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Kleinsteinach (Gemeinde
Riedbach, Landkreis Hassberge)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Kleinsteinach bestand eine jüdische Gemeinde bis 1940/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des
15. Jahrhunderts zurück. Erstmals werden 1453 Juden am Ort genannt. 1699 lebten 43 jüdische Personen am Ort. Im
17. Jahrhundert war Kleinsteinach Sitz eines Bezirksrabbinates. Damals wirkten einige berühmte Toragelehrte am Ort, darunter Schimschon Schlomo Aleksander (Ben Rabbi) Schimon (um 1650 bis 1670) oder der auf Grund des Chmielnicki-Pogroms aus Polen hierher geflüchtete Rabbi Schmuel Sohn des David Moshe Halevi aus Miedzyrzecz (Rabbiner in Kleinsteinach 1670 bis 1681).
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1814 159 jüdische Einwohner (41,3 % von insgesamt 385), 1871 128 (28,4 % von 451), 1880 110 (22,0 % von 500), 1890 131 (27,1 % von 483), 1900 129 (26,4 % von 488), 1910 75 (16,6 % von 452). Die jüdischen Familien lebten überwiegend vom Handel mit Waren und Vieh, teilweise auch als Schlachter und von der Landwirtschaft.
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Kleinsteinach die folgenden jüdischen Familienvorstände genannt (mit bereits neuem Familiennamen und Erwerbszweig): als
unmittelbare Schutzjuden: Haium Jakob Lichtenstädter (Ellenwarenhandel), Michel Seligmann Kaufmann (Privatlehrer), Isak Wolf Langer (Ellenwarenhandel), Joseph Samuel Maas (Högner, d.h. Seifensieder, Lichterziehen), Callmann Löw Dülsheimer (Högner), Simon Löw Dülsheimer (ohne Gewerbe, Privatlehrer), Witwe von Löw Jacob Uhlfelder (Warenhandel), Moises Salomon (Bauer, seit 1820), Bonfet Raphael Rau (Schneider, seit 1824); als mittelbare Schutzjuden des Freiherrn von Truchseß: Abraham David Schloß (Kramhandel), Bär Moses Grünebaum (Schmusen), Löw Hirsch Hajum Straus (Schnitthandel), Fratel, Witwe von Jakob Weidenbusch, Elka, Witwe von Marx Dessauer (Handel und Feldbau), Elka, Witwe von Hirsch Moses Schwab (Handarbeit), Joseph Abraham Brill (Brillenhandel), Salomon Baruch Zuckermann (Auszüger), Isak Wolf Wolfermann (Handel), Isak Männlein Gutmann (Handel), Num Schmul Neumann (Viehhandel und Feldbau), Schmul Num Neumann (Viehhandel), Salomon Hajum Lichtenstetter (Warenhandel), Schmul Nathan Adler (Kramhandel, Judenvorsteher), Selig Nathan Adler (Warenhandel), Raphael Nim Neumann (Handel); als
mittelbare Schutzjuden der Freiherren von Altenstein: Simon Samuel Bärniger (Schlachter und Lichterziehen), Hajum Löw Oppenheimer (Warenhandel), Michael Hirsch Hebel (Schmusen) Löw Hirsch Hebel (Warenhandel), Jantorf Salomon Troller (Schmusen), Isak Jakob Schwab (Schlachten), Joseph Jakob Schwab (Schlachten), Wolf Samuel Rosenfeld(er) (Viehhandel), Mayer Salomon Walther (Warenhandel), Abraham Löw Sänk (Wangenhandel), Witwe von Baruch Samuel Frankenberger (Warenhandel), Raphael Samuel Schönmann (Hopfenhandel).
Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gehörten jüdischen Familien zahlreiche für das wirtschaftliche Leben im Ort wichtige Geschäfte und Läden, darunter Textilgeschäfte mit Schuhwaren, zwei Viehhandlungen, zwei Rindsmetzgereien, eine Pferdehandlung, eine Herrenschneiderei, eine Matzenbäckerei, eine Fellhandlung, ein Schuhgeschäft, ein Kolonialwarengeschäft.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule, ein rituelles Bad sowie ein Friedhof (Verbandsfriedhof für die umliegenden Gemeinden). Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein
Religionslehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schächter fungierte. 1817 wird als Lehrer
Jacob Moses Mix genannt; er hatte sich in Werneck verheiratet und ist dann zur "Übernahme des jüdischen Lehrerdienstes in der
Freiherrlich von Altensteinisch lehenbaren Judenschule zu Kleinsteinach gezogen". In besonderer Erinnerung blieben
um 1870 H. Heinemann (danach in
Mittelsinn),
Ascher Eschwege (Lehrer 1872 - 1879, Berichte zu ihm siehe unter Thuengen, wo Lehrer Eschwege von 1879 bis 1920 als Lehrer tätig war),
Nathan Sichel (Lehrer 1879 - mindestens 1911), Hirsch Wolfrom (1914 bis 1919 und 1922 bis 1924; vergleiche die Berichte zu den Lehrern unten). Die Gemeinde gehörte zum Distriktsrabbinat
Burgpreppach.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Max Neumann (geb. 4.12.1894 in Kleinsteinach, gef. 23.2.1916). Sein Name steht auf dem Kriegerdenkmal für die Gefallenen der Weltkriege in der Ortsmitte direkt vor der Kirche sowie auf dem Kriegerdenkmal im jüdischen Friedhof.
