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Gau-Odernheim (bis
1896 gewöhnlich: Odernheim in Rheinhessen,
VG
Alzey-Land, Landkreis Alzey-Worms)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In der im Mittelalter freien Reichsstadt Gau-Odernheim
(bis 1896 gewöhnlich nur Odernheim genannt) lebten Juden
bereits im Mittelalter. In den 40er-Jahren des 14. Jahrhunderts war der Binger
Jude Abraham von Kreuznach mit der Einziehung der Judensteuer von Odernheim für
den Mainzer Erzbischof beauftragt. Von der Judenverfolgung in der Pestzeit
1348/49 waren auch die hier lebenden Juden betroffen. Danach sind jüdische
Personen erst wieder seit 1403 oder spätestens seit 1418 nachweisbar. Eine Vertreibung der
Juden aus der Stadt ist nicht nachzuweisen. 1530 wird die Aufnahme eines Juden
berichtet.
Auch im 17. Jahrhundert sollen Juden in der Stadt gelebt haben. Um
1804 wohnten jedoch nur noch 14 Juden am Ort.
Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Zahl der
jüdischen Einwohner wie folgt: 1861 82 jüdische Einwohner (4,5 % von insgesamt
1.813 Einwohnern), 1880 106 (6,2 % von 1.700), 1900 76 (4,3 % von 1.758), 1905
76, 1910 64 (3,8 % von 1.697). Zur jüdischen Gemeinde Gau-Odernheim gehörten
im 19. Jahrhundert zeitweise auch die in Köngernheim
(= Gau-Köngernheim, nicht zu verwechseln mit Köngernheim bei Hahnheim)
lebenden jüdischen Personen. Die bekanntesten jüdischen Familiennamen waren Maier, Rothschild,
Haas, Maas, Heumann, Köhler, Trum u.a.m.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule, ein rituelles Bad und einen Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (siehe
Ausschreibung der Stelle von 1889 unten). Um 1859 wird als Lehrer am Ort J.
Klingenstein genannt.
1925 wurden noch 55 jüdische Einwohner gezählt (3,0 % von insgesamt
1.822 Einwohnern). 1932 waren die Gemeindevorsteher Adolf Trum, Adolf
Heumann und Josef Köhler. Den jüdischen
Religionsunterricht besuchten im Schuljahr 1931/32 noch sechs Kinder.
1933 lebten noch 37 jüdische Personen in Gau-Odernheim. Auf Grund der
Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien sind in den folgenden Jahren fast alle von ihnen ausgewandert
(insbesondere in die USA) oder in andere Orte verzogen. Fünf Personen sind noch
in Gau-Odernheim verstorben. Auch der Vorsitzende der Gemeinde Adolf Trum,
verstarb noch in Gau-Odernheim. Ab 1935 war sein Nachfolger Josef Köhler. Beim Novemberpogrom
1938 wurde die Synagoge demoliert.
Von den in Gau-Odernheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften
jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Johanna Allmayer geb.
Köhler (1880), Rosalie (Rosel) Bruckmann geb. Trum (1909), Hedwig David geb. Trum
(1901), Emma Gottschalk geb. Haas (1876),
Mathilde Grünewald geb. Köhler (1887), Karoline Haas (1887), Karoline (Lina) Heimann geb.
Vogel (1867), Jakob Heumann (1872),
Bertha Koch geb. Köhler (1864), Theodor Köhler (1880), Mathilde Levy geb.
Heumann (1867), Albert Lieber (1876), Philipine Lyon geb. Rothschild (1859), Cäcilie Rothschild geb. Wolff (1863),
Fanny (Hanni) Rüb (1874), Sophie (Sophia, Zofie) Rüb (1882), Else Trum (1903),
Hermann Trum (1876), Bernhard Vogel (1869).
Hinweis: es kommt immer wieder zu Verwechslungen zwischen Personen, die aus
Gau-Odernheim stammen und solchen aus Odernheim/Glan.
Die in obiger Liste bis August 2013 angegebenen Personen Berta Maier (1907),
Johann Maier (1935), Ludwig Maier (1906) und Anna Neu geb. Falkenberg (1877)
sind nach Angaben von Thomas Ehlenberger (2. Vorsitzender des Geschichtsvereins
Gau-Odernheim, Mitteilung vom 2.8.2013) aus Odernheim/Glan. Der Familienname
Maier bzw. Neu kommt in den Volkszählungslisten beziehungsweise Adressbüchern
in Gau-Odernheim nicht vor.
