Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia Judaica
Die Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und bestehende) Synagogen
Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale
in der Region
Bestehende jüdische Gemeinden
in der Region
Jüdische Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur und Presseartikel
Adressliste
Digitale Postkarten
Links
| |
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"
zurück zur Übersicht "Synagogen in Unterfranken"
Oberwaldbehrungen mit
Ostheim v.d. Rhön
(Stadt Ostheim v.d. Rhön, Landkreis Rhön-Grabfeld)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(erstellt unter Mitarbeit von Elisabeth Böhrer)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Oberwaldbehrungen bestand eine jüdische Gemeinde bis
zu ihrer Auflösung zum 1. Januar 1935. Ihre Entstehung geht in das 18. Jahrhundert zurück.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1816 107 jüdische Einwohner (33,1 % von insgesamt 323), 1837 130
(38,2 % von 340), 1871 85 (26,3 % von 323), 1890 64 (23,7 % von 270), 1900
50 (19,9 % von 251), 1910 28 (11,3 % von 247).
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Oberwaldbehrungen
auf insgesamt 27 Matrikelstellen die folgenden jüdischen
Familienvorstände genannt (mit neuem Familiennamen und Erwerbszweig): Jonas
Marcus Bergheim (Schnitthandel), Witwe von Sander Simon Bach (ohne Erwerb),
Witwe von Baruch Isaac Krupp (ohne Erwerb), Moses Maier Reis (Häutehandel),
Moses Nathan Neumann (Wollen-, Schnittwaren- und Garnhandel), Samuel Joseph
Goldschmidt (Wollen- und Garnhandel), Sander Maier Reuss (Vieh- und
Schnitthandel), Gerson Nathan Baumgart (Viehhandel), Moses Nathan Baumgart
(Vieh- und Federhandel), Lamm Jacob Schloss (Wollen-, Barchant-, Honighandel),
Judas Sander Bach (Kleinhandel), Simson Baruch Grünwald (Kleinvieh- und
Schnitthandel), Nathan Haium Heinemann (Kleinhandel), Levi Maier Reuss
(Lederhandel), Salomon Maier Reuss (Spezerei- und Schnitthandel), Abraham
Salomon Katz (Galanteriewarenhandel), Sander Samuel Schmidt (Schnitt- und
Spezereihandel), Salomon Samuel Frankfurter (Zwilch- und Barchanthandel), Witwe
von Isaac Jacob Goldberg (Schnürwarenhandel), Witwe von Nathan Levi Frank
(Schnittwarenhandel), Simson Maier Reuss (Vieh- und Häutehandel, seit 1823 mit
Metzgerei), Samuel Löw Lamm Schloss (Wollen- und Hauthandel), Hirsch Kohn Reuss
(Schnitt- und Spezereihandel), Nathan Levi Rose (Schnitt- und Garnhandel),
Joseph Abraham Neumaier (Wollen-, Garn- und Tuchhandel), Maier Moses Neumann
(Feldbau, Ökonomie, seit 1821/22), Hirsch Baruch Grünwald (Eisenwarenhandel,
seit 1821), Herz Schmidt (Rothgerber (1825), Aron Nathan Hartung (Feldbau, seit
1824(, Samuel Sander Schmitt (Feldbau, seit
1824).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), bis
Anfang des 20. Jahrhunderts eine Israelitische Elementar-, dann noch eine
Religionsschule, ein rituelles Bad (im Oktober 1933 verkauft) und einen eigenen Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein
Elementar- beziehungsweise Religionslehrer angestellt, der zugleich als
Vorbeter und Schächter tätig war (vgl. Ausschreibungstexte s.u.). Unter den Lehrern
ist u.a. Jacob Epstein bekannt, der seit mindestens 1828 in Oberwaldbehrungen
tätig war und einen sehr guten Ruf als hervorragender Pädagoge hatte. Bis Ende
1892 war Lehrer Nathan Blatt in der Gemeinde, nach seinem Weggang nach Obbach
wird Lehrer Hermann Rose genannt, der 1893 aus Homburg
am Main nach Oberwaldbehrungen gewechselt ist (vgl. Verlobungsanzeige von
1898 unten). Er blieb bis 1899 (s.u. Ausschreibung der Stelle 1900)
und wechselte dann nach Altenstadt. Die jüdische
Gemeinde gehörte von 1840 bis 1892/93 zum Rabbinatsbezirk Gersfeld,
danach zum Distriktsrabbinat Bad Kissingen.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Unteroffizier
Norbert Reiß (geb. 26.1.1878 in Oberwaldbehrungen, vor 1914 in Neustadt a.d.
