Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia
Judaica
Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und
bestehende) Synagogen
Übersicht:
Jüdische Kulturdenkmale in der Region
Bestehende
jüdische Gemeinden in der Region
Jüdische
Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur
und Presseartikel
Adressliste
Digitale
Postkarten
Links
| |
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"
zurück zur Übersicht "Synagogen in Rheinland-Pfalz"
zur
Übersicht "Synagogen im Landkreis Mainz-Bingen und Stadtkreis Mainz"
Nierstein mit
Schwabsburg (VG Rhein-Selz, Kreis
Mainz-Bingen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(erstellt unter Mitarbeit von Wolfgang Kemp,
Oppenheim)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Nierstein bestand in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts eine kleine jüdische Gemeinde. Erstmals werden 1740
jüdische Einwohner genannt (in Oppenheim, Nierstein und Schwabsburg lebten
damals zusammen zehn jüdische Familien). 1754 werden Benedict Mendel und
Joseph Isaac als Schutzjuden am Ort erwähnt. 1785 bittet der Niersteiner
Bürgermeister beim Oberamt in Oppenheim um die nachträgliche Genehmigung der
Heirat des Niersteiner Juden Joseph Wolf. In diesem Jahr wird auch des
Schutzjuden Moyses Hirt Sohn genannt. 1797 gab es zwei jüdische Familien
sowie eine arme jüdische Witwe mit Kindern am Ort.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1806 drei jüdische Familien (Benedict Nathan, Wolf Joseph und Moises
Joseph), 1808 27 jüdische Einwohner, 1817 41 (in acht Familien), 1824 35
(1,7 % der Gesamteinwohnerschaft von 2.076), 1861 47, 1900 79.
Bei den acht jüdischen Familien im Jahr 1817 handelte es sich um die
Familien der folgenden Personen: Schiffer Sebastian Wolf; Händler Wilhelm
Mayer, Witwe Philippina Meyer, Händler Benedict Blum, Witwe von Moses Joseph,
Moses Epstein, Weinhändler Joseph Mayer Koefer, Joseph Blum (genauere
Angaben zu den einzelnen Familien im Beitrag von Wolfgang Kemp s.Lit.).
Die jüdischen Familien lebten zunächst vor allem vom Handel. 1808 wird eine
Cattunhandlung der Gebrüder Isaac und Jacob Mayer genannt. Ein größeres
Weingut hatte in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Nierstein Israel Bloch aus
Mainz (gest. 1861, siehe Artikel unten).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde zeitweise eine Synagoge /
Betsaal (s.u.). Ansonsten wurden die Einrichtungen in Oppenheim
mitbenutzt. Ein eigener Religionslehrer / Vorbeter war vermutlich zu keiner
Zeit vorhanden. Der Religionsunterricht der Kinder der Gemeinde wurde durch den Lehrer aus Oppenheim
erteilt. Vorbeterdienste im Betsaal konnten auch ehrenamtlich übernommen
werden.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Jakob Kohlmann (geb.
3.3.1875 in Niederheimbach, gef. 29.10.1915). Der in Nierstein geborene und
später in Oppenheim wohnhafte Ludwig Hirsch hat im Krieg einen Arm verloren (er
wird auch im Bericht der nationalsozialistischen Ausschreitungen 1928 genannt,
siehe unten); er
kam nach der Deportation im Ghetto Theresienstadt ums Leben (sein Sohn Edmund war Ende
1938 totgeschlagen worden).
1932 wurden 42 jüdische Einwohner gezählt (in zehn Haushaltungen), die
der jüdischen Gemeinde in Oppenheim
zugeteilt waren. Mit der Oppenheimer Gemeinde gehörte auch Nierstein zum
Bezirksrabbinat in Mainz. Mehrere der
jüdischen Familien hatten in Nierstein gut gehende Geschäftshäuser, viele
waren in der Bevölkerung beliebte und angesehene
Bürger.
Nach 1933 ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder (1933: ca. 40 Personen) auf Grund der Folgen des
wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Beim Novemberpogrom
1938 wurden durch SA-Leute die jüdischen Wohnungen, Einrichtungen und
Geschäfte demoliert. Die Familie Josef Kaufmann konnte danach die Wohnung nicht
mehr betreten, da sie unbewohnbar geworden war. Im August 1941 zog Josef
Kaufmann mit seiner Frau und seinem Bruder Ernst Abraham mit seiner Frau nach
Mainz. Seitdem wohnten in Nierstein keine jüdischen Personen mehr.