Um 1925, als zur Gemeinde 47 Personen gehörten (10 % von insgesamt etwa 470 Einwohnern), war
Vorsteher der Gemeinde Emanuel Gutmann. Als Kantor, Lehrer und Schochet war Hirsch Wolfrum angestellt. Er erteilte damals in Kleinsteinach sechs Kindern den Religionsunterricht. An jüdischen
Vereinen gab es einen Wohltätigkeits- und Begräbnisverein Chewra Kadischa (1924 unter Leitung von Isak Sacki, 18 Mitglieder, 1932 Leitung Seligmann Grünbaum), einen Krankenpflegeverein Bikkur Cholim (1924 Leitung Meier Walter, 10 Mitglieder) und eine Chewra Maariw-Bisman (1924 Leitung Meier Walter, 10 Mitglieder). 1932 waren die Gemeindevorsteher Emanuel Grünbaum (1. Vors.), Sali Lichtenstädter (2. Vors.) und Jakob Wolfermann (3. Vors.).
Zu Beginn der NS-Zeit 1933 lebten noch 33 jüdische Personen am Ort. 19 jüdische Personen konnten zwischen 1936 und 1940 noch den Ort verlassen, darunter sind 12 in die USA emigriert, je einer nach England, Brasilien und Ecuador; vier Gemeindeglieder verzogen in andere deutsche Orte. Beim
Novemberpogrom 1938 kamen SA-Leute aus Hassfurt nach Kleinsteinach. Sie drangen in die jüdischen Häuser ein, zerschlugen die Fenster und zerstörten die Einrichtungen. Danach wurde die Synagoge geschändet und die Inneneinrichtung völlig zerstört (s.u.). Da die jüdischen Männer gewarnt und vor der Aktion geflohen waren, begann eine Jagd nach ihnen, bei der auch Bauern des Ortes angegriffen wurden, die im Verdacht standen, einzelne Männer in Scheunen versteckt zu haben.
1942 wurden die letzten jüdischen Einwohner deportiert. Am 22. April hatten sich vier Personen an der Sammelstelle "Platzscher Garten" in Würzburg einzufinden; von dort ging es am 25. April 1942 weiter bis nach Krasnystaw. Wer in das Durchgangslager Krasniczyn kam, wer weiter nach Izbica, ist nicht bekannt. Die letzten sechs jüdischen Einwohner Kleinsteinachs mussten im Juni 1942 nach Schweinfurt ziehen. Wenige Tage später starb Frau Saly Wolfermann (Grab im jüdischen Friedhof Schweinfurt). Die übrigen fünf Personen wurden zusammen mit anderen am 9. September über Würzburg (10. September) und Nürnberg in das Ghetto Theresienstadt deportiert (Mitteilung von Frau Elisabeth Böhrer). Keiner überlebte.
Von den in Kleinsteinach geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von
Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des
"Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland
1933-1945"): Israel Hirsch Adler (1875), Jakob Adler (1876), Jeanette Adler (1873), Moritz Dessauer (1868), David Hirsch Droller (1875), Gustav Droller (1876), Julius Droller (1878), Regine (Rachel) Eisenheimer geb. Grünbaum (1863), Simon Eschwege (1879), Cäcilie Fichtelberger geb. Lichtenstädter (1861), Meta Friedmann geb. Neumann (1875), Emanuel Grünbaum (1874), Lina Grünbaum geb. Blum (1874), Rina (Riwa) Grünbaum (1911), Sophie Grünbaum geb. Hofmann (1871), Kolaja Gutmann (1870), Julius Gutmann (1874), Klara Gutmann (1866), Klara Gutmann (1889), Jakob Heinemann (1870), Max (Moses) Hellmann (1875), Karoline (Lina) Kahn geb. Gutmann (1869), Rosalie (Sally) Levi geb. Sacki (1868), Esther Lieber geb. Adler (1871), Fanny Marx geb. Walter (1896), Erich Neumann (1931), Irmgard Neumann (1924), Meta Neumann geb. Grünbaum (1896), Moritz Neumann (1892), Moritz (Moses) Neumann (1889), Klara Reis geb. Schloss (1894), Clara Schloss geb. Sammer (1872), Leopold Schloss (1898), Karoline (Kela) Sichel geb. Neumann (1854), Klara Sichel (1886), Jette Sonder geb. Lichtenstädter (1868), Berta Tannenberg (1883), Jakob Wolfermann (1874), Klara Wolff geb. Adler (1885), Lina Wolff geb. Gutmann (1870).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Religionslehrer-, Vorsänger und Schächterstelle 1872, 1879
und 1924
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Juli 1872: "Die
israelitische Religionslehrer- und Vorsängerstelle zu Kleinsteinach, Kgl.
Bezirksamt Haßfurt, ist durch Beförderung des bisherigen Lehrers
erledigt und soll alsbald wieder besetzt werden.
Nebst freier Wohnung erhält der Lehrer 300 Gulden fixe Besoldung, 100 Gulden
an Akzidenzien und kann, wenn darauf reflektiert wird, auch die
Schächterfunktion übertragen werden, die mindestens 100 Gulden abwirft.
Nebstdem sind noch bedeutende Nebenverdienste durch Privatunterricht und
dergleichen zu gewärtigen. Reflektanten belieben sich recht bald zu
wenden an.
Simon Schloß, Kultusvorstand." |
Auf diese Ausschreibung hin bewarb sich
erfolgreich Ascher Eschwege, der bis 1879 blieb, als er die Stelle
in Thüngen übernahm. |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Dezember 1879:
"Die israelitische Religionslehrer- und Vorsängerstelle, verbunden
mit Schächterfunktion dahier, ist durch Beförderung des bisherigen
Lehrers Herrn A. Eschwege als Elementarlehrer in Thüngen in Erledigung
gekommen und soll baldmöglich wieder besetzt werden. Die Erträgnisse
bestehen nebst freier Wohnung in dem sehr geräumigen schönen Schulhause
in 600 Mark an ständigem Gehalt inkl. Entschädigung für Beheizung des
Lehrzimmers, 250 Mark Anschlag des Schlächterverdienstes, 250 Mark
Anschlag der Nebenverdienste, welch letztere sich bei gutem Einvernehmen
beträchtlich erhöhen und auch die Sicherheit besteht, dass sich ein
Lehrer dahier durch Erteilung von Privatunterricht einen namhaften
Verdienst verschaffen kann.
