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Herchweiler
(VG Kusel,
Kreis Kusel) / Haupersweiler
(Gemeinde Freisen, Kreis St. Wendel)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Vorbemerkung: die Grenze zwischen den Bundesländern
Rheinland-Pfalz und dem Saarland verlief im Bereich des westlichen Ortsrandes
von Herchweiler bis 2003 entlang der Straße In der Gaß beziehungsweise der
Haupersweilerstraße. Der Standort der Synagoge lag auf der westlichen
/saarländischen Straßenseite und damit auf Gemarkung Haupersweiler. Hier waren
auch die Häuser der jüdischen Familien. Im Volksmund heißt der ehemals saarländische
Teil von Herchweiler die "Judengasse", der Bach, der dort fließt,
wird "Judenbach" genannt. Die Grenze ist historisch bedingt: der Bach
trennte Herchweiler schon im 16. Jahrhundert in zwei Teile - einen
lichtenbergischen und einen lothringischen
Teil.
Seit einem Staatsvertrag vom 27. Mai 2003 wurde die Landesgrenze zwischen
Rheinland-Pfalz und dem Saarland angepasst. Dadurch wurde am 1. Januar 2004 ein
Teil der saarländischen Gemeinde Freisen mit 53 Einwohnern nach Herchweiler
umgemeindet.
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Herchweiler bestand eine jüdische
Gemeinde bis um 1920; die Gemeinde hatte jedoch vermutlich zu keiner Zeit den
rechtlichen Status einer Synagogengemeinde. Ihre Entstehung geht in die Zeit der
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zurück, als in der Grafschaft von
der Leyen, zu der Haupersweiler damals gehörte, Juden das Recht bekamen, Haus,
Scheuer, Stall und ein kleines Gartengrundstück zu erwerben und zu nutzen. Auch
das Schächten und die Ausübung ihrer religiösen Gebräuche war ihnen erlaubt.
In dieser Zeit war der leyen'sche Ortsteil von Herchweiler (westliche Seite der
Straße "In der Gaß") ausschließlich von jüdischen Familien
bewohnt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie
folgt: 1808 24 jüdische Einwohner (fünf Ehepaare mit zusammen sechs Jungen
und sieben Mädchen, daneben eine Witwe), 1839 39 (in fünf Familien), 1844 41,
1855 50, 1861 61, 1868 64, 1895 29. Die jüdischen Haushaltsvorsteher erwarben
den Lebensunterhalt der Familien meist als Viehhändler, Metzger und
Krämer. Später eröffneten einige von ihnen Handlungen und
Geschäfte.
Die Namen der fünf jüdischen Familien waren 1839: Salomon Sender (sechs
Personen), Mayer Rothschild (zwölf), Lob Seligmann (zehn), Isaak Lemel (drei)
und Isaak Born (acht). Damals hieß es in den Akten über die Familien:
"Diese fünf Familien sind sämtlich schon lange in der Gemeinde ansässig,
oder vielmehr, sie sind daselbst zuhause". 1863 gab es in der "Gaß"
insgesamt 12 jüdische Wohnhäuser mit den Häusernamen: Kartusche, Koppels,
Gässersch, Jeinkoffs, Herz, Jule, Seele, Schramme, Christoffels und
Süßkinds.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule
(Religionsschule) und ein rituelles Bad. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der
Gemeinde war zeitweise ein Lehrer angestellt, der auch als Vorbeter und Schochet
tätig war. Die Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof
in Thallichtenberg beigesetzt. Beim rituellen Bad handelte es sich um ein
kleines Gebäude, das vor dem Haus "Schramme" stand. Es ist jedoch
bereits am Ende des 19. Jahrhunderts abgebrochen worden.
In den 1920er-Jahren gab es in Herchweiler /Haupersweiler noch die jüdischen
Familien Frank, Marx, Rothschild, Herz und Meier-Sender. Sie waren im Leben des
Ortes weitgehendst integriert. Als Vorbeter wird Adam Frank genannt.
In
den Jahren nach 1933 ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Leo Marx wurde aus
nichtigem Grund 1933 verhaftet und für vier Monate in das KZ Dachau
eingeliefert. Seine Kinder Lilly und Herold konnten noch bis zum Dezember 1938
die Volksschule in Herchweiler besuchen, bekamen dann jedoch Schulverbot und
besuchten danach die jüdische Schule in Bosen. Beim Novemberpogrom
1938 gab es in Herchweiler nach vorliegenden Berichten keine besonderen
Vorkommnisse. 1941 kamen nach Herchweiler noch zwei jüdische Familien aus
Thallichtenberg, die dort ausgewiesen worden waren. Sie fanden Unterkunft im
Haus der Familie Artur Frank. Im Mai 1942 wurden mehrere der letzten jüdischen
Einwohner deportiert (Sara Marx, Fanny Rothschild und Lazarus Seligmann,
letzterer aus Thallichtenberg). Im Februar 1945 wurde Leo Marx, der mit einer
christlichen Frau verheiratet war, noch in das Ghetto Theresienstadt deportiert,
wo er einige Wochen später die Befreiung durch die Amerikaner erlebt hat. Er
konnte im August 1945 nach Herchweiler zurückkehren und ist 1970 als letzter
Herchweiler Jude gestorben.
Von den in Herchweiler - Haupersweiler geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Artur Frank (), Edmund
Frank (1892), Elli Karoline Frank (1920, siehe Kennkarte unten),
Herta Frank (), Klara Frank (), Johanna Friedberger geb. Sender
(1880), Thekla Judenberg geb. Rothschild (1888), Therese Delphine Kohlhagen geb. Rothschild (1887),
Julius Jules Levy (1879), Brandla Rosa Marx
(1892), Sara Marx geb. Bärmann (1866), Fanny Rothschild (1858), Lazarus
Seligmann (1857), Ida Sender geb. Jacob (1861), Siegfried Sender (1882), Ella
Wolff geb. Levy (1893).
Berichte
aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1876 /
1886 / 1887
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Juni 1876:
"Die Gemeinde Haupersweiler bei St. Wendel sucht einen
geprüften Elementar- und Religionslehrer, der auch zugleich Kantor und
Schochet sein muss. Gehalt 600 Mark nebst freier Wohnung. Nebenverdienste
gut.
Meldungen nebst Zeugnissen gefälligst einzusenden an
den Vorstand K. Rothschild." |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. November 1876:
"Wir suchen einen Lehrer, Kantor und Schächter zum sofortigen
Eintritt mit einem jährlichen Gehalt von 750 Mark nebst freier Wohnung
und Heizung mit den üblichen Kasualien. Zeugnisse nimmt entgegen
Unterzeichneter.
Haupersweiler, Kreis St. Wendel, 26./10.76. K. Rothschild, Vorsteher". |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Februar 1886:
"Die hiesige Stelle als Vorbeter, Schochet und Elementarlehrer ist
sofort zu besetzen. Fixer Gehalt 720 Mark nebst freier Wohnung und anderen
Kasualien. Bewerber wollen sich wenden an den Vorsteher
Koppel Rothschild, Haupersweiler, Kreis St.
Wendel." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Mai 1887:
"In unserer Gemeinde ist die Stelle eines Religionslehrers und
Vorbeters zu besetzen. Gehalt 700 Mark, sowie freie Wohnung und
Nebenverdienste. Bewerber wollen sich melden an den unterzeichneten
Vorstand
Koppel Rothschild, in Haupersweiler (Kr. St.
Wendel)." |
Hinweis: Anfang der 1840er-Jahre war Jacob Mayer
Eppstein als Lehrer in Haupersweiler tätig: siehe Familiengeschichte
"HaLevi - Eppstein - Eppler - Mayer. Vier Namen - eine Familie" von
Rolf Michael Mayer (eingestellt als pdf-Datei).
In den 1850er-Jahren war Josef Moses Lehrer in Herchweiler. Er ist
geboren am 10. Dezember 1826 in Rodalben als
Sohn des Jacob Moses und der Johanetta geb. Lion. Josef Moses war verheiratet
mit Amalie geb. Haas (geb. 1837 in
Oberhausen/Wallhalben als Tochter von Jakob Haas und der Karolina geb.
Katz). Josef Moses war zunächst Lehrer in
Oberhausen, danach um 1859 bis 1862 in Herchweiler, ab 1862
Schuldienstexpektant in Gommersheim, ab
1865 Schulverweser an der israelitischen Elementarschule in
Schwegenheim, ab 1875 Lehrer in
Göllheim, wo er vor dem 24. Oktober 1886
verstarb.
Sonstiges
Kennkarte
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarten
für die in Haupersweiler
geborene Elli Karoline Frank |
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Kennkarte (Berschweiler
1939) für Elli Karoline Frank (geb. 18. Juli 1920 in
Haupersweiler), wohnhaft in
Herchweiler und Mainz, am 25. März 1942 deportiert ab Mainz -
Darmstadt in ds Ghetto Piaski, umgekommen |
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Zur Geschichte der
Synagoge
Bei der Synagoge handelte es sich um ein etwa zehn mal
acht Meter großes Gebäude, über dessen Eingangstür die Jahreszahl 1790 zu
lesen war, vermutlich das Baujahr des Gebäudes. Das Gebäude stand etwas
oberhalb zwischen den Häusern mit den Namens "Christoffels" und
"Schramme".
In der Synagoge Herchweiler-Haupersweiler wurden noch in der Zeit nach dem
Ersten Weltkrieg Gottesdienste abgehalten, obwohl durch die Zahl der jüdischen
Männer am Ort inzwischen kaum noch ein Minjan zustande kam. Damals besuchten
den Gottesdienst in Herchweiler freilich auch die jüdischen Männer / Familien
der gleichfalls klein gewordenen Gemeinde in Konken.
In den 1930er-Jahren wurde die Synagoge nicht mehr für Gottesdienste verwendet
und stand leer. Als nach 1933 von der Bergseite her Wasser in die Mauern
eindrang und sich im Innern Steine lösten, meldete der Gendarm in Oberkirchen
das Gebäude als baufällig, worauf das Amt umgehend den Abriss anordnete.
Darauf wurde das Gebäude an einen Privatmann aus Herchweiler versteigert und
von diesem abgebrochen. Die Steine und Ziegel der Synagoge wurden beim Bau eines
neuen Hauses in der Kuseler Straße verwendet. Auf dem Grundstück der
ehemaligen Synagoge ist heute ein Garten beziehungsweise eine
Wiese.
Standort der Synagoge:
Etwas oberhalb / zwischen den Anwesen In der Gaß 16 und 18.
Fotos:
(Fotos: H. Kirsch s. Lit. S. 85; neuere Fotos: Hahn,
Aufnahmedatum 3.6.2011)
Die Straße "In der
Gaß" |
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Entlang der
Straße verlief bis 2003 die Landesgrenze zwischen Rheinland-Pfalz und dem
Saarland;
die linke Straßenseite gehörte bis dahin zu Haupersweiler; in diesem
Bereich lebten
die jüdischen Familien. |
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Straßenschild
"In der Gaß" |
Ansichten
der Straße "In der Gaß" |
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Ehemalige
jüdische Wohnhäuser "In der Gass"; am Haus in der Mitte findet
sich bis heute eine hebräische Portalinschrift von 1858
"Gesegnet bist du bei deinem Kommen und bei deinem Gehen"
(5. Mose 28,6) |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Hans Kirsch: "Juden-Herchweiler" gibt es
nicht mehr - Zur Geschichte der Haupersweiler Juden. In: Michael Landau
(Hrsg.): Damit es nicht vergessen wird. Beiträge zur Geschichte der
Synagogengemeinden des Kreises St. Wendel. Veröffentlichungen des
Adolf-Bender-Zentrums e.V. Nr. 1 St. Wendel 1988 S. 84-99. |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 442 (mit weiteren Literaturangaben).
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n.e.
Saarland:
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
Rheinland-Pfalz:
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
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