Von den in Nierstein geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"; kritisch durchgesehen und ergänzt von Wolfgang Kemp): Eduard Blum (?) 1936 Freitod, Gustav Blum (1865), Charlotte Blum geb. Mainzer, Ehefrau von Gustav (1875), Karoline Eller geb. Hirsch (1891) Kornsandopfer s.u., Adolf Aron Feiner (1868), Auguste Feiner, Tochter von Adolf (1898), Paula Feiner, Tochter von Adolf (1890), Juliane Gärtner geb. Blum, Schwester von Gustav (1859), Elise Herzberg geb. Mayer, Wwe (1864), Betty Heumann geb. Grünebaum (1902), Emil Hirsch (1885), Jakob Hirsch, Ehemann von Emma (1884) (hat Theresienstadt überlebt), Emma Hirsch geb. Koch (1880), Ludwig Hirsch (Oppenheim) (1896), Edmund Hirsch, Sohn von Ludwig (Oppenheim) (1922), Josef Kaufmann (1871), Fanny Kaufmann geb. Hamburger, Ehefrau von Josef (1872), Frieda Kaufmann, Tochter von Josef und Fanny (1900), Else Babette Kaufmann, Tochter von Josef und Fanny (1907), Stella Kaufmann, Kind von Else (1937), Alois Koch (1876), Anna geb. Beck, Ehefrau von Alois (1877), Heinrich Koch (1886), Frieda Koch geb. Frank, Ehefrau von Heinrich (1882) Bernhard Mayer (1862), Max Schwed, Ehemann von Johanna (1892), Johanna Schwed geb. Feiner, Tochter von Adolf (1896), Ferdinand Sonnenberg, Ehemann von Jenni (1886), Jenni Sonnenberg geb. Hirsch (1898), Emmi Sonnenberg, Tochter von Ferdinand und Jenni (1917), Markus Weiler (1878), Franziska Weiler geb. Mayer, Ehefrau von Markus (1876), Dr. Julius Weiler, Sohn von Markus und Franziska (1906), Anna Maria Weiss geb. Bamberger (1898), Willibald (Willy) Wolf (1882), Flora Wolf geb. Oppenheimer, Ehefrau von Willy (1886),
(gemeinsamer Freitod mit ihrem Mann), Josefine Zeller (1909).
Aus Schwabsburg sind umgekommen: Johanette Boll geb. Wolf (1883), Gustav
Wolf (1881), Willibald (Willy) Wolf (1882, vgl. Kennkarte unten)
Am 22. Juni 2013 wurden an zwölf verschiedenen Stellen innerhalb des
Stadtgebietes zur Erinnerung an 30 Opfer des
nationalsozialistischen Terrors "Stolpersteine" verlegt (jüdische
und nichtjüdische Personen). Die "Stolpersteine" erinnern
an: Rina Kohlmann geb. Koch und Erna Metzger geb. Kohlmann (Tempelhof 7), Ernst-Alfred Grünebaum, Stella Grünebaum geb. Kaufmann und Berthe Inge Grünebaum (Marktplatz 7), Alois Koch, Anna Koch geb. Beck, Frieda Koch geb. Frank, Heinrich Koch, Emma Hirsch geb. Koch, Jenny Sonnenberg geb. Hirsch, Ferdinand Sonnenberg und Emmi Sonnenberg (Rheinstraße 12), Willy Wolf, Flora Wolf geb. Oppenheimer und Liesel Wolf (Rheinstraße 3), Franziska Weiler geb. Mayer, Markus Weiler, Dr. Julius Weiler und Kurt Weiler (Rheinstraße 1), Georg Eberhard (Tiefer Weg 20), Adolf Aron Feiner, Paula Feiner und Auguste Feiner (Oberdorfstraße 19), Jakob Schuch (Oberdorfstraße 70), Jakob Schuch (Winzerstraße 12), Nikolaus Lerch (Fäulingstraße 31), Johann Eller und Cerry Eller geb. Hirsch (Ringstraße 19) sowie Adam Schmitt (Ringstraße
9.) Oberdorfstraße 51: Max, Selma und Anna Levy. Im Mai 2014 wurden 16 Stolpersteine
an vier Stellen verlegt, die an die folgenden Personen erinnern: Max, Selma und
Anna Levy (Oberdorfstraße 51e), Gustav, Charlotte und Robert Blum (Rheinstraße
23), Josef, Fanny, Irma Regine, Frieda, Alice Amalie, Jenny, Else-Babette und
Stella Kaufmann (Rheinstraße 38), Jakob Hirsch (Rheinstraße 12).
Weitere "Stolpersteine" wurden im Juli 2015 für Familie
Goldschmitt verlegt (Glockengasse). Im Juni 2019 wurde der 55.
"Stolperstein" in Nierstein verlegt (siehe Pressebericht unten).
Vgl. Informationen und Fotos in http://www.geschichtsverein-nierstein.de/alben/stolpersteine/
Hinweis auf die "Kornsandmorde"
bei Nierstein: am 21. März 1945 wurden auf dem rechtsrheinischen Kornsand
gegenüber Nierstein fünf Niersteiner und ein Oppenheimer Bürger
ermordet. Unter den Ermordeten war auch die in obiger Liste aufgeführte Karoline
(genannt: Cerry) Eller geb. Hirsch (geb. 1891 in Chicago aus
jüdischer Familie; der Vater Hermann Hirsch hatte nach Rückkehr aus
Amerika in Oppenheim einen Altwarenhandel; Foto links aus der unten
genannten Website), die in Nierstein mit den
evangelischen Maurer Johannes Eller verheiratet und anlässlich ihrer
Hochzeit zum evangelischen Glauben übergetreten war. Beide wurden auf dem
Kornsand ermordet.