Saale wohnhaft, gef. 21.3.1918).
Um 1924, als nur noch 11 Personen der jüdischen Gemeinde angehörten (4,3 %
von 254), war Gemeindevorsteher Isidor Schloss. Inzwischen war es für die klein
gewordene Gemeinde kaum noch möglich, regelmäßige Gottesdienste abzuhalten.
Es gab noch ein
schulpflichtiges jüdisches Kind am Ort, das durch Hauptlehrer Gottlieb aus
Mellrichstadt unterrichtet wurde.
1933 lebten noch acht jüdische Personen am Ort (3,4 % von 234). Der Verband der
Israelitischen Gemeinden in Bayern (VBIG) beschloss im Dezember 1934, die Gemeinde
Oberwaldbehrungen aufzulösen und mit der Gemeinde in Mellrichstadt
zu vereinen. Im Juli 1935 erhielt der Verband dazu die behördliche
Genehmigung, und einen Monat später gab die Gemeinde von Mellrichstadt
offiziell bekannt, dass sie Synagoge und Friedhof in Oberwaldbehrungen in ihren
Besitz genommen hatte.
Bis 1938 starben drei der acht jüdischen Einwohner von 1933 noch in ihrer
Heimat, die übrigen fünf verließen den Ort (eine
jüdische Frau emigrierte nach Südafrika, eine andere zog im Juni 1938 nach Neustadt
a.d. Saale, die letzte jüdische Einwohnerin emigrierte im Oktober 1938 in die
Schweiz). Im Mai 1939 wurde kein jüdischer Einwohner mehr in Oberwaldbehrungen
festgestellt.
In Ostheim lebte bis Ende 1938 in einem Haus neben dem Rathaus das Ehepaar Regina und Siegmund
Neumaier. Auf Grund der Ereignisse beim Novemberpogrom 1938 flohen die beiden nach
Marktbreit.
Von den in Oberwaldbehrungen geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Klara Grölinger geb.
Bergheim (1859), Fanni Gutmann geb. Reis (1853), Siegmund Neumaier (1869),
Bertha Nürenberg geb. Heinemann (1874), Sarah Oppenheimer geb. Bachrach (1888),
Marianne Reis geb. Stühler (1863), Albert Rose (1900), Rosa Schloss geb. Reis (1872), Clara
Sommer geb. Reis (1888), Selma Stern geb. Schloss (1888), Ella Taubenblatt geb.
Reis (1892).
Aus Ostheim sind umgekommen: Regina Neumaier geb. Rindsberger (1872),
Siegmund Neumaier (1869).
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Elementarlehrers, Vorbeters
und Schochet 1879 / 1893 / 1900 / 1907
Aus den Ausschreibungen gehen auch die Namen von Gemeindevorstehern hervor:
um 1879 Jakob Schloß, um 1900/07 Alexander Reis.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. September 1879:
"Die israelitische Elementar-Schulverweserstelle hier, königliches
Bezirksamt Mellrichstadt in Bayern, ist erledigt. Gehalt 920 Mark mit
freier Wohnung und Beheizung. Nebeneinkünfte sicher. Verbunden
Vorsänger- und Schächterstelle. Bewerber wollen sich binnen vier Wochen
bei Unterzeichnetem anmelden.
