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Züschen (Stadt
Fritzlar, Schwalm-Eder-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Züschen bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17./18. Jahrhunderts
zurück. Bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts gab es einige jüdische Familien
in der Stadt. 1724 waren es fünf Familien, 1759 sechs Familien
mit zusammen 50 Personen.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1826 58 jüdische Einwohner, 1905 19 (2,9 % von insgesamt 641
Einwohnern).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule
(Religionsschule), ein rituelles Bad und ein Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war im 19. Jahrhundert
vermutlich - zumindest zeitweise - ein jüdischer Lehrer angestellt, der auch
als Vorbeter und Schochet tätig war. Ansonsten wurde der Unterricht durch
auswärtige Lehrer übernommen, der Vorbeterdienst ehrenamtlich durch
Gemeindemitglieder.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Hermann Katz (geb.
20.9.1885 in Züschen, gef. 6.9.1914) und Moritz Katz (geb. 22.8.1890 in
Züschen, gef. 2.1.1915). Außerdem sind gefallen: Willy Nathan Speier (geb.
15.12.1878 in Züschen, vor 1914 in Wuppertal-Barmen wohnhaft, gef. 16.4.1915)
sowie Max Speyer (geb. 3.7.1883 in Züschen, vor 1914 in Gießen wohnhaft, gef.
12.9.1915).
Um 1924, als noch 12 jüdische Einwohner in der Stadt gezählt wurden (1,8 %
von insgesamt 651 Einwohnern), war Gemeindevorsteher Daniel Stern. 1932
war Gemeindevorsteher Max Katz.
1933 lebten noch 13 jüdische Personen in Züschen (1,9 % von insgesamt 687
Einwohnern). In
den folgenden Jahren sind die meisten von ihnen auf Grund der Folgen des
wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. 1939 wurden noch fünf
jüdische Einwohner gezählt.
Von den in Züschen geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Julius Joseph (1866),
Moritz Joseph (1870), Emil Katz (1892, "Stolperstein" in Essen siehe unten), Julius Katz (1885), Klara Katz (1889),
Levi Katz (1861), Lina Katz (1887), Max Katz (1878), Sophie (Sofie) Katz (1894),
Victor (Viktor) Katz (1884), Rosalie Sommer geb. Joseph (1867), Emmy (Emmi)
Speyer (1886), Sally Nathan Speyer (1877), Susmann Speier
(1870).
Hinweis: Für die aus Züschen stammende Emma Weinstein geb. Speier (Jg. 1883,
lebte in Felsberg, emigrierte 1939 nach Argentinien) wurde im Mai 2017 ein
"Stolperstein" in Felsberg verlegt.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Allgemeines
Beitrag "Die Juden in Waldeck" (erschien
1929)
Anmerkung: Beitrag zur Geschichte der Juden in Bad
Arolsen, Bad Wildungen, Korbach,
Landau, Mengeringhausen,
Rhoden, Sachsenhausen,
Züschen sowie Eimelrod und Höringhausen.
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 12. April 1929: "Die Juden in
Waldeck. (Zum Ende des ehemaligen Fürstentums).
Wir entnehmen dem 'Israelitischen Familienblatt' nachstehenden
interessanten Artikel: Am 1. April fand in Arolsen
die feierliche Vereinigung des Freistaates Waldeck mit Preußen statt. Das
kleine Ländchen wird ein Bestandteil der Provinz Hessen-Nassau. Waldeck
zählt unter seinen 58.000 Einwohnern etwa 550 Juden. Aus dem Kreise der
Waldecker Juden der weiteren Welt bekannt geworden ist der Dichter
Heinrich Stieglitz. Seine Werke sind heute vergessen. Seine Frau
Charlotte aber entriss seinen Namen der Vergessenheit. Um ihn der
Schwermut seines Gemüts, das unter seiner dichterischen Schwäche litt,
zu entreißen, und in der Hoffnung, dass ein starker Schmerz heilend und
kräftigend auf sein Gemüt einwirken werde, gab sie sich den Freitod.
Diese Tat, die das damalige 'Junge Deutschland' aufwählte, wurde von
Gutzkow, dem Verfasser des 'Uriel Akosta', behandelt in seinem Roman: 'Walpurg,
die Zweiflerin'.