Zu den "Kornsandmorden" vgl. u.a. die Website www.kornsandverbrechen.de,
eine Seite
des Geschichtsvereins Nierstein sowie einen Wikipedia-Artikel |
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Berichte zu
einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Zum Tod des Weingutbesitzers Israel Bloch (1861)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. November 1861: "Mainz,
den 29. Oktober (1861). Gestern Morgen verschied plötzlich vom Schlage
gerührt auf seinem Gute in Nierstein der durch seine Besitzungen daselbst
auch in weiteren Kreisen bekannte Herr Israel Bloch von hier. Der
Verstorbene, der sich durch eigene Tätigkeit ein bedeutendes Vermögen
erworben, genoss die Achtung seiner Mitbürger. Die Leiche des
Verblichenen wird morgen früh 8 Uhr mit der Eisenbahn hier eintreffen, um
auf dem hiesigen Friedhof beerdigt zu werden." |
Bei den schweren nationalsozialistische Ausschreitungen in
Oppenheim wurde Ludwig Goldschmidt aus Nierstein schwer verletzt (1928)
Artikel in der Zeitschrift des "Central-Verein" vom 28.
September 1928: "Schwere nationalsozialistische Ausschreitungen in
Oppenheim. Am Sonntag, den 23. September, dem Vorabend des
Versöhnungsfestes, durchfuhren abends gegen 8 Uhr, von einer Veranstaltung aus
Westhofen bei Worms kommend, zwei Lastautos mit einem Anhänger, vollbesetzt mit
Nationalsozialisten, die hessische Kreisstadt Oppenheim a. Rh. Während der
ganzen Fahrt schrieen die Insassen im Chor: Deutschland erwache, Juda verrecke.
Aus den fahrenden Autos wurde ein Haus mit Steinen bombardiert, die haarscharf
am Kopfe vorübergehender Passanten vorbei flogen. An einer Straßengabelung
überholten die Autos einen Trupp festlich gekleideter friedlicher Männer,
Frauen und Kinder, insbesondere auch junge Mädchen und beschimpften sie im
Vorbeifahren in nicht wiederzugebender Weise. Gleichzeitig warfen sie mit
Gläsern auf die friedlich Dastehenden, die nach der Vorbeifahrt im Abstande von
den Autos ihren Heimweg fortsetzten. Plötzlich hielten die Wagen. Die Führer
und eine Rotte Burschen entstiegen ihnen und überfielen die auf der Straße
gehenden jungen Leute und schlugen auf sie mit Gummiknüppeln, Schlagringen und
anderen Gegenstände ein, während sich die Umstehenden in einem benachbarten
Hause in Sicherheit bringen konnten. Der 20jährige Ludwig Goldschmidt aus
Nierstein a.Rh. sank plötzlich zusammen. Er hatte einen Stich zwischen die Rippen,
dicht an der Lunge vorbei erhalten, so dass sich Hemd und Weste über und über
voll Blut ergossen. Der Kriegsteilnehmer Ludwig Hirsch, ein Mann, der im Feld
den halben Arm verloren hat und mit dem Eisernen Kreuz, der hessischen
Tapferkeitsmedaille und dem Verwundetenabzeichnen ausgezeichnet wurde, war
herbeigeeilt, weil er fürchtete, dass sein 68jähriger Vater sich in Gefahr
befände. Er rief nach diesem, wurde jedoch sofort von einer Rotte uniformierter
Nationalsozialisten umringt, die in rohester Weise auf seinen Kopf, Hals und
Rücken einschlugen und ihm die Kleider buchstäblich vom Leibe rissen. Er tief:
"Schämt ihr euch nicht, so gegen einen Kriegsteilnehmer, der einen Arm
verloren hat, vorzugehen". Er riss sich los, wurde aber auf einer Strecke
von 150 Meter von einem Hitlergardisten verfolgt, der mit einem feststehenden
Messer auf seinen Armstumpf einschlug und erst von ihm abließ, als von den nationalsozialistischen
Führern das Kommando ertönte: Jungmannschaft zurück!
Die Autos suchten daraufhin mit abgeblendetem Licht das Weite, wurden jedoch von
der Kriminalpolizei in Mainz, die sofort durch die herbeigerufene Oppenheimer
Gendarmerie alarmiert wurde, mit Nummern und Insassen festgestellt. Die
Verwundeten fanden sofort ärztliche Hilfe und sind noch bettlägerig. Unser
Berichterstatter traf Herrn Hirsch mit einem starken Schüttelfrost an, der ihn
danach einer Einspritzung wegen Starrkrampfgefahr befallen hatte. Der junge
Goldschmidt war infolge des großen Blutverlustes sehr geschwächt. Die
Bevölkerung aller Stände drückte allgemein ihre Empörung über die rohe und
feige Untat der nationalsozialistischen Burschen aus und erkundigte sich
ständig nach dem Befinden der Verletzten.