Oberwaldbehrungen, den 7. September 1879.
Jakob Schloß, Vorstand." |
|
1893 kam Lehrer Rose von Homburg am
Main nach Oberwaldbehrungen als Elementarlehrer. Daher wurde die Stelle in
Homburg neu ausgeschrieben: |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Januar 1893: "In
Folge Berufung des seitherigen Inhabers Herr Rose, auf eine staatliche
Schulstelle nach Oberwaldbehrungen erledigt sich die hiesige
Religionslehrer-, Vorbeter- und Schächterstelle und ist sofort zu
besetzen. Das Gesamteinkommen ist ca. 1.400 Mark. Nur seminaristisch
gebildete Bewerber wollen sich melden an den Kultusvorstand Moses
Mandelbaum Homburg am Main." |
|
Die nächsten beiden Ausschreibungen
beziehen sich wieder auf Oberwaldbehrungen: |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. August 1900:
"Wir suchen für unsere Elementarverweserstelle einen ledigen,
unterfränkischen Lehrer, Vorbeter und Schochet. Fixum 837 Mark,
freie Wohnung und besondere Vergütung der Schechita. Meldetermin acht
Tage.
Oberwaldbehrungen, 26. August.
Alexander Reis, Kultusvorstand." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Juni 1907:
"Die hiesige
Elementar-Lehrerverweser-, Kantor- und Schächterstelle
ist vakant. Fixum exklusive Schächtgebühren und Nebeneinkommen ca. Mark
1.200.- Meldungen nebst Zeugnisse von nur ledigen Bewerbern umgehend
einzusenden an
Alexander Reis.
Kultusvorstand.
Oberwaldbehrungen,
Unterfranken." |
Zum 70. Geburtstag des früheren Lehrers an der israelitischen Schule in
Oberwaldbehrungen Nathan Blatt (1935)
Artikel
in der Bayerischen israelitischen Gemeindezeitung vom 15. August 1935:
"Würzburg. Am 15. August (1935) vollendet der Oberlehrer i.R. Herr
Nathan Blatt sein 70. Lebensjahr. Nach einer fast 45-jährigen
Lehrtätigkeit in Oberwaldbehrungen und an der Israelitischen Volksschule
Obbach, wo er in Treue und Hingebung seines Amtes waltete und sich die
Achtung und Liebe nicht nur seiner Glaubensgenossen, sondern der gesamten
Bevölkerung erwarb, siedelte er nach Würzburg über, wo er in Ruhe und
Zurückgezogenheit seinen Lebensabend verbringt. Der jüdischen
Öffentlichkeit ist der Name Blatt bekannt geworden durch seine eifrige
Mitarbeit im 'Hamburger Israelitischen Familienblatt' und durch sein
unentwegtes Eintreten für die Berufsumschichtung der Juden zu einer Zeit,
als diese Frage noch nicht aktuell zu sein schien. Die jüdische
Lehrerschaft berief Blatt im Jahre 1912 in die Verwaltung des Jüdischen
Lehrervereins für Bayern, wo er über ein Jahrzehnt lang eine sehr
rührige Tätigkeit entfaltete. Wir beglückwünschen den Jubilar und
wünschen ihm noch viele Jahre der wohlverdienten Ruhe."
Nach Reiner Strätz: Biographisches Handbuch Würzburger
Juden Bd. I S. 96 ist Nathan Blatt 1865 in Maßbach
geboren, Ausbildung an der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt in
Würzburg, Examen 1884. Strätz erwähnt, dass er an der Schule in
Obbach unterrichtete. Nach Angaben von Elisabeth Böhrer ist Lehrer
Blatt am 1. November 1892 von Oberwaldbehrungen nach Obbach gezogen, wo im Dezember 1893 seine erste Tochter
geboren ist, die zweite Tochter im Juli 1896 ebd.. Ab wann er in
Oberwaldbehrungen Lehrer war, ist nicht bekannt. In obigem Artikel wird
von einer fast 45-jährigen Lehrtätigkeit berichtet. Demnach könnte
Nathan Blatt um 1890 seine Lehrtätigkeit in Oberwaldbehrungen aufgenommen
haben (eventuell auf Grund seines Examens 1884 bereits
vorher).
