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Gau-Bickelheim (VG
Wöllstein, Kreis
Alzey-Worms)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In dem in früheren Jahrhunderten zu Kurmainz gehörenden Gau-Bickelheim
bestand eine kleine jüdische Gemeinde bis um 1908. Erstmals sind Juden
am Ort 1429 nachzuweisen. Damals erhielt eine jüdische Familie einen
Schutzbrief für drei Jahre.
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts werden wiederum Juden
am Ort genannt, die unter dem Schutz des Erzbischofs von Mainz standen. Bei der
Verpfändung des Dorfes 1682 an das Bonifatiusseminar in Mainz huldigten
"die daselbstigen wohnenden vier Juden... (und) gratulierten
gleichmäßig ihrer neuen gnädigen Herrschaft". Damals standen somit vier
Juden unter dem Schutz von Mainz, vermutlich mit ihren Familien. Die Zahl von
vier Schutzjuden am Ort sollte allerdings nicht überschritten werden. Als 1715
die jüdische Witwe Beele Meyer darum bat, dass der Schutz von ihrem
verstorbenen Mann auf ihren zukünftigen übergehen sollte, waren die
Ortseinwohner gegen diese Neuaufnahme und beschwerten sich darüber in Mainz. 1723
ist dann dennoch von fünf Schutzjuden am Ort die Rede, vermutlich wurde
der Antrag der Witwe Meyer gegen den Widerstand der Ortseinwohner
genehmigt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1819 31 jüdische Einwohner (bei 1.311 Katholiken und 17
Evangelischen), 1824 26 jüdische Einwohner, 1830 30, 1861 30, 1865 43 (bei 1282
Katholiken und 12 Evangelischen), 1900 36 (in sieben Familien), 1905 28 (bei
1.196 Katholiken und 36 Evangelischen).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge
(s.u.), eine Schule, ein rituelles Bad und einen Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl. unten
Ausschreibung der Stelle von 1870). In der Zeit nach
dem Ersten Weltkrieg bildeten die Gemeinden Gau-Bickelheim und Wallertheim
eine gemeinsame Gemeinde ("Israelitische Religionsgemeinde Wallertheim -
Gau-Bickelheim", siehe Bericht unten von 1928). Es gelang jedoch nicht
mehr, einen Lehrer für die Gemeinde anzustellen, sodass die Aufgaben der
Vorbeters ehrenamtlich übernommen werden mussten (nach dem Bericht von 1928
s.u. durch Isaak Oppenheimer).
1908 verzogen drei der sieben jüdischen Familien nach Mainz, Bingen und
Worms. Dadurch war kein selbstständiges jüdische Gemeindeleben mehr am Ort
möglich. Die verbliebenen jüdischen Familien schlossen sich der Gemeinde in Wallertheim
an.
Nach 1933 ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder (1933: 10 Personen in drei Familien: Hermann Berger,
Moritz Berger und Isaak Oppenheimer) auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen
Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Die
Familien Berger konnten in die USA emigrieren; der Weinhändler und langjährige
Gemeindevorsteher der Gemeinde (siehe Berichte unten von 1917 und 1928)
Isaak Oppenheimer und Klara Lazarus geb. Oppenheimer verzogen nach Mainz
und wurden später in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie umgekommen
sind.
Von den in Gau-Bickelheim geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Alfred Berger (1904), Johanna Götze geb. Mayer
(1898), Julius Haas (1878), Helene Kern geb. Mayer (1873), Klara Lazarus geb. Oppenheimer (1876),
Johanna Mayer geb. Heymann (1872), Isaak Oppenheimer (1866), Sara Salomon geb.
Löwenstein (1867).
Seit 4. Juni 2007 erinnern vor dem Haus Am Römer 10 zwei "Stolpersteine"
an Isaak Oppenheimer und Klara Lazarus geb. Oppenheimer. Die Steine wurden
verlegt in Anwesenheit von Ruth Oppenheimer-Plainfield, Enkelin von Isaak und
Großnichte von Klara sowie deren Enkeln Samuel und Joel aus Berkeley Ca.