Der zuständige Landesverband Hessen-Nassau des C.V. hat sofort an Ort und
Stelle die nötigen Schritte zur energischen Verfolgung dieser mittelalterlichen
Zustände eingeleitet." |
Untersagung der Ausübung der Handelstätigkeit für
jüdische Unternehmen (1937)
(aus der Sammlung von Hans-Peter
Trautmann)
Anzeige vom 14. Mai 1937: "Untersagung der Ausübung der
Handelstätigkeit wegen Unzuverlässigkeit.
Lpd. Die Landesbauernschaft Hessen-Nassau teilt mit: Im Gebiet der
Landesbauernschaft Hessen-Nassau ist im Jahre 1936/37 folgenden Betrieben
wegen Unzuverlässigkeit die Handelserlaubnis entzogen worden: 1. Gebrüder
Karlsberg, Viehhandlung, Fränkisch-Crumbach.
(Entzug der Handelserlaubnis - Entscheidung des Provinzialausschusses der
Provinz Starkenberg vom 21.10.1936). 2. Gustav Sternberg,
Viehhändler, Herborn (Dillkreis),
Hauptstraße 105a. (Entzug der Handelserlaubnis für Vieh, Fleisch, rohe
Häute und Felle - Verfügung des Landrats von Dillenburg vom 24.10.1936).
3. Ludwig Oppenheimer, Neckarsteinach.
(Ablehnung der Legitimationskarte für 1936 - Entscheidung des
Provinzialausschusses Starkenburg vom 7.10.1936 und für 1937 -
Entscheidung des Kreisamtes Heppenheim a.d.B.) ... 6. Firma
Gärtner und Blum, Nierstein am Rhein (Entzug der
Handelserlaubnis wegen Verstoßes gegen das Weingesetz. Urteil des
Landgerichts Mainz - Große Strafkammer). 7. S. Heymann Söhne,
Mainz, Breidenbacherstraße 25 (Entzug der Handelserlaubnis wegen
Verstoßes gegen das Weingesetz - Urteil des Landgerichts Mainz. Große
Strafkammer).... Die Firmen zu 1,2,3,6 und 7 sind sämtlich jüdische
Firmen." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige des Manufaktur- und Ausstattungsgeschäftes A.
Blum Nachfolger, Inh. Carl Grünebaum (1907)
Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 7. Juni 1907: "Suche per sofort für mein Manufaktur- und
Ausstattungsgeschäft bei zwei Jahre Lehrzeit und freier Pension
ein Lehrmädchen.
A. Blum Nachf., Inh. Carl Grünebaum, Nierstein am Rhein". |
Kennkarten
aus der NS-Zeit |
|
Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
|
Kennkarten
zu Personen,
die in Nierstein geboren sind |
|
|
|
|
KK (Mainz
1939) für Gustav Blum (geb. 3. Januar 1865 in Nierstein),
Weinhändler, wohnhaft in Nierstein und Mainz, am 27. September 1942
deportiert ab Darmstadt in das Ghetto Theresienstadt, wo er am
18. Januar 1943 umgekommen ist |
KK (Mainz
1939) für Johanna Knopp geb. Koch
(geb. 6. August 1882 in Nierstein)
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
KK (Mainz 1939)
für Marx Lewy
(geb. 3. April 1884 in Nierstein), Kaufmann
|
KK (Mainz
1939) für Bernhard Mayer (geb. 16. September 1862 in Nierstein),
Metzger, wohnhaft in Mainz, am 27. September 1842 deportiert ab
Darmstadt
in das Ghetto Theresienstadt, wo er am 28. Oktober 1942 umgekommen
ist |
|
|
|
|
|
Kennkarte
für den in Schwabsburg
geborenen Willibald Wolf |
|
|
|
|
KK (Mainz 1939)
für Willy (Willibald) Wolf
(geb. 26. April 1882 in Schwabsburg |
|
|
Nach der Deportation /
Emigration
Anzeigen in der amerikanisch-jüdischen Zeitschrift
"Aufbau"
Hinweis auf die
Publikation:
Edgar Schwer: Was ist aus ihnen geworden? Spurensuche nach jüdischen Mitbürgern in der Exilzeitschrift AUFBAU 1940 - 1950
Familienanzeigen das linksrheinische Rheinland-Pfalz und das Saarland betreffend. Verein für Heimatkunde Nonnweiler e.V. |
Anzeigen - Nierstein betreffend - in der
Zeitschrift "Aufbau" - nach der Zusammenstellung von Edgar
Schwer; das angegebene Datum bezeichnet die jeweilige Ausgabe des
"Aufbau"; die Zeitschrift
ist online einsehbar: |
|
Freitag, 19. Dezember 1941:
Verlobte Dezember 1941. HELEN ISIDOR (fr. St. Goar, a. Rh.) 718 W. 178th St. New York & ROBERT BLUM (fr. Nierstein a. Rh.) 447 Ft. Washington
Ave. N.Y. |
|
Freitag, 20. November 1942:
Nach ihrem arbeits- und erfolgreichen Leben sind meine inniggeliebten Eltern Herr WILLY W0LF im Alter von 60 Jahren und Frau FLORA WOLF, geb. OPPENHEIMER im Alter von 56 Jahren aus Nierstein am Rhein, plötzlich in Mainz, drei Tage vor der Deportation nach Polen durch den Tod entrissen worden.
