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Treis an
der Lumda (Stadt Staufenberg/Hessen, Kreis Gießen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Treis
bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit
des 16. Jahrhunderts zurück. Erstmals werden jüdische Einwohner 1595
genannt. Damals mussten 17 Juden aus Treis und dem benachbarten Sichertshausen
(heute Ortsteil der Gemeinde Fronhausen, Kreis Marburg-Biedenkopf) der
Ortsherrschaft eine Sondersteuer im Zusammenhang mit der "Türkensteuer"
bezahlen.
Aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts liegen präzise Zahlen über die
jüdischen Einwohner vor: 1667 25 jüdische Einwohner, 1676 27, 1679 31, 1685
39, 1686 40, 1690 44, 1692 36. Die zunehmende Zahl stand
vermutlich im Zusammenhang mit der Ausweisung der Juden aus Gießen (1662). 1726
wurden sieben jüdische Familien in Treis gezählt. 1744 musste möglicherweise
ein Teil der jüdischen Familien den Ort verlassen, da sie
"untauglich" waren, d.h. vermutlich das geforderte
"Schutzgeld" nicht bezahlen konnten. Mitte des 18. Jahrhunderts werden
genannt: David Aaron, Moses Liebman, Amsell David, Löb Katz und Liebmann Moses
Witwe. Die jüdischen Familien lebten bis weit ins 19. Jahrhundert hinein in überwiegend
sehr armseligen Verhältnissen und verdienten ihren Lebensunterhalt meist als
Vieh- und Kleinhändler, Lumpensammler oder Trödler. 1782 wurden 16 jüdische
Familien in Treis gezählt.
Anfang des 19. Jahrhunderts werden die jüdischen Familien Hammerschlag,
Wetzstein und Kaiser in Treis genannt. Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte
sich im 19. Jahrhundert wie folgt: 1835 54 jüdische Einwohner, 1850 75,
1861 72 (6,1 % von insgesamt 1.185 Einwohnern), 1880 77 (7,2 % von 1.064), 1895
88 (8,3 % von 1.052 in 22 Familien), 1910 70 (5,9 % von 1.179). Seit Mitte
des 19. Jahrhundert setzte die Auswanderung (nach Nordamerika) und die
Abwanderung in die größeren Städte ein. So zog Samuel Ebstein aus Treis zog
in den 1870er-Jahren als Börsenmakler nach Frankfurt, Jakob Ziegelstein leitete
ebenda einige Jahre später ein Bankhaus. Der Metzger Meier Wetzstein wanderte
in den 1880er-Jahren in die USA aus und gründete dort eine Wurstfabrik. Ungewöhnlich
starke Erfolge verzeichneten die Antisemiten in Treis seit Ende des 19.
Jahrhunderts: bis zum Ersten Weltkrieg erreichten sie in Mainzlar drei Viertel
der abgegebenen Stimmen.
Insgesamt waren die jüdischen Familien jedoch im Leben des Ortes, vor allem
auch in den Vereinen weitgehend integriert. Der Kaufmann Levi Wetzstein II
(zugleich Vorsteher der jüdischen Gemeinde) war von 1927 bis 1932 im
Gemeinderat der bürgerlichen Gemeinde. Um 1920 lebten insbesondere
folgende Familien am Ort: Jakob Hammerschlag (Manufakturwarengeschäft,
Hauptstraße 24), Moses Hammerschlag (Hauptstraße 72), Salomon Hammerschlag II
(Manufaktur- und Kolonialwarengeschäft, Hauptstraße 86), Emil Reinberg
(Hauptstraße 52), Hermann Wetzstein (Weinbergstraße 4, ehemals jüdische
Metzgerei), Israel Wetzstein (Hauptstraße 30), Leopold Wetzstein (Metzgerei,
Hauptstraße 19), Levi Wetzstein I (Hauptstraße 85), Levi Wetzstein II
(Wohnhaus Hauptstraße 39, Manufakturwarengeschäft Hauptstraße 66), Moses
Wetzstein (Hauptstraße 73, siehe unten Bericht
des Sohnes Ewald Wetzstein), Hermann Ziegelstein (Gartenstraße 6), Isaak
Ziegelstein (Pfarrstraße 32), Siegmund Ziegelstein (Hauptstraße 29).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule (Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Schließung 1870 zeitweise jüdische
Elementarschule; im jüdischen Schulhaus Hauptstraße 90, im Hinterhaus Wohnung
des Lehrers), ein rituelles Bad (im jüdischen Schulhaus) und ein Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. In der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts werden als Lehrer Jakob Haas und Hermann
Ebstein genannt, um 1865 Lehrer Wolf Plaut. Langjähriger Vorsteher
der jüdischen Gemeinde war bis zu seinem Tod 1920 der Metzger Markus Wetzstein. Aus
der Familie Wetzstein kamen im 19./20. Jahrhundert über mehrere Generationen
die Vorsteher der Gemeinde.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Leopold Wetzstein
(geb. 16.2.1882 in Treis, vor 1914 in Münster, Westfalen wohnhaft, gef.