Gutbefähigte Bewerber wollen ihre diesbezüglichen Gesuche mit Zeugnissen
bis zum 20. Dezember diesen Jahres an den Unterfertigten gelangen
lassen.
Kleinsteinach bei Haßfurt am Main, 28. November 1879. Samuel
Lichtenstetter, Kultusvorstand." |
Auf diese Ausschreibung hin bewarb sich
erfolgreich Lehrer Nathan Sichel. |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Juli 1924: "Ab 1.
September ist in hiesiger Gemeinde die Stelle eines Religionslehrers,
Kantors und Schochets zu besetzen. Besoldung erfolgt nach staatlichen
Grundsätzen. Bewerber wollen sich melden an Herrn E. Gutmann,
Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde in Kleinsteinach,
Unterfranken." |
Anzeigen des Lehrers Nathan Sichel 1886 / 1903 / 1909
Anmerkung: Lehrer Nathan Sichel war seit 1884 verheiratet mit Karolina geb.
Neumann.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. September 1886:
"Bei mir finden Knaben, auch solche, die noch schulpflichtig sind,
Aufnahme, Unterricht in den kaufmännischen Fächern. Auf Verlangen auch
im Hebräischen, als Chaje Adam usw., Wohnung im Hause, gute Kost,
gewissenhafte Pflege und strenge Aufsicht.
N. Sichel, Lehrer in Kleinsteinach bei Haßfurt am Main
(Unterfranken)."
(Anmerkung: viele jüdische Lehrer unterhielten in ihren Häusern noch
eine kleine Pension für schulpflichtige jüdische Knaben, was bei dem
knappen Lehrergehalt einen Nebenverdienst einbrachte". |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. April 1903:
"Knaben, die sich dem Kaufmannsstande widmen wollen, finden
in meinem Hause Aufnahme. Lehrgegenstände: Kaufmännisches
Rechnen, Handels-Korrespondenz, Kontokorrent, Buchführung, Wechsellehre, Stenographie
etc. etc.: auf Verlangen auch Talmud, Mischna und Ritual. Kost, Wohnung
und Wäsche im Hause. Gewissenhafte, religiöse Erziehung, vorzügliche
körperliche Pflege. Pensionspreis äußerst billig.
N. Sichel, Lehrer, Kleinsteinach bei Hassfurt
(Unterfranken)." |
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Neujahrsanzeige 1909 |
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. September 1909:
"Allen Freunden und Bekannten herzlichen ...Wunsch entbietet Lehrer
N. Sichel und Familie Kleinsteinach." |
Dienstjubiläum des Lehrers Nathan Sichel (1911)
Bericht
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Mai 1911:
"Kleinsteinach (Unterfranken), 30. April. Am 1. Mai konnte Herr
Lehrer Sichel hier auf eine 50jährige Amtstätigkeit zurückblicken.
Zuerst wirkte derselbe 13 Jahre in Ober-Seemen
(Oberhessen), sodann 6
Jahre in Dornheim (Mittelfranken). Seit 31 Jahren waltet Herr Sichel in
der hiesigen Gemeinde mit großer Pflichttreue seines Amtes und hat
während dieser langen Zeit eine segensreiche Tätigkeit entfaltet. Dessen
Verdienste um die hiesige Gemeinde und Schule wurden hier durch
Veranstaltung einer größeren Feier anlässlich seines 25jährigen Dienstjubiläums
geziemend gewürdigt. Um seinem Wirkungskreise keine Gelegenheit zu einer
zweiten Jubiläumsfeier zu geben, beging Herr Sichel in aller Stelle den
wichtigen Tag seines Lebens. Möge dem allseits beliebten Lehrer ein recht
hohes, gesegnetes Alter beschieden sein!" |
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Meldung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 12. Mai 1911:
"Kleinsteinach. Am 1. Mai beging Lehrer N. Sichel sein
50jähriges Amtsjubiläum." |
Anmerkung: Lehrer Sichel sprach bei der
Beisetzung von Emma Flamm geb. Eisenmann 1911 in Nenzenheim. |
Zum Tod von Lehrer Hirsch Wolfrom (1927, Lehrer in
Kleinsteinach 1914 bis 1919 und 1922 bis 1924)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Juli
1927: "Nach langem und schwerem Leiden starb am 11. Juni in
Reichenhall, wohin er sich zum Kurgebrauch begeben hatte, Lehrer
Hirsch Wolfrom von Ermershausen im
46. Lebensjahre. Bei der Beerdigung, die in München stattfand und zu der
sich neben zahlreichen Gemeindemitgliedern sämtlich Kollegen von hier
eingefunden hatten, schilderte Herr Rabbiner Dr. Ehrentreu das
entsagungsreiche und opfervolle Leben des jüdischen Lehrers, dessen ganz
auf das Ideelle gerichtete Streben oft genug nicht die Würdigung findet,
die es verdient. Herr Oberlehrer Dingfelder sprach im Namen des Verbandes
Bayerischer Israelitischer Gemeinden und des Israelitischen Lehrervereins
den Hinterbliebenen das herzlichste Beileid aus. Er gab dabei die
Versicherung ab, dass beide Organisationen bemüht sein werden, das Los
der schwer geprüften Witwe nach Möglichkeit zu erleichtern. Kollege
Wolfrom hatte ein wechselvolles und schicksalsschweres Leben hinter sich.