Ihre seltene Güte, ihr Charakter, ihr hilfsbereites und bescheidenes Wesen werden mir mein Leben hindurch als richtungsgebend vor Augen stehen.
In tiefem Schmerz:
Liesel Wolf, 2643 Broadway at 100th Street, Apt. 5-N. N.Y.C.
Netty Boll, geb. Wolf.
Adelheid Karlsberg, geb. Oppenheimer.
Gustav Wolf und alle Verwandten.
(WOLF Willibald Willy * 26. April 1882 in Schwabsburg, wohnhaft in Nierstein und Mainz 06. September 1942, Mainz Freitod
WOLF Flora, geb. Oppenheimer * 07. Mai 1886 in Fränkisch-Crumbach, wohnhaft in Mainz. 06. September 1942, Mainz, Freitod.) |
|
Freitag, 9. März 1945:
EDITH MAYER (f’ly Strekrade. Rhld.) & SIEGFRIED GOLDSCHMIDT (f’ly Nierstein, Rhein) will be
Married.
Sunday, March 11, at 2 a’clock,
Hotel Marseilles 248 West 103rd Street. 894 Riverside Drive
N.Y.C. |
|
Freitag, 20. April 1945:
We are happy to announce the arrival of our son RICHARD GORDON FRANKLIN April 11, 1945.
ROBERT & HELEN BLUM, née ISIDOR (f’ly Nierstein a. Rh. - f’ly St. Goar
a.Rh.) 30 Bogardus Place New York 34, N.Y. At present Gotham Hospital. |
|
Freitag, 27. August 1948:
Mein innigstgeliebter Mann, unser lieber, unvergesslicher Vater, Bruder und
Großvater MAX LEVY (fr. Nierstein a. Rh.) verschied nach schwerem Leiden am 16. August 1948.
In tiefer Trauer:
Selma Levy.
Ernst Levy, 2157 Alta Avenue, Louisville, Ky.
Anna Oppenheimer, geb. Levy.
Max Oppenheimer, 2 Enkelkinder, 2336 Emerson Avenue, Louisviile, Ky.
Selma Loeb.
Josef Loeb, 1924 Wrocklage Avenue, Louisville, Ky.
Emma Koch, 225 W. 106th St., Apt. 14-H, N.Y.25. |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine Synagoge (vermutlich ein Betsaal in einem der
jüdischen Häuser) war offenbar zeitweise vorhanden. Karl Johann Brilmayer
(Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart, erschienen 1905 S. 344) berichtet
für 1905: "die Israeliten haben eine Synagoge". Weitere
Angaben liegen nicht vor. Spätestens Anfang der 1920er-Jahre besuchten die
Niersteiner Juden die Synagoge in Oppenheim.
Adresse/Standort der Synagoge: unbekannt (bitte
gegebenenfalls Informationen an den Webmaster von "Alemannia Judaica",
Adresse siehe Eingangsseite)
Fotos
Verlegung
von
"Stolpersteinen im Juni 2013
(Fotos erhalten von Hans-Peter Hexemer,
Geschichtsverein Nierstein) |
|
|
|
Gunter Demnig bei
der Verlegung |
Erinnerung an die
einzelnen Schicksale |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Februar 2010:
Anregung für die Verlegung von
"Stolpersteinen" in Nierstein |
Artikel in der "Allgemeinen
Zeitung" vom 18. Februar 2010 (Artikel):
"NEU wirbt für "Stolpersteine"
NIERSTEIN. (red). "Je weiter der Holocaust in die Vergangenheit rückt, je weniger Zeitzeugen unter uns leben, desto wichtiger wird es, dass das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in unsere Lebensmitte, also an authentische Orte in unserer Gemeinde gerückt wird, an denen wir dem Leid der Opfer nachspüren können", sagt Thomas Gehring, Fraktionssprecher der Wählergruppe NEU. Mit dieser Begründung möchte die Wählergruppe den Gemeinderat Niersteins dafür gewinnen, dass mit sogenannten "Stolpersteinen" des Künstlers Gunter Demnig an die Niersteiner Opfer des NS-Regimes dauerhaft erinnert werden kann..." |
|
März 2010:
Der Geschichtsverein in Nierstein unterstützt
die Aktion "Stolpersteine" |
Abschnitt aus deinem längeren Artikel von
Hellmut Wernher in der "Allgemeinen Zeitung" vom 10. März 2010
(Artikel):
"Nierstein - Für "Stolpersteine".
Sollte der Gemeinderat das Setzen von "Stolpersteinen" zum Gedenken an die von den Nationalsozialisten verfolgten und umgebrachten Mitbürger beschließen, so wird der Geschichtsverein fünf dieser mit Namen versehenen Metallplatten stiften. Dies beschloss die Mitgliederversammlung und nahm zustimmend zur Kenntnis, dass zwei Vereinsmitglieder aus eigenen Mitteln je einen weiteren Stolperstein spenden wollen.