Auf dem allgemeinen Friedhof der Gemeinde befindet sich ein Gedenkstein mit
einer Menora und der Inschrift: "Der jüdischen Gemeinde und allen Opfern
des Faschismus in Gau-Odernheim - Gegen das Vergessen".
Berichte
aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers,
Vorbeters und Schochet 1889
Anzeige
in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 24.6.1889: "Bis spätestens 1. August dieses
Jahres soll die hiesige Kantor- und Religionslehrerstelle wieder besetzt
werden. Musikalische, seminaristisch gebildete Bewerber wollen sich unter
Einreichung ihrer Zeugnisse bei dem Unterzeichneten melden. Zugleich
Schochet ist angenehm. Das fixe Gehalt, welches sich später steigern
kann, beträgt 800 Mark, 300 Mark Heizungsvergütung und freie Wohnung.
Nebenverdienste 2-300 Mark. Die Schechita bringt jährlich 300 Mark
ein.
Gau-Odernheim (Rheinhessen), im Juni 1889. A. Stern,
Lehrer." |
Lobende Erwähnung der israelitischen
Elementarschule in Oderheim (1858) .
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 12. Juli 1858: "Wenn in einer
Korrespondenz aus Worms neulich (in No. 22 dieser Zeitung) von der
Gleichgültigkeit mehrerer Landgemeinden des Kreises Worms gegen allen
Religionsunterricht gesprochen wurde, so muss andererseits wieder
hervorgehoben werden, dass in einem anderen Teile Rheinhessens gerade die
bestgestellten Schulen des Großherzogtums sich befinden, dass zum Beispiel
in Oppenheim, Guntersblum,
Odernheim,
Niederwiesen und
Bechtheim gut dotierte Elementarschulen
mit definitiv vom Großherzoge angestellten Lehrern sich befinden, die
zumeist seit langen Jahren dort wirken, und dass außerdem die Lehrer in
Schornsheim,
Sprendlingen von ihren Gemeinden
freiwillig als Religionslehrer etc. definitiv angestellt sind, außer
anderen, die wir vielleicht nicht wissen; und dass aus all diesem zu
schließen ist, dass es um das jüdische Schulwesen hierzulande nicht so
schlecht bestellt ist." |
Auf der 3. Konferenz israelitischer Lehrer Rheinhessens in
Schornsheim ist Lehrer Klingenstein von Odernheim dabei (1859)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 4. Juli 1859: "Aus Rheinhessen, Juni (1859). Am 12.
dieses Monats, Pfingstsonntag, wurde in Schornsheim
bei Wörrstadt die 3. Konferenz israelitischer Lehrer Rheinhessens
abgehalten. Sie war von 10 Lehrern besucht. Viele bewährte Mitglieder
waren durch das schlimme Wetter, das die Wege fast ungangbar machte,
abgehalten. Ein Abgeordneter der (oberhessischen) Büdinger Konferenz -
Herr Lehrer Brandeis aus Staden -
leitete die Aufmerksamkeit der Versammlung auf die seinerzeit
veröffentlichten Beschlüsse der Offenbacher Versammlung, und beantragte
das Zusammenwirken beider Konferenzen, um deren Ausführung zu erstreben.
Die Versammlung beauftragte in Folge dessen Herrn Lehrer Stettenheimer aus
Oppenheim, sich mit einem Mitgliede
der Büdinger Konferenz persönlich nach Darmstadt zu begeben, um das
Tunlichste zu erwirken. Außerdem besprach die Versammlung das Thema
'über den Unterricht im Pentateuch-Übersetzen', das durch ein
interessantes Referat des Herrn Lehrer Gottschall aus Schornsheim
eingeleitet wurde. Die betreffenden Verhandlungen werden in der nächsten
Konferenz, welche zu Oppenheim am Rhein wahrscheinlich
am 2. Halbfeiertag von Sukkot (= Sonntag, 16. Oktober 1859)
stattfinden wird, fortgesetzt werden, und werden wir seinerzeit hierüber
Bericht erstatten.
Dankend müssen wir erwähnten, dass von dem Herrn Rabbiner Leopold Stein
in Frankfurt am Main und von Herrn Dr. S. Formstecher, Rabbiner in Offenbach,
sowie von mehreren andern geehrten Herren wertvolle Bücher als Geschenke
für unsere Bibliothek durch den Bibliothekar des Vereins Klingenstein
von Odernheim uns zugekommen. Die Versammlung beauftragte ihr
Büro, den freundlichen Gebern ihren Dank in geeigneter Weise
auszusprechen." |
Lehrer J. Klingenstein eröffnet eine Pensionsanstalt
für Jungen (1859)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 4. Juli 1859: "Für israelitische Eltern!