Nathan Blatt verzog nach seiner Zurruhesetzung 1930 von Obbach nach Würzburg,
von dort 1938 nach München, wo er am 30. Dezember 1940 verstarb.
Die älteste Tochter war Else Adler geb. Blatt, geb. 24.12.1893 in Obbach,
später wohnhaft in München, im November 1941 in das Ghetto Kowno
deportiert und dort am 25.11.1941 ermordet. |
Zum
Tod von Hauptlehrer Hermann Rose (in Altenstadt, Schwaben 1936; war 1893
bis 1899 Lehrer in Oberwaldbehrungen)
Weitere Texte zu und von Lehrer Hermann Rose siehe auf der Seite
zu Altenstadt. Nach dem Artikel stammte Hermann Rose aus Oberwaldbehrungen;
vgl. die Nennung von Nathan Levi Rose in der Matrikelliste
1817.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. September
1936: "Altenstadt
(Schwaben), 15. September (1936). Der verflossene Tischa BeAw war
für die Familie des pensionierten Hauptlehrers Hermann Rose sowie
für die Gemeinde Altenstadt ein zwiefacher Trauertag. An dessen Rüsttag
trugen wir, was an Hermann Rose sterblich war, zu Grabe, und hier wurde es
uns wieder so recht klar, was wir alle mit dem Verewigten verloren haben.
Noch am Vorabend des Heiligen Schabbat stand er als Vorbeter
am Lesepult. Unter dem Abendgebet, nach den Worten 'Und
die Kinder Israels sollen den Schabbat halten...' überfiel ihn eine
Herzschwäche, die am nächsten Morgen zu seinem Ende führte. Der
Schriftvers war gleichsam letzte Mahnung an seine von ihm unermüdlich
betreute Gemeinde. Hermann Rose wirkte früher an mehreren fränkischen
Gemeinden u.a. in seiner Heimat Oberwaldbehrungen, in Homburg
am Main, wo er seine tapfere und vorbildliche treue Lebensgefährtin
fand. Vor 37 Jahren kam Rose nach Altenstadt.
Hier entfaltete er als anerkannt tüchtiger Schulmann, gewissenhafter
Vorbeter, Prediger und erfolgreicher Chronist eine fruchtbare Tätigkeit.
Nach den Trostworten des Herrn Hauptlehrers Hammelburger, der auch
den Dank des Jüdischen Lehrervereins in Bayern und der Bezirkskonferenz
Schwaben für die treue Mitarbeit des wertvollen Mitgliedes aussprach,
nahm Herr Neuburger jun. als Vorstand der Gemeinde und als Schüler
mit den herzlichen Dankesworten Abschied von dem geistigen Führer der
Gemeinde und seinem Lehrer. Der Liebe, deren sich Hauptlehrer Rose auch in
nichtjüdischen Kreisen seit je erfreuen durfte, gab der katholische
Ortsgeistliche in wärmsten, von Herzen kommenden Worten beredten
Ausdruck, wie denn die Beteiligung seitens der nichtjüdischen
Bevölkerung eine alle Erwartungen übertreffende war.
Mögen die Verdienste dieses bescheidenen, wahrhaften Gottesfürchtigen
seiner trauernden Witwe und seinen vier Kindern zum Guten gereichen, deren
eines den Beruf des vorbildlichen Vaters ergriffen, während ein anderer
Sohn auf hoher See einer neuen Heimat entgegenfuhr, indes der geliebte und
verehrte Vater in die ewige Heimat einging. Seine Seele sei eingebunden
in den Bund des Lebens." |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Die Auflösung der jüdischen Gemeinde Oberwaldbehrungen zum 1. Januar 1935
Mitteilung
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. Januar 1935:
"Bekanntmachung über Auflösung der Kultusgemeinden Gnodstadt,
Kleinerdlingen und Oberwaldbehrungen.