Vgl. Wikipedia-Artikel: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Gau-Bickelheim
Ruth Plainfield ist Anfang 2009 verstorben ((geb. 1925 in Gau-Bickelheim): http://www.legacy.com/obituaries/sfgate/obituary.aspx?page=lifestory&pid=125008763
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet
1870
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Januar 1870:
"Die israelitische Religionslehrer- und Vorbeterstelle zu
Gau-Bickelheim ist erledigt und kann sogleich besetzt werden mit einem
jährlichen Gehalt von 250 Gulden nebst freier Wohnung und Heizung; auch
sind noch mehrere Nebenakzidenzien damit verbunden. Bewerber wollen sich
an den unterzeichneten Vorstand daselbst melden.
Gau-Bickelheim, den 2. Januar 1870.
Der Vorstand Bernhard Haas." |
Berichte
aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
70-jähriges Bestehen des Wohltätigkeitsvereins Gemilus Chesed (zuständig für
Wallertheim, Gau-Bickelheim und Arnsheim; 1922)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. November 1922: "Wallertheim
(Rheinhessen), 3. Oktober (1922). Am Vorabend zum Beginn des Monats Elul
(das war Donnerstag, 24. August 1922), beging der Verein Gemilus Chesed
der vereinigten Gemeinden Wallertheim, Gau-Bickelheim und
Armsheim (nicht: Arnsheim), die Feier seines 70-jährigen Bestehens. Vor
dem Gottesdienste begaben sich die Mitglieder unter Führung des
Präsidenten, Herrn Moses Isaak, zu dem einzigen noch lebenden
Mitbegründer des Vereins, dem 90-jährigen Ehrenpräsidenten Herrn Martin
Isaak, um ihm die Glückwünsche zu überbringen. In ehrenden Worten
gedachte Herr Moses Isaak der vielen Verdienste des Jubilars, die dieser
sich als ehemaliger Rechner und Präsident erworben habe. Dann begab man
sich zum Gottesdienst. Nach Schluss desselben fanden sich die Mitglieder
im Hause des Herrn Adolf Isaak zur gemütlichen Feier, die angesichts der
heutigen Zeitverhältnisse im engsten Rahmen gehalten wurde, zusammen. Als
erster ergriff Herr Präsident Moses Isaak das Wort und gab einen
Rückblick über die Entstehung und seitherige Tätigkeit des Vereins. Mit
einem kräftigen Appell an die jüngeren Mitglieder, dem Beispiel der
älteren Generation zu folgen in Treue und Pflichtbewusstsein, schloss er
seine interessanten Ausführungen. Herr Karl Isaak II schloss sich diesen
Ausführungen an und Herr Julius Haas, Bingen, gedachte seines Großvaters
als Mitbegründers und und ersten Präsidenten und seines Vaters. Sodann
ermahnte das Vorstandsmitglied Herr Isaak Oppenheimer die Mitglieder in
eindringlichen Worten, Treue dem Glauben zu wahren und stets das Erbe
unserer Väter durchzuhalten. Er gedachte ferner der im Weltkriege
gefallenen Mitglieder Alfred Baum und Bertold Isaak. Der Präsident dankte
allen für das gute Gelingen der schlichten Feier und gab noch bekannte,
dass der Verein noch drei Jubilare habe, nämlich die Herren Karl Isaak I,
Adolf Isaak und Abraham Beckhard, die heute vor 50 Jahren dem Verein als
Mitglieder beigetreten seien. Auch ihnen sprach er seine Glückwünsche
aus. Herr Adolf Isaak dankte hierfür namens der Jubilare. Herr Karl Isaak
I bat die Versammlung daraufhin, die Feiert nicht vorübergehen zu lassen,
ohne auch heute praktisch Gemilus Chesed (Wohltätigkeit) geübt zu
haben. Eine vorgenommene Tellersammlung ergab eine größere Summe. Mit
Worten des Dankes an alle schloss daraufhin der Präsident, Herr Moses
Isaak, die schön verlaufene Feier." |
Feier des Verfassungstages, Mitteilungen aus dem Wohltätigkeitsverein "Chevroh
Gmiluth Chesed" und weitere Mitteilungen (1928)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. August 1928: "Wallertheim,
27. August (1928). Am Samstag, den 11. August wurde beim
Frühgottesdienste durch eine feierliche Ansprache des Vorstandsmitgliedes
Oppenheimer, Gau-Bickelheim, des Verfassungstages
gedacht.
