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jüdischen Friedhöfe im Main-Kinzig-Kreis
Windecken (Stadt
Nidderau, Main-Kinzig-Kreis)
Jüdischer Friedhof
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Siehe Seite zur Synagoge in Windecken (interner
Link)
Zur Geschichte des Friedhofes
Der jüdische Friedhof in Windecken ist
Ende des 15. Jahrhunderts (1497) angelegt worden. Bis dahin wurden die Toten der
Windecker Juden im jüdischen Friedhof in Frankfurt (Friedhof Battonstraße)
beigesetzt. Auf Grund drastischer Erhöhungen der Bestattungsgebühren für
auswärtige Juden durch den Rat der Stadt Frankfurt, die von den jüdischen
Familien kaum noch aufgebracht werden konnten, gestattete Graf Philipp von Hanau
1497 der Windecker Judenschaft die Anlage eines eigenen Begräbnisplatzes in
Windecken. Dieser Friedhof war von Anfang an auch für die übrigen Juden der
Grafschaft Hanau gedacht. So wurden in Windecken u.a. die in Hanau
(bis 1603/08), Ostheim, Marköbel
(bis 1824),
Heldenbergen (bis 1818), Bockenheim
(bis 1714) und Bergen
(bis um 1700; der alte Friedhof in Bergen wurde vermutlich zwischen 1660 und
1717 angelegt) verstorbenen jüdischen Personen beigesetzt, bis diese Gemeinden
teilweise eigene Friedhöfe
anlegten.
1505 erfährt man, dass der Totengräber auf dem Friedhof ein Haus hatte
und dass ihm für seine Dienste neben einer Bezahlung für die einzelnen
Beisetzungen auch das Gras des Friedhofes und anderes zustand. Die Namen
mehrerer Totengräber sind in den Urkunden überliefert (1505 Loser, 1525
Rufens, 1546 Jacob, 1569 David, 1597 Aron). Die Unterhaltspflicht des
jüdischen Friedhofes lag damals bei der Stadt Windecken, die gegen pauschale
Gebühren der Judenschaft u.a. für dessen Einfriedung zu sorgen
hatte.
Der Friedhof wurde mehrfach erweitert (1715, 1835, zuletzt 1884). Nach der
Anlage eigener Friedhöfe in Heldenbergen und Marköbel (1818/24) wurden nur
noch die in Ostheim und Windecken verstorbenen jüdischen Personen hier
beigesetzt. Im Zeitraum zwischen 1825 und 1925 waren dies etwa 200 Beisetzungen
auf dem Friedhof.
Die letzten Beisetzungen auf dem Friedhof waren zwischen 1933 und 1937.
Bei der Beerdigung von Max Oppenheimer Ende 1933 gingen noch mehrere Christen
mit zur Beerdigung. Bei der Beisetzung von Kaufmann Julius Kahn im August 1935
kam es zu massiven Einschüchterungen durch die SA Windecken, die die Teilnahme
von Nichtjuden bei der Beerdigung verhinderten. Die letzte Beisetzung war im
April 1937 diejenige von Willi Müller.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde der Friedhof schwer geschändet. Viele
Grabsteine wurden umgeworfen und zerstört. Seit Mai 1939 waren Beisetzungen auf
dem Friedhof offiziell verboten. Im Januar 1941 wurde der Friedhof
landespolizeilich geschlossen. Der letzte Vorsitzende der Gemeinde - Salli
Reichenberg - musste den Friedhof, nachdem er 443 Jahre im Besitz der jüdischen
Gemeinde Windecken war, unter Druck und unter Preis verkaufen. 1942 war der
Friedhof zu einer Stätte der Verwüstung geworden. Im August 1942 wurden
die verbliebenen Steine an einen Steinmetz in Bruchköbel für 100 RM erkauft.
Andere Grabsteine wurden zu Treppenstufen im Rathaus verarbeitet oder von
Windecker Privatleuten als Baumaterial verwendet. Nach der Abräumung des
Friedhofes wurde 1943 ein Kindergarten/ Kinderheim der Nationalsozialistischen
Volkswohlfahrt (N.S.V.) auf dem Friedhof erbaut (Eröffnung am 2. Juli 1943).
Nach dem Bombenangriff auf Hanau im März 1945 wurde der Kindergarten
aufgelöst; das Gebäude diente nun als Wohnraum für drei ausgebombte Familien
aus Hanau.
In den 1950er-Jahren kam es erst auf Drängen von Nachkommen jüdischer
Familien aus Windecken und nach harten Auseinandersetzungen zwischen der
jüdischen Vermögensverwaltung JRSO und der Stadt Windecken zu einer
"Wiederherstellung" des jüdischen Friedhofes. 1957 wurde die
Baracke des früheren N.S.V.-Kinderheimes abgebrochen und das Gelände
eingeebnet. Erst auf Grund weiterer Bemühungen eines frühen jüdischen
Bewohners entschloss sich die Stadt zur Errichtung eines Gedenksteines mit den
Worten "Zum Gedenken der Toten der jüdischen Gemeinden Windecken und
Ostheim". Bei den Umgrabungsarbeiten wurden vier Grabsteine gefunden, von
denen drei um diesen Gedenkstein herum in die Erde gesetzt wurden.
Aus der Geschichte des Friedhofes
Mutwillige Beschädigungen des Friedhofes des Friedhofes kamen immer wieder vor.
1828 ist die Rede von Reparaturkosten für "die schön öfter notwendig
gewesene Wiederherstellung des von den christlichen Einwohnern in Windecken mutwillig
beschädigten Totenhoftores". Im Zusammenhang mit der Hetze der Antisemiten um 1890 kam es zu einer ersten
schweren Friedhofschändung im Frühjahr 1891, bei der nach der Antisemitenversammlung
in Windecken (Näheres dazu auf der Seite zur Synagoge
in Windecken). Grabsteine des Friedhofes umgeworfen wurden. Davon
erfährt man im Zusammenhang mit einem Bericht über eine Antisemitenversammlung
in Groß-Gerau im Mai 1891.
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Mai 1891: "Groß-Gerau, 4.
Mai (1891). Die angekündigte Antisemiten-Versammlung fand heute
Nachmittag hier statt. In Ermangelung eines Lokals, denn kein Wirt hatte
seinen Saal für den Antisemitenhäuptling hergegeben, gab man sich in der
auf freiem Felde liegenden Dreschhalle Rendezvous (Anmerkung: Herr Böckel,
der sich in seinem ‚Reichsherold’, in dem der dümmste Quatsch auf das
Langweiligste breit getreten wird, über diese Versammlung anfänglich gründlich
ausschwieg, berichtet endlich am 12. Mai, dass die Versammlung so groß
gewesen sei, dass kein Lokal in Groß-Gerau sie hätte fassen können). Es
muss als eine Ironie des Schicksals bezeichnet werden, in einem Raum, der
sonst dem Dreschen des Strohs gewidmet ist, den Hetzapostel seine
Alltagsrede abwickeln zu sehen. Ab und zu wurde ihm von dem zahlreich
erschienenen Volk, das sich heute kein billigeres Vergnügen verschaffen
konnte, als Böckel’s Arena zu besuchen, wilder Beifall gezollt. Das
anständigere Publikum Groß-Geraus und der Umgegend blieb der Versammlung
fern. Der Inhalt der Rede erstreckte sich über alles Mögliche und Unmögliche.
Keine Partei blieb unverschont. Die Freizügigkeit, Gewerbefreiheit,
Konkursordnung, Zivilprozessordnung usw., alles wurde zitiert, um
vermittelst an den Haaren herbeigezogener Beispiele die falsche
Gesetzgebung zu beleuchten, die den Mittelstand untergräbt. Antisemiten-Häuptling
Böckel hält es für das beste Mittel, um dem geringen Stand aufzuhelfen,
die Konkursordnung umzugestalten. Redner vergisst wohlweislich anzugeben,
dass gerade im antisemitischen Lager in der letzten Zeit sich Bankrotteure
der schlimmsten Sorte produziert haben. Böckel gibt ferner seinem
Unwillen darüber Ausdruck, dass er in der jüngsten Donnerstagsitzung im
Reichstag, nachdem 5 Gegner gegen seine Partei gesprochen hätten, nicht
zu Wort habe kommen können. Wir hätten dem Reichstag das Vergnügen, den
Teutschesten aller Teutschen zu hören, nicht missgönnt. Das volle Maß
seines Zornes ergießt sich über das bürgerliche Gesetzbuch, das in
seiner jetzigen Fassung den völligen Ruin des Mittelstandes herbeiführen
muss. Nur schade, dass man an hoher Stelle die großen Kenntnisse Böckel’s
nicht zu würdigen weiß, sonst hätte man ihn doch in die Kommission wählen
müssen. Er spricht von dem Elende Italiens, von der Verjudung des
hessischen Landtags, von der in 1893 stattfindenden hessischen
Landtagswahl, von der Presse, und fordert schließlich die Versammelten
auf, sein Blatt zu unterstützen. Die ganze Rede war eine Aufhetzung der
hier friedlich nebeneinander wohnenden Konfessionen. Nicht wäre es zu
wundern, wenn sich die Exzesse wiederholen, wie in Windecken, wo man nach
einer Versammlung die Grabsteine des jüdischen Friedhofs umriss. Wie
weit diese gemeinen Hetzereien führen, wird die Zukunft lehren. Aber es wäre
endlich an der Zeit, wenn diesem Treiben, das der hochselige Kaiser
Friedrich als eine Schmach des Jahrhunderts bezeichnete, ein Ende bereitet
würde." |
Lage des Friedhofes
Der jüdische Friedhof liegt an der Eugen-Kaiser-Straße
gegenüber dem Evangelischen Gemeindezentrum.
Fotos
(Historische Fotos aus dem Buch von M. Kingreen s.Lit.; neuere
Fotos: Hahn, Aufnahmedatum: 22.3.2009)
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Historische Ansicht
von Windecken
(Flugzeugaufnahme um 1930).
Links der Hanauer Straße der
jüdische,
rechts der christliche Friedhof. |
1907 wurde der
Friedhof an der
westlichen Seite mit einer neuen
Umfassungsmauer umgeben.
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Unfall in den
1930er-Jahren: ein Lastwagen
durchbrach die Mauer und überschlug sich
auf
dem jüdischen Friedhof. Erkennbar
ist die Umfassungsmauer von 1907. |
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Oben:
Im Juni 1988 besuchten die damals noch lebenden früheren jüdischen
Bewohner von
Windecken, Ostheim und Heldenbergen den Friedhof: Erstmals
nach der Zerstörung des
Friedhofes in der NS-Zeit konnte im Minjan wieder
Kaddisch für die Toten gebetet werden. |
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Der
Friedhof im Frühjahr 2009 |
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Das Eingangstor |
Hinweistafel |
Oben und unten:
Blick über die in der
NS-Zeit abgeräumte Friedhofsfläche |
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Gedenkstein
"Zum Gedenken der Toten der jüdischen Gemeinden
Windecken und
Ostheim" |
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Die
drei - heute unlesbar gewordenen - Grabsteine. Es handelt sich um die
Grabsteine von Malchen Adler geb. Strauss (1837 in Ober-Seemen -
1897 in
Ostheim), Moritz Stern (1874-1909 in Windecken) und Ephraim Wolf
(gest.
1888 in Windecken) |
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Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Arnsberg II,406-408. |
| Monica Kingreen: Jüdisches Landleben in Windecken, Ostheim und
Heldenbergen. Hg. von der Stadt Nidderau. Hanau 1994 (mit weiteren
Literaturangaben). CoCon Verlag
Hanau. |
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