Der Rat des Verbandes hat in seiner
Sitzung vom 9. Dezember 1934 nach Anhörung der zuständigen
Bezirksrabbinate auf Grund des $ 28 der Verbandsverfassung beschlossen:
1. Bei den Kultusgemeinden Gnodstadt,
Kleinerdlingen und Oberwaldbehrungen
sind die Voraussetzungen dafür gegeben, dass diese Kultusgemeinden als
aufgelöst anzusehen sind.
2. Die Auflösung der Kultusgemeinden Gnodstadt,
Kleinerdlingen und
Oberwaldbehrungen wird als eingetreten erklärt.
Dieser Beschluss wird hiermit öffentlich bekannt gemacht unter Hinweis
auf § 28 der Verbandsverfassung, laut welchem gegen den Beschluss jedem
Gemeindemitglied binnen einer Frist von einem Monat nach dieser
Bekanntmachung die Beschwerde zum Landesschiedsgericht des Verbandes
zusteht. Die Beschwerdefrist beginnt mit Veröffentlichung dieser
Bekanntmachung.
München, den 21. Dezember 1934. Verband Bayerischer Israelitischer
Gemeinden. Dr. Neumeyer". |
|
Mitteilung
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. Juni
1935: "Bekanntmachung über Ausdehnung des Gebietes der
Israelitischen Kultusgemeinde Mellrichstadt auf das Gebiet der politischen
Gemeinde Oberwaldbehrungen. Die Israelitische Kultusgemeinde
Mellrichstadt, zugleich als Steuerverbandsvertretung, hat in ihrer Sitzung
vom 26. März 1935 folgenden Beschluss gefasst: Die Kultusgemeinde
Mellrichstadt dehnt ihr Gebiet auf das Gebiet der politischen Gemeinde
Oberwaldbehrungen aus.
Dieser Beschluss wird hiermit öffentlich bekannt gemacht.
Den an der Umbildung Beteiligten, insbesondere den von der Umbildung betroffenen
umlagepflichtigen Bekenntnisgenossen wird hiermit Gelegenheit zur
Einsprache gegeben. Die Einsprache soll genau die Gründe darlegen, welche
gegen die bekannt gegebene Umbildung angeführt werden wollen. Die Einsprache
muss binnen einer vom 5. Juni 1935 ab laufenden Fritz von zwei Wochen bei
der Verwaltung der Israelitischen Kultusgemeinde Mellrichstadt schriftlich
eingereicht werden.
Mellrichstadt, den 16. Mai 1935. Für die Verwaltung der Israelitischen
Kultusgemeinde Mellrichstadt: Guido Prager, vorstand. Leo
Frank." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Verlobungsanzeige von Lehrer Hermann Rose und Ida Freimark
(1898)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Januar 1898:
"Ida
Freimark - Hermann Rose, Lehrer.
Homburg am Main - Oberwaldbehrungen." |
Verlobungsanzeige von Trude Schloss und Emanuel Reis
(1924)
Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des Central-Vereins)
vom 1. Mai 1924:
"Statt Karten: Trude Schloss - Emanuel Reis.
Verlobte.
Oberwaldbehrungen - Neustadt
a.d.S. April 1924." |
Sonstiges
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert:
Grabstein in New York für Alexander Bach aus Oberwaldbehrungen (gest.
1890)
Anmerkung: das Grab befindet sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn.
|
Grabstein
"In Memory of
my beloved husband
Alexander Bach
Native of Oberwaldbehrungen Bavaria
Died July 19th 1890 Aged 76 Years". |
|
Nach Mitteilung von E. Böhrer ist
Alexander (= Sander) am 14. Mai 1814 in Oberwaldbehrungen geboren als Sohn
des Viehhändlers Judas Sander (Familienname später Bach, s.o. Matrikelliste)
und der Nanna/Nenne, Tochter des Hirsch Oscher zu
Steinach.