Der Wohltätigkeitsverein 'Chevroh Gmiluth Chesed', der auf ein
76-jähriges Bestehen zurückblicken kann, hielt anlässlich des Jom
Kippur Koaun Erev Rosch Chaidesch Elul, Gottesdienst mit nachfolgender
General-Versammlung ab. Vor Eintritt in die Tagesordnung ergriff das
Mitglied des Vorstands, Herr Oppenheimer, Gau-Bickelheim, das Wort, um dem
Präsidenten Moses Isaac, anlässlich seines 77-jährigen
Geburtstages im Namen der Brüder die Glückwünsche zu übermitteln. Herr
Moses Isaac steht seit 50 Jahren im Dienste des Vereins. Bis zum Jahre
1922 versah er die Ehrenstelle als Rechner, und von da ab wurde er
einstimmig zum Präsidenten gewählt. Er hat während den langen Jahren
des Bestehens des Wohltätigkeitsvereins fast nie bei den Tagungen
gefehlt. Dem Vorstand gehören seit 1901 an: Isaac Oppenheimer,
Gaubickelheim, Max Baum Wallertheim, der derzeitige Rechner ist Josef
Marum in Wallertheim. Seit dem Kriege ist es der Israelitischen
Religionsgemeinde Wallertheim-Gaubickelheim noch nicht möglich
gewesen, wieder einen Lehrer anzustellen. Die Gemeinde ist jedoch
in der glücklichen Lage, dass ehrenamtlich die Vorbeterdienste
seit Jahren durch Herrn Oppenheimer Gaubickelheim, im Verhinderungsfalle
durch Herrn Max Baum versehen werden. Seit der Zeit, woselbst die Gemeinde
keinen Lehrer besitzt, wird die Tora-Vorlesung durch Herrn Karl Isaac
besorgt." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der
Gemeinde
Auszeichnung für den Kriegsfreiwilligen Kurt Oppenheimer
(1917)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Januar 1917: "Gau-Bickelheim,
30. Dezember (1916). Der Kriegsfreiwillige Kanonier Kurt Oppenheimer, Sohn
des Vorstehers Isaac Oppenheimer, wurde für die bewiesene Tapferkeit vor
dem Feinde, mit der Hessischen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet und
gleichzeitig zum Gefreiten befördert." |
Kennkarte
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarte
für den in Gau-Bickelheim
geborenen Moritz Berger |
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Kennkarte (ausgestellt in
Alzey 1939) für Moritz Berger
(geb. 30. April 1875 in Gau-Bickelheim), Handelsmann, |
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Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war vermutlich
ein Betraum in einem der jüdischen Wohnhäuser vorhanden.
Um 1855 wurde eine Synagoge in einer früheren Scheune
eingerichtet. Bei der Synagoge handelte es sich nach Paul Arnsberg s.Lit. um ein
"kleines Haus mit drei Räumen". Für über ein halbes Jahrhundert war
die Synagoge Mittelpunkt des jüdischen Gemeindelebens am Ort. Nach 1908
konnte der Minjan nicht mehr regelmäßig aufrechterhalten werden. Eine letzte
Bar Mizwah-Feier fand 1912 in der Gau-Bickelheimer Synagoge statt.
In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Synagogengebäude
verkauft.
Adresse/Standort der Synagoge:
Stühlhockergasse
Fotos
Es sind noch -
außer zum Friedhof - noch keine
Fotos zur jüdischen Geschichte in
Gau-Bickelheim vorhanden; über
Hinweise oder Zusendungen freut sich der
Webmaster der "Alemannia
Judaica"; Adresse siehe Eingangsseite. |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. 1 S. 341-343 (innerhalb des
Abschnittes zu Wallertheim). |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 189-190 (innerhalb des Abschnittes zu Wallertheim). |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 161 (mit weiteren Literaturangaben).
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n.e.
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