Zweiter Vorsitzender Hans-Peter Hexemer wies darauf hin, dass 50 Niersteiner Bürger, vor allem Juden, entweder zur Ausreise gezwungen oder ermordet wurden. Ferner sei bekannt, dass fünf Kranke und Behinderte umgebracht wurden. An diese Menschen sollen die "Stolpersteine" auf den Gehwegen vor deren damaligen Wohnungen erinnern..." |
|
Mai 2011:
Der Gemeinderat spricht sich gegen die Verlegung
von "Stolpersteinen" in Nierstein aus
Aus einem Artikel in der "Allgemeinen Zeitung" vom 7.
Mai 2011: "Stolpersteine zur Erinnerung an jüdische Mitbürger sollen nicht vor den jeweiligen Häusern angebracht werden, vielmehr soll eine Lösung auf dem Gelände des Ehrenmals gefunden
werden." |
(Zitat aus dem Artikel: Uwe Stapf ist Beauftragter in Kulturfragen (Allgemeine Zeitung, 07.05.2011)) |
|
Februar 2012:
Stellungnahme von
Ortsbürgermeister Thomas Günther zur Ablehnung von
"Stolpersteinen" in Nierstein |
Artikel: Niersteiner Ortschef nimmt Stellung zu Ablehnung von Stolpersteinen (Allgemeine Zeitung, 16.02.2012) |
|
Weiterer Artikel zur Diskussion um die
"Stolpersteine" in Nierstein vom 24. Februar 2012:
Niersteiner Wählergruppe NEU hält an Stolpersteinen fest (Allgemeine Zeitung, 24.02.2012) |
|
März 2012: Niersteiner Geschichtsverein
will Verlegung der Stolpersteine selbst organisieren |
Artikel von Sonja Werner in der
"Allgemeinen Zeitung" vom 28. März 2012:
Niersteiner Geschichtsverein will Verlegung der Stolpersteine selbst organisieren (Allgemeine Zeitung, 28.03.2012) |
Hinweis: Wer bei der Vorbereitung für die Verlegung von Stolpersteinen in der Gemeinde mithelfen und sich hier ebenfalls engagieren möchte, ist herzlich eingeladen, sich beim Geschichtsverein per E-Mail unter
mail@geschichtsverein-nierstein.de
zu melden.
Weitere Infos gibt es zudem unter Telefon 0 61 33 / 5 88 28. |
|
Juni 2013:
In Nierstein werden "Stolpersteine"
verlegt |
Artikel von Hellmut Wernher in der
"Allgemeinen Zeitung" vom 24. Juni 2013: "Nierstein. Stolpersteine in Nierstein verlegt
'Heute kehren die Namen von 30 Niersteinerinnen und Niersteinern, die allesamt Opfer des Terrors der Nationalsozialisten geworden sind, in unsere Stadt zurück', stellte Hans-Peter Hexemer, Vorsitzender des Geschichtsvereins, bei der Verlegung von Stolpersteinen an zwölf verschiedenen Stellen innerhalb des Stadtgebietes fest. Damit werde den Menschen ein Stück Würde zurückgegeben; sie würden wieder aufgenommen und blieben – mit ihren Namen als stete Erinnerung und Mahnung.
'Betrachten wir diese Heimkehr als Verpflichtung', mahnte Hexemer.
Im Beisein zahlreicher Bürger erinnerte Hexemer auf dem Tempelhof zu Beginn der Verlegungsaktion, die sich von Station zu Station bis zum späten Nachmittag hinzog, daran, dass die Mitbürger wegen ihrer politischen Gesinnung, ihres jüdischen Glaubens oder wegen körperlicher Gebrechen ausgegrenzt und gedemütigt, ihrer bürgerlichen Rechte entzogen, verhaftet und gefoltert, zur Flucht ins Exil oder in den Selbstmord getrieben, deportiert und in Lager gesperrt, erschossen und am Ende fabrikmäßig ermordet wurden.
Zwar habe 1933 bei der Machtübernahme der Nationalsozialisten sich noch niemand den Holocaust vorstellen können, doch hätten alle die ersten Schritte sehen und den Anfängen wehren können, meinte Hexemer und verwies auf die ersten Verhaftungen, die Gleichschaltung der Vereine und die Ausgrenzung der jüdischen Mitbürger, auch in Nierstein, wo sie bis dahin als Handwerker, Arbeiter, Händler und Weinkommissionäre gelebt hatten. Nach der anfänglichen Skepsis im Gemeinderat, in dem andere Formen des Gedenkens diskutiert wurden, hatte der Geschichtsverein angesichts der zahlreichen positiven Stimmen und der vielen Unterstützer die Initiative für die Verlegung der Stolpersteine übernommen und in umfangreichen Recherchen die Daten zusammengetragen. Mit Spenden von mehr als 7000 Euro konnte die erste Verlegung finanziert werden, weitere 30 Stolpersteine sollen in zwei weiteren Schritten folgen.