Nach der hebräischen Inschrift ist er "gestorben in gutem Namen am Heiligen
Schabbat, 2. Aw (5)650" d.h. am Schabbat, 19. Juli 1890. |
Zur Geschichte der Synagoge
Es ist nicht bekannt, wann die Synagoge erbaut wurde. Um 1933 war sie in
einem schlechten Zustand. Im März 1935 verlangte die Feuerpolizei, die Synagoge
entweder einzureißen oder gründlich zu renovieren. Die Ritualien wurden im
Sommer 1938 in die Synagoge von Mellrichstadt
gebracht, wo sie beim November-Pogrom 1938 zerstört wurden. Das
Synagogengebäude wurde 1936 teilweise abgebrochen. Auf den Grundmauern der
Synagoge wurde ein kleines Wohnhaus errichtet. Eine Hinweistafel ist an diesem
Gebäude angebracht.
Adresse/Standort der Synagoge: Frühere Anschrift: Hauptstr. 51 (inzwischen neue Hausadresse)
Fotos
(Fotos Hahn, Aufnahmedatum 11.8.2005)
|
|
|
Das Gebäude der
ehemaligen Synagoge |
|
|
|
|
|
Erinnerungstafel am Gebäude |
|
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
November 2003:
Die ersten "Stolpersteine"
Unterfrankens werden in Ostheim verlegt |
Artikel in der "Main-Post" vom
November 2003 (nur die ersten Abschnitte zitiert): "Stolpersteine wider das Vergessen
Ostheim (wal) Mit einer Gedenkminute begann die jüngste Stadtratssitzung im Rathaussaal. Anlässlich des 65. Jahrestages der Reichskristallnacht am 9. November wurden vor dem Anwesen, in dem das Eiscafé Dolce Vita untergebracht ist, zwei so genannte Stolpersteine wider das Vergessen in den Boden eingelassen.
In dem Haus in der Marktstraße lebte im Jahr 1938 die einzige jüdische Familie in Ostheim. Dem Ehepaar Regina und Siegmund Neumaier wurde in der Pogromnacht von der NSDAP übel mitgespielt, sie flüchteten schließlich nach
Marktbreit, schilderte Bürgermeister Adolf Büttner den Stadträten die damaligen Ereignisse. 1943 kamen die Neumaiers trotz Flucht im Konzentrationslager Theresienstadt um.
Die Stadt setze sich "auf aufrichtige und ehrliche Weise mit der Vergangenheit auseinander", formulierte Büttner vor allem in Richtung der jungen Bürger. Die Anregung zu einem Gedenken ging bereits 2001 von Dr. Rainer Kochinki aus." |
|
November 2018:
Erinnerung zum Gedenken an den
Novemberpogrom 1938 |
Artikel von Tanja Heier in der "Main-Post"
vom 11. November 2018 "OSTHEIM. Zukunft braucht Erinnerung
Auf Initiative von Rainer Kochinki und Altbürgermeister Adolf Büttner
erinnern vor dem Anwesen in Ostheims Marktstraße 22 die beiden sogenannten
Stolpersteine an das jüdische Ehepaar Regina und Siegmund Neumaier.
Geschichte berührt besonders, wenn sie direkt vor der Haustür passiert. So
auch in Ostheim. Dort versammelten sich, wie in vielen anderen Städten und
Gemeinden, am Freitagabend Menschen, um an die Opfer des Nationalsozialismus
in ihrer Heimat zu erinnern. Die Pogromnacht war der Beginn unzähliger
organisierter Gewaltmaßnahmen gegen Juden in ganz Deutschland. In Ostheim
hatte Eberhard Helm dazu eingeladen, an historischer Stelle dem Ehepaