- und Finanzmännern
bekannt, die den energischen, praktischen und hochbegabten, auch auf dem
Gebiete des Finanzwesens sehr bewanderten Juden gern bei sich sahen und
ihm einen neuen umfangreichen Wirkungskreis erschlossen. ‚Baschwitz
brachte das den öffentlichen Kassen so vorteilhafte System der
Lotterie-Anleihen in Gang und entwarf für die meisten größeren und
kleineren Staaten die Pläne zu den Anleihen, die seitdem sowohl zur
Bereicherung der öffentlichen Kassen und zur Ausdehnung des öffentlichen
Kredites als auch zur Erhöhung des Privatwohlstandes so mächtig
beigetragen haben. Vor allem verdankt man ihm die Reduktion der Zinsen und
das System der Anleihen unter 5 %, welches er zuerst durch seine tief
durchdachten, scharfsinnigen Pläne ausführbar machte.’ Nach Kuglers
Tode fand Baschwitz in dem durch seine Abhandlung über die Zwischenzinsen
weiteren Kreisen bekannt gewordenen Rödelheimer Hofrat C. Wichterich
treuen Mitarbeiter. Mit seiner Hilfe entwarf Baschwitz Finanzpläne für
Anleihen, Kreditvereine, Kanäle, Eisenbahnen u.a., erhielt aber für
seine Arbeit nicht die gebührende Bezahlung. An der Ehre, von den besten
Staatsmännern Europas geschätzt und vom Kaiser Nikolaus I. von Russland
(1833) zu einer Unterredung empfangen zu werden, musste er sich genügen
lassen. Am 8. September 1836 nahm der Tod dem großen Rechenmeister, der
bis in die letzten Tage mit neuen Plänen beschäftigt war, die Feder aus
der Hand. ‚Die allgemeine Teilnahme, die sein Tod in seinem Wohnorte und
dessen Umgegend erregte, bekundete sich durch die ungewöhnliche Anzahl
derjenigen, welche die Hülle des Verstorbenen nach seiner Ruhestätte
begleiteten, und die Tränen der Armen und Dürftigen, die an seinem grabe
flossen, sagten am deutlichsten, dass sie einen Wohltäter und Vater
verloren hatten. Er war der Stifter mancher Wohltätigkeitsanstalt
gewesen, und mancher Leidende und Dürftige, dessen Not künftig noch
Abhilfe finden wird, wird dankbar das Andenken des Mannes segnen, der noch
für spätere Geschlechter den Samen milder Wohltätigkeit gestreut
hat.’ Im Gegensatz zu
Baschwitz war Wolf Heidenheim (geb. 1757 in Heidenheim im Ansbachischen)
ein stiller Gelehrter, der sein ganzes Leben dem Studium der hebräischen
Grammatik und Literatur widmete und ein erstaunliches Wissen sich
aneignete. Mit 25 Jahren kam Heidenheim nach Frankfurt am Main, siedelte
als 42-jähriger nach Rödelheim über und entfaltete hier 33 Jahre lang
– bis zu seinem Tode – als Dichter, Übersetzer, Grammatiker und
Verleger eine unermüdliche Tätigkeit."
|
3. Teil des Berichtes von 1921:
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Januar
1922:
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Januar 1922: "Aus der Geschichte
der Rödelheimer Juden. (Schluss). So erklärte und übersetzte er, um nur
einiges zu nennen, Teil der Bibel, veröffentlichte eine wertvolle Ausgabe
der ‚5 Bücher Moses’ – in vierfacher Ausführung – und gab Gebetbücher
heraus, von denen das ‚Kleine Gebetbuch’ noch heute überall in Gebrauch
ist. Im Gegensatz zu den minderwertigen Buchausgaben, die aus den wenigen
damals in Deutschland bestehenden hebräischen Druckereien hervorgingen,
zeichneten sich Heidenheims Ausgaben durch größte Sorgfalt und
peinlichste Sauberkeit aus, sodass die Rödelheimer Druckerei weitberühmt
wurde. Der große Gelehrte, der zeitlebens in Wort und Schrift auch für
die Gleichberechtigung der Juden gekämpft hatte, starb am 23. Februar
1832: ‚Eine außerordentliche Menschenmenge ohne Unterschied des religiösen
Bekenntnisses geleitete ihn am 26. Februar zum Grabe. Man stritt sich um
die Ehre, die Bahre zu tragen. Die Ortsbehörden waren bei der
Leichenfeier zugegen. Der evangelische Gottesdienst wurde um eine Stunde
verschoben, um die allgemeine Beteiligung an der Feier zu ermöglichen.
Die jüdischen Schulen in Frankfurt waren geschlossen. Nach einem
feierlichen Trauergesange in hebräischer Sprache hielten der Lehrer der Rödelheimer
israelitischen Gemeinde, Küps, der Schuldirektor Dr. Weil aus Frankfurt
und Dr. Creizenach Reden.’ Als Heidenheims Grabstein auf dem alten Rödelheimer
Judenfriedhofe zu verfallen drohte, ließen seine dankbaren Schüler Dr.
Berliner und Dr. Horovitz aus Frankfurt im Juni 1893 ihn durch einen neuen
Syenitstein ersetzen.
Nach dem Tode Wolf Heidenheims kaufte Israel Lehrberger, der in den letzen
Jahren sein Teilhaber gewesen war, die Druckerei; er verlegte sie in das
Haus Rödelheimer Landstraße 198 und erhielt sie hier auf der alten Höhe.
Auch Lehrberger genoss in Rödelheim hohes Ansehen; jahrelang war er
Vorstand der Rödelheimer israelitischen Gemeinde und be-
|
kleidete
zahlreiche Ehrenämter. Bei seinem Tode (1842) gaben ihm sämtliche
israelitischen Gemeindemitglieder, alle Beamten des Ortes, viele
angesehene christliche Bürger, der evangelische und der katholische
Geistliche das letzte Geleit.
Die hebräische Druckerei ging nun in die Hände seiner beiden Söhne
Isaac und Meyer Lehrberger über. Auch Meyer Lehrberger erfreute
sich in Rödelheim großer Beliebtheit; er war lange Jahre erster
Vorsitzender der Rödelheimer Stadtverordneten-Versammlung und der
dortigen israelitischen Gemeinde. Nach dem im Jahre 1881 erfolgten Tode
Isaac Lehrbergers trat dessen Sohn Siegfried als Teilhaber in die Firma
ein, trennte sich jedoch bald von seinem Oheim. Die Druckerei und der
Verlag wurden nun geteilt: Meyer Lehrberger nannte sein Unternehmen
M. Lehrberger & Co., während Siegfried Lehrberger den
von ihm übernommenen Teil unter der Firma S. Lehrberger & Co.
fortführte. Meyer Lehrberger trat im Jahre 1901 sein Geschäft käuflich
an den Verlagsbuchhändler Dr. phil. Felix Kauffmann über, der
nach dem Tode Siegfried Lehrbergers am 1. Januar 1912 auch diesen Zweig
des alten Hauses übernahm. Das nun unter der Firma M. Lehrberger &
Co. wieder vereinigte Unternehmen siedelte im Juli desselben Jahres
nach Frankfurt am Main (Schillerstraße 19) über, wo es unter der Leitung
von Dr. Felix Kauffmann zu erneuter Blüte erstanden ist.
In den dreißiger Jahren war ein anderer Rödelheimer Jude rühmlichst
bekannt. Der Schriftsteller und geistreiche Stegreifdichter Maximilian
Leopold Langenschwarz. Er hieß eigentlich Meyer Hoffmann und war 1806
als Sohn armer Eltern in Rödelheim geboren. Nach dem Besuche des
Frankfurter Gymnasiums – wohltätige Menschen unterstützten ihn
- lebte er mehrere Jahre in Österreich, wo er zur katholischen
Kirche übertrat und den früheren Namen seines Vaters annahm. Seit 1830
trat er in München, Leipzig, Frankfurt, Mainz und anderen großen Städten
unter großem Beifall auf.
|
Vermutlich
haben die Rödelheimer Juden bereits im Mittelalter ihre Toten auf dem
alten, von Dornenhecken umgebenen Friedhof begraben, der mitten im
Felde – in früheren Jahrhunderten ‚neben dem Schindanger, wo vormals
der Galgen gestanden’ – am Seedamm liegt, denn dort finden sich noch
heute uralte Grabsteine. Im 18. Jahrhundert wurde dieses dem Grafen gehörige
Stück Land nachweislich als Friedhof von ihnen benutzt; als die
Judengemeinde im Jahre 1811 den Grafen bat, ihr einen Teil des Seedammes
zur Erweiterung ihrer Begräbnisstätte zu verkaufen, erfüllte er diese
Bitte nicht, überließ den Juden aber auf Widerruf ein Stück am Abhange
des Seedammes zur unentgeltlichen Benutzung. Erst in den Märztagen des
Jahres 1848 überwies der Graf den alten Friedhof der israelitischen
Gemeinde als ihr freies Eigentum. Der Friedhof an der Westerbach-Straße
wurde im Jahre 1859 in Benutzung genommen.
Während der Frankfurter Revolutionswirren des Jahres 1848 – sie
hatten übrigens in Oberhessen einige Judenverfolgungen verursacht – war
der Judenlehrer Saul Buchsweiler, der von 1845 bis 1847 als
Schulgehilfe in Rädelheim tätig war, einer der gefährlichsten Wühler
und Hetzer. Er war unter dem Namen ‚der Doktor’ bekannt, hielt in den
Frankfurter Kneipen dauern aufrührerische Reden und sprach auch am Abend
des 16. September 1848 von einem bevorstehenden offenen Kampfe und von
gewaltsamer Entscheidung. Da er nachweislich an der Ermordung des Fürsten
Lichnowsky teilgenommen hatte und geflohen war, wurden Steckbriefe gegen
ihn erlassen. Buchsweiler scheint
|
sich nach
New York in Sicherheit gebracht zu haben; hier traf in Julius Fröbel zufällig
auf der Straße.
Im Jahre 1869 wurde die Gleichberechtigung der Juden mit den übrigen
Konfessionen gesetzlich angeordnet, und damit hatte der jahrhundertelange
Befreiungskampf der Juden sein Ende erreicht. In Rödelheim lebten die
Juden mit den Christen übrigens schon seit Jahrzehnten in bestem
Einvernehmen, sodass im Jahre 1855 der Bürgermeister schreiben durfte:
‚Wenn eine Gemeinde im Großherzogtum Hessen der Toleranz sich rühmen
darf, so ist es gewiss die Gemeinde Rödelheim’. Sogar in den
Gemeinderat entsandten die Juden seit 1861 ihre Vertreter, als ersten S.A.
Haas, der 18 Jahre lang auch Vertreter der jüdischen Gemeinde war.
Die Rödelheimer Judengemeinde, die im Jahre 1845 mit 421
Mitgliedern am stärksten gewesen war, wurde gegen Ende des 19.
Jahrhunderts kleiner, da viele Juden der besseren Erwerbsmöglichkeiten
wegen nach Frankfurt zogen. Diese Frankfurter Juden vergaßen ihre Rödelheimer
Glaubensgenossen nicht und sandten oft Geld zur Verteilung an
israelitische Arme.
Haas’ Nachfolger, Samuel Mandelbaum, mütterlicherseits
ein Enkel des oben genannten Baruch Baschwitz, war eine der volkstümlichsten
Persönlichkeiten Rödelheims: mit seltener Gewissenhaftigkeit und Treue
bekleidete er 20 Jahre lang – bis zu seinem Tode am 21. Oktober 1890 –
das Amt eines Vorstehers der jüdischen Gemeinde und erfreute sich hohen
Ansehens und großer Beliebtheit.
Zur Pflege der jüdischen Literatur und Geschichte gründete im Jahre 1904
Herr Religionslehrer Zinkes in Rödelheim einen ‚Israelitischen
Literatur-Verein’, der noch heute besteht." |
Gemeindebeschreibung (August 1936!)
Artikel
im "Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfurt"
vom August 1936: "Von Frankfurt durch die Wetterau und das
Lahntal von S. Lilienthal, Wiesbaden.
Mit
der Straßenbahn vom Hauptbahnhof zur Ecke der Straße Alt-Rödelheim. Man
ist im Herzen des Frankfurter Stadtteils Rödelheim, der jahrhundertelang
Hauptort der Standesherrschaft Solms-Rödelheim war. - Schon 1290 erhält
die Burg Rödelheim von Rudolf von Habsburg das Privileg, 6 Juden
aufzunehmen, deren Steuern zum Ausbau und zur Erhaltung der Burg bestimmt
sind. 1291 schon erwirkt sie Werner von Münzenberg. Von den Verfolgungen,
wenn auch nicht von allen Bedrückungen jener Zeit bleiben sie ziemlich
verschonst. Aber desto mehr setzt ihnen der fanatische Bekehrungseifer des
17. Jahrhunderts zu. 1680 wird ihnen innerhalb des herrschaftlichen
Viehhofes eine Schule, d.i. natürlich ein Betraum, zur Verfügung
gestellt, aber schon 1700 wieder in einen 'Kühstall' verwandelt, 'da an
den Wänden hebräische Schrift zu finden'. Die Rödelheimer Juden leben
völlig getrennt von der übrigen Bevölkerung, die ihnen auch keinerlei
Handreichung am Sabbat gewähren darf. 1681 wird z.B. ein Schweinehirt
'ohne Sang und Klang' begraben, weil er und die Seinen mit Juden verkehrt
und ihnen durch solche Handreichungen geholfen haben. 1711 bekommt die Judengasse,
die kein zwangsmäßiges Ghetto darstellt, Zuwachs durch Frankfurter
Juden, die infolge des großen Brandes fliehen und zum Teil in Rödelheim
bleiben. 1730 darf denn auch die Judengasse eine Synagoge bekommen,
die 1837/38 durch eine neue auf dem gleichen Platze ersetzt wird. In der
Zwischenzeit starkes Wachstum der Gemeinde und ihres Ansehens; wie es
scheint, auch freiwillige Unterstellung unter das Rabbinat Frankfurt. 1783
bittet 'Hochgräflicher Solmischer Amtsverweser' Weber den 'Hochgelehrten,
insonders hochzuverehrenden Herrn Ober Rabbiner Pinchas Löwi Horvitz in
Frankfurt' um Unterstützung eines mit Moses Mendelssohn befreundeten
erkrankten evangelischen Geistlichen und verspricht: '...Und da ich in
meinem mir gnädigst anvertrauten Amte zwei zahlreiche Judengemeinden,
nämlich zu Rödelheim und Niederursel, habe, so wird es mir jederzeit zum
wahren Vergnügen gereichen, Hochwürden Glaubensgenossen wieder Dienst
erweisen zu können'. Die Gemeinde wächst bis auf 426 Seelen unter 1457
insgesamt im Jahre 1812, zählt nach längerem Abstieg 1845 wieder 421
unter 2272. Gesellschaftlicher Mittelpunkt ist damals der Israelitische
Männergesangverein Concordia, dessen öffentliche Konzerte auch
nichtjüdischen Besuch aufwiesen und ehrenvoll besprochen wurden. Noch
damals muss ein fremder Jude, um in Rödelheim Niederlassungsrecht zu
erhalten, nachweisen, 'dass er die Schule vorschriftsmäßig besucht und
gute Fortschritte in Deutsch, Lesen, Schreiben und Rechnen gemacht habe'.
Vor dem Krieg hat die Gemeinde 200, heute 78 Seelen. - Vorsteher
Heinrich Hammel, Burgfriedenstraße 5, um die Pflege der
Gemeindeeinrichtungen vorbildlich bemüht. - Synagoge
Inselgässchen, früher Judengasse 9; heller hoher Raum, 1838 eingeweiht;
schöne Vorhänge, ein alter Toramantel, altes Silber. Bemerkenswert
schönes Toraschild, erneuert 1761 von den Vorstehern der Zedakah-Urne,
Rabbiner Leib Bechhofen und Rabbi Loewi von Rödelheim. Sehr schönes
Barock, wahrscheinlich aus Mitte oder Anfang des 17. Jahrhunderts; die
sehr bemerkenswerten Kronen dazu, schlanke, frühbarocke Glockentürmchen,
sicherlich noch älter. Gegenüber das Gemeindehaus, ind em sich 1812-1848
die jüdische Volksschule bis zu ihrer Verschmelzung mit der allgemeinen
befand. - Der alte Friedhof, erst im 18. Jahrhundert nachweisbar, aber
bestimmt viel früher, 'am Seedamm neben dem Schindanger, wo vormals der
Galgen gestanden' angelegt, erst 1848 der Gemeinde als Eigentum
überlassen. Dort liegen die bedeutendsten Männer der Gemeinde: der
'Mendelssohn des Machsor', Wolf ben Schamschon Heidenheim, und das
viel zu wenig bekannte Finanzgenie Baruch Baschwitz, Heidenheim,
1732 in Heidenheim geboren, wohnte
1782/89 als Privatgelehrter in Frankfurt und begründete dann mit Baruch
Baschwitz seine berühmt gewordene 'orientalische und okzidentalische
Buchdruckerei', die später in den Besitz der Familie Lehrberger und vor
einigen Jahren in den der bekannten Frankfurter Verlags- und
Buchhandelsfirma J. Kauffmann & Cie. gelangt ist. Baruch Baschwitz,
geb. 1768 in Frankfurt a.d. Oder, gelernter Buchdrucker, trat nach
fünfzehnjähriger Arbeitsgemeinschaft mit Heidenheim diesem 1806 seinen
Anteil ab und machte nacheinander für die meisten europäischen Staaten
Pläne für die von ihm erfundenen 'Lotterie-Anleihe', Anleihen,
deren Zinsfuß höchsten 5 % betrug (statt der damals üblichen 8-10 %),
die aber durch Auslosung von Prämien dafür entschädigten; die, so
erzählt der Chronist, 'sowohl zur Bereicherung der öffentlichen Kassen
und zur Ausdehnung des öffentlichen Kredits als auch zur Erhöhung des
Privatwohnlandes so mächtig beitrugen'. Fast alle großen Finanzpläne
jener Zeit für Kanäle und Eisenbahnen stammen von ihm. 'Er erhält die
gebührende Bezahlung nicht', und war mit der Ehre zufrieden. 1833
empfängt sogar Zar Nikolaus I. den Juden, und bei seiner Beerdigung 1836
'nimmt die ganze Bevölkerung teil, fließen um ihn die Tränen der
Witwen, Waisen und Armen.' - Zum alten Friedhof gelangt man durch
die Westerbachstraße, an dem 1859 angelegten, sehr gut gepflegten neuen
Friedhof vorbei rechts einbiegend durch die Gaugrafenstraße und in deren
Fortsetzung auf dem schönen Pfad, der auf den gewaltig lagernden Feldberg
hinzuführen scheint, bis zur Holzbrücke, kurz danach rechts um, auf die
Hauptpforte zu. Schlüssel beim Gemeindevorsteher. - Das Heidenheim-Haus,
Rödelheimer Landstraße 170-72, schönes und stattliches Haus der
einstigen Druckerei und Wohnung Heidenheims; Nr. 198, altes Patrizierhaus
frühere Wohnung J. Lehrbergers, der seine Druckerei im Hofgebäude hatte.
- In Rödelheim geboren ist 1806 eine Berühmtheit seiner Zeit, Leopold
Hoffmann, der sein Studium durch wohlhabende Frankfurter Juden finanzieren
ließ, dann in Wien katholisch wurde und als Stegreifdichter das deutsche Großstadtpublikum
verblüffte und hinriss." |
Geschichte und Gemeindebeschreibung (1937)
Artikel in
der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des Central-Vereins) vom 5. August 1937: "Rödelheim.
Erinnerungen von Max Spanier (Köln).
Den Juden in aller Welt ist der Name Rödelheim kein leerer Begriff. Wer
ein Gebetbuch oder Machsor aufschlägt, findet meist auf der Titelseite Rödelheim
als Verlagsort angegeben. Wenn ich nun einiges aus der Vergangenheit
dieses Ortes erzählen will, so nicht, weil ich zufällig dort das Licht
erblickte (man verzeihe diese Indikretion), sondern weil sich dort einige
Begebenheiten zutrugen, die des Erinnerns wert sind, zwei Menschen ein
Werk begannen, das für den jüdischen Geist von großer Bedeutung war.
Im Jahre 1290 gab der Kaiser Rudolf von Habsburg sechs Juden die
Erlaubnis, in der Nähe der Burg wohnen zu dürfen. Sie wurden ihren
Frankfurter Glaubensgenossen gleichgestellt, durften Handel treiben,
mussten jedoch die erzielten gewinne zum Ausbau der Burg und deren
Erhaltung abgeben. Um 1700 muss Rödelheim bereits eine Synagoge besessen
haben; denn die Chronik berichtet, dass mehrmals darin eingebrochen wurde.
Der Dieb wurde stets ermittelt, und die kostbaren Gegenstände, einmal ein
goldbestickter Vorhang und ein silberner Becher, konnten zurückgekauft
werden. Durch die Gesetzgebung der Jahrhundertwende erlebte die jüdische
Gemeinde einen neuen Aufschwung. Die alte Synagoge wurde abgerissen und im
Jahre 1818 ein Neubau errichtet, der jetzt noch dem Gottesdienst geweiht
ist, ein einfacher, schmuckloser Bau im Inselgässchen, der früheren
Judengasse.
Zwei Männer haben Rödelheims Namen in die jüdische Welt getragen:
Baruch Baschwitz und Wolf Heidenheim. Baruch Baschwitz, 1765 in
Frankfurt a.O. geboren, erhielt 1798 mit Wolf Heidenheim vom Grafen
Vollrath die Erlaubnis, in Rödelheim eine Druckerei zu errichten. Der
Graf befreite sie von Steuern und sicherte dem neuen Unternehmen jede
Unterstützung zu. Aus Dank für dieses Entgegenkommen widmete Heidenheim
dem Grafen eine schwungvolle Ode in hebräischer und deutscher Sprache,
die als erste Schrift die Presse dieser im Jahre 1799 gegründeten Rödelheimer
‚privilegierten orientalischen und occidentialischen Buchdruckerey’
verliess. Da das neue Unternehmen gegen große Schwierigkeiten
zu kämpfen hatte, überließ Baschwitz Heidenheim seine Anteile und trat
aus. Hochbegabt auf dem Gebiet der Finanzen, fand er bald durch
Vermittlung eines angesehenen Bürgers einen größeren Wirkungskreis.
Benjamin Wolf Heidenheim, ein ernster, stiller Gelehrter, wurde im
Jahre 1757 in Heidenheim im
Ansbachischen geboren. Er besuchte die berühmte Schule zu Fürth, mit 25
Jahren kam er nach Frankfurt am Main, wo er sich ganz dem Studium des
Talmud und der rabbinischen Literatur hingab. Mit der Herausgabe einer
grammatischen Schrift des Abraham ibn Esra eroberte er sich den Ruhm als
Koryphäe der jüdisch-grammatischen Literatur. 1800 begann das Erscheinen
der Machsor-Ausgabe, die nach dem Urteil Steinschneiders ‚geschmackvoll,
korrekt und mit rein deutscher Übersetzung versehen’, eine neue Epoche
der ritualen Literatur einleitete. Was die Heidenheimsche Machsor-Ausgabe
auszeichnete, war die gute Übersetzung in die deutsche Sprache, den
eingehenden Kommentar, die gediegene Ausstattung der Bücher, die Sorgfalt
des Drucks. Damit das jüdische Kind in guter hebräischer Sprache seinem
Gott nahen konnte, gab er ein neues Gebetbuch heraus, das praktisch und
sinnreich geordnet war. Das kleine Gebetbuch, das sich bald großer
Beliebtheit erfreute, erschien noch zu Lebzeiten Heidenheims in der 17. Ausgabe. 1832 starb er, seine Vermögensverhältnisse waren sehr zerrüttet.
Die jüdischen Schule in Frankfurt waren geschlossen. Nach einem
feierlichen Trauergesang in hebräischer Sprache hielten der Lehrer der Rödelheimer
israelitischen Gemeinde Küps, der Schuldirektor Dr. Weil aus Frankfurt
und Dr. Creizenach Reden.
Nach Heidenheims Tode kaufte Israel Lehrberger die Druckerei und hielt sie
auf ihrer Höhe. Sie ging in die Hände seiner Söhne über, später
wurden Verlag und Druckerei getrennt. Wenn wir Kinder die vielen Kästen
mit den schwarzen Buchstaben sahen, kamen beim Anblick dieser
geheimnisvollen Zeichen Angst und Staunen über uns. Zuletzt gingen Verlag
und Druckerei in den Besitz von Dr. Felix Kauffmann (Frankfurt) über.
Im Jahre 1845 erreichte die jüdische Gemeinde Rödelheims mit 421 Angehörigen
ihren höchsten Stand. Im Laufe der Jahrzehnte verlor sie an Bedeutung,
viele Juden zogen in das nahe Frankfurt, in die Industriestädte oder in
die neue Welt." |
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der weiteren Kultusbeamten
Ausschreibungen der Stelle des Schochet 1867
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. September
1867: "In der israelitischen Gemeinde zu Rödelheim
bei Frankfurt am Main ist die Stelle eines Schochet und die
damit verbundene Stelle eines Gemeindedieners vakant. Beide Stellen, die
möglichst bald besetzt werden sollen, tragen mindestens 350 Gulden
jährlich ein; auch bieten sich für die Zukunft, ohne dass jedoch feste
Versprechungen gemacht werden, noch günstigere Chancen. Bewerber wollen
sich in frankierten Briefen unter Beifügung ihrer Zeugnisse an das
unterzeichnete Vorstandsmitglied wenden. J.S.
Münchweiler." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. September
1867: derselbe Text wie oben. |
Lob des Lehrers und Kantors Zinkes (1915)
links:
Lehrer und Kantor Julian Zinkes, seit 1895 Kantor und Lehrer der
Rödelheimer jüdischen Gemeinde (ZR s.Lit. S. 47) |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Januar
1915: "Aus der Gemeinde Rödelheim. Der 'Taanit Schemot'
(?) unserer Chewrat Kabranim verlief in sehr würdiger Weise und
verstand es unser allverehrter Kantor Herr Zinkes, der seit 20 Jahren
unserer Gemeinde und unserer Chewro vorsteht, in den Selichos all das Weh
und die Hoffnung der großen, schweren Zeit zum Ausdruck zu bringen." |
Anmerkung: Dem Webmaster ist nicht klar,
welches Fasten mit Taanit Schemot gemeint ist - für Hinweise Adresse
siehe Eingangsseite. |
25-jähriges Amtsjubiläum von Lehrer Julian Zinkes (1920)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. August
1920: "Rödelheim, 2. August (1920). Am Sonntag, 24. Ab (8.
August), feiert Herr J. Zinkes sein 25-jähriges Amtsjubiläum als
Kantor und Religionslehrer in unserer Gemeinde. Um 8 Uhr versammeln sich
die Gemeindemitglieder zum Festgottesdienste in hiesiger Synagoge. Herr
Rabbiner Dr. Horowitz wird die Festpredigt halten. Um 5 1/2 Uhr
nachmittags, gemütliches Zusammensein im 'Gasthaus zum
Schützenhof'." |
40-jähriges Ortsjubiläum von Lehrer Julian Zinkes
(1935)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. August 1935: "Aus
Rödelheim. Am vergangenen Schabbat Nachamu (= Schabbat, 10.
August 1935) fand in der altehrwürdigen Synagoge der Gemeinde Rödelheim
eine schlichte, aber würdige Feier statt zu Ehren des seit 40 Jahren bei
uns wirkenden Lehrers und Kantors Herrn Julian Zinkes. Größere Ehrungen
hatte Herr Zinkes, der auch in Frankfurter Kreisen kein Unbekannter ist,
in seiner Bescheidenheit abgelehnt.
Herr Zinkes war seiner Gemeinde in all den Jahren nicht nur Lehrer und
Kantor, sondern auch ihr treuer Seelsorger und er erwarb sich im Laufe der
Jahrzehnte das Vertrauen aller Gemeindemitglieder. Auch über den Kreis
seiner Gemeindemitglieder hinaus in Rödelheim erfreut sich der Jubilar
allgemeiner Achtung und Beliebtheit. Wie sehr er in seiner Gemeinde
verwurzelt ist, geht daraus hervor, dass ihn die Gemeinde schon seit
Jahren zum ersten Vorsitzenden der seit 130 Jahren bestehenden Chewrah
Kadischah (Beerdigungsbrüderschaft) gewählt hat.
Seit 40 Jahren gibt Herr Zinkes jeden Samstag nach dem Morgengottesdienst
Schrifterklärungen zum Wochenabschnitt, und seit 25 Jahren hält er vor
dem Nachmittagsgottesdienst einen Chumisch-Raschi-Schiur (=
Toralernstunde mit Raschis Kommentar) ab, der sich stets regen Besuches
erfreut. Um den heutigen Interessen der Jugend Rechnung zu tragen, hat
Herr Zinkes seit ca. 1 1/2 Jahren einen Iwrith- (Neuhebräisch-)
Kurs eingerichtet, der von fast allen jüngeren Gemeindemitgliedern
besucht wird. Wir wünschen dem Jubilar noch recht lange Jahre
segensreichen Wirkens. (Alles Gute) bis 120 Jahre."
|
Berichte aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Simchas-Tora-Fest des Israelitischen Literatur-Vereins
(1904)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. September
1904: "Rödelheim. Am Sonntag, den 2. Oktober dieses
Jahres feiert der hiesige Israelitische Literatur-Verein das
Simchas-Thora-Fest in Form einer Abendunterhaltung mit Tanz und verspricht
der Abend ein sehr genussreicher zu werden, da für theatralische und
humoristische Vorträge bestens gesorgt ist. Die Feier findet abends 8 Uhr
in sämtlichen Lokalitäten des Restaurants 'Zum Taunus' (Taunusstraße)
statt und können Gäste eingeführt werden." |
Neuer Grabstein für Wolf Heidenheim (1893)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Juni
1896: "Rödelheim, am 41. Tag des Omer (= Freitag, 12. Mai
1893). Zu einer Gedächtnisfeier hatten sich am letzten Sonntag Nachmittag
eine große Anzahl hiesiger Gemeindemitglieder, sowie mehrere Herren aus
Krankfurt am Main auf dem alten jüdischen Friedhofe eingefunden, und noch
selten dürfte dieser ehrwürdige Totenhof seit dem Jahre 1848, wo er
geschlossen wurde, eine solche Anzahl von Besuchern aufzuweisen gehabt
haben, als am genannten Tage. Galt es doch einem Manne zu Ehren, der,
obgleich ihn bereits 61 Jahre der Mutterschoß der Erde birgt, dennoch
heute in Aller Gedächtnis lebt - dem berühmten Wohl Heidenheim - das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen -, dem von einer Anzahl Verehrern,
namentlich in Frankfurt am Main, ein neuer Leichenstein, nachdem der alte
dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen, gestiftet wurde, und bei welcher
Gelegenheit Herr Rabbiner Dr. Horowitz aus Frankfurt eine längere Rede
hielt. Derselbe schilderte eingehend, mit passenden Midraschstellen
verknüpft, das Leben und Wirken Heidenheims, wie seiner hervorragenden
Kenntnisse auf dem Gebiete der jüdischen Literatur und Grammatik
bahnbrechend für die jüdische Gelehrtenwelt gewesen sind und er es
dennoch nicht verschmähte, als Gelehrter selbst Hand anzulegen, um seine
Werke zu drucken ... und um das Jahr 1800 die noch heute bestehende
Rödelheimer hebräische Buchdruckerei begründete. Aber nicht allein als
jüdischer Gelehrter, sondern auch als Vertreter der sozialen Bildung ist
uns Heidenheim bekannt geworden, denn er stand damals bei der Frankfurter
christlichen Geistlichkeit in hohem Ansehen und war der Vermittler
zwischen dieser und den Frankfurter Rabbinen. Herr Dr. Horowitz übergab
alsdann den neuen Grabstein unserer Gemeinde, als Zeichen der Dankbarkeit
gegen diesen großen Toten. Der Grabstein, den ein aus Granit bestehender
Untersatz trägt, ist in gewölbter Form ein aus Syenit gefertigtes, des
Toten würdiges Denkmal mit sinnreicher Inschrift versehen. Herr Dr.
Horowitz hat sich um diese Angelegenheit die meisten Verdienste erworben,
indem er durch Sammlung die nötigen Mittel hierzu beschaffte. Ich glaube
deshalb im Rechte zu sein, wenn ich namens unserer Gemeinde Herrn Dr.
Horowitz - sein Licht leuchte - für sein rastloses und
uneigennütziges Bestreben auch an dieser Stelle den innigsten Dank
ausspreche. - Jahrzehnte sind dahin gerauscht, seitdem Wolf Heidenheim - seligen
Andenkens - nicht mehr unter den Lebenden weilt und in glänzender
Weise hat sich an ihm bewährt das alte jüdische Weisheitswort - das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen, denn als Segen wird er sich
erweisen für alle diejenigen, die da lernen von seinem Leben und leben
nach seiner Lehre. Hch. Hammel." |
75-jähriges Jubiläum der "Krankenkasse lediger
Israeliten" (bzw. "Krankenunterstützungskasse des Israelitischen
Jünglingsvereins", 1895)
Mitteilung
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. Januar 1895:
"Die Krankenunterstützungskasse des israelitischen Jünglingsvereins
zu Rödelheim, die zur Zeit nahezu 50 Mitglieder zählt und ein
Vermögen von etwa 15.000 Mark besitzt, begeht am 7. Januar dieses Jahres
ihr 75-jähriges Jubiläum. Eine in den letzten Tagen im Schützenhof zu
Rödelheim stattgehabte Versammlung der Kassenmitglieder beschloss, zur
Feier des Jubeltages ein Festessen zu veranstalten, und hat hierzu die
Summe von 300 Mark aus der Krankenunterstützungskasse
bewilligt." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Januar
1895: "Rödelheim, 11. Januar (1895). Am Mittwoch beging
die Krankenkasse lediger Israeliten die Feier ihres 75-jährigen
Jubiläums. Des Nachmittags um 4 Uhr wurde in der Synagoge ein
Festgottesdienst abgehalten, wobei Herr Rechtsanwalt Dr. N. Hirsch -
Frankfurt am Main einen glänzenden Vortrag über: 'Das Vereinswesen im
jüdischen Gemeindeleben' hielt. Des Abends versammelten sich die
Mitglieder des Jubel-Vereins im Saale des 'Schützenhofs', wo zu Ehren des
Tages ein Festmahl abgehalten wurde." |
Der "Verband der Sabbatfreunde" wird auch in
Rödelheim aktiv (1907)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Februar
1907: "Rödelheim, 13. Februar (1907). Der mit großem Eifer
werbende Verband der Sabbatfreunde hat nunmehr auch die alte jüdische
Gemeinde Rödelheim in den Kreis seiner Wirksamkeit einbezogen. In einer
unter dem Vorsitz des Herrn Heinrich Hammel am 10. dieses Monats dahier im
'Park-Restaurant' stattgehabten Versammlung, die von etwa 30 Damen und
Herren besucht war, sprach Herr Hermann Frankenthal von der Ortsgruppe
Frankfurt am Main über das Thema: 'Was will der Verband der
Sabbatfreunde?' Die darauf folgende Aussprache, in welcher auch einige
Oppositionsredner zum Worte kamen, konnte nur befruchtend wirken, da die
vorgebrachten Einwände von dem Referenten in geschickter Weise
zurückgewiesen wurden und die Bedeutung des Verbandes dadurch noch mehr
hervortrat. Es wurde alsdann die Ortsgruppe Rödelheim konstituiert, in
die zunächst 16 Anwesende eintraten. Es ist jedoch begründete Aussicht
vorhanden, dass im Laufe der nächsten Tage noch eine Anzahl
Gemeindemitglieder sich anschließen werden. In den Vorstand wurden die
Herren Lehrer Zinkes, Geschäftsführer Falkenberg und Kaufmann Heinrich
Hammel gewählt." |
"Rödelheim bleibt selbständig" (1920)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. März
1920: "Rödelheim bleibt selbständig.
Der Ausschuss der Gemeinde Rödelheim schreibt uns: Der Einsender oben
genannten Artikels scheint mit den Verhältnissen unserer Gemeinde sehr
schlecht vertraut zu sein, sonst hätte er wissen müssen, dass die
Verhandlungen mit dem Vorstand der Gemeinde Frankfurt noch nicht zum
Abschlusse gelangt sind. Ferner scheint der Artikelschreiber nicht zu
wissen, welche Erbitterung wegen des veralteten Wahlrechts - dessen
Grundtendenz man mit drei Worten skizzieren könnte: 'Zahlen und
Maulhalten' - unter den hiesigen Gemeindemitgliedern herrscht. Und ist dem
Herrn die gegenwärtige Notlage unserer Kehilla (Gemeinde)
verschwiegen geblieben? Weiß er denn nicht, wie wir alle Hebel in
Bewegung setzen mussten, um unseren Kultusbeamten - ein Mann, der 24 Jahre
im Dienste unserer Gemeinde steht - ein zeitgemäßes Gehalt zahlen zu
können?" |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Tod des Buchdruckers J. Lehrberger - der katholische
Dekan hält die Grabrede (1841)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. Dezember
1841: "Rödelheim, 13. November (1841). In voriger Woche starb
dahier im kräftigsten Alter ein sehr verdienter Mann israelitischen
Glaubens, der Buchdrucker J. Lehrberger, Fortsetzer der weithin berühmten
Heidenheim'schen Verlagswerke, wie auch eine Reihe von Jahren Dirigent des
israelitischen Gemeindevorstandes dahier und Vorsteher der israelitischen
Volksschule. Seine Leichenfeier zeigte, wie sehr man ihn schätzte und bot
noch in anderer Beziehung eine erfreuliche Erscheinung. Nicht nur die
ganze israelitische Gemeinde, sondern auch sämtliche Beamten und übrige
Honoratioren des Orts nebst einer großen Anzahl christlicher Bürger
bildeten den Leichenzug, dem sich auch der katholische und evangelische
Geistliche in der Eigenschaft teilnehmender Freunde anschlossen.
Letzterer, Herr Dekan Thudichum, der als Schulinspektor noch in besonderem
amtlichen Verhältnis zu dem Verstorbenen gestanden hatte, war von dessen
Familie, von dem israelitischen Gemeindevorstande und von vielen
Mitgliedern der christlichen Gemeinde um eine Grabrede ersucht worden und entsprach
bereitwillig diesem Wunsche. In dieser Rede davon ausgehend, dass es
angemessen sei, von der Teilnahme sich Rechenschaft zu geben, welche diese
große Versammlung hier vereinigt habe, wies er darauf hin: was die
Familie des Verstorbenen in ihm verloren (er hinterlässt eine Witwe mit
neun, größtenteils unerzogenen Kindern), wie sein Fleiß und
Unternehmungsgeist vielen Mitgliedern der beiden Gemeinden zu gut gekommen
und sie bei ihm ihren Lebensunterhalt gefunden hätten, wie sein mildes
Herz den Notleidenden ohne Unterschied des Glaubens geöffnet gewesen, wie
er als Vorsteher seiner Gemeinde diese durch wahre Bildung zu heben und so
ein Band herzlichen Wohlwollens mit der christlichen Gemeinde zu knüpfen
gesucht und auch darum die letztere seinen Tod als einen Verlust für sie
selbst zu betrachten habe und sofort. Er sei - wurden gegen das Ende
gesagt - ein aufgeklärter Israelite gewesen, und habe diesen Namen
verdient nicht dadurch, dass er die Anbetungsweise seiner Väter
verachtet, sondern dass er den frommen Geist erkannt, der sie durchdringe,
dass er den äußern Gebrach darum heilig gehalten, weil er den Ausdruck
frommer Gesinnung und ein Beförderungsmittel des Glaubens und der Tugend
in ihm erblickt, dass er begriffen habe, wie Gott durch Mose von seinem
Volke den Zehnten fordere nicht um den Zehnten willen, sondern 'damit es
lerne, den Herrn seinen Gott fürchten'. - Diese in ihren wesentlichsten
Punkten hier kurz angedeutete Rede, indem sie Jeden auf den rechten
Standpunkt führte, aus welchem er die ganze eigentümliche Feier zu betrachten
habe, gab ihr den wohltuenden erhebenden Eindruck, den sie bei allen
Anwesenden zurückließ, und |
diese
Feier selbst liefert einen schönen Beweis, wie man in einer so gemischten
Gemeinde sich gegenseitig nicht nur freundlich dulden, sondern bei der
treuesten Anhänglichkeit an das eigene Glaubensbekenntnis jeden
anerkennen und ehren könne, der auf andere vernünftige Weise Gott zu
dienen und ihm wohlgefällig zu werden sucht, indem ja, womit obige Rede
schloss, Gott nicht nur ein Gott Israels ist, sondern von allen Völkern
und Zungen, ja aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge sich ein Lob
bereitet hat. L. H-b." |
Der Gemeindevorsteher, Stadtrat und Beigeordnete
Salomon Haas wurde zum provisorischen Bürgermeister ernannt (1860)
Artikel in der "Allgemeinen
Zeitung des Judentums" vom 3. April 1860: "Bad Homburg,
im Februar (1860), In dem benachbarten Rödelheim (Großherzogtum
Hessen) ist der um die jüdische Gemeinde sehr verdiente Vorsteher und
Stadtrat und Beigeordnete Salomon Haas zum provisorischen
Bürgermeister (wegen Krankheit des hetzigen) von der Regierung ernannt
worden. Dem Verdienste seine Krone!" |
Leopold Lehmann aus Rödelheim wurde zum zweiten
Direktor an der Band zu Madrid ernannt (1860)
Artikel in der "Allgemeinen
Zeitung des Judentums" vom 3. April 1860: "Bad
Homburg, im Februar (1860). Herr Leopold Lehmann, gebürtig aus
Rödelheim, ist zum zweiten Direktor an der Bank zu Madrid ernannt
worden. - Von diesem, im Geiste des Judentums gebildeten und erzogenen
jungen Manne steht zu erwarten, dass derselbe seinem Versprechen gemäß
Alles aufbieten werden, um eine jüdische Gemeinde wieder in Madrid zu
errichten." |
Zum Tod des Gemeindevorstehers Joseph Münchweiler (1871)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. März
1871: "Nekrolog. Rödelheim, im Ador. Am 21. Schebat
(Sonntag, 12. Februar 1871) starb hier eins der ehrenwertesten, frömmsten
und geachtetsten Gemeindeglieder, Herr Joseph Münchweiler. Er war
Vorsteher der israelitischen Gemeinde und suchte stets eifrigst für das
religiöse Gedeihen derselben, sowie für die religiöse Erziehung seiner
Kinder tätig zu sein. Grenzenlos war seine Wohltätigkeit, die,
immerwährend im Stillen geübt, erst ihrem größeren Umfang nach bekannt
wurde durch das Jammern und Klagen der vielen Armen, die er sowohl hier
wie in der nächsten Umgebung im reichsten Maße unterstützt hatte. Wo es
galt, etwas Gutes in Anregung zu bringen, wo es galt, irgendetwas
Verbotenes zu vermeiden, da war der Dahingeschiedene stets der Erste,
der mit allen seinen Kräften bemüht war, das Gute zu realisieren und die
Übelstände hinwegzuschaffen. So lebte und wirkte er, still und
bescheiden, im Kreise der Seinen, auch von seinen christlichen Mitbürgern
im höchsten Grade geachtet. Erst die Folgezeit wird uns die große Lücke
fühlen lassen, welche sein Tod der hiesigen israelitischen Gemeinde
geschlagen. - Was der Heimgegangene seinen Kindern gewesen, wie er stets
unermüdlich für ihr zeitliches und ewiges Wohl besorgt war, wie er
danach strebte, sie als gute Juden, edle Menschen und nützliche
Staatsbürger zu erziehen, das zu schildern ist keine Feder im
Stande.
Die allgemeine Teilnahme zeigte sich bei seinem Leichenbegängnisse, bei
dem auch seine zahlreichen Freunde aus Frankfurt am Main zugegen waren.
Möge er droben reichen Lohn für sein edles Streben hienieden finden,
möge sein Andenken für ewig zum Segen gereichen. Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Tod von Moses A. Lehmann (1878)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Februar
1878: "Rödelheim. Freitag, den 11. dieses Monats, 7.
Schewat, verstarb plötzlich an den Folgen eines Schlaganfalls Herr Moses
A. Lehmann dahier in einem Alter von 74 Jahren. Der Verewigte war als
frommer Israelit, rechtschaffener Mensch und Bürger auch in weiteren
Kreisen vorteilhaft bekannt.
Seine Jünglingsjahre verbrachte er teilweise auf der Jeschiwa in
Mainz, von woher er als der Gelehrte R. Mosche zurückkehrte und
einen reichen Schatz an talmudischen Kenntnissen und Wissen in das
bürgerliche und geschäftliche Leben, dem er sich in der Folge widmete,
mitbrachte.
Dem Vorstand der hiesigen israelitischen Gemeinde gehörte er mehrere
Dezennien hindurch als Mitglied an, das Amt eines Präses derselben
bekleidete er beinahe ein ganzes Dezennium. Mit seltener
Gewissenhaftigkeit erfüllte er sämtliche Pflichten dieser nicht immer
angenehmen Stellung. Den Gottesdienst versäumte er in seinen gesunden und
kräftigen Tagen nie; da war ihm keine Stunde zu früh und kein Wetter zu
schlimm, um im Zehner-Minjan sein Gebet Morgens und Abends
verrichten zu können, wohnte er ja sogar noch am Vorabende seines
Todestages (im eigentlichen Sinne des Wortes) dem 1/4 vor 7 Uhr
stattfindenden Morgengottesdienst bei.
Die zahlreiche Beteiligung bei der Beerdigung sowohl von Juden als
auch Nichtjuden, von hier als auch von auswärts, war ein Beweis für die
Liebe und Achtung, welche sich der Verstorbene in allen Kreisen seiner
Bekannten zu erwerben gewusst hatte.
Kantor Holzer, welcher dem Verstorbenen am Grabe einen warmen Nachruf
widmete, hob, anknüpfend an die Worte 'und es starb Moscheh, der
Knecht des Ewigen, auf Befehl des Ewigen starb Mosche Rabbenu' (nach
5. Mose 34,5) die Verdienste hervor, durch welche sich derselbe im Leben
ausgezeichnet, sowohl als Mensch und Bürger im Allgemeinen, als auch in
Erfüllung aller Pflichten eines frommen Israeliten im Besonderen,
schilderte mit beredten Worten den Verlust, der die israelitische Gemeinde
durch den plötzlichen Tod ihres Vorstehers betroffen hat, daran
die Mahnung knüpfend, dem Beispiele, welches der Verewigte als frommer
und aufrechter Mann gegeben, stets nachzuahmen, indem sie dadurch
demselben ein unvergängliches Denkmal im Geiste errichtet, sich selbst
aber das Wohlgefallen Gottes erwirbt und erhält.
Möge der barmherzige Tröster im Himmel die Hinterbliebenen durch seinen
väterlichen Trost in ihrem tiefen Schmerze um den großen Verlust, der
sie betroffen hat, trösten und aufrichten! Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens. H....". |
Zum Tod von Isaac Lehrberger (1881)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Juni
1881: "Rödelheim. Am 12. dieses Monats verschied nach
längerem Nierenleiden im Alten von 59 Jahren Herr Isaac Lehrberger,
Inhaber und Chef der bekannten orientalischen Buchdruckerei. Wie geliebt
und hochgeachtet dieser Mann gewesen, davon gab - wie man dem Rh. K.
schreibt - die außerordentliche Menschenmenge, die ihn zu Grab geleitete,
das beredteste Zeugnis. Fast alle Bürger unserer Stadt ohne Unterschied
der Konfession, sowie viele aus der Umgegend hatten sich am Trauerzug
beteiligt." |
Zum Tod von Gitel Zeitlin (1886)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. September
1886: "Nekrolog. Rödelheim bei Frankfurt am Main,
30. August. Erew Rosch Chodesch Elul (= 31. August 1886). Heute
Nachmittag 5 1/2 Uhr wurden die irdischen Überreste der in ihrem 60.
Lebensjahre und im 44. Jahre einer äußerst glücklichen Ehe in Gott
entschlafenen Frau Gitel, Gattin des Herrn Josua Zeitlin aus
Dresden, zur Erde bestattet. Ihr Gatte und ihr einziger Sohn, auch
Freunde aus Frankfurt am Main, sowie unsere Gemeinde erwiesen ihr die
letzte Ehre.
Die Armen verlieren an ihr eine Wohltäterin in des Wortes schönster
Bedeutung, ihr konnte man mit vollem Rechte die Bezeichnung wackere
Frau beilegen. Erew Rosch Chodesch halber konnte nicht eine Trauerrede
stattfinden und wurde von Herrn M. Prechner in kurzen und ergreifenden
Worten des frommen Lebenswandels der zu früh Dahingeschiedenen
gedacht." |
Zum Tod von Samuel Mandelbaum (1890)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. November
1890: "Rödelheim, im Marcheschwan. Die hiesige jüdische
Gemeinde hat einen empfindlichen Verlust erlitten. Am Dienstag, 21.
Oktober, starb nach kurzem Krankenlager, im Alter von 57 Jahren, der auch
in weiteren Kreisen bekannte Herr Samuel Mandelbaum, einer der
trefflichsten Mitglieder unserer Gemeinde. Mit großer Gewissenhaftigkeit
versag er seit zwanzig Jahren das Amt eines Vorstehers mit unermüdlichem
Eifer und väterlicher Fürsorge. Er leitete die Gemeindeinstitutionen
genau nach dem rabbinischen Recht und nach streng altjüdischem
Ritus; reformitischen Bestrebungen trat er stets entgegen. Fast jeden
Morgen war er in der Synagoge einer von den zehn Ersten trotz
seines öfteren Leidens, und selbst die strengste Kälte hielt ihn nicht
vom Besuche des Gotteshauses zurück. Durch seine Biederkeit und
Leutseligkeit, sowie nicht weniger durch seine strenge Rechtlichkeit im
Geschäftsleben, sein liebevolles, gegen alle gleich zuvorkommendes Wesen
im Privatleben, erwarb er sich nicht nur zahlreiche Freunde in unserer
Gemeinde und unter den andersgläubigen Mitbürgern, sondern auch in
weitester Umgegend hat sich sein guter Ruf verbreitet. Zu der am
Donnerstag Nachmittag erfolgten Beerdigung, an welcher auch viele
nichtjüdische Bürger teilnahmen und welche eine der größten war, die
je in unserer Gemeinde stattgefunden, hatten sich denn auch viele
auswärtige Freunde und Bekannte eingefunden. Am Grabe gab der hiesige
Lehrer und Kantor, Herr M. Prechner, den Gefühlen der Trauerversammlung
in gediegenen Worten würdigen Ausdruck. Redner kennzeichnete an Hand
passender Schriftstellen die Frömmigkeit und große Rechtlichkeit des
Verstorbenen und sprach den Dank der Gemeinde aus für die ihr als
Vorstandsmitglied geleisteten wertvollen Dienste. Hrch.
Hl." |
Anmerkung: Samuel Mandelbaum war
mütterlicherseits ein Enkel von Baruch Baschwitz. |
Bedeutende Spenden der Herrn Julius May (1890)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Dezember 1890: "Frankfurt
am Main, 24. Dezember (1890). Der in Brüssel verstorbene Herr Julius
May hat nicht allein Mark 12.000 für christliche und konfessionslose Arme
Rödelheims, sondern auch Mark 12.000 für israelitische Arme
jener Stadt und Mark 35.000 der hiesigen (= Frankfurt) israelitischen
Realschule (Philantropin) vermacht. Seine Gemahlin hat ferner an
gemeinnützige und wohltätige Anstalten und Vereine, wie an bedürftige Privatpersonen
ohne Unterschied des religiösen Bekenntnisses Mark 15.000 verteilen
lassen." |
|
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Januar 1891:
"Frankfurt am Main, 26. Dezember (1890). Unser in Brüssel
verstorbener Mitbürger Herr Julius May aus Rödelheim hat
außer einem Legat von 12.000 Mark für christliche und konfessionslose
Arme seiner Vaterstand auch noch 12.000 Mark für jüdische Arme der Stadt
Rödelheim und 35.000 Mark dem Philanthropin in Frankfurt am Main
vermacht. Seine Gemahlin hat ferner an gemeinnützigen und wohltätigen
Anstalten und Vereine, sowie an bedürftige Privatpersonen ohne
Unterschied des religiösen Bekenntnisses 15.000 Mark verteilen
lassen." |
Goldene Hochzeit von Lazarus Jonas und Sara geb. Langenzenn (1891)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Juni 1891: "Rödelheim,
am Lag BaOmer (= 26. Mai 1891). Gestern, am Lag BaOmer fand
in unserer Gemeinde eine ebenso seltene wie erhebende Feier statt. Das
allgemein geachtete Ehepaar Lazarus und Sara Jonas geb. Langenzenn, beging
in festlicher Weise den Tag seiner goldenen Hochzeit, und waren die
Kinder, Enkel und Verwandte des Jubelpaares in großer Zahl herbeigeeilt.
Bereits am 9. Mai wurde ihm von Seiner Majestät die silberne Ehe-Medaille
verliehen, welcher ein Glückwunsch-Schreiben beigefügt
war.
Mittags versammelte sich ein großer Teil der jüdischen und christlichen
Mitbürger, darunter der Bürgermeister und Mitglieder des Gemeinderats,
in der mit Grün geschmückten und festlich erleuchteten Synagoge,
woselbst unser Kantor, Herr M. Prechner, in würdevoller Weise eine
Ansprache an das Jubelpaar hielt (Anmerkung: Ich bemerke hier
ausdrücklich, dass Herr Prechner sich bloß auf eine Ansprache
beschränkte, die mit einer Einsegnung oder sonst einer, dem Geiste des
jüdischen Gesetzes nicht entsprechenden Zeremonie nichts zu tun hatte).
Mit den Psalmworten: 'Noch im Greisenalter sprossen sie, sind markig
und belaubt' (Psalm 92,15) begrüßte der Redner das Jubelpaar und
beglückwünschte es, dass der Allmächtige ihm die Gnade erwiesen, diesen
Tag, frisch an Körper und Geist, zu erleben. Zum Schluss flehte der
Redner in ergreifender Weise Gottes Segen auf das Jubelpaar herab. Dann
ging es zur Wohnung des Jubelpaares, welche mit Blumen und Ehrengaben, die
Freunde und Verwandte gewidmet, geschmückt war, und woselbst sich eine
Menge von Gratulanten einstellte. Abends brachten zwei hiesige
Gesangvereine je ein Ständchen mit Fackelzugbegleitung und einige sinnig
gewählte Piecen in schöner Weise zum Vortrag. Rührend war es, als der
Jubilar, ein biederer Greis von 80 Jahren, aus dem Fenster seiner Wohnung
mit weithin vernehmbarer Stimme in schlichten, aber von Herzen kommenden
Worten für die vielen Aufmerksamkeiten seinen und seiner Gattin innigsten
Dank aussprach. Hierauf hielt Herr Freuerwehrhauptmann Wächter eine
kernige Ansprache, in welcher er die Bürgertugenden des Jubelpaares
feierte und forderte die Umstehenden, eine vielhunderköpfige Menge, auf,
in ein dreimaliges Hoch auf das Jubelpaar einzustimmen, was auch
begeistert geschah. In unserer, an Klassen- und Rassenhass so kranken Zeit
ist es doppelt erfreulich, von einem solchen Akt der brüderlichen
Eintracht zwischen den verschiedenen Konfessionen berichten zu können.
Hch. Hammel." |
Zum Tod von Hirsch Lehmann (1893)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Juli
1893: "Rödelheim, 13. Juni (1893) (Unlieb verspätet). Am 19.
Mai verschied dahier nach längerem, schweren Leiden, der auch in weiteren
Kreisen gekannte und geehrte Herr Hirsch Lehmann im Alter von 72 Jahren.
Er war noch einer von jenen immer seltener werdenden Männern, die noch
aus früherer Zeit zu uns herüberragen und die mit tiefer Innigkeit an
dem alten Väterglauben hangen und dabei große Demut und
Anspruchslosigkeit bekunden. Mit großer Umsicht und Gewissenhaftigkeit
bekleidete er 17 Jahre hindurch das Amt eines ersten Vorstehers in unserer
Gemeinde. An den ehrfurchtgebietenden Tag (Feiertage im Herbst)
versah er auf uneigennützigste Weise das heilige Amt eines Vorbeters und
riss durch seine echten altjüdischen Gesänge die Gemeinde zur Andacht
und Begeisterung hin. Die Chewra Kadischa (Wohltätigkeitsverein)
verliert an dem Heimgegangenen ein wackeres Mitglied und
Vorstandsmitglied, dessen Anordnungen stets maßgebend und mustergültig
waren. Auch bei unseren christlichen Mitbürgern stand der
Dahingeschiedene in hohem Ansehen, er war Stadtverordneter und Waisenrat.
H. Hll." |
Zum Tod von Thekla Hammel geb. Kaß
(1898)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. September 1898: "Rödelheim,
Anfangs August (1898). Von dem schweren Verluste des Heimgangs einer
wackeren, jüdischen Frau, welche nicht nur innerhalb unserer Gemeinde,
sondern auch weit über deren Grenzen hinaus zur innigsten Teilnahme
aufruft, habe ich zu berichten. Am 21. Juli (2. Aw) verstarb dahier nach
kurzer aber schwerer Krankheit im Alter von nur 27 Jahren nach 2 1/2
jähriger glücklicher Ehe, Frau Thekla Hammel geb. Kaß, die sich im
Leben treu bewährt hat als wackere Frau. 'Sie waltete mit Fleiß
im Hause und frühe schafften ihre Hände. Ihren Mund öffnete sie mit
Überlegung und Liebe sprach von ihren Lippen.' Mit tiefer Innigkeit hatte
sie den Frauenberuf erfasst wie er in Wahrheit sein soll, als ein Aufgeben
und Vergessen der eigenen Persönlichkeit, um ganz mit und für den Gatten
zu sein und zu leben und daher so die Hochachtung und Verehrung aller
derjenigen mit hinüber nahm in die Ewigkeit, die edle Sinnesart und
Grundsatzfestigkeit, selbstlose Hingebung und ernste Pflichterfüllung im
Dienste derselben zu ehren wissen.
In erhebender Weise bekundete sich auch, welch' hohe Achtung und tiefe
Anhänglichkeit die Verstorbene bei den übrigen Mitbürgern sich errungen
hatte. Als die Schreckenkunde sich verbreitete, dass die ernst schwere
Scheidestunde für sie herannahe, da war es nur ein Gefühl der
herzlichsten, innigsten Teilnahme von der alle, alle sich bedroht
fühlten. In schweigsamer Nacht weinten und beteten jüdische und christliche
Frauen für die Schwerkranke.
Und nach altem jüdischen Brauche versammelten sich die Gemeindemitglieder
im Gotteshause, um in Bitt- und Dankgebeten den alle Zeiten
Überdauernden, Ewiglebenden, um Rat und Hilfe anzurufen, still im Herzen
noch die Hoffnung hegend, dass Er in Seiner großen Gnade die fromme
Mitschwester am Leben erhalten möchte. Aber in Seiner unerforschlichen
Weisheit hatte Er es anders beschlossen. Und als der Tag sich neigte, da
hing ein edler Menschengeist, eine fromme Frauenseele aus der Nacht des
Erdelebens in die Heimat des ewigen Lichtes. -
Am Tag vor dem Heiligen Schabbat Chason wurde ihre irdische Hülle
zur letzten Ruhestätte geleitet. Obwohl es nur zwei Stunden vor
Sabbat-Eingang, waren trotz der Kürze der Zeit, dennoch zahlreiche
Teilnehmer eingetroffen, um der Verstorbenen die letzte Ehrenhuldigung zu
erweisen. Auf dem Friedhofe gab Herr Kantor Zinkes, vom Schmerze
der Trauer selbst tief ergriffen, den Trauergefühlen würdigen Ausdruck,
indem er zunächst hervorhob, dass es zwar am Sabbat-Rüsttage nicht
gestattet ist, eine Leichenrede zu halten, aber angesichts der schwer
geprüften Familie, sage er mit den Propheten: 'Ich vernehme eine Stimme
in meinem Innern', welche mir zuruft: 'Sprich!' Tröste und beruhige die
niedergebeugten Gemüter, beschwichtige die vom tiefsten Schmerze erregten
Herzen. Der Redner schilderte alsdann die Verewigte als das Ideal einer
jüdischen Frau, ihre Tugenden, Wohltätigkeit und Frömmigkeit und darum
wird sie als Vorbild in treuem Gedenken Aller fortleben.
Am Tage zur Sabbatruhe ist sie eingegangen zum ewigen Lichte, zum ewigen
Frieden, wie sie im Leben mit dem Lichte ihrer Sabbatkerzen den
Seelenfrieden und die Herzensfreudigkeit ihrer Häuslichkeit entzündet,
sow rid ihr auch im Jenseits leuchten, das ewige, himmliche Sabbatlicht
der göttlichen Wohnung. Hch. Hl." |
50-jähriges Berufsjubiläum von Buchdrucker Siegmund Jonas (1903)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Dezember
1903: "Rödelheim, Ende 1903 (Das goldene Jubiläum eines
Arbeiters.). Das gewiss in Buchdruckerkreisen sehr seltene Fest der
fünfzigjährigen Tätigkeit feiert am 15. Januar 1904 der
Buchdruckerei-Faktor Herr Siegmund Jonas in Rödelheim bei
Frankfurt am Main. Im Jahre 1854 trat der Jubilar als Lehrling bei der
weltbekannten hebräischen Buchdruckerei und Verlagshandlung J. Lehrberger
& Cie. ein, trat dann bei der Auflösung dieser Firma in die aus ihr
hervorgegangene Offizin M. Lehrberger & Cie. (jetziger Inhaber
Herr J. Kauffmann in Frankfurt am Main) über und steht so ununterbrochen
ein halbes Jahrhundert im Dienste der schwarzen Kunst. Mit dem Wechsel der
Zeiten sah der Jubilar in diesen fünf Jahrzehnten auch manche Wandlung an
sich vorüberziehen, so u.a. vor gerade vier Jahren den Umzug aus der
alten seit 1796 bestehenden Arbeitsstätte Heidenheim's, die für den
erweiterten Betrieb keinen Raum mehr bot, in das neu erbaute, der Neuzeit
entsprechende Fabriketablissement, mit seinen großen, hellen, luftigen
Räumen.
Wohl wenigen ist es vergönnt, ein 50-jähriges Berufsjubiläum zu feiern,
zumal in der Rüstigkeit und Geistesfrische, wie sie der greise Jubilar
besitzt. Trotz seiner 65 Jahre ist er morgens in der siebenten Stunde der Erste
an seiner Arbeitsstätte. Durch seinen ehrbaren Charakter, seine
Gewissenhaftigkeit, seinen rastlosen Eifer und Fleiß, wie durch seine
treue Anhänglichkeit, erfreut sich der Jubilar bei seinen Chefs großer
Beliebtheit, seinen Mitarbeitern, die er vermöge seiner reichen
Erfahrung, vor allem auf dem Gebiete des in Folge seines komplizierten
Punktationssystems besonders schwierigen hebräischen Satzes, leitend
anregt und fördert, ist er ein gern gesehener Kollege, und ein weiterer
Bekanntenkreis schätzt ihn wegen seiner stets gleichmäßig heiteren
Stimmung, seines würzigen Humors und seines freundlich-offenen
Wesens.
Der Jubilar war lebendiger Zeuge des Wachstums der weltbekannten
Rödelheimer Offizin, und er war rüstiger, schaffensfroher Mitarbeiter
bei jeder Erweiterung der Verlagsunternehmungen während der verflossenen
fünf Jahrzehnte; so hat er, um nur eins hervorzuheben, bei seinem
Eintritte in die Offizin mitgearbeitet an der 25. Auflage des bekannten
Rödelheimer Gebetbuches 'Sephat Emeth', und er hat jetzt die 132.
Gesamtauflage, die in dieser Tagen die Presse der Firma M. Lehrberger
& Cie. erlassen hat, redlich mit vollenden helfen. Mögen dem Jubilar
noch viele Jahre wohlverdienten Glückes in gleicher Rüstigkeit und
Jugendfrische vergönnt sein. -d-" |
Die Buchdruckerei S. Lehrberger & Co. in Rödelheim
ist an Dr. Felix Kauffmann in Frankfurt übergegangen (1912)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 26. Januar 1912: "Frankfurt am Main, 19. Januar (1912). Es
dürfte Ihre Leser interessieren, zu erfahren, dass die Firma S.
Lehrberger & Co., Buchdruckerei und Verlagsanstalt in Frankfurt am
Main - Rödelheim, nach dem Ableben des seitherigen Besitzers mit dem 1.
Januar dieses Jahres auf Herrn Dr. phil. Felix Kauffmann in
Frankfurt am Main übergegangen ist und von ihm mit der ihm bereits gehörenden
Firma M. Lehrberger & Co. vereinigt wurde. damit sind die
beiden, insbesondere auf dem Gebiete des hebräischen Gebetbuchdruckes ob
der Korrektheit der durch sie herausgegebenen Gebetbücher weltbekannten
Lehrbergerschen Offizinen, nachdem sie über zwei Dezennien zwei
verschiedenen Zweigen der bekannten Buchdruckfamilie gehört hatten,
wiederum in einer Hand vereinigt. Wie bekannt, ist das Lehrbergersche
Unternehmen aus der Buchdruckerei hervorgegangen, die Wolf Heidenheim,
der als Gelehrter wie als Verlagsbuchhändler gleich angesehen war, im
Jahre 1796 in Rödelheim gegründet hatte." |
Zum Tod von Gustav Schönfeld (1925)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. August
1925: "Frankfurt am Main - Rödelheim. Am vergangenen Freitag
wurde hier das älteste Mitglied unserer Gemeinde, Gustav Schönfeld,
ein Veteran von 1870/71, der mit mehreren Ehrenzeichen geschmückt war, zu
Grabe getragen. Ein großes Gefolge, der hiesige Kriegerverein mit der
trauerumflorten Fahne, gaben dem Verstorbenen das letzte Geleite. - Herr
Lehrer Zinkes schilderte am Grabe in erhebenden Worten, wie der
Heimgegangene in der Stunde der Gefahr sich um die Verteidigung des
Vaterlandes verdient gemacht hat, wie er sich seine Orden erworben und wie
er allezeit treu und unerschütterlich zu dieser ihn begleitenden Fahne
gehalten hat. - Auch der Vorsitzende des Kriegervereins hob die
Auszeichnungen des Verklärten hervor. Seine Seele sei eingebunden in
den Bund des Lebens." |
Hermann Hammel gehört 50 Jahre der Chewra Kedischo
(Wohltätigkeitsverein) an (1936)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Januar
1936: "Aus Rödelheim.
Das seltene Fest der fünfzigjährigen Zugehörigkeit zur Chewra Kedischo
Rödelheim konnte kürzlich Herr Hermann Hammel begehen. Aus diesem
Anlasse wurde ihm vom Vorsitzenden des Chewra mit ehrenden Worten für
seine treue und aufopfernde Tätigkeit im Dienste des Gemilus Chessed ein
silberner Becher mit eingravierter Widmung überreicht.
Dann ergriff der erste Vorsteher der Rödelheimer Gemeinde, Herr Heinrich Hammel,
das Wort und beleuchtete in zu Herzen gehenden Worten das Wirken des
Jubilars, das ein einziges Streben im Dienste der Nächstenliebe und der Erfüllung
der göttlichen Gebote darstellt. Er erinnert noch daran, dass der
Gefeierte infolge seiner Frömmigkeit und seiner gediegenen Charaktereigenschaften
schon im Alter von 18 Jahren für würdig befunden wurde, in die heilige
Bruderschaft aufgenommen zu werden.
Möge es dem Jubilar vergönnt sein, noch viele Jahre mit gleicher
Tatkraft in den religiösen Körperschaften zu wirken, als Vorbild für
Andere und zum Segen der jüdischen
Gemeinschaft." |
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeigen der Buchdruckerei und Verlagsbuchhandlung S.
Lehrberger & Co. (1892 / 1900 / 1904 / 1905)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. März
1892: "S. Lehrberger & Comp.
hebräische Buchdruckerei und Verlagsbuchhandlung in Rödelheim
empfehlen ihre Gebet und Lehrbücher als: Machsorim, Chumaschim,
Tefillot, Hagadot etc. etc.
ohne und mit deutscher, englischer, holländischer und französischer
Übersetzung und Anweisung, sowie alle
rituellen Gebet- und Andachtsbücher eigenen Verlags;
ferner die in den Schulen eingeführten Lehrbücher und gesamte
hebräische Literatur;
außerdem: Tallesim in Seide und Wolle, Tfillin, Mesusos
etc.
Nach genauer Information bestätige ich gerne, dass die Buchdruckerei und
Verlagsbuchhandlung von S. Lehrberger & Comp. in Rödelheim am Schabbat
und Feiertag ihre Druckerei und Büro streng geschlossen
halten.
Dr. S. Breuer Rabbiner der Israelitischen Religionsgesellschaft zu
Frankfurt am Main." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Dezember
1900:
"In unserem Verlage erschien soeben wiederum eine Auflage unserer
neuen Ausgabe
Siddur Sephat Emeth Sephat Emeth Ausgabe B
mit Anweisungen in deutscher Sprache und Schrift, nebst
Inhaltsverzeichnis
von Rabbiner Josef Nobel, mit namhaften Bereicherungen und dem
Anhange:
Die übliche Betonungsart der Akzente im Pentateuch (in
Musiknoten) S. Lehrberger & Cie., Rödelheim".
|
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Februar
1904: |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Februar
1904: |
|
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 24. November
1905: |
Zur Jubiläumsausgabe der Rödelheimer
Tefilloh (1925)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
22. Oktober 1925: |
25-jähriges Geschäftsjubiläum der Firma M.
Lehrberger u. Co. in Frankfurt (früher Rödelheim; 1928)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
11. Oktober 1928: "Geschäftsjubiläum. Am 15. Oktober 1928
feiert die Firma M. Lehrberger u. Co. in Frankfurt am Main, früher
Rödelheim, das 25-jährige Geschäftsjubiläum ihres Druckereileiters,
des Herrn C. Falkenberg. Herr Falkenberg verstand es, die Tradition
des durch die Korrektheit und die typographische Schönheit seiner
Veröffentlichungen weltberühmten Verlages M. Lehrberger u.Co. in
geradezu vorbildlicher Weise zu wahren. Die Erfüllung dieser Aufgabe
gelang ihm durch seine völlige Hingabe an das ihm anvertraute Werk und
das restlose Aufgehen in ihm. So war es ihm auch möglich, nicht nur den
unter seiner verantwortlichen Leitung für den eigenen Verlag
hergestellten Gebetwerken, sondern auch den in fremdem Auftrage gedruckten
Büchern und Schriften den Stempel schöpferischen Geistes aufzudrücken.
Hervorragende Kenntnisse auf typographischem Gebiete, erworben in
jahrelanger praktischer Tätigkeit in führenden Druckereien Deutschlands,
beispiellose Gewissenhaftigkeit, vorbildlicher Fleiß, unermüdliche
Tatkraft haben ihm Ansehen und Vertrauen in den Kreisen seiner
Fachgenossen und Mitarbeiter, darüber hinaus aber auch Ansehen und
Verehrung verschafft bei den Autoren und Auftraggebern seiner Firma. Als
äußeres Zeichen eines weitreichenden Vertrauens und zur äußeren
Kennzeichnung eines beispielgebenden Aufstieges vom Druckereiarbeiter zu
führender Stellung erhielt Herr Falkenberg schon vor Jahren die
Einzelprokura.
Im Februar dieses Jahres konnte Herr Falkenberg sein 50-jähriges
Berufsjubiläum begehen." |
Werbung für Kaffee, Tee und Kako von Johann A. Kaiser (1906)
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 23. November
1906:
"O! Wie köstlich
sind Kaffee, Tee und Kakao von Johann A. Kaiser.
Rein im Geschmack.
Verkaufsstellen: Frankfurt am Main. Bergerstraße 56, Tel. 9148,
Cederweg 39, Taunusstraße 30, Glauburgstraße 5. Rödelheim,
Taunusstraße 1." |
Geburtsanzeige der Tochter Flora von Dr. Hermann Hirsch und Thilde geb. Auerbach
(1925)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Oktober 1925: "Flora
- Die glückliche Geburt einer Tochter zeigen hocherfreut an: Zahnarzt
Dr. Hermann Hirsch und Frau Thilde geb. Auerbach.
Frankfurt am Main - Rödelheim. Radilostraße 34. 15. Oktober
1925." |
Hochzeitsanzeige für Alice Hammel
und Sally Stein (1930)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. April 1930:
"Statt Karten. Mit Gottes Hilfe.
Herr und Frau Heinrich Hammel und Herr und Frau Abraham Stein
beehren sich zu der am Sonntag, den 29. Nissan 5690/27. April 1930, so
Gott will stattfindenden Trauung ihrer Kinder Alice und Sally
freundlichst einzuladen.
Frankfurt am Main - Rödelheim - Alsfeld/Hessen.
Trauung um 1 1/2 in Frankfurt-Main im Volksbildungsheim Saal 5,
Eschenheimer Anlage 40/41.
Telegramme nach Hotel Ulmann, Frankfurt-Main, wolle man gefälligst für
jüdische Wohltätigkeitszwecke ablösen." |
Anmerkung: Alice Stein geb. Hammel (geb.
1901 in Frankfurt) ist nach der Deportation ab Frankfurt am Main im
November 1941 in das Ghetto Kowno umgekommen. |
Verlobungsanzeige für Irene Michels und Victor Hammel
(1936)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Februar
1936:
"Mit Gottes Hilfe. Irene Michels - Victor
Hammel Verlobte.
Frankfurt am Main Röderbergweg 35 - Frankfurt - Rödelheim
Burgfriedenstraße 5.
Adar 5696 - Februar 1936." |
Anmerkung: Nach |
Zur Geschichte der Synagoge
1680 wurde den jüdischen Familien für ihre
Gottesdienste innerhalb des herrschaftlichen Viehhofes ein Betraum zur
Verfügung gestellt. Nachdem entdeckt wurde, dass ein Christ unerlaubterweise zu
Hilfsdiensten am Schabbat herangezogen wurde, ist der Betraum wieder geschlossen
und als Kuhstall verwendet worden. Danach mussten die jüdischen Familien zu den
Gottesdiensten nach Bockenheim.
Erst 1730 wurde genehmigt, dass eine Synagoge in der Judengasse erstellt
werden konnte. Diese wurde über 100 Jahre benützt, bis sie 1837/38
durch einen Neubau ersetzt wurde. J. Lehrberger hatte im Auftrag der Gemeinde
den Bau einer neuen Synagoge am 5. Januar 1834 beim Kreisamt Friedberg
beantragt. Über die Einweihung der Synagoge am 29. Juni 1838 liegen die
folgenden Berichte in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
und (als nichtjüdischer Zeitung) der "Karlsruher Zeitung" vor:
Einweihung der Synagoge 1838
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 19. Juli 1838:
"Frankfurt am Main, 30. Juni (1838). Gestern wurde in dem
nahen Großherzoglich Hessischen Städtchen Rödelheim eine neue
Synagoge eingeweiht und zwar mit außerordentlicher Festlichkeit. Für die
Ausschmückung des Tempels und die Veranstaltung der Festlichkeiten soll
die dasige Judenschaft 20.000 Gulden aufgewendet haben. Tausende von
Christen schlossen sich der Feier an." |
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Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. August
1838:
"Die Einweihung der Synagoge zu Rödelheim. Über mich
ergießt sich meine Seele, wenn ich denke, Wie ich mit Gefolg hinaus in
Gottes Tempel wallte; Mit Dank und Freudengesängen unter der feiernden
Menge. König David."
Den Anfang der Feierlichkeit machte, wie bereits früher in diesen
Blättern angedeutet worden ist, ein solenner Zug, der sich am
Einweihungstage (29. Juni), nachmittags 4 Uhr, von dem bisherigen Betsaale
aus nach dem im edelsten Stile erbauten neuen Gotteshause bewegte und zwar
in folgender Ordnung: 1) Die israelitische Schuljugend mit ihren Fähnlein
und ihrem Lehrer an der Spitze; 2) die Jünglinge mit der großen Fahne,
auf welcher das großherzogliche Wappen befindlich! 3) der Sängerchor
nebst der Instrumentalbegleitung; 4) das Kissen mit dem
Synagogenschlüssel; 5) die Mädchen mit Blumen in nationalfarbigen Vasen;
6) die Frauen; 7) die vier Träger des Baldachins, unter welchem die
Gesetzesrolle getragen wurden; 8) die Geistlichkeit, Beamten,
Honoratioren, der Ortsvorstand, der israelitische Vorstand und die
übrigen Gemeindeglieder.
Der Sängerchor, von Herrn Hecht aus Frankfurt trefflich dirigiert,
stimmte, sobald sich die Prozession in Bewegung gesetzt hatte, unter
Instrumentalbegleitung das Lied an: 'Auf, jauchzet Gott dem Herrn!'
Nachdem der Baldachin mit den Gesetzesrollen an der Synagogenpforte
angelangt war, fand unter dem Schalle der Musik die feierliche
Überreichung des Schlüssels an den großherzoglichen Kreisrat und hierauf
der Einzug in das Gotteshaus selbst statt, dessen freundliches Innere auf
jeden Anwesenden den angenehmsten Eindruck machte. Ein in Darmstadt
verfertigter, reich mit Gold gestickter, rotdamastener Vorhang, an dessen
oberem Ende die zehn Gebote, bedeutungsvoll umgeben von dem
großherzoglich hessischen Wappen, zu sehen sind, verhüllt das
Allerheiligste und gewährt einen imposanten Anblick. Nach Absingung eines
hebräischen Liedes trat der ehrwürdige Oberrabbiner von Friedberg vor
die Bundeslade, sprach in einfacher Rede Worte der Weihe über das Haus
und die Versammlung und rief dann im herzlichen Gebete den Segen Jehova's
herab auf das erlauchte Haupt Ludwigs II. von Hessen, unter dessen
gerechter und väterlicher Regierung Israel sch so schöner Tage erfreue.
Die beiden ersten Verse des Liedes: 'Du, dessen Haus die weite Welt,' aus
Johlson's Gesangbuche wurden dann abgesungen, worauf eine erwartungsvolle
Stille eintrat. Der protestantische Ortsgeistliche Herr Dekan Thudichum,
nahm jetzt die von dem Oberrabbinen verlassene Stelle vor dem
Allerheiligsten ein und als nun der mit den Waffen des Wortes mächtig
ausgerüstete Lehrer des Evangeliums von der heißen Liebe sprach, mit der
er von jeher ein Bruderverhältnis zwischen den alt- und
neutestamentarischen Glaubensgenossen zu erzielen gestrebt habe, und als
er darauf hinwies, wie der Gott, der zu Mose, seinem Knechte, auf Sinai
geredet, der nämliche sei, der auch den gesalbt habe, vor dem die
Christenheit sich beuge, - da war die ganze Versammlung tief ergriffen und
selbst in dem Auge ergrauter Jerusalemiten flammte die hehre Ahnung einer
nicht mehr fernen, allgemeinen Völkerverbrüderung. Ja, es war eine
schöne, erhabene Rolle, welche die christliche Kirche, repräsentiert
durch einen ihrer begabtesten, würdigsten Diener, bei diesem
Einweihungsakte übernommen hatte. Der katholische Geistliche war nicht
zugegen und nahm überhaupt keinerlei Anteil an den Feierlichkeiten der
Stammesgenossen des Erlösers! - - Der nach geendigtem Liede von Herrn Dr.
Formstecher gehaltene Vortrag zeichnete sich aus durch die richtige
Auffassung der gegenwärtigen Stellung Israels in den Reihen der Völker,
und machte durch die schöne Tendenz seine allzu lange Gedehntheit
ziemlich vergessen. - Zum Beschluss der Feier sangen kraftvolle
Männerstimmen dem Herrn Preis und Dank in den Weisen und Lauten des
Königs David, deren Majestät auch der Fremdling mit Staunen vernimmt,
und als später eine jugendlich-reine Stimme, holdselig und anmutig, wie
des Knaben Samuel, mit dem Männergesange sich einte, da wiegte der greise
Rabbi sein graues Haupt, wie in selige Träume versunken, und die
entschwundene Herrlichkeit Zions schien an seinem Geiste
vorüberzuziehen.
Noch lange werden wir der erhebenden Feier, welche erst gegen acht Uhr
endete, gedenken, und herzlich wünschen wir, dass der Geist der Liebe und
Toleranz, welcher über sie ausgegossen war, sich auch bald denjenigen
mitteilen möge, welche noch auf dem finstern Altare der Unduldsamkeit
Opfer darbringen, die dem Herrn ein Gräuel sind.
L. Hub." |
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Artikel in der "Karlsruher Zeitung" vom 4. Juli 1838: "Freie Stadt
Frankfurt. Frankfurt, 1. Juli (1838). Am 29. und 30. vorigen Monats
fanden in dem eine Stunde von hier gelegenen Orte Rödelheim die
Feierlichkeiten der Einweihung einer neu erbauten Synagoge der dortigen
israelitischen Gemeinde statt. Das neue Gotteshaus ist in einfachem Stile,
aber sehr schön und geschmackvoll erbaut. Tausende von Zuschauern waren
herbeigeströmt. Die Festlichkeiten sollen gegen 20.000 Gulden gekostet
haben, die innere Einrichtung des Tempels mitgerechnet, und waren in der Tat
für eine israelitische Landgemeinde glänzend zu nennen. Alle der Festzug
bildende Individuen waren neu und brillant gekleidet, die Männer in Schwarz,
die Frauen in Weiß, viele mit Blumen und goldenen Haarketten geschmückt. Der
Zug bewegte sich von der alten Synagoge nach der neuen, unter Begleitung von
prächtig gestickten Fahnen, der zum Opferdienst gehörigen Gegenstände und
einer feierlichen Musik. In einer gediegenen Rede sprachen darauf ein
israelitischer Oberrabbiner und dann weiter in trefflichen Worten der
protestantische Ortsgeistliche; ihre Worte waren vom Geiste religiöser
Aufklärung und wahrer Duldung beseelt. Am 30. fanden allerlei
Nebenfestlichkeiten statt, und Abends hielt man einen Ball, welcher einer
großen Stadt keine Schande gemacht haben würde. Unter den am 29. Anwesenden
bemerkte man viele Personen aus den höchsten Ständen der Gesellschaft, u.a.
auch Herrn Baron von Rothschild. Glänzende Equipagen drängten sich in dem
sonst stillen Rödelheim, welches ein so prächtiges Fest wohl noch nicht
erlebt hat. Möge es zur freundlichen Annäherung der verschiedenen
Glaubensgenossen etwas beigetragen haben..." |
Die Synagoge wurde in den folgenden Jahrzehnten
mehrfach renoviert, blieb aber genau 100 Jahre Zentrum des jüdischen
Gemeindelebens in Rödelheim. 1888 konnte das 50-jährige Jubiläum der
Synagogeneinweihung gefeiert werden, allerdings auf Grund des Todes von Kaiser
Friedrich III. nur in kleinem Rahmen.
50-jähriges Jubiläum der Synagogeneinweihung
(1888)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 28. Juni 1888: "Rödelheim, 17. Juni (1888). Die
israelitische Kultusgemeinde zu Rödelheim begeht heute das
fünfzigjährige Jubiläum der Eröffnung ihrer Synagoge. Die
verschiedenen Festlichkeiten, welche in Aussicht genommen waren, sich nach
der eingelaufenen betrübenden Nachricht abgesagt worden und der
Erinnerungstag beschränkt sich auf die religiöse Feier im Gotteshause.
Bei der Vorfeier, die gestern Abend stattfand, gedachte Herr Rabbiner Dr.
Kotek in ergreifender Rede des geliebten Kaisers, um den alle Herzen
trauern und ein lautes Schluchzen ging bei diesen Worten durch die ganze
Zuhörerschaft. Das rituelle Gebet für den Landesherrn, welches
gewöhnlich am Samstag Vormittag gesprochen wird, war bei dieser
speziellen Feier für Freitag Abend vorgesehen und wurde nun von Herrn
Rabbiner Dr. Kotek für den Kaiser Wilhelm II. verlesen. Vielleicht ist
Rödelheim der erste Platz, w in einer Religionsgemeinschaft schön Gebete
für den entschlafenen und für den neuen Kaiser gesprochen
wurden" |
Einmal erfährt man aus der jüdischen
Presse von der Einweihung einer Torarolle in der Synagoge Rödelheim, wenngleich
es dieses Ereignis sicher mehrfach im Lauf der Synagogengeschichte gegeben
hat:
Neueinweihung einer Tora in der Synagoge (1902)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Januar 1902: "Rödelheim,
26. Januar (1902). Von allen Einrichtungen, die aus dem Geiste der
jüdischen Lehre hervorgegangen und die durch das moderne Vereinsleben
nicht nicht verdrängt worden sind, seit Jahrtausenden in ihrem stillen
Wirken den Schmuck jeder jüdischen Gemeinde bildend, neben die heiligen
Brudergemeinschaften, die dem scheidenden Genossen die letzte milde Tat
erweisen, unstreitig den hervorragendsten Platz ein. Die in diesem Geiste
wirkende, seit vielen Jahrzehnten in unserer Gemeinde bestehende Chewra
Kadischa, beging vor einigen Tagen eine erhebende Feier, worüber zu
berichten mir hiermit vergönnt sein möge.
Es hatte sich erwiesen, dass die im Besitze der Chewra sich befindliche
Sefer Thora (Torarolle) nach fast neunzig-jährigem Gebrauch durchaus
unbrauchbar geworden und durch eine neue ersetzt werden müsse. Man
schritt daher zur Neuanschaffung eines neuen Sefers und wurde Herr Sofer
(Toraschreiber) M. Schreiber zu Frankfurt am Main damit beauftragt, der
eine solche in gediegener Aufführung besorgt. Die Einweihung fand im
Beisein der fast vollzähligen Gemeinde in hiesiger Synagoge statt. Nach
Ausfüllung der ersten und letzten Buchstaben wurden zwischen dem Mincha-
und Maariv-Gebet zwei Torarollen in feierlicher Weise ausgehoben und mit
diesen die neue Sefer Tora aus dem gegenüberliegenden Gemeindehause in
die festlich erleuchtete Synagoge gebracht. Herr Lehrer Zinkes
hielt hierauf die Festpredigt, in welcher er in gehaltwollen Worten der
Feier dieses Tages und deren Veranstalter gedachte, sowie die Bedeutung
einer Sefer Thora als Gotteszeugnis erläuterte. Mit einem ergreifenden
Gebet schloss die Predigt. Der erste Vorsteher der Chevra Kadischah, Herr
Hermann Hammel, spendete ein feingesticktes Mäntelchen für die
neue Thorarolle. Ein Festmahl bei Restaurateur Neuhof in Frankfurt am Main
vereinigte die Chewra-Mitglieder zu einem harmonischen Beschluss der
Feier.
Möge unsere Bruderschaft auch fernerhin in ernster Pflichterfüllung
immer tüchtiger und immer erfolgreicher ihrem Ziele zustreben und stets
segensreich ihren Pflichtkreis erweitern. Hch. Hl." |
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge am Morgen des 10. November
1938 durch SA-Männer aus Frankfurt geschändet und in Brand gesetzt. Da sich in
der Nachbarschaft ein Tanklager befand, wurde das Feuer schnell gelöscht. Am 3.
November 1939 musste die jüdische Gemeinde das Gebäude verkaufen. Es ging an
die Besitzer der benachbarten Autowerkstatt und wurde nun als Lagerraum für
Autos zweckentfremdet. Zerstört wurde die ehemalige Synagoge durch einen
Bombenangriff am 22. März 1944. Das ehemalige Synagogengebäude wurde
von der Autowerkstatt aus nach 1945 noch teilweise repariert, bis es abgebrochen
wurde. Von der ehemaligen Synagoge sollen nur noch zwei Eingangspfosten
stehen.
Am 8. November 1979 wurde auf Initiative der evangelischen Cyriakusgemeinde, der
katholischen St. Antoniusgemeinde und der Rödelheimer SPD am Standort der
ehemaligen Synagoge ein Gedenkstein errichtet. Er wurde gestaltet durch
den Bad Homburger Bildhauer Christof Krause. Die Inschrift lautet (auf
drei Seiten): "Wir ließen zu, dass aus unserer Mitte jüdische Bürger in
Konzentrationslager deportiert und ermordet wurden" (linke Seite). "An
dieser Stelle stand die Synagoge der jüdischen Gemeinde Rödelheim, geweiht am
29. Juni 1838, zerstört am 9./10. November 1938" (Vorderseite, hebräisch
übersetzt 'An dieser Stelle stand die Synagoge der jüdischen Gemeinde
Rödelheim'). "Bringe uns, Herr, zu dir zurück, dass wir wieder
zurück, dass wir wieder heimkommen. Erneue unsere Tage wie vor alters' (rechte
Seite).
Das Denkmal war in den Jahren seit seiner Aufstellung schon mehrfach Ziel von
Anschlägen und Schmierereien.
2014:
Pläne für die Neugestaltung des
Synagogengrundstückes |
Artikel von Sonja Thelen in der
"Frankfurter Rundschau" vom 22. August 2014: "Frankfurt-Rödelheim Die Synagoge sichtbar machen
Der Heimat- und Geschichtsverein Rödelheim will das Mahnmal am Inselgäßchen erweitern. Er möchte die Grundzüge des jüdischen Gotteshauses sichtbar machen. Sie wurde 1938 geschändet und 1944 bei einem Bombenangriff zerstört..."
Link
zum Artikel |
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Bereits seit 2009 plante der
Heimat- und Geschichtsverein Rödelheim die "Synagoge sichtbar zu
machen". Das Luftbild links zeigt das Grundstück der abgebrochenen
Synagoge mit dem Gedenkstein von 1879.
Weitere Informationen in der Website des Heimat- und Geschichtsvereins
Rödelheim: "Darstellung
der Rödelheimer Synagoge".
(Abbildungen aus der Website des Heimat- und Geschichtsvereins
Rödelheim) |
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November
2015: Die Gedenkstätte am
Synagogenplatz wird eingeweiht |
Aus der Website www.synagoge-roedelheim.de:
Nachdem Ende Oktober die Bauarbeiten an der Gedenkstätte der ehemaligen Rödelheimer Synagoge fertiggestellt waren, fand am 6. November 2015 die Einweihungsfeier statt. Projektleiter Dr. Armin Kroneisen begrüßte die Gäste, darunter insbesondere den Bürgermeister Olaf Cunitz, den Kulturdezernenten Prof. Dr. Felix Semmelroth, den Bezirksleiter des Grünflächenamts Stephan Slachmuylders, den Ortsvorsteher Veljko Vuksanovic, Rabbiner Julian-Chaim Soussan, Vertreter der evangelischen und katholischen Gemeinden Rödelheims und den Architekten Horst Günter Kroneisen. Für den musikalischen Rahmen sorgte Nicole Lauterwald, die für Katharina Hackel eingesprungen war. Kroneisen wies die Besucher auf das Begleitblatt zur Veranstaltung hin und dankte allen Spendern, die das Unternehmen ermöglicht haben..."
Weiterer Text mit den zur Einweihungen gehaltenen Reden siehe http://synagoge-roedelheim.de/veranstaltungen/einweihung-der-gedenkstaette/. |
Adresse/Standort der Synagoge: Inselgäßchen
(frühere Judengasse) 9 (Link
zu den Google-Maps)
Fotos
(Quelle: wie angegeben)
Historische Erinnerungen an
die
jüdische Geschichte im Ort |
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Das
"Inselgässchen", genannt
"Judengasse" Anfang des 20.
Jahrhunderts
(Quelle: KR siehe Lit. S. 18) |
Hinweisschild auf die
Druckerei von
M. Lehrberger in der Lorscher Straße
im Hinterhaus, Anfang
des 20.
Jahrhunderts (Quelle: KR siehe Lit. S. 26) |
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Die Synagoge in Rödelheim |
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Blick zur Synagoge von der
Nidda her,
Postkarte vom Anfang des 20. Jahrhunderts
(Quelle: KR s. Lit. S.
40) |
Die Synagoge im Inselgäßchen,
Zeitung um 1920 (Quelle:
KR s. Lit. S. 29) |
Blick zum Toraschrein
(Quelle: KR s.Lit. S. 39) |
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Die zerstörte Synagoge |
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Die zerstörte Synagoge -
Aufnahme nach
der Bombennacht vom 22. März 1944
(Quelle: KR s.Lit. S. 43) |
Die ausgebombte
und wiederaufgebaute
Synagoge auf dem Gelände einer
KfZ-Werkstatt nach
1945
(Quelle: KR s.Lit. S. 65) |
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Persönlichkeiten
(Quelle: KR s. Lit. S. 21.25) |
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Baruch Baschwitz, Buchdrucker
und Finanzfachmann (1765-1836) |
Wolf Heidenheim, Buchdrucker
und Gelehrter (1757-1832) |
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Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
Mai 2016:
Zum Aussehen der Rödelheimer
Synagoge
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Artikel
von Gernot Gottwals in der "Frankfurter Neuen Presse" vom 21.
Mai 2016:
"Mahnung an die junge Generation
Wie sah die Rödelheimer Synagoge aus? Ein Geheimnis, das vom Heimat- und
Geschichtsverein Rödelheim kürzlich gelüftet wurde.
Nur wenig Bildmaterial vermittelt heute noch einen Eindruck vom Aussehen der
Rödelheimer Synagoge: Eine überlieferte Zeichnung von Paul Schubert lässt
ein Sakralgebäude mit hohen runden Fenstern erkennen, weitere Fotos zeigen
das Gebetshaus im Hintergrund oder einen Blick auf den Thoraschrein im
Inneren. 'Das reicht kaum aus, um die genaue Lage des Eingangs zu
bestimmen', erklärt der stellvertretende Vorsitzende des Heimat- und
Geschichtsvereins Rödelheim, Horst Günter Kroneisen. Dann zeigt er den
Versuch einer Computeranimation durch seinen Cousin, den Vorsitzenden Armin
Kroneisen. Rund 40 Teilnehmer haben sich im Begegnungszentrum des
Auguste-Oberwinter-Hauses versammelt und verfolgen gespannt den Versuch, das
Gebäude und die Geschichte der Juden in Rödelheim zu veranschaulichen. Doch:
'Da stehen wir erst am Anfang, suchen nach Erinnerungen oder eingemauerten
Schaufensterscheiben, um die Geschichte der jüdischen Geschäfte zu
erforschen', sagt Horst Günter Kroneisen.
Schon im Jahr 1290 siedelten sechs sogenannte 'Kammerjuden' in Rödelheim,
eine erste Synagoge wird 1730 erwähnt. 'Im Jahr 1812 wurden 426 Juden
gezählt, was immerhin ein Drittel der damaligen Bevölkerung ausmachte',
betont Kroneisen. Die Gründung einer Druckerei für hebräisch-deutsche
Gebetbücher durch Wolf Heidenheim (1757-1832) und Baruch Baschwitz
(1765-1836) hatten einen vermehrten Zuzug aus dem Umland zur Folge. Deshalb
wurde 1838 die neue in der Pogromnacht zerstörte Synagoge in der Schulgasse
eingeweiht, dem heutigen Inselgässchen. Die Idee, die Rödelheimer Synagoge
wieder im Brentanopark sichtbar zu machen, geht bis auf das Jahr 2004
zurück. 'Wir wollten sogar den Zuweg durch die Inselgasse wiederherstellen,
was jedoch am Verkauf eines nötigen Grundstücks durch die Stadt an einem
privaten Eigentümer scheiterte', berichtete Horst Günter Kroneisen. So
erfolgte die Erschließung von der anderen Seite der Straße 'Auf der Insel'.
Auch das bereits 1979 auf Veranlassung des evangelischen Pfarrers Heinrich
Dippel errichtete Mahnmal musste um wenige Meter verlegt werden. Die genaue
Lage der Synagoge ließ sich anhand der Vermessungspläne des Katasteramts gut
erschließen, schon bald wurde das Gelände mit Flatterband markiert. Der
Heimat- und Geschichtsverein verständigte sich mit der Stadt, die
Grundfläche der Synagoge durch acht Sitzblöcke und einen Gedenkstein
anstelle des Thoraschreins zu markieren. Auf der Mauerlinie erinnert eine
Namensstele an die bekannten deportierten und ermordeten Juden, eine
Schautafel dokumentiert die Geschichte der Rödelheimer Juden. 'Auf Dioramen
mit einer Ansicht der Synagoge verzichteten wir, weil für diese teure
Maßnahme unsere Grundlagen einfach zu ungenau waren', erklärte Armin
Kroneisen. Am Ende beliefen sich die Kosten für das Denkmal auf rund 45 000
Euro: Davon übernahm die Stadt 15 000 Euro, der Ortsbeirat 7 steuerte 10 000
Euro bei. Der Heimat- und Geschichtsverein konnte 20 000 Euro durch Spenden
einwerben. Anschließend erklärt Armin Kroneisen, wie die Familie Brentano
den Park in der Nachbarschaft zur Synagoge gestaltete. 'Die Nachbarschaft
war nicht immer harmonisch, da Georg Brentano zum Ausbau des Parks gerne
einen Grundstückstausch vornehmen wollte', erläuterte er. Da die jüdische
Gemeinde jedoch ihr Grundstück wegen der Nähe zur Nidda für ihr Ritualbad (Mikwe)
behalten wollte, verweigerte sie die Zustimmung. Einmal mehr fiel der Blick
auf die Anfang der 1980er Jahre geschändeten Gesichter des Mahnmals im
Brentanopark. Sie selbst sind heute Mahnung, dass gegen fremdenfeindliche
Strömungen immer wieder an die Zerstörung der Synagoge erinnert werden muss.
Sie lebt als Wirkungsstätte auch weltweit fort: 'Denn die
deutsch-israelischen Gebetbücher von Wolf Heidenreich und Baruch Baschwitz
sind bis nach Amerika bekannt', betont Horst Günter Kroneisen."
Link zum Artikel |
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November 2016:
Gedenkstein für die Synagoge wurde
geschändet |
Artikel von Judith Dietermann in der
"Frankfurter Neuen Presse" vom 7. November 2016: "Vandalismus in
Rödelheim. Gedenkstätte mit antisemitischen Parolen beschmiert
Armin Kroneisen, Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins Rödelheim,
ist entsetzt – die erst vor einem Jahr eingeweihte Gedenkstätte 'Rödelheimer
Synagoge' im Brentanopark wurde mit antisemitischen Parolen besprüht.
Betroffen sind der Sockel des alten Mahnmals sowie der Thorastein. 'Wir
vermuten, dass dies in der Nacht auf den Freitag passiert ist. Zuvor ist uns
zumindest nichts aufgefallen', so Kroneisen. Mittlerweile habe eine
Aktionsgruppe über die betroffenen Stellen Transparente gehängt.
'Ich bin schockiert über diese Aktion. Wie kann es sein, dass nach 70 Jahren
Frieden in diesem Land zwei Generationen später solche Dinge passieren',
kann Kroneisen nur den Kopf schütteln. Es sei nicht der materielle Schaden,
der ihn und die anderen Menschen so sehr treffe. Sondern vielmehr das, was
auf die Steine gesprüht wurde. 'Wenn es ein einfaches Graffiti gewesen wäre,
dann ist das ärgerlich aber mehr nicht. Aber wir leben hier gemeinsam auf
einer Welt, da beschimpft man andere Menschen nicht. Vor allem nicht so',
macht er seinem Ärger deutlich Luft. Der Heimat- und Geschichtsverein habe
mittlerweile Anzeige bei der Polizei erstattet. Die Polizei geht davon aus,
dass die bislang unbekannten Täter gleich an mehreren Tagen aktiv waren.
Vermutlich hätten die unbekannten Schmierfinken die Gedenkstätte in der Zeit
von Dienstag bis Freitagnachmittag verunstaltet. Die Kriminalpolizei hat die
Ermittlungen aufgenommen. Ob die Schmierereien bis zum kommenden Sonntag,
13. November, wieder verschwunden sind, kann Armin Kroneisen derzeit noch
nicht absehen. Schön wäre es allerdings, findet er, denn dann beginnt dort
um 16 Uhr traditionell die Gedenkfeier der Friedensinitiative Rödelheim.
Unter dem Motto 'Erinnern, nicht vergessen' treffen sich an der ehemaligen
Synagoge Bürger, um mit Texten an die Rödelheimer zu erinnern, die während
der Herrschaft der Nationalsozialisten verfolgt, vertrieben und ermordet
wurden."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,2 S. 702; III,2 S.
1245-1246. |
| Paul Arnsberg: Die Geschichte der Frankfurter Juden
seit der Französischen Revolution. Band 2 1983. S. 568-595. |
| Keine Abschnitte zu Rödelheim (da Synagoge 1938 zerstört)
in Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 und dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. (bzw. in Neubearbeitung der
beiden Bücher in 2007). |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 120-126. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. |
| Helga Krohn / Katharina Rauschenberger (oben abgekürzt KR): Juden in Rödelheim.
Reihe: Die vergessenen Nachbarn - Juden in Frankfurter Vororten. Hrsg. vom
Jüdischen Museum im Auftrag der Stadt Frankfurt am Main. 1990. |
| Hans-Dieter
Schneider: Geschichte und Geschichten um den Alten Jüdischen
Friedhof in Rödelheim. Beiträge zur Rödelheimer Geschichte 4. Hrsg. vom
Heimat- und Geschichtsverein Rödelheim e.V. Frankfurt am Main - Rödelheim
2015. 152 S. Zu bestellen beim Heimat- und Geschichtsverein Rödelheim
e.V. http://www.hgv-roedelheim.de/ |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Roedelheim
Hesse-Nassau. Established around 1680, the community built its first synagogue
in 1730. From 1798, Wolf Heidenheim and Barukh Baschwitz operated a Hebrew
printing press that made Roedelheim famous throughout Europe. Their prayer books
and Pentateuch went through numerous editions and are still reproduced. The
community ran an elementary school, built a new synagogue in 1838, and numbered
421 (18 % of the total) in 1845. Roedelheim became part of Frankfurt am Main in
1910, but the community was obliged to remain independent under the jurisdiction
of the city's (Orhtodox) rabbinate. It dwindled to 113 (1 %) in 1927. On Kristallnacht
(9-10 November 1938), Nazis vandalized the synagogue, which was sold in 1939.
Most of the Jews remained in Frankfurt; two committed suicide and at least 12
perished in the Holocaust.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|