Die Anzahl der waldeckischen Juden hat sich seit der Freizügigkeit stetig
verringert. Sie wanderten aus, da sie anderwärts bessere
Verdienstmöglichkeiten hatten und nicht so sehr die Zurücksetzung
merkten wie in diesem engen Bezirk, auch durch Bildungsmöglichkeiten
entschädigt wurden. Das religiöse Leben war in Waldeck bis auf einige
Ausnahmen nie sehr rege. In der Hauptstadt Arolsen
konnte es sogar geschehen, dass vor hundert Jahren fast die ganze Gemeinde
dem Taufwasser zum Opfer fiel. Die Nachkommen der damaligen Juden gehören
heute zu den ersten Familien des Landes. Etwas regeres Leben blüht heute
in den beiden Gemeinden Wildungen
und Korbach, wo je ein Lehrer amtiert. Arolsen,
Mengeringhausen, Rhoden
und Sachsenhausen sind kleine
Gemeinden, die infolge ihrer geringen Seelenzahl nur mit großer Mühe
sabbatlichen Gottesdienst abhalten können. Religionsunterricht wird in
diesen Gemeinden nicht erteilt; falsche Sparsamkeit lässt es nicht zu.
Dieser Mangel an Verantwortungsgefühl ist wohl auch die Ursache, dass der
Korbacher Jakob Wittgenstein bei
seinem Tode 1890 sein gesamtes Vermögen von 600.000 Mark seiner
Vaterstadt vermachte, aber der Synagogengemeinde nur einige tausend Mark,
und ihr nicht einmal den geringsten Einfluss auf die Verwaltung des
errichteten Altersheims gestattete. Auch von dieser Familie sind einige
Glieder in der Welt, wenn auch getauft, zu Ansehen gelangt. Soll doch der
erste Bundespräsident von Österreich, Hainisch, von dieser
Familie abstammen. Ferner ist ein Wittgenstein der Begründer der
österreichischen Erzindustrie. Ein anderer, namens Paul, war, trotzdem er
nur den linken Arm hatte, ein so hervorragender Pianist, dass sogar
Richard Strauß für ihn Partituren schrieb. In Sachsenhausen
hat ein nach Amerika ausgewanderter Jude Bloch ein Schwesternheim
errichtet, aber die jüdische Gemeinde übergangen. Welchen Segen hätten
diese beiden Gemeinden mit diesen Legaten für alle Religionen stiften
können!
Die beiden Gemeinden Eimelrod und Höringhausen,
die zu dem nunmehrigen preußischen Verwaltungsgebiet Waldeck kommen,
gehörten bisher zu Hessen-Nassau. In beiden, besonders in
letzterer, |
herrschte
stets ein reges religiöses Leben. Beide bedürfen dringend der Hilfe,
damit ihre Synagogen nicht ganz zerfallen. Eimelrod
hat deshalb vom Landesverband einen sehr reichen Zuschuss erhalten.
Weshalb Höringhausen nicht
bedacht wurde, fragt sich dort jeder. Vielleicht hat der Landesverband
doch noch ein Einsehen und hilft der Gemeinde.
Über die Geschichte der Juden in Waldeck ist wenig bekannt. Die meisten
Nachrichten schlummern noch zerstreut in den Archiven. In früheren Zeiten
durften nur in den Orten Züschen und Landau
Juden wohnen. Die Hauptstadt besteht erst seit zwei Jahrhunderten. Sie ist
die Geburtsstadt des erwähnten Dichters Stieglitz, sowie der berühmten
Ärzte Marcus und Stieglitz. Auch die Nachkommen des Marcus gehören heute
dem Christentums an. In Korbach muss es
schon früh Juden gegeben haben. Darauf weist der Name eines alten Adelsgeschlechts
namens 'Judenhertzog'. 1480 erklärte das 'Freigericht unter der
Windmühle' zu Korbach einen Juden zu
Frankfurt, den Juden dieser Stadt und der Umgebung in die Acht. Sie
sollten mit ihm 'weder essen noch trinken, weder mit ihm gehen noch
stehen, weder mit ihm sprechen noch singen, nicht mit ihm kaufen noch
verkaufen, wuchern oder suchen, keinerlei Verhandlungen mit ihm haben,
weder heimlich noch offenbar, auch nicht mit ihm in die Schule, in die
Synagoge oder Tempel, überhaupt nicht mit ihm in ein Haus gehen.' Ebenso
tat der Freigraf zu Landau alle Juden zu Gelnhausen
in die Acht, 'nach rechtem altem Herkommen der kaiserlichen freien
heiligen und heimlichen Gerichte', weil sie ungehorsam gewesen
wären.