Der Unterzeichnete erbietet sich, einige Knaben in sein Haus
aufzunehmen, um ihnen Unterricht in der Religion, in allen andern
Schulfächern und in hebräischer, französischer und englischer Sprache
zu erteilen. Sein Wohnsitz in Mitte Rheinhessens, in gesunder und
angenehmer Lage, ein gediegenes und gebildetes Hauswesen bieten jede
Garantie für naturgemäße Förderung, körperlicher und geistiger
Entwicklung, sowie gegen die Mängel großstädtischer Erziehung mit ihren
Gefahren für Sittlichkeit und einfache Lebensweise. Andererseits wird der
Unterzeichnete es seine angelegentlichste Sorge sein lassen, durch die
Pflege der Kenntnis wie der Liebe des Judentums, wahrhafte Religiosität
seinen Zöglingen einzuflößen und sie von den beiden extremen Richtungen
der meisten größeren südwestdeutschen jüdischen Anstalten fern zu
halten. Salair für Kost, Logis und Unterricht jährlich fl. 150.
J. Klingenstein,
israelitischer Religions- und Volkslehrer zu Odernheim in
Rheinhessen.
Auf Verlangen des Herrn Lehrers Klingenstein, obiger Anzeige ein
empfehlendes Wort beizufügen, kann ich der Wahrheit gemäß bezeugen,
dass mir derselbe als einer unserer tüchtigsten und strebsamsten Lehrer
seit einer Reihe von Jahren vorteilhaft bekannt ist, und ich ihn zur
Begründung und Instandhaltung der von ihm beabsichtigten Pensions-Anstalt
ebenso fähig wie vertrauenswürdig halte.
Leopold Stein, Rabbiner." |
Zwei Artikel zu Lehrer J. Klingenstein in Odernheim (1861 / 1863)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. Juni 1861 - Buchvorstellung: "'Der Unterricht im Hebräischen. Methodische
Anleitung für israelitische Lehrer und die es werden wollen. Von J.
Klingenstein, Lehrer in Odernheim. Oppenheim am Rhein und Darmstadt.
1861.' Diese Schrift soll eine Art Methodologie für den Unterricht im
Hebräischen und den israelitischen Schulen sein und bringt hierüber
manche gute Ansicht, sowie eine systematische Aufstellung. Obgleich wir
nicht glauben, dass jeder Lehrer nach diesem Schema seinen Unterricht
zuschneiden möge, da hierbei auch die Lokalität, Schulzeit usw.
mitsprechen, so wird doch die Lesung dieser Schrift auf jeden Lehrer
anregend wirken und die Herbeiführung einer methodischen
Unterrichtsweise, die an den meisten Orten noch immer auf sich warten
lässt, wesentlich fördern." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Juni 1863: "Zum
Schlusse ein Kuriosum: Es sind gerade heute acht Tage, da kamen Landsleute
zu uns mit folgender rituellen Anfrage: die betreffende Landgemeinde habe
seit langer Zeit keinen eigenen Vorsänger; da habe der Vorstand derselben
einen Lehrer in der Nähe zur Abhaltung des Sabbat-Morgen-Gottesdienstes
für 70 Gulden jährlich engagiert; der komme morgens um 10 Uhr, nachdem
er in seiner Gemeinde vorgebetet habe, und bete dann noch einmal vor,
Schacharith und Mussaph. Die Anfragenden fühlten sich in ihrem Gewissen
beschwert und fragten bei uns an, ob denn das so erlaubt und in Ordnung
sei. Dieser fromme Lehrer, der wenn er es bezählt bekömmt, sogar zweimal
Schacharith und zweimal Mussaph betet, ist Herr Klingenstein aus Odernheim, derselbe, der so sehr gegen den Formalismus eifert. Was würde
Herr Klingenstein noch tun, wenn er es - bezahlt
bekäme?". |
Anstellung des jüdischen Lehrers Jakob Strauß an der
Bürgerschule in Odernheim (1901)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 14. März 1901: "Darmstadt. Wenn unser Justizminister von
den gleichen Gedanken beseelt wäre, wie unser Schulministerium, dann
wäre die Eingabe der hessischen Juden unnötig gewesen. Während
kürzlich der erste jüdische Gymnasiallehrer angestellt wurde, fand vor
wenigen Wochen die Anstellung eines jüdischen Lehrers, Jakob Strauß, an
der Bürgerschule zu Odernheim statt. Nun hat es eine weitere
Verfügung getroffen, die auch für Juden von Bedeutung ist. Als im Jahr
1875 das neue Schulgesetz eingeführt wurde, hat man die Rabbinen an Orten
mit Simultanschulen sofort zu Mitgliedern des Schulvorstandes ernannt; ein
Kreisschulinspektor, der früher Pfarrer gewesen, suchte in einem
Schreiben an das Ministerium die Anstellung des Rabbiners zu hintertreiben,
indem er erklärte, dass Rabbiner von 'Raf' stamme und 'Lehrer' bedeute;
seine philologische Deduktion wurde ablehnend beschieden. Im vorigen Jahre
erst wurde Dr. Salfeld - Mainz - in den Schulvorstand berufen, mit
ihm auch der freireligiöse Prediger. Die katholische Lehrerzeitung hatte
nichts gegen den Rabbiner, wohl aber gegen das andere Mitglied und so
kam's zur Entscheidung der höchsten Behörde, die nun dahin entschied,
dass für die Folge auch jüdische Lehrer als Vertreter der Rabbiner in
den Schulvorstand eintreten können und das ist mit großer Freude zu
begrüßen." |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Antijüdische Stimmung am Ort (1848)
Anmerkung: als Ort im Kreis Worms wird "Odenheim" genannt, wobei
wohl (verschrieben) Gau-Odernheim gemeint ist, das bis 1896 nur Odernheim
hieß.
Artikel
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 8.
September 1848: "Großherzogtum Hessen. Vor Kurzem ist mir die
Nachricht geworden, dass im Kreise Worms, in Odenheim (gemeint wohl:
Gau-Odernheim), die Israelitischen von ihren Mitbürgern nicht nur bei
Tag, sondern auch bei Nacht viele Plackereien und Unbilden zu erdulden
hatten. Da sie nun durch solche Vorfälle und Veranlassungen ihre Ruhe
gefährdet sahen und für ihre Sicherheit und Leben besorgt waren, so
suchten sie darum nach, dass ihnen eine Schutzgarde gewährt würde,
welche auch wahrscheinlich bewilligt worden ist. Du vielgepriesene
deutsche Eintracht, Freiheit und Brüderlichkeit! Wann wird dieses alles
eine Wahrheit werden? So lange man noch einzelne Bürger beunruhigt und
durch militärische Hilfe erst ihnen Sicherheit gewähren kann, so lange
wird die deutsche Brüderlichkeit nur ein Ideal
sein". |
Antisemitische Umtriebe - Schlägerei zwischen "Agenten der
Antisemitenpartei" und jüdischen jungen Leuten (Oktober 1891)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. November 1891:
"Alzey, 3. November (1891).
Das amtliche Organ des Kreisamts für den Kreis Alzey schreibt in seiner
Nummer vom 1. November: Die antisemitischen Hetzereien der letzten Wochen
beginnen ihre Früchte zu tragen: In Wörrstadt
störte antisemitischer Pöbel ein harmloses Tanzvergnügen, das
anlässlich der jüdischen Feiertage stattfand. Die Gesellschaft musste
das Lokal verlassen, um Gewalttätigkeiten aus dem Weg zu gehen. Zwischen
nach Odernheim entsandten Alzeyer Agenten der Antisemitenpartei und
einigen israelitischen jungen Leuten kam es zu einer nicht unerheblichen Schlägerei.
Es ist keine Agitation zu denken, welche einerseits tiefer verletzt,
andererseits die rohesten Instinkte der Menschennatur mehr aufstachelt,
als diese antisemitisch-anarchistische Hetze. Wenn auch schon die Anrüchigkeit
der meisten Führer der Partei - der 'nationalen' wie der lokalen - ein
Übergreifen der Bewegung auf weitere bürgerliche Kreise ausschließt, so
begreifen wir doch die Behörde nicht, die, sonst so tatkräftig, hier mit
verschränkten Armen zuschaut, wie Aufruhr und Gewalt gepredigt und
schließlich in die Tat umgesetzt wird. Wohin soll das
führen?" |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Über die Familie des Gemeindevorstehers Adolf Trum
(1863-1935)
(Informationen nach Auskunft von Thomas Ehlenberger, 1. Vorsitzender des
Geschichtsvereins Gau-Odernheim)
Adolf Trum (1862-1935) wird 1932 als
(möglicherweise letzter) Gemeindevorsteher der jüdischen Gemeinde
Gau-Odernheim genannt. Er war tätig als Viehhändler in Gau-Odernheim und
verheiratet mit Clara geb. Nordheimer aus Hofheim
bei Biblis. Die beiden wohnten in Gau-Odernheim in der Mainzer Straße
19 (vor dem heutigen Gelände der Firma Deheck, das Haus wurde in den 1950er Jahren abgerissen)
und hatten folgende Kinder:
- Emil (1898->1936, Schicksal unbekannt, war 1936 untergetaucht)
- Hedwig (1901-1944 Auschwitz), verheiratet mit Heinrich David, wohnhaft Hamm/Sieg
- Ludwig (1902-1948 Garmisch), überlebte den Krieg in einem Versteck
Hinweis: Es gibt ein Familiengrab im jüdischen Friedhof
Gau-Odernheim
für Salomon Nordheimer (1837-1931) und Sara Nordheimer geb. Levis (1840-1927),
wobei es sich möglicherweise hierbei um die Eltern von Clara Trum
handelt. Für Adolf und Clara Trum sind in Gau-Odernheim keine Grabsteine
vorhanden, eventuell zogen sie vor Adolfs Tod 1935 aus Gau-Odernheim weg. |
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Lehrer A. Stern empfiehl den Wein von Weinbergbesitzer
W. Racky (1889)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 23. Mai 1889:
"Ia Rheinwein, weiß 50, 60 und 70 Pfennig, rot 80 und 100
Pfennig à Liter.
W. Racky, Weinbergbesitzer, Odernheim (Rheinhessen). Vorstehenden Wein
kann bestens empfehlen.
A. Stern, israelitischer Religionslehrer, Odernheim." |
Kennkarten
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarte
der in Gau-Odernheim
geborenen Sophie Rüb |
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Kennkarte (ausgestellt
in Mainz 1939) für Sophie Rüb (geb. 9. Januar 1882 in
Gau-Odernheim),
wohnhaft in Mainz, am 27. September 1942 deportiert ab Darmstadt in das
Ghetto Theresienstadt,
wo sie am 6. Februar 1943 umgekommen ist |
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Zur Geschichte der Synagoge
Ein Betsaal beziehungsweise eine ältere
Synagoge war bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
vorhanden. Seit 1859 gab es im Betsaal eine Orgel (beziehungsweise ein
Harmonium; der nachfolgende Bericht bezieht sich sicher auf Gau-Odernheim und
nicht auf Odernheim, da von Gemeinden
in Rheinhessen die Rede ist):
In der Gau-Odernheimer Synagoge wurde eine Orgel
(vermutlich Harmonium) aufgestellt (1859)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 4. Juli 1859: "In vielen Gemeinden Rheinhessens wurden am
vergangenen Wochenfeste Konfirmationen gefeiert. Bemerkenswert ist, dass
bei dieser Gelegenheit zu Odernheim und Alsheim
zum ersten Male die Orgel*) beim Gottesdienste mitwirkte. Hoffen wir, dass
dieses Instrument sich mehr und mehr in der Synagoge einbürgere.
*) Beiläufig bemerken wir, dass kleinere, die Orgel ersetzende
Instrumente (Harmonium) zu dem Preise von 36 Fl. an - für kleinere
Räumlichkeiten vollkommen ausreichend, in der Fabrik von Trayser in
Stuttgart zu beziehen sind." |
1868 wurde eine neue Synagoge in einem heute noch
erhaltenen Gebäude in der Mainzer Straße eingerichtet. Der Betsaal hatte
mehrere hohe Rundbogenfenster, die auf einem Foto von 1965 teilweise noch
sichtbar sind.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge demoliert. 1939
sollte das Gebäude als "Landarbeiterlager für Mädels" verwendet
werden, wurde jedoch zu einem Wohnhaus umgebaut.
Eine Gedenk- oder Hinweistafel ist noch nicht vorhanden. Die Restaurierung des
Gebäudes wurde in den letzten Jahren immer wieder angedacht. Zur aktuellen
Entwicklung (2010/11) Informationen im nachfolgenden Bericht von Heiner Illing:
Bericht zur
aktuellen Situation um den Erhalt der ehemaligen Synagoge in Gau-Odernheim
von Heiner Illing (1. Beigeordneter, Ortsgemeinde Gau-Odernheim) vom 8.