Stadtbürgermeister Thomas Günther (CDU) erinnerte daran, dass schon vor 30 Jahren
eine Gedenktafel, die die Opfergruppen nenne, am Ehrenmal angebracht worden
sei, und betonte ebenso wie der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen zur NS-Zeit, Dieter Burgard, es dürfe kein Vergessen geben. Vielmehr gelte es, den Mut zu haben, gegen eine Wiederholung des Schreckens einzuschreiten. Burgard stellte heraus, die Stolpersteine sollten nicht nur auf Schicksale aufmerksam machen, sondern auch belehren und vor allem mahnen.
Während der Künstler Gunter Demnig die Steine verlegte, wurden jeweils die Biografien der Opfer verlesen, musikalisch begleitet von Reinhard Schütz und Claudia Kessel am Vormittag sowie Thomas Ehlke am Nachmittag." |
Stolpersteine in Nierstein verlegt (Allgemeine Zeitung, 24.06.2013)
Vgl. auch den Bericht in
https://www.geschichtsverein-nierstein.de/ |
|
Mai 2014: Zweite Verlegung von
"Stolpersteinen" |
Niersteiner Geschichtsverein verlegt weitere 16 Stolpersteine (Allgemeine Zeitung, 14.05.2014)
Vgl. auch den Bericht in
https://www.geschichtsverein-nierstein.de/ |
|
März / Juli 2015:
Weitere
"Stolpersteine" werden in Nierstein verlegt |
Weitere Stolpersteine in Nierstein (Allgemeine Zeitung, 17.03.2015)
Vgl. auch den Bericht in
https://www.geschichtsverein-nierstein.de/ |
Anmerkung: in einer dritten Aktion verlegt
der Geschichtsverein die Verlegung von Stolpersteinen am 7. Juli 2015 in
der Glockengasse für die Familie Goldschmitt. |
|
Mai 2019:
Rundgang zu den "Stolpersteinen"
in Nierstein |
Artikel von Wolfgang Höpp in der
"Allgemeinen Zeitung" vom 24. Mai 2019: "Rundgang gegen das Vergessen in
Nierstein. Die Erinnerung wachhalten und das Schreckliche nicht vergessen -
das haben die 'Stolpersteine' in Nierstein zum Zweck. Ein Rundgang führte
Interessierte an die Stellen.
NIERSTEIN - 'Ich bin vor einem Monat nach Nierstein gezogen und
möchte gerne in die Geschichte der Stadt hineinschnuppern. Dabei bin ich auf
die 'Stolpersteine' gestoßen, die bei mir Neugier, aber auch tiefe
Betroffenheit ausgelöst haben', sagt Sabine Fries bei einer Veranstaltung im
Rahmen der Reihe 'Kultur um 8'. Johanna Stein, die dem Arbeitskreis
'Stolpersteine' des Geschichtsvereins Nierstein angehört, führte
geschichtlich Interessierte zu den im Straßenpflaster verlegten matt
glänzenden Gedenksteinen, die sich unter anderem in der Rheinstraße, auf dem
Marktplatz und im Tempelhof befinden.
Rheinstraße, Marktplatz und Tempelhof. Die 'Stolpersteine' wurden ab
2013 verlegt, um den misshandelten, vertriebenen und ermordeten jüdischen
Familien aus Nierstein ein mahnendes Denkmal zu setzen und einen Namen zu
geben. Hinter jedem dieser 'Stolpersteine' stehen Schicksale, die berühren
und gleichermaßen sprachlos machen. Wie konnte das alles passieren? Es hat
in den letzten Jahrhunderten im gesellschaftlichen Zusammenleben von
Christen und Juden in Europa immer schon Verwerfungen gegeben, aber
dramatisch wurde es in Deutschland für die Juden nach den 'Nürnberger
Gesetzen' und der Reichspogromnacht am 8./9. November 1938. Die
Judenverfolgungen lösten Konsequenzen aus, die in der Flucht ins Ausland,
Selbstmord oder dem Tod in der Gaskammer tragisch endeten. Das Schuhgeschäft
von Willy und Flora Wolf in der Rheinstraße 3 wurde Ende der Dreißigerjahre
des letzten Jahrhunderts zwangsweise geschlossen, das Ehepaar ertränkte sich
aus lauter Verzweiflung aneinandergekettet am 6. September 1942 schließlich
im Mainzer Zollhafen. In der Rheinstraße 12 besaß Heinrich Koch eine
gutgehende Metzgerei, die auch bei Nichtjuden sehr beliebt war. Nach deren
Zwangsschließung wurden er und seine Frau Frieda sowie zwei weitere
Verwandte verschleppt. Sie starben 1942 im polnischen Piaski beziehungsweise
Theresienstadt am 25. März 1943. Dasselbe traurige Schicksal ereilten auch
den Niersteiner Weinhändler Gustav Blum und seine Frau Charlotte in der
Rheinstraße 23, die ebenfalls in der Gaskammer von Theresienstadt ermordet
wurden. Nur sein Sohn Robert konnte 1939 in die USA fliehen. Ein Neubeginn
im Ausland war vor allem denen möglich, die vorher schon Kontakte geknüpft
und Geld dorthin transferiert hatten. Wer dann doch im 'gelobten' Land war,
für den war es schwer, dort Fuß zu fassen, auch immer begleitet vom Heimweh
nach Deutschland.