Auch früher schon waren die Juden mit den Femgerichten in Berührung
gekommen. 1738 durften sie nur in Züschen, und etwas später auch
in Arolsen wohnen. 1788 war aber
der Widerstand gegen die Juden so stark geworden, dass der Fürst den
Landständen versprechen musste, einem Juden nicht eher einen neuen
Schutzbrief zu geben, bis die Judenschaft im Lande bis auf 20 ausgestorben
sei. Auch der Judeneid kommt in dieser Zeit in Waldeck vor. Trotz aller
Beschränkungen haben sich die Juden doch in anderen Orten Wohnrecht
erhalten. An den Freiheitskriegen nahmen sie teil. Nachdem schon 1804 der
Leibzoll aufgehoben war, folgte 1814 das sogenannte Organisationsedikt. In
diesem wurden ihnen alle Rechte der übrigen Staatsbürger zugebilligt.
Als sie aber in Korbach das
Bürgerrecht verlangten, erhob sich seitens der Stadt und der
Bürgerschaft ein heftiger Widerstand. Der Fürst Georg Heinrich, ein
vorurteilsloser, gerecht denkender Herr, setzte aber ihre Aufnahme zu
Bürgern durch. Dieser Fürst gab ihnen auch im Jahre 1834 das
Judengesetz, das den etwas merkwürdig anmutenden Titel führt: 'Gesetz
über die Gemeinheiten der Juden'. Es gilt auch heute noch, denn es war in
Waldeck Regierungsgrundsatz, die Juden unbehelligt zu lassen, wenn auch
sie von der Regierung nichts verlangten. Das Gesetz ist aber von Segen
gewesen. Der Austritt aus der Gemeinde ist nur mit einem gleichzeitigen
Austritt aus der Religion möglich. Sonst muss jeder Waldecker Jude einer
Synagogengemeinde angehören. Ein Versuch der jüdischen Gemeinde Korbach,
der Regierung die Lasten der Lehrerbesoldung aufzubürden, scheiterte, da
die Regierung damals sogar mit militärischer Exekution
drohte.
Es ist daher den beiden Gemeinden nicht zu verdenken, wenn sie auf den
Anschluss an Preußen allerlei Hoffnungen setzen und hoffen, dass die
Lasten, die sie bisher allein getragen, etwas erleichtert werden. Mögen
sie in ihren Hoffnungen nicht enttäuscht werden. Max Gottlieb."
|
Berichte zu einzelnen
Personen aus der Gemeinde
Tod von Rentier Speier (1908)
Meldung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 15. Mai 1908:
"Züschen i. Waldeck. Rentier Speier, der älteste Bewohner des
Fürstentums, ist im Alter von 102 Jahren verschieden." |
70. Geburtstag von Levi Katz (1931 in Kassel, geboren
in Züschen)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Hessen und
Waldeck"
vom 31. Juli 1931: "Am 30. Juli feierte Herr Levi Katz seinen 70.
Geburtstag. Beim Rückblick auf sein vergangenes Leben mag er wohl mit dem
Bibelwort sagen: 'Und wenn es köstlich war, so ist es Mühe und Arbeit
gewesen'. Geboren wurde er in dem kleinen waldeckschen Ort Züschen.
Die Eltern ließen ihn erst in Korbach,
dann auf dem Realgymnasium in Kassel ausbilden. 1890 gründete er
gemeinsam mit seinen Brüdern unter der Firma 'Gebr. Katz' eine
Baumwollwarengroßhandlung. Nach einigen Jahren wurde dann die
Kleiderfabrikation der Firma S. Katz angegliedert. In seinen freien Stunden
wendete er sich im Rahmen der Loge jüdisch-kulturellen Problemen zu. Auch
für Geselligkeit und Lebenslust war unser Jubilar stets zu haben. Hoffen
wir, dass die jetzigen Wolken am deutschen Horizont bald wieder
verschwinden und Herr Levi Katz noch recht viele Jahre in seiner
körperlichen und geistigen Frische tätig sein möge.
B." |
Zur Geschichte der Synagoge
Das Gebäude der ehemaligen Synagoge wurde vermutlich Ende des
18. Jahrhunderts als Synagoge erbaut (1780-1790). Beim Gebäude handelt es sich um einen eingeschossigen
Fachwerkbau mit einem Mansarddach und mit Firstrichtung Nord/Süd. Der Eingang
für die Männer war von Westen her (bis heute Eingangstüre mit Segmentbogen).
Für die Frauen gab es einen separaten Eingang links des Männereingangs (hier
heute ein Fenster mit Segmentbogen).
Wie lange in der Synagoge nach 1900 auf Grund der zurückgegangenen Zahl der
jüdischen noch Gottesdienste abgehalten werden konnten, ist nicht
bekannt.
Nach 1945 wurde das Gebäude als Schreinerwerkstatt verwendet (bis 1984).
Einige Zeit stand das Gebäude leer, wurde zwischenzeitlich unter Denkmalschutz
gestellt und um 1990 umfassend als Wohnhaus renoviert und umgebaut. Eine kleine Gedenktafel
befindet sich an der Nordseite.
Adresse/Standort der Synagoge: Hinter
der Mauer 20
Fotos
(Quelle: Altaras 1988 S. 63 und 1994 S. 62; neuere
Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 8.4.2010)
Das Gebäude der
ehemaligen
Synagoge in Züschen |
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Das Gebäude im
Juli 1985 (Nordgiebel
und Westseite) |
Südgiebel des
Hauses |
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Nach einer
umfassenden
Restaurierung um 1990 |
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Nordgiebel
und Westseite mit dem Eingang
(ursprünglich Männereingang, links davon
unter dem Fenster mit Segmentbogen der
Eingang zur Frauenempore |
Südgiebel des Hauses |
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Das ehemalige
Synagogengebäude
im Frühjahr 2010 |
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Blick auf die
Westseite mit dem Eingang (vgl. Beschreibung oben) |
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Die Hinweistafel |
Links der Nordgiebel des
Synagogengebäudes,
rechts der Eulenturm |
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Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
März 2020:
Schüler der Ursulinenschule
Fritzlar erforschen das Schicksal eines jüdischen Mädchens mit besonderen
Beziehungen zu Züschen
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Artikel
von Ulrich Köster in "nh24.de" vom 12. März 2020:
"Annelieses Schicksal. Ursulinenschüler ergänzen Wanderausstellung
zu Kindertransporten
FRITZLAR-ZÜSCHEN. Im vergangenen Jahr rief das Evangelische Forum
Schwalm-Eder mit weiteren Kooperationspartnern das Schülerprojekt
'Lebenslinien – 80 Jahre Kindertransporte zur Rettung jüdischer Kinder'
ins Leben. Die daraus entstandene Wanderausstellung über das Schicksal von
Menschen aus der unmittelbaren Nachbarschaft war inzwischen an mehreren
Orten im Schwalm-Eder-Kreis zu sehen.
Wie bereits in Neukirchen, Steinatal
und Treysa, recherchierten auch Schüler
der Ursulinenschule Fritzlar über die relativ unbekannte Rettungsaktion,
durch die schätzungsweise über 12.000 Kinder vor dem Holocaust bewahrt
wurden. Die Klasse 9R3 beleuchtete die Geschichte der fast gleichaltrigen
Anneliese Henriette Katz – die lebte zwar in Essen, besuchte aber
regelmäßig ihre Verwandtschaft in Züschen. 'Ich fand es sehr spannend
bei dem Projekt mitzuarbeiten', berichtete Annika Beutel von dem
außergewöhnlichen Geschichtsunterricht – für das Kapitel 'Kindheit in Essen'
hatten die 15-Jährige und ihre Mitschüler unter anderem im Online-Archiv des
United States Holocaust Memorial Museum in
Washington recherchiert. 'Für die Jugendlichen war es sehr
eindrucksvoll, in den Tagebüchern und den Briefen an die Eltern zu lesen',
bestätigte Lehrerin Stephanie Trieschmann die Besonderheit der
Wissensvermittlung.
Das Ergebnis ihrer Arbeit wurde nun auf zwei Stellwände gedruckt, die die
bereits vorhandene Ausstellung ergänzen. Eröffnet wurde sie am 1. März nach
dem Gottesdienst, zwei Tage später fand dazu ein weiterer Informationsabend
statt. Gemeindepfarrerin Ira Waterkamp und Pfarrer Dierk Glitzenhirn vom
Evangelischen Forum freuten sich über gut drei Dutzend Gäste, die sich im
Gemeindehaus Züschen eingefunden hatten – besonders begrüßten sie Autor
Ernst Klein, der Mitbegründer des Vereins 'Rückblende gegen das Vergessen'
in Volkmarsen. Als ausgesprochener
Kenner der Geschichte referierte er ausführlich über die Thematik. 'Um zu
verstehen, warum Eltern ihre Kinder unbegleitet ins Ausland schicken, muss
man die Situation in der damaligen Zeit begreifen', sagte er und beschrieb
die Repressionen gegen die jüdische Bevölkerung, die von Tag zu Tag
schlimmer wurden. Aus vielen Quellen konnte er von zahlreichen
Einzelschicksalen berichten, die bedrückend genau beschrieben, wie es den
Kindern allein in der Fremde erging. Darüber hinaus erzählte er von
persönlichen und oftmals emotionalen Begegnungen mit Betroffenen, die
bisweilen erst nach Jahrzehnten wieder über ihre Erlebnisse sprachen. (pm)
Ferien in Züschen. Anneliese Henriette Katz wurde am 2. Oktober 1925
in Essen geboren, ihr Vater Emil Katz stammte aus einer jüdisch-orthodoxen
Familie in Züschen, daher verbrachte das Mädchen seine Ferien oft bei den
Verwandten auf dem Land. Sie ging in Essen zur Schule, mit ihren Freundinnen
war sie Mitglied im jüdischen Jugendverband 'Makkabi Hazair Zionist', der
sich mit einem eigenen jüdischen Staat befasste. Auch Annelieses Eltern
überlegten eventuell nach Palästina auszuwandern, doch Emil wollte sein
Vaterland, für das er im Ersten Weltkrieg gekämpft hatte, nicht hinter sich
zu lassen. Die bis dahin noch relativ unbeschwerte Kindheit endete mit der
Pogromnacht im November 1938. Die damals 13-Jährige erlebte mit, wie die
Essener Synagoge brannte, ihre Wohnung verwüstet wurde und ihr Vater
vorübergehend ins Konzentrationslager Dachau kam. Schweren Herzens
entschieden sich die Eltern dazu, Anneliese mit einem Kindertransport nach
England zu retten – dort lebte sie erst bei Verwandten und später bei
anderen Familien. Der Briefkontakt in die Heimat brach bereits nach dem
ersten Kriegsjahr ab, 1941 wurden ihre Eltern ins Ghetto Lodz deportiert und
drei Jahre später im Vernichtungslager Kulmhof ermordet. Nach dem Krieg
lernte sie ihren Mann kennen und zog mit ihm nach Sri Lanka – dort wurde sie
Mutter und Stiefmutter von insgesamt sieben Kindern. Sie begann Lyrik und
Prosa, aber auch autobiografische Texte und Essays zu schreiben – über die
Jahre wurde sie eine der berühmtesten Schriftstellerinnen Sri Lankas, deren
Werke in acht Sprachen erschienen. Ihr einziger deutschsprachiger Band
enthält eine Auswahl ihrer Holocaust-Gedichte – ihm stellte sie die Widmung
voran: 'Den jungen Menschen in Deutschland – damit das Erinnern nicht
aufhört'. Anne Ranasinghe (geb. Katz) starb 2016 im Alter von 91 Jahren in
Colombo."
Link zum Artikel |
Hinweis:
die Anne Ranasinghe papers finden sich im Online Archiv des United
States Holocaust Memorial Museum über den Link
https://collections.ushmm.org/search/catalog/irn611478.
In der Sammlung findet sich auch ein Foto des Vaters von Anne(liese) geb.
Katz: Emil Katz (Link
zum Foto): geb. 16. August 1892, wohnhaft in Essen, wo er eine
kleine Fabrik mit Sanitärartikeln betrieb; war nach dem Novemberpogrom 1938
im KZ Dachau; wurde ab Düsseldorf am 27. Oktober 1941 in das Ghett Lodz
deportiert, am 10. Juli 1944 in das Vernichtungslager Chelmno (Kulmhof), wo
er ermordet wurde ("für tot erklärt").
Für Emil Katz wurde am 23. Mai 2018 in Essen (Südviertel Brunnenstraße 55)
ein "Stolperstein" verlegt. Weitere
Informationen zu seiner Geschichte. |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 448-449. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 63-64. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 62. |
| dies.: Neubearbeitung der beiden Bände. 2007² S.
175-176. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S. 171. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 554. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Zueschen
(now part of Fritzlar) Hesse-Nassau. The Jewish community, numbering 50 in 1759,
grew to 91 in 1847. It was affiliated with the rabbinate of Kassel. By 1933 it
had dwindled to 13; the last three Jews were deported to the Lodz ghetto and
perished.
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