Nachdem er im Jahre 1900 das Jüdische Lehrerseminar in Köln absolviert
hatte, wirkte er in verschiedenen norddeutschen Gemeinden, und zwar in
Gemen, Labes, Konitz und Stallupönen. Bei dem Einfall der Russen im Jahre
1914 musste er, seine ganze Habe zurücklassend, flüchten und kam dann
nach Kleinsteinach in Unterfranken. Nach zweieinhalbjährigem
Kriegsdienst kehrte er im Jahre 1919 wieder nach Stallupönen zurück,
nahm im Jahre 1922 neuerdings die Stelle in Kleinsteinach an und
wirkte schließlich bis zu seinem Tode in Ermershausen.
Wir werden dem in so jungen Jahren abberufenen Kollegen ein treues
Andenken bewahren." |
75. Geburtstag der Lehrerwitwe Sichel
(1929)
Mitteilung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Mai 1929: "Kleinsteinach
(Unterfranken), 22. April (1929). Frau Lehrer Sichel, Witwe, Kleinsteinach
(Unterfranken), beging ihren 75. Geburtstage am 22. April
1929." |
Aus dem jüdischen
Gemeinde- und Vereinsleben
Zum Tod von Heßlein Lonnerstädter aus Haßfurt (1924)
Der Wohltätigkeits- und Bestattungsverein Chewra Kadischa in
Kleinsteinach war für den Verbandsfriedhof in Kleinsteinach zuständig. Daher
gehörten der Chewra Kadischa auch Mitglieder aus den Gemeinden des
Friedhofverbandes an. So wurde zum Tod von Heßlein Lonnerstädter aus Haßfurt
auch ein Nachruf aus Kleinsteinach veröffentlicht:
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. November 1924: "Kleinsteinach,
18. November (1924). Aus Kleinsteinach wird uns geschrieben: In dankbarer
Erinnerung an sein hingebungsvolles Wirken in der Chewra Kadischa gedenken
wir des Heimganges unseres langjährigen Mitglieder, Herrn Heßlein
Lonnerstädter, Haßfurt. Er übte
Barmherzigkeit stets mit mustergültiger Gewissenhaftigkeit und
Hilfsbereitschaft. Im 74. Lebensjahre beendete er seine Laufbahn
hienieden.
An der Bahre fand Herr Lehrer Hammelburger, Haßfurt, Worte des Abschiedes
von einer innigen Wehmut, wie sie nur der Schmerz ob des Hinscheidens
eines schwer zu missenden herzlichen Freundes hervorzubringen imstande
ist. Nachdem er die glänzenden Eigenschaften und die Größe des
Verlustes, der nicht nur die Familie, sondern auch die Gesamtheit
betroffen hat, in treffender Weise geschildert hatte, nahm unser
altehrwürdiges Beit Hachajim (Friedhof) die irdischen Reste dieses
aufrechten Mannes auf." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Abraham Adler aus Kleinsteinach wurde als Rabbiner in
Burgpreppach gewählt (1838)
Anmerkung: der aus Kleinsteinach stammende Abraham Adler war von 1838
bis 1845 Rabbiner in Burgpreppach, danach bis 1882 Distriktrabbiner in Aschaffenburg.
Meldung
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. September
1838: "Für das Rabbinat Burgpreppach ist nunmehr in der Person des
Herrn Abraham Adler aus Kleinsteinach gewählt." |
Zum Tod der Brüder Liebmann und Isak Gutmann (1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Mai 1901: "Kleinsteinach.
Hierselbst starben kurz nacheinander die Brüder Liebmann und Isak
Gutmann, beide in ihrer Gemeinde und Umgegend hochgeschätzte Männer.
Letzterer war an 50 Jahre Chasan an den Jomim Hanoroim (sc.
ehrenamtlicher Vorbeter an den Hohen Feiertagen im Herbst) und ebenso lang
Baal Tokeah (sc. Schofarbläser). Ihre Seelen seien eingebunden
in den Bund des Lebens." |
Über den aus Kleinsteinach stammenden Präparandenlehrer Max Gutmann (geb. 1876
in Kleinsteinach, gest. 1926)
Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom
7. Oktober 1926: "Präparandenlehrer Max Gutmann. Am ersten
Abend des Rosch-Haschonoh, dessen Festtagsliturgie in erschütternder
Weise die Gebundenheit des Menschenschicksals an den göttlichen
Richterspruch uns zum Bewusstsein bringt, hauchte Max Gutmann seine edle
Seele aus. Am zweiten Tage des Rosch-Haschonoh wurde, was sterblich an ihm
war, auf dem Beis hachajim (Friedhof) zu Fulda der Erde übergehen.