10.2.1917).
Um 1924, als noch 57 jüdische Einwohner gezählt wurden (4,7 % von
1.211 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde der bereits genannte
Kaufmann Levi Wetzstein II, Moses Wetzstein und Emil Reinberg. Den
Religionsunterricht der an höheren Schulen lernenden Kinder der Gemeinde wurde
durch Rabbiner Dr. Sander aus Gießen erteilt. Die Gemeinde gehörte zum
liberalen Provinzialrabbinat in Gießen. 1932 waren die Gemeindevorsteher
Levi Wetzstein II, Fritz Krebs und Hermann Ziegelstein. Als Kantor wird Jacob
Hammerschlag genannt. Im Schuljahr 1931/32 besuchten die Religionsschule der
Gemeinde 5 Kinder.
1933 lebten noch etwa 50 jüdische Personen in Treis. In den
folgenden Jahren ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Von den etwa 15 jüdischen
Familien konnte etwa die Hälfte auswandern: 10 Personen in die USA, 6 Personen
nach Südamerika, 2 Personen nach Südafrika, 1 Person nach Palästina. 10
Personen verzogen in andere Städte. Zu den Ereignissen beim Novemberpogrom 1938
vergleiche Bericht
unten von Ewald Wetzstein. 1939 wurden die noch am
Ort lebenden jüdischen Einwohner im Gebäude des jüdischen Schulhauses
Hauptstraße 90, im Haus Hauptstraße 66 und im Haus Weinbergstraße 4 unter engsten Verhältnissen zusammenziehen. Im
September 1942 wurden die letzten noch am Ort lebenden jüdischen
Personen deportiert.
Von den in Treis geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945" sowie der Liste von Volker Hess s.Lit.): Karoline Adler
geb. Hammerschlag (1893), Rosa Aron geb. Ziegelstein (1890), Anschel
Hammerschlag (1856), Hermann Hammerschlag (1874), Lina (Zerline) Hammerschlag
(1863), Max Hammerschlag (1876), Moses Hammerschlag (1874), Hermann Wetzstein (1883),
Tirza Löb geb. Stein (1886), Jettchen Seewald geb. Wetzstein (1875), Julchen
Stern geb. Hammerschlag (1882), Friedrich Wetzstein (1888), Hermann Wetzstein
(1883), Levi (Löb) Wetzstein II (1872), Liselotte Wetzstein (1922), Minna Wetzstein geb.
Joseph (1882), Selma Windecker geb. Ziegelstein (1888), Bernd Jakob Wolff (1935), Henriette Wolff geb. Löwenstein
(1875), Jakob Wolff (1875), Liesel Wolff (1929), Rose (Rosi) Wolff geb. Plaut
(1900), Alice Ziegelstein (1924), Else Ziegelstein geb. Goldschmidt (1902),
Jettchen Ziegelstein (1883), Sally Ziegelstein (1881), Siegmund Ziegelstein (1892).
1990 wurde in Staufenberg ein Gedenkstein vor dem Rathaus
enthüllt mit Namen der aus den Stadtteilen Staufenbergs in der NS-Zeit
umgekommenen jüdischen Personen. Auf einer Gedenktafel stehen die Namen (kursiv
nachstehend die Namen der aus Treis stammenden Personen): Adolf Karbe, Else
Karbe geb. Rosenthal, Recha Karbe, Renate Karbe, Zilla Karbe, Otto Levy, Arthur
Nathan, Gerdi Nathan, Leni Nathan, Manfred Nathan, Ruth Nathan, Selma Nathan
geb. Plaut, Lina Rosenthal geb. Rosenthal, Martin Rosenthal, Siegfried
Rosenthal, Hermann Wetzstein, Liselotte Wetzstein, Minna Wetzstein, Bernd
Wolff, Henriette Wolff geb. Löwenstein, Israel Wolff, Jakob Wolff, Rose Wolff
geb. Plaut, Liesel Wolf, Alice Ziegelstein, Siegmund Ziegelstein, Jettchen
Ziegelstein geb. Ziegelstein.
In der Nacht zum 31. Mai 1992 wurde die Gedenktafel von Unbekannten
beschädigt.
Auf dem jüdischen Friedhof von Treis befindet sich seit 1978 ein Mahnmal
mit der Inschrift: "Den Lebenden zur Mahnung, den Toten zur Ehr und den
durch das Naziregime umgekommenen Mitbürgern der Gemeinde Treis zum
Gedenken".
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1868 / 1889
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Juni 1868:
"Die Stelle eines Religionslehrers bei der israelitischen Gemeinde zu
Treis an der Lumda, mit einem jährlichen Einkommen von 400 Gulden, steht
offen, und ist alsbald zu besetzen. Bewerber wollen sich unter Vorlegung
ihrer Zeugnisse bei dem Unterzeichneten melden. S. Kann in Mainzlar." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Juni 1889: "Durch
Versetzung unseres Lehrers ist die Stelle als Religionslehrer, Vorbeter
und Schochet pr. sofort wieder zu besetzen. Gehalt 750 Mark nebst freier
Wohnung. Treis a. L. und Allendorf, 9. Juni 1889. Der Vorstand Markus
Hammerschlag. Simon Liebermann". |
Lehrer Wolf Plaut hat eine Agentur übernommen
(1865)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27. Juni 1865:
"Herr Lehrer Wolf Plaut in Treis a.d.L. (Kurhessen) hat eine
Agentur übernommen.
Das Institut zur Förderung der israelitischen Literatur". |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Bildung eines gemeinsamen Verbandes "Jeschurun" (1905)
Mitteilung
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14. April 1905:
"Am 26. vorigen Monats wurde aus den Synagogengemeinden Londorf,
Allendorf a.L., Treis a. L. und Nordeck
ein Verband gebildet, der bezweckt, die idealen Interessen des Judentums
zu fördern, und zwar durch Verbreitung der jüdischen Geschichte und Literatur,
durch die Pflege der Geselligkeit in den einzelnen Gemeinden und durch die
Ausübung der werktätigen Nächstenliebe. Der Verband führt den Namen 'Jeschurun'." |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Todesanzeige für den langjährigen Gemeindevorsteher Markus Wetzstein
(1920)
Anzeige
im "Gießener Anzeige vom 16.12.1920: "Heute nacht verschied
nach kurzem Leiden mein lieber, guter Mann, mein lieber Sohn, Vater,
Schwiegervater, Schwager und Onkel Herr Markus Wetzstein, Metzger
und langjähriger Vorsteher der hiesigen israelitischen Gemeinde im Alter
von 66 Jahren. In tiefem Schmerz: Die trauernden Hinterbliebenen.
Treis
a.d. Lda., 15. Dezember 1920. Die Beerdigung findet Freitag, den 17.
Dezember, vormittags 11 Uhr statt." |
Drei historische Dokumente für Israel Wetzstein
(Quelle: Arnsberg Bilder s. Lit. S. 191; Anmerkung: der Viehhändler Israel
Wetzstein konnte noch in die USA emigrieren, wo er 1943 starb)
Links:
Ehrenurkunde, verliehen an Israel Wetzstein. Text: "Gott / Ehre /
Vaterland. Israel Weinstein erhält in Anbetracht seiner 30jährigen
Mitgliedschaft im Kriegerverein Treis a.d. Lda. / Krieger-Kameradschaft
Hassia / diese Urkunde. Treis, den 1. Februar 1927. Der Vorstand". |
|
Auszeichnung von 1929 für Israel Wetzstein für "ehrenvolle
Teilnahme am Weltkrieg 1914/18" mit der "Kriegsdenkmünze
1914/18 des Kyfhäuser-Bundes". |
|
Noch
1935 (!): Verleihung des "Ehrenkreuzes für Frontkämpfer" an
den Viehhändler Israel Wetzstein "Im Namen des Führers und
Reichskanzlers". |
Nach 1945: Geburtsanzeige einer Tochter von Manfred
Lehman und Rose geb. Oppenheim (1949 USA)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Aufbau"
vom 22. April 1949:
"We are happy to announce the arrival of our daughter
Linda Hedy
on April 9, 1949.
Manfred and Rose Lehman née Oppenheim
1601 W. Philadelphia Detroit 6, Mich.
(formerly Schaafheim - Hessen) (formerly
Treis - Hessen)". |
Kennkarten
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarte
für den in Treis an der Lumda
geborenen Julius Ziegelstein |
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Kennkarte
(Mainz 1939) für Jeisel genannt Julius Ziegelstein (geb. 1.
Juli 1853 in Treis an der Lumda) |
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Zur Geschichte der Synagoge
Im 18. Jahrhundert dürfte ein Betsaal vorhanden gewesen sein.
Eine Synagoge wurde 1829 erbaut. Es handelte sich ursprünglich um ein einfaches,
zweigeschossiges Fachwerkgebäude, das später durch Massivteile ersetzt wurde.
1879 wurde der Innenraum erneuert. In der Synagoge gab es 64 Plätze für
Männer, auf den Emporen 45 für Frauen. 1912 wurde die elektrische Beleuchtung
in der Synagoge installiert.
Zum 100jährigen Bestehen der Synagoge wurde das Gebäude 1928/29 umfassend
renoviert und am 13./14. September 1929 neu eingeweiht.
Wiedereinweihung der Synagoge in Treis am 13./14. September 1929
Artikel
in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins")
vom 20. September 1929: "Die jüdische Gemeinde Treis a.d. Lumda,
Kreis Gießen, hat aus Anlass ihres 100jährigen Bestehens ihre alte
Synagoge vollständig neu herrichten lassen. Die Einweihung wurde in
Anwesenheit des evangelischen Pfarrers, des Bürgermeisters und eines Vertreters
der Lehrerschaft in feierlicher Form vollzogen. Die umliegenden
israelitischen Gemeinden waren durch Abordnungen vertreten. Der erste
Vorsteher der Festgemeinde, Herr Levi Wetzstein, begrüßte die Gäste und
Provinzialrabbiner Dr. Sander (Gießen) hielt die Festpredigt." |
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Artikel
im "Gießener Anzeige vom 16. September 1929: "Synagogen-Hundertjahrfeier
in Treis a.d. Lda.
Treis a.d. Lda. 15. September (1929). Die vor hundert Jahren hier erbaute
Synagoge hatte zur Hundertjahrfeier ein festliches Gewand angelegt. Das
gründlich renovierte Gotteshaus war mit Blumen geschmückt.
Weißbindermeister Georg Schick und Maurermeister Gotthard Amend haben
für die schöne Neugestaltung des Gotteshauses ihr Bestes getan. Der
äußere Verputz des Hauses ist in schlichtem Grau gehalten. Die einzige
Zierde bildet ein über dem Eingang angebrachter Davidstern. Farbe und Ton
des Anstriches im Innern sind nicht wesentlich verändert worden.
Vorlesepult und heilige Lage sind auf einem erhöhten Postament
untergebracht. Über dem ganzen wölbt sich als Decke ein gestirnter
Himmel.
Zur Einweihungsfeier am Freitagnachmittag waren zahlreiche Gäste aus der
näheren Umgebung erschienen. Als Vertreter der evangelischen Kirche
bemerkte man Pfarrer Böchner und Lehrer Heinrich Walter. Die politische
Gemeinde war durch Bürgermeister Konrad Michel und durch
Gemeinderatsmitglied Konrad Zecher vertreten; ein schönes Zeichen der
konfessionellen Eintracht, wie sie erfreulicherweise in unserem Orte
herrscht.
Ein Gesangsvortrag des Gießener Synagogenkantors J. Marx unter
Harmoniumbegleitung von A. Kasten gab der Einweihungsfeier den würdigen
Auftakt. Provinzialrabbiner Dr. Sander wählte als Geleitwort seiner
Festrede Vers 7,8 des Psalm 26. 'Ich lasse erschallen die Stimme des
Dankes, um zu erzählen all deine Wunder. Ewiger, ich liebe die Stätte
deines Hauses, und den Ort, wo deine Herrlichkeit thront.' Rabbiner
Dr. Sander wies in seiner Rede darauf hin, dass nur einem Teil wahrer
Religiosität durch die Errichtung eines Gotteshauses gedient sei. Neben
die äußere Würdigung des Gottesglaubens durch eine würdige Stätte der
Verehrung muss auch noch die innere Glaubensstärke hinzutreten.
Gemeinderat und Vorsteher der Religionsgemeinde Levi Wetzstein - der
Urenkel des Mannes, der vor 100 Jahren de Synagogenbau erwirkt hatte; der Enkel
lebt noch im hohen Alter von fast 90 Jahren in Gießen - widmete seine
Worte insbesondere den anwesenden Handwerksmeistern, denen er den Dank der
Gemeinde für ihre vorbildliche Arbeit abstattete. Nachdem der Segen über
die Gemeinde gesprochen, wurde die Feier mit einem Harmoniumvortrag
stimmungsvoll beendet.
Den zweiten Hauptteil des Festes bildete der Festgottesdienst am Samstag
früh in Anwesenheit des Rabbiners, der in seiner Predigt den Wert
einzelner Vorschriften des Pentateuchs, die vorher als Wochenabschnitt
verlesen worden waren, eingehend würdigte. Nächstenliebe und ehrenvolle
Behandlung sogar des Feindes verlangen diese Kapitel aus dem fünften
Buches Mosis. Es ist notwendig für jeden als einzelnen, auch einmal Opfer
für die Allgemeinheit zu bringen. Besonders in der heutigen Zeit, wo der
Staat von dem einzelnen Wohlhabenden nicht wenig Opfer verlangt, zeigt der
Vers 5. Mose 19,24 die Pflicht der Wohltätigkeit in eindringlicher Weise:
'Wenn du deine Ernte auf deinem Felde erntest und vergisst eine Garbe auf
dem Felde, so sollst du nicht zurückkehren, sie zu nehmen; dem Fremdling,
der Waise und der Witwe soll es gehören, auf dass dich segne der Ewige
dein Gott in allem Werke deiner Hände.'
Abends fand als Abschluss eine größere gesellige Veranstaltung in Form
eines Balles statt, der einen so zahlreichen Besuch auszuweisen hatte,
dass der Saal viel zu klein war. Die flotten Weisen der aus Mitgliedern
der Gießener Militärmusik bestehenden Kapelle hielten die Anwesenden
noch lange Zeit beisammen." |
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Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 20. September 1929:
Weiterer Bericht - zum Lesen bitte Textabbildung anklicken |
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge durch SA-Leute und
Hitlerjugend schwer geschändet. Die Inneneinrichtung mit Toraschein, Torarollen
usw. wurde auf den Platz vor das (alte) Treiser Rathaus geschleppt und dort
verbrannt (vgl. Bericht unten von Ewald Wetzstein. 1939 wurde das Synagogengebäude von einem nichtjüdischen
Privatmann übernommen, der es bis in die 1950er-Jahre als Abstellraum und
Scheune zweckentfremdete und es dann zum Bau einer neuen Scheune abbrechen
ließ.
Adresse/Standort der Synagoge: Hauptstraße 63
Fotos
(Quelle: Arnsberg Bilder S. 191)
Historisches Fotos 1929 |
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Zur Wiedereinweihung am
14./15. September
1929 nach der umfassenden Renovierung
ist die Synagoge
festlich geschmückt |
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Gedenkstein /
Gedenktafel |
Fotos werden noch
ergänzt - über Zusendungen freut sich der Webmaster von
Alemannia
Judaica; Adresse siehe Eingangsseite. |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Juni 2009:
Besuch von Ewald Wetzstein aus Chile (geb. 1922 in
Treis) |
Artikel in der "Giessener Allgemeinen" vom 24. Juni 2009 (Artikel):
»Meine Heimat ist das Land, das mich am Leben lässt«
Lollar/Staufenberg (mb). Nach seiner »Botschaft« gefragt, sagt der 86-jährige Ewald Wetzstein aus der chilenischen Hauptstadt Santiago, der in diesem Jahr noch 87 wird, er wünsche alles Gute und keine Schwierigkeiten zwischen den Menschen, die in einer Welt leben...".
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Juli / September
2011: Ende September werden in Treis,
Mainzlar und Staufenberg "Stolpersteine" verlegt |
Artikel in der "Gießener Zeitung"
vom 18. Juli 2011 (Artikel,
es wird nicht der vollständige Artikel zitiert): "'Stolpersteine' auch für Staufenberg
Europaweites Kunst- und Erinnerungsprojekt für die Opfer der
NS-Zeit
Margarete Hettche, Heinrich Lölkes, die Familien Ziegelstein, Wetzstein und Nathan, Otto Levy, Heinrich Geißler ... einige Staufenberger werden sich an diese Menschen noch erinnern. Vor ungefähr 70 Jahren gehörten sie zu
Treis, Mainzlar und Staufenberg, waren Einwohner der Gemeinden, waren als Nachbarn bekannt, gehörten zur Gemeinschaft...".
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September 2011:
Zur Verlegung der "Stolpersteine" in
Treis, Mainzlar und Staufenberg |
Artikel in der "Giessener Allgemeinen" vom 23. September 2011 (Artikel):
"'Stolpersteine' werden in Staufenberg verlegt
Staufenberg (js). Steine gegen das Vergessen: Seit 1995 werden unter der Leitung des Kölner Künstlers Gunter Demnig auf Plätzen und Bürgersteigen vor ehemaligen Wohnhäusern von Opfern des Nationalsozialismus’ Messingplatten verlegt.
Darauf werden Name, Geburtsjahr, Tag der Deportation und Todesdatum eingraviert. Auch in Staufenberger Stadtteilen erfolgt in den nächsten Tagen diese symbolische Geste.
'Stolpersteine' werden am 29. September und am 5. Oktober angebracht..." |
|
Oktober 2011:
"Stolpersteine" wurden in Treis und
Mainzlar verlegt |
Artikel in der "Gießener
Allgemeinen" vom 30. September 2011: "'Stolpersteine' gegen
das Vergessen in Staufenberg verlegt.
Staufenberg. Das Projekt Stolpersteine wird in der Region vorgeführt.
Der Kölner Künstler Gunter Demnig verlegte gestern einige Messingplatten
in Staufenberg und Treis. Dabei kam es zu bewegenden Momenten, als
Teilnehmer spontan Blumen neben den Steinen niederlegten..."
Link
zum Artikel. |
|
Artikel in der "Gießener
Allgemeinen" vom 9. Oktober 2011: "Familien Nathan,
Wetzstein, Ziegelstein gedacht.
Staufenberg (age). Im August 1942 begannen die Behörden, auch im
Kreis Gießen mit der systematischen Deportation jüdischer Bürger. Mit
dem Projekt 'Stolpersteine' will der Kölner Künstler Gunter Demnig
verhindern, dass die Opfer des Terrors in Vergessenheit geraten."
Link
zum Artikel. |
|
Februar/März 2012:
Dokumentation "Stolpersteine gegen das
Vergessen" |
Artikel in der "Gießener
Allgemeinen" vom 29. Februar 2012: "Dokumentation gegen das
Vergessen an der CBES in Lollar.
Lollar / Staufenberg (js). Die Stadt und Schulmediothek der
Clemens-Brentano-Europaschule Lollar / Staufenberg war bereits während
der Ausstellungseröffnung überfüllt: Schüler und Lehrer haben auf der
Etage, min der die Bücherei ihren Platz hat, eine Dokumentation unter dem
Titel 'Stolpersteine gegen das Vergessen' zusammengestellt..."
Link
zum Artikel |
|
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 306-308. |
| ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. 191. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 88-89. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 73-74. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S. 48. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 217-218. |
| Volker Hess: Geschichte der Juden in den heutigen
Ortsteilen Staufenbergs Daubringen, Mainzlar, Staufenberg und Treis.
Staufenberg 1990 (20. Juni 2002). Online
zugänglich über eine Seite des Stadtarchivs Staufenberg (pdf-Datei). |
|
Hanno
Müller: Juden in Staufenberg. Familien in Daubringen - Staufenberg -
Mainzlar - Treis/Lumda - Lollar - Ruttershausen. Hrsg. von der Ernst Ludwig
Chambré-Stiftung in Lich. Lich 2022. ISBN 978-3-96049-100-2. Zu beziehen
über den Autor: E-Mail:
hanno.mueller@fambu-oberhessen.de |
|
Barbara
Wagner: Juden in Staufenberg. Stolpersteine in Staufenberg - den
Ortsteilen: Daubringen Mainzlar Treis an der Lumda. Lich 2022.
ISBN 978-3-96049-104-0.
Hinweis: Die Veröffentlichung ist ausschließlich über das Stadtarchiv
Staufenberg, Tarjanplatz 1, 35460 Staubenberg,
info@staufenberg.de zu beziehen.
Auch alle Rückmeldungen und Anfragen sind ausschließlich dorthin zu richten.
|
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Treis an der
Lumda Hessen. The community, dating from 1654, opened a synagogue
(1829) and numbered 88 (4 % of the total) in 1895. Four generations of the
Wetzstein family were associated woth its leadership. A pogrom was organized on Kristallnacht
(9-10 November 1938). Of the 59 Jews who lived there after 1933, 42 managed to
escape (28 emigrating) beforde Worldwar II. Nine others were deported in
1942.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|