Dezember 2011: |
"Die ehemalige Synagoge befand sich seit den Pogromen
in der NS-Zeit in privatem Besitz.
Nachdem der letzte Besitzer verstorben war, stand das Gebäude 2010 zur Zwangsversteigerung an. Auf Initiative der SPD-Ratsfraktion beschloss der Gemeinderat, das Gebäude aus folgenden Gründen zu ersteigern:
1. Übernahme der geschichtlichen Verantwortlichkeit und Konservierung des Gedenkens
2. Verhinderung, dass rechte Gruppierungen das Gebäude ersteigern und einem weiteren Frevel unterwerfen
3. Verhinderung , dass Immobilienfirmen das Gebäude übernehmen und abreißen
4. Langfristige Planung zur Erinnerungsstätte
5. Rückführung in einen gemeinschaftlichen Versammlungsort.
Unter Punkt 5 ist angedacht, den ehemaligen Betraum im ersten Stock in seiner ursprünglichen Größe wiederherzustellen und als Versammlungs- und Veranstaltungsort zu nutzen. Die unteren Räume sollen den Vereinen u.a. als Archiv zur Verfügung gestellt werden. Dies sind
jedoch Gedankenspiele, zu denen es noch keine Planungen gibt.
Für den Winter 2011/12 sind zunächst Erhaltungsmaßnahmen am Dach und an der Dachentwässerung, sowie einige
"kosmetische" Arbeiten an der Fassade geplant. Im Frühjahr 2012
soll noch ein Hinweisschild angebracht werden". |
Adresse/Standort der Synagoge: Mainzer Straße 18.
Fotos
(Obere Fotozeile: Foto links im Synagogenbuch Rheinlandpfalz s.Lit. S. 163;
Foto rechts Hahn, Aufnahmedatum 3.8.2005)
Das Gebäude der
ehemaligen Synagoge |
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Auf dem 1965 entstandenen Foto
sind
noch drei teilweise zugemauerte
Rundbogenfenster zu sehen. |
Das ehemalige
Synagogengebäude
im Sommer 2005.
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Holocaust-Gedenkstein
im Friedhof der Gemeinde
(Fotos im Mai 2013: Michael Ohmsen;
vgl. Fotoseiten
zu Gau-Odernheim) |
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"Der
jüdischen Gemeinde und allen Opfern des Faschismus in
Gau-Odernheim - Gegen das Vergessen" |
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Andernorts entdeckt
(im jüdischen Friedhof MZ-Weisenau)
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Grabstein
für Sigmund Heumann (22.3.1861
Gau-Odernheim -23.9.1895 Weisenau)
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Juni 2011:
Die Restaurierung der ehemaligen Synagoge
wird im Gemeinderat diskutiert |
Artikel in der "Allgemeinen
Zeitung" (Regional-Ausgabe) vom 17. Juni 2011 (Artikel):
"Rathaus ist als erstes dran.
GAU-ODERNHEIM. RAT Gau-Odernheimer beschließen Prioritätenliste zur Gebäuderenovierung
(cbo). Längere Diskussionen gab es in der Gemeinderatssitzung bei der Festlegung einer Prioritätenliste für den Umbau beziehungsweise die Renovierung öffentlicher Gebäude in der Petersberggemeinde... Mit den Stimmen der absoluten Ratsmehrheit der SPD wurde deren Prioritätenliste für den Ausbau öffentlicher Gebäude beschlossen, deren Reihenfolge wie folgt lautet: erst Rathaus, dann Kirchturm, Wormser Straße 4 und schließlich Mainzer Straße 18..." |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,1 S. 270; III,1 S. 423-425. |
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen.
Bd. I S. 237. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 116. |
| "...und dies ist die Pforte des Himmels" Synagogen -
Rheinland-Pfalz. Saarland. Hg. vom Landesamt für Denkmalpflege
Rheinland-Pfalz mit dem Staatlichen Konservatoramt des Saarlandes und dem
Synagogue Memorial Jerusalem. 2005. S. 162-163 (mit weiterer Lit.). |
| Monica Kingreen: Die Gau-Odernheimer Opfer des Holocaust, in: Michael Kißener (Hg): Rheinhessische Wege in den Nationalsozialismus. Studien zu rheinhessischern Landgemeinden von der Weimarer Republik bis zum Ende des NS-Diktatur, Worms 2010 S. 180-191. |
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|