Mit Max Gutmann ist ein frommer Jude, ein ideal gesinnter Lehrer, ein
guter Mensch ins Grab gesunken. Geboren im Jahre 1876 in Kleinsteinach
und aufgewachsen in einem von tiefem religiösem Ernst durchwehtem
Elternhause, wurde Gutmann schon in früher Jugend auf das alte jüdische
Ideal eines Lehrers hingewiesen. Die in bayerischen Lehrerkreisen
bekannten und geschätzten Jugendbildner, Lehrer Sichel s.A. (Kleinsteinach)
und Lehrer Eschwege (Thüngen) waren
die geistigen Führer seiner Jugend. Die Präparandenschule
zu Höchberg und das Jüdische Lehrerseminar zu Würzburg zählten
Gutmann mit zu ihren strebsamsten Absolventen. Seine Laufbahn als
jüdischer Lehrer begann der junge Kollege in mehreren kleinen Gemeinden
Unterfrankens, dann folgte er einem Rufe an die höhere Mädchenschule
nach Hamburg. Seine reichen pädagogischen Erfahrungen, die er in
5jähriger Tätigkeit in Hamburg sich erwarb und als Hörer an der
dortigen Hochschule erweiterte, konnte er als Lehrer an der
Präparandenschule zu Burgpreppach vom Jahre 1908 an als Nachfolger des
verewigten Hauptlehrers Neumann s.A. in reichem Maße verwerten. In
17jähriger Tätigkeit als Lehrerbildner hat sich Gutmann durch treue
Hingabe die Dankbarkeit von Hunderten seiner Schüler, die Anerkennung und
Achtung seiner Kollegen an der Schule und des Bezirks, sowie den Dank der
Verwaltung und Leitung seiner Schule erworben. Fast untragbar erschien
zeitweise das Maß der Arbeit, das in der Kriegs-, besonders aber in der Inflationszeit
als Pflegevater, als Hausverwalter und als Lehrer auf seinen Schultern
lastete. War er doch zuletzt fast der einzige und alleinige Träger der
gesamten Schul- und Internatsaufgaben, welche aus dem Betrieb der zur
Bürgerschule umgewandelten Burgpreppacher Anstalt erwuchsen. Seine
Körperkraft, welche den großen Anstrengungen des ihm im letzten
Jahrzehnt gestellten Aufgabenkreises nicht mehr gewachsen war, brach unter
der Last zusammen, musste umso eher zusammenbrechen, als unerquickliche
Verhältnisse an der Schule durch seelische Aufregungen seine ohnehin
schon geschwächte Gesundheit stark beeinträchtigen. Obgleich erst am
Ende der vierziger Jahre stehen, musste Gutmann jede weitere
Berufstätigkeit aufgeben. Aber gerade jetzt musste er noch einmal die
Tragik des jüdischen Lehrerstandes erfahren. Es zeigte sich, dass trotz
der in Bayern gegebenen Versorgungsmöglichkeit für seine Ruhestands- und
Hinterbliebenenbezüge nur unzulänglich gesorgt war. Dem Eintreten seiner
Kollegen im Bayerischen Lehrerverein ist es noch in letzter Stunde dank
der Fürsorgetätigkeit des Verbandes Bayerischer Israelitischer Gemeinden
in Verbindung mit den Opfern aus der Hilfskasse des Lehrervereins und aus
der Kasse der Burgpreppacher Schule gelungen, die Ruhestandsversorgung im
Rahmen der einmal gegebenen Verhältnisse noch einigermaßen befriedigend
zu lösen. Aber nicht lange sollte Gutmann der Ruhe sich erfreuen. Nach
etwas mehr als einjährigem Ruhestand machte ein Schlaganfall seinem leben
ein Ende. An seinem Grabe trauert eine junge Witwe mit fünf Waisen. Möge
es gelingen, die Hinterbliebenen für Not und Sorge zu bewahren. Wie sich
der verewigte Jugendbildner in Hunderten von Herzen dankbarer Schüler ein
Denkmal bleibender pietätvoller Verehrung gesetzt hat, wird sein Andenken
in den Kreisen seiner Kollegen, die ihn als einen aufrechten Mann und
freuen Freund schätzten, in liebevoller Erinnerung fortleben. Das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen! J.St." |
Zum 70. Geburtstag des in verschiedenen Ämtern tätigen Meier Walter (1937)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15.
März 1937: "Kleinsteinach (Unterfranken). Am 27. Februar beging
Herr
Meier Walter seinen 70. Geburtstag. Schon mehr als 20 Jahre ist er
Vorstand des hiesigen Begräbnisvereins und über 30 Jahre setzt er sich
als Mitglied des Chewra Kadischa für sie in uneigennütziger Weise ein.
An den hohen Feiertagen ist er als Bal-tefilloh (ehrenamtlicher
Vorbeter) in idealer Weise tätig. Möge es Herrn Walter vergönnt sein,
noch lange Jahre an der Seite seiner Gattin und im Kreise seiner Kinder in
Glück und Gesundheit zu verbringen." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Februar 1937: "Kleinsteinach
(Unterfranken), 20. Februar (1937). Am kommenden Schabbat (27. Februar
1937) begeht Herr Meier Walter seinen siebzigsten Geburtstag. Schon mehr
als 20 Jahre ist er Vorstand des hiesigen Begräbnisvereins und seit über
30 Jahren setzt er sich als Mitglied der Chewra Kadischa in
uneigennützigster Weise für deren Belange ein. Es verdient hervorgehoben
zu werden, dass der Jubilar an den hohen Feiertagen als Baal Tefilla (ehrenamtlicher
Vorbeter) in idealer Weise tätig ist. (Alles Gute) bis 120." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Hochzeitsanzeige von Brunette geb.
Schüler und Salomon Adler (1912)
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 12. April
1912: "Herr Rabbiner S.H. Schüler und Herr und Frau Nathan Adler
beehren sich, von der - so Gott will - am Mittwoch, den 17. April (Rosch
Chodesch Ijjar) im Hotel Schwan in Würzburg stattfindenden Trauung
ihrer Kinder Brunette und Salomon Kenntnis zu geben.
Bollweiler im Elsass
- Kleinsteinach / Frankfurt am Main." |
Postkarte von S. Wolfermann von
1902
Postkarte von 1902,
versandt von Kleinsteinach nach
Ichenhausen
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim / Ries) |
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Die Postkarte
wurde am 20. Oktober 1902 in Kleinsteinach abgestempelt und an Moritz
Bernheimer in Ichenhausen gesandt;
Absender: S. Wolfermann (vermutlich Sali Wolfermann, geb. 27. März 1877
in Mainbernheim, letzter Wohnort
Kleinsteinach) |
Zur Geschichte der Synagoge
Die Gemeinde erbaute 1736 auf Initiative des damals
Rabbiner Jechiel Heitzfeld eine Synagoge. Zur Finanzierung trugen Spenden von
Abraham und Jakob Hassfurt bei. 1903 wurde die Synagoge renoviert.
1925 wurde in der Synagoge eine Gedenktafel für 17 jüdische Gefallene
des Ersten Weltkrieges aus Kleinsteinach und den Orten der Umgebung eingeweiht
(beim Novemberpogrom 1938 zerstört).
Am Pessachfest 1932 besuchte der später als Widerstandsbischof gegen
das NS-Regime bekannt gewordene Würzburger Bischof Dr. Matthias von Ehrenfried
(1871-1948) die Synagoge:
Besuch
des Würzburger Bischofs in der Synagoge in Kleinsteinach am Pessachfest 1932
Bericht in der Bayrischen Israelitischen Gemeindezeitung vom
15. Mai 1932): "Kleinsteinach i. Unterfr. Eine hohe Ehre wurde der
Kultusgemeinde Kleinsteinach in Unterfranken am zweiten Tage des Pessachfestes
zuteil. Anlässlich der Kirchenvisitation durch Seine Eminenz Bischof Dr. von
Ehrenfried aus Würzburg erhielten die dortigen jüdischen Mitbürger seitens
der Gemeinde und Kirchenverwaltung ebenfalls Einladung zum offiziellen Empfang
des hohen Kirchenfürsten. Nach einer Ansprache in der Kirche, in welcher Seine
Eminenz insbesondere auf das schöne harmonische Verhältnis unter den
Konfessionen in Kleinsteinach hinwies, berief er den Gemeinde- und Kirchenrat in
den Gemeindesitzungssaal. Im Laufe der Unterhaltung stellte Seine Eminenz fest,
dass sich im Gemeinderat auch das demselben schon 27 Jahre angehörende
jüdische Kultusmitglied Maier Walter befand, gegenüber welchem er den Wunsch
äußerte, auch die Synagoge besichtigen zu wollen. Er fand sich dann dort in
Begleitung von fünf anderen geistlichen zu einem nahezu halbstündigen
Aufenthalte ein und ließ sich alle Einrichtungen eingehend erklären. Zum
Schluss sprach der Herr Bischof der Israelitischen Kultusgemeinde seinen Dank
aus, mit dem Bedauern wegen Zeitmangel nicht auch den historisch berühmten
israelitischen Bezirksfriedhof besichtigen zu können. Dieses bedeutsame
Ereignis ist für die Kleinsteinacher Kultusgemeinde um so erfreulicher und
ehrenvoller, als der ganze Aufenthalt des Bischofs in der dortigen
Kirchengemeinde nur eineinhalb Stunden dauerte. |
Bericht
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Mai 1932: "Kleinsteinach,
1. Mai (1932). Anlässlich der Kirchenvisitation durch Seine Exzellenz
Bischof Dr. von Ehrenfried aus Würzburg, erhielten die jüdischen
Mitbürger unseres Ortes seitens der Gemeinde und Kirchenverwaltung
ebenfalls Einladung zum offiziellen Empfang des Hohen Kirchenfürsten.
Nach einer in der Kirche gehaltenen sehr toleranten Ansprache, in welcher
Seine Exzellenz insbesondere auf das schöne harmonische Verhältnis unter
den Konfessionen in Kleinsteinach hinwies, berief er den gemeinde- und
Kirchenrat in den Gemeinde-Sitzungssaal. Er äußerte dem schon seit 27
Jahren dem Gemeinderate angehörenden jüdischen Kultusmitglied Maier
Walter den Wunsch, auch die Synagoge besichtigen zu dürfen. Er erschien
in Begleitung von noch fünf anderen Geistlichen und ließ sich alle
Einrichtungen eingehend erklären. Seine Exzellenz sprach sodann der
israelitischen Kultusgemeinde seinen Dank aus, mit dem Bedauern wegen
Zeitmangels nicht auch den historisch berühmten israelitischen
Bezirksfriedhof besichtigen zu können." |
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Inneneinrichtung der
Synagoge (und mehrerer jüdischen Häuser) durch SA-Leute aus Hassfurt
zerstört. Torarollen und andere Ritualien wurden auf einem Haufen vor der
Synagoge verbrannt. Dabei wurde auch die 1925 an der Synagoge angebrachte
Gedenktafel für 17 jüdische Gefallene des Ersten Weltkrieges aus Kleinsteinach
und den Nachbargemeinden zerschlagen. In den 1950er-Jahren wurde das
Synagogengebäude durch Blitzschlag zerstört. Danach wurde die Ruine
abgebrochen. Heute sind nur noch die ca. 30 cm hohen Grundmauern auf dem
ansonsten leeren Grundstück neben Haus Nr. 89 erhalten. Eine Gedenktafel ist
neben dem Grundstück angebracht mit der Inschrift: "In Kleinsteinach
bestand eine Jüdische Kultusgemeinde, deren Synagoge am 10. November 1938 durch
die damaligen Machthaber verwüstet wurde. Zur Erinnerung und Mahnung".
Erhalten ist das Gebäude der ehemaligen jüdischen Schule, das
sich im Besitz der evangelischen Kirchengemeinde befindet (Haus Nr. 47). In ihm
befinden sich eine Wohnung und ein Gottesdienstraum der Kirchengemeinde. Eine
Gedenktafel ist vorhanden: "Evang. Gemeindeheim - früher jüdische Schule
- Gottes Wort bleibt in Ewigkeit".
Fotos
Historisches Foto
(Quelle: www.riedbach.de). |
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Die Synagoge in Kleinsteinach:
im Vorbau
der Eingang für die Männer, links der
für die Frauen. Im
Holzhäuschen rechts
war der Leichenwagen |
Titelbild des Kleinsteinacher
Memorbuches
(Sefer HaMemor)
aus dem Jahr 1873
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Neuere Fotos des
Synagogengrundstückes |
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Das
Synagogengrundstück mit der Hinweistafel |
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Ehemalige jüdische Schule |
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Die ehemalige
jüdische Schule, jetzt evangelisches Gemeindeheim |
Hinweistafel |
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Fotos von 2007
(Hahn, Aufnahmedatum 27.5.2007) |
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Andernorts entdeckt |
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Grabstein im
jüdischen Friedhof Bad Kissingen für Nanni Reich geb. Sacki (geb.