Nach dem beeindruckenden einstündigen Rundgang war eine emotionale
Aufarbeitung des Gehörten und des dort Gesehenen unbedingt notwendig: 'Wie
konnte das alles nur geschehen?', lautete die entscheidende Frage. Nach
intensiver Diskussion zitierte Johanna Stein aus einer Dokumentation von
Wolfgang Kemp über die Reichspogromnacht in Nierstein am 10. November 1938:
'Die massiven Plünderungen gingen für die nationalsozialistischen Täter mit
Verwarnungen und strengen Verweisen geradezu glimpflich aus'. Zwei Seiten
aus dem 1928 erschienenen Buch 'Mein Kampf' las die Moderatorin zum
Abschluss des aufschlussreichen und bewegenden Abends vor: Darin hatte
Hitler die Juden auf das Schlimmste verunglimpft und seine spätere
Vernichtungspolitik zu legitimieren versucht. Das letzte Wort hat Johanna
Stein: '70 Jahre Grundgesetz: Die Würde des Menschen ist unantastbar.'
(Art.1,1). Schauen wir auf die Stolpersteine und begreifen den Wert unserer
Verfassung und spüren die Verpflichtung, die jeder von uns hat'."
Link zum Artikel
Vgl. auch den Bericht in
https://www.geschichtsverein-nierstein.de/ |
|
Juni 2019:
Der 55. "Stolperstein" wird in
Nierstein verlegt |
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung" vom 14.
Juni 2019: "Nierstein: Stolperstein für Josefine Zeller
NIERSTEIN - 'Der Stolperstein für Josefine Zeller wird der 55.
Gedenkstein für die Opfer des Nationalsozialismus in Nierstein sein',
erklärt der Geschichtsverein Nierstein. '55 Personen, die gedemütigt,
entrechtet, ausgegrenzt, verfolgt, in Lager gesperrt und ermordet wurden. 55
Schicksale und Verfolgungsgeschichten, die vor den Augen aller in unserer
Stadt ihren Anfang nahmen.' Um an die Opfer zu erinnern und ihre Namen 'in
unsere Mitte zurückzuholen', verlegt der Künstler Gunter Demnig aus Köln im
Rahmen einer europaweiten Aktion diese Stolpersteine auch für den
Geschichtsverein Nierstein.
Josefine Zeller wurde als Tochter von Cerry Zeller, geborene Hirsch,
geboren. Ihr Vater war Adolf David Abraham Zeller. Ihre Mutter war in
zweiter Ehe mit Johann Eller verheiratet. Beide wurden 1945 auf dem Kornsand
ermordet. Josefine lebte in Nierstein, wurde bereits 1942 als Jüdin
verhaftet und kam ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Von dort wurde
sie am 26. März 1942 in die Tötungsanstalt Bernburg an der Saale im Rahmen
der sogenannten 14f13 Deportation verbracht und am gleichen Tag ermordet. Am
Donnerstag, 20. Juni, 11 Uhr, wird in der Ringstraße 19 ein Stolperstein für
Josefine Zeller verlegt."
Link zum Artikel
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung" vom 27. Juni 2019: "Nierstein. 55.
Stolperstein in Nierstein verlegt..."
Link zum Artikel
Vgl.
auch den Bericht und Fotos in
https://www.geschichtsverein-nierstein.de/ |
|
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. 1971
Bd. II S. 180-187 (unter Oppenheim). |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 293 (mit weiteren Literaturangaben).
|
| Wolfgang Kemp: 50 Jahre Wiederkehr der
'Reichskristallnacht' vom 9. November 1938: Dokumentation der Oppenheimer
und Niersteiner Juden. In: Beiträge zur Jüdischen Geschichte in
Rheinland-Pfalz (Vorgänger von SACHOR) 2. Jahrgang 1992 Heft 1 S.
4-24.
Online zugänglich (pdf-Datei). |
| Wolfgang Kemp: Die jüdische Gemeinde Nierstein.
Erstveröffentlichung in: Nierstein - Beiträge zur Geschichte und Gegenwart
eines alten Reichsdorfes. Im Auftrag der Gemeinde Niederstein und des
Arbeitskreises Niersteiner Ortsgeschichte herausgegeben von Hildegard Friess-Reimann
und Sigrid Schmitt. Alzey 1992. Online zugänglich
(pdf-Datei). |
| ders.: NS-Morde der letzten Tage - das Verbrechen auf dem
Kornsand bei Nierstein am 21. März 1945. In: Die Zeit des
Nationalsozialismus in Rheinland-Pfalz. Bd. 3: "Unser Ziel - die
Ewigkeit Deutschlands". Hrsg. von Hans-Georg Meyer und Hans Berkessel.
Mainz 2001. |
| Wolfgang
Kemp: Dokumentation Oppenheimer und
Niersteiner Juden 1933-1945. Verlag der Rheinhessischen Druckwerkstätte
Alzey 2009.
ISBN 978-3-87854-221-6. 25 €. |
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|