5. April 1840 in Kleinsteinach, gest. 20. September 1908 in
Berlin) |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
2009ff: In
Kleinsteinach entsteht ein jüdisches Dokumentationszentrum |
Mitteilung aus der Website der Gemeinde
Riedbach (Link
zur Mitteilung): "Jüdisches Dokumentationszentrum und Judenfriedhof
Das Dokumentationszentrum über die jüdische Vergangenheit in Kleinsteinach ist in Planung.
Dargestellt werden soll ein historischer Rückblick über das Leben der jüdischen Bürger in Kleinsteinach und über die einstige Synagoge im Ort.
Zur Geschichte des jüdischen Friedhofes in Kleinsteinach: Laut der Überlieferung wurde er angeblich im Jahre 1453 angelegt. Da erst mehr als 100 Jahre später, also 1596 das erste Begräbnis vermeldet wurde, ist davon auszugehen, dass die Zeitangabe "1453" doch nicht ganz stimmen kann. Der erste Tote war ein berühmter Thoragelehrter. Gleichzeitig wurde der Friedhof zur zentralen Begräbnisstätte von Hassfurt für die Orte Aidhausen, Haßfurt, Hofheim, Kleinsteinach, Lendershausen, Westheim, Wonfurt, Zeil und sogar Schonungen ernannt.
Der letzte, dessen Begräbnis man anhand eines Grabsteines nachweisen kann, ist Daniel Mahler, der im Januar '42 verstarb. Die letzte hier begrabene Tote jedoch war wahrscheinlich die in Haßfurt 86-jährig verstorbene Rosa Lonnerstätter (Todestag: 29.03.1942).
Die Begräbnisstätte ist heute geschlossen und untersteht nun dem Landesverband der israelitischen Kultusgemeinden in Bayern. Dieser Landesverband stellte im Jahre 1960 Mittel für die Instandsetzung des Judenfriedhofes bereit.
Zudem signalisierte 1989 die Gemeinde Riedbach ihre Unterstützung für die Aufbereitung der Geschichte des Judenfriedhofs und dafür, diese Dokumentation für Jedermann zugänglich zu machen." |
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Artikel von Ulrich Kind in der
"Main-Post" vom 21. Juli 2009 (Artikel):
"KLEINSTEINACH. Einblick in jüdische Geschichte. Das Lehrerwohnhaus soll saniert und zu einem Informationszentrum werden Die alte Schule in Kleinsteinach soll zu einem Dokumentationszentrum für jüdisches Leben werden. Dazu gibt es hohe Fördergelder.
Für Bürgermeisterin Birgit Bayer war es die erste Ortsversammlung im Gemeindeteil Kleinsteinach. Zur Premiere hätte sie mehr Bürger erwartet. Gerade mal 17 Kleinsteinacher sind in das Gemeindehaus in der Alten Schule gekommen.
Auf der Wunschliste der Gemeinde Riedbach, so die Bürgermeisterin, stehe die Sanierung des ehemaligen Lehrerwohnhauses neben der Sankt Bartholomäus Kirche. Das unter Denkmalschutz stehende, etwa 250 Jahre alte Fachwerkwohnhaus, soll nach seiner Sanierung öffentlich genutzt werden. Mit den vorbereitenden Untersuchungen wurde Architekt Dag Schröder (Schweinfurt) beauftragt. Er schlägt vor, im alten Lehrerwohnhaus ein Dokumentationszentrum zur jüdischen Gemeinde in Kleinsteinach, die durch das NS-Regime ausgelöscht wurde, einzurichten.
Schröder führte weiter aus, dass das Dach und Fassade des Gebäudes erneuert werden müssen und auch der Innenausbau auf dem Sanierungsplan stehe. Im Erdgeschoss sieht die neue Raumaufteilung drei Räume vor, im Obergeschoss ist ein ausstellungstauglicher Rundgang durch vier Räume möglich. Später könnten dort sogar Wanderausstellungen zu verschiedenen Themen präsentiert werden.
Mit allen Nebenkosten ist im Kostenvoranschlag ein Betrag in Höhe von rund 279 000 Euro vorgesehen. Bürgermeisterin Birgit Bayer hatte dann noch gute Nachrichten vom Amt für Ländliche Entwicklung in Würzburg der Gemeinde im Vorgespräch.
'Die Behörde hat einen höheren Zuschussbetrag für diese Einzelmaßnahme signalisiert', sagte sie. Weitere verbindliche Zusagen für Zuschüsse erwarte die Gemeinde von der Kulturstiftung und von der Bezirksregierung, die im fünf- bis sechsstelligen Eurobereich liegen dürften.
Bis zur nächsten Gemeinderatssitzung, so die Bürgermeisterin abschließend, liegen dem Gemeindegremium dann die aktuellsten Informationen vor." |
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September 2019:
Vortrag über jüdisches Landleben in Bayern |
Artikel von Ulrich Kind in der "Main-Post"
vom 30. September 2019: "Kleinsteinach. Wie die 'Judenschul' zum Synonym
für Synagoge wurde.
Die jüdische Bevölkerung in Deutschland hat vom Spätmittelalter bis ins 19.
Jahrhundert mehrheitlich auf dem Land gelebt. Ein wichtiges Zentrum dieser
Ausprägung jüdischen Lebens war in Unterfranken.
Wer heute aufmerksam durch Unterfranken fährt, stößt in vielen Kleinstädten
und Dörfern auf ehemalige Synagogen und Mikwen (rituelle Tauchbäder) oder
jüdische Friedhöfe. Diese baulichen Spuren zeugen facettenreich vom
einstigen jüdischen Leben in dieser Region.
Auf Einladung des ehrenamtlichen Arbeitskreises 'Landjudentum' des Museums
'Jüdische Lebenswege' sprach am Mittwoch im Gemeindesaal der 'Alten Schule'
Rebekka Denz zum Thema 'Judenschul im Dorf'. Kernthema ihrer Ausführungen
ist der Umgang mit den ehemaligen Synagogen im ländlichen Raum in
Unterfranken.
In ihrem gut besuchten Vortrag widmete sich Rebekka Denz den baulichen
Spuren jüdischen Lebens. Der Fokus ihrer Untersuchungen lag auf den
ehemaligen Synagogen und deren heutige Nutzung als Orte des Gedächtnisses.
Seit Jahrzehnten engagieren sich Einzelpersonen und Institutionen dafür, die
Erinnerung an das jüdische Leben als bedeutenden Bestandteil der fränkischen
Landesgeschichte lebendig zu halten. Hierbei hat sich neben der jüdischen
Familienforschung als Interessenschwerpunkt der Erhalt von baulichen Spuren
herauskristallisiert.
Die 'Judenschul' im Dorf', 'Judenschule' oder kurz 'Schul' leitet sich vom
jiddischen Begriff 'shul' ab, der bereits im Mittelalter als Synonym für
Synagoge Verwendung fand. Sie dient sowohl dem Gebet, dem religiösen Lehren
und Lernen als auch der Versammlung und Rechtsprechung. Wenn eine
Gemeinschaft klein war, kein Geld oder keine Erlaubnis für den Bau einer
Synagoge hatte, richteten Juden einen privaten Betraum ein.
Unterfranken wies bis ins 19. Jahrhundert hinein eine der höchsten Dichten
an jüdischen Gemeinden und Ansiedlungen auf. Vermutlich um das Jahr 1100
wurden in Aschaffenburg, Miltenberg, Schweinfurt und Würzburg erste
eigenständige Synagogen errichtet. Nach erneuten Vertreibungen spielte sich
jüdisches Leben zusehends auf dem Land ab. Man richtete Betstuben ein, baute
Synagogen, eröffnete Schulen und Mikwen (rituelles Tauchbad) und legte
Friedhöfe an.
Kleinsteinach ist in gewisser Weise ein Paradebeispiel für die
Entwicklung einer religiösen Infrastruktur: Es gebe die 1736 erbaute und
1903 renovierte Synagoge, eine Mikwe, die erhaltene jüdische Schule – heute
in Nutzung der evangelischen Kirchengemeinde – und der regional bedeutende
Verbandsfriedhof, so Rebekka Denz.
Plötzlich mehr Möglichkeiten. In den Hungerjahren von 1816/17 wurde
im Königreich Bayern das so genannte 'Judenedikt' eingeführt, welches unter
anderem Juden auf dem Land verbot, den Wohnort zu wechseln. Doch es brachte
auch positive Änderungen mit sich: Sie konnten nun das Bürgerrecht und
Grundbesitz erwerben, auch ihre beruflichen Möglichkeiten wuchsen. Teil des
Edikts war der 'Matrikelparagraph', mit dem die Zahl der an einem Ort
zugelassenen jüdischen Familien festgelegt wurde. Für 1817 lassen sich 203
unterfränkische Orte mit jüdischer Bevölkerung ermitteln. In 69 Prozent der
Ortschaften bestand die jüdische Ansiedlung nur aus vier bis 24 Haushalten
und blieb aber insgesamt gering, nicht überall bestand auch eine jüdische
Gemeinde. Etwa 30 Ansiedlungen waren so klein, dass es keine jüdische
Gemeinde am Ort gab. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schlossen
sich mehrere kleine zu einer größeren Gemeinde zusammen und gaben ihre
Landsynagogen auf, verkauften die Gebäude und führten sie damit einer neuen
Nutzung zu. Kleinstädtische Gemeinden wiederum bauten ihre Infrastruktur
aus, größere Stadtsynagogen wurden errichtet.
Nach der 'Reichspogromnacht' im November 1938 ging – wer konnte – ins Exil.
Ab 1941 bis Mitte des Jahres 1943 wurden mehr als 2000 jüdische Menschen,
denen die Auswanderung nicht mehr gelungen war, aus Unterfranken deportiert.
Von ihnen überlebten nur 60 die Vernichtungslager. In der Nachkriegszeit
gründete sich die 'Jüdische Gemeinde Würzburg und Unterfranken', die bis
heute die einzige der Region ist und ihren Sitz in Würzburg hat. 1970 wurde
die neu erbaute Synagoge als Teil des Jüdischen Gemeindezentrums in Betrieb
genommen, sie ist heute ein Element des 2006 neu eingerichteten
Kulturzentrums 'Shalom Europa'."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern.
Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988. S. 79-80. |
| Michael Trüger: Der jüdische Friedhof Kleinsteinach. In: Der
Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern. Jg. 1994 9. Jg. Nr.
64 vom Dezember 1994 S. 23. |
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in
Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979 S. 340-341. |
| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 142-145. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Kleinsteinach. Jews are first mentioned in
1453. From the late 16th century, the Jewish cemetery there served numerous
communities and in the 17th century, Kleinsteinach was the seat of the Grabfeld
district rabbinate. The Jewish population was 159 in 1814 and 129 in 1900 (total
488). In 1933, 33 Jews were left, mainly trading in cattle and farming. On
Kristallnacht (9-10 November 1938), Jewish homes were vandalized and the
synagogue's contents destroyed. Nineteen Jews left Kleinsteinach in 1936-40,
including 12 for the U.S. In 1942, four were deported to Izbica in the Lublin
district (Poland) on 25 April and five to the Theresienstadt ghetto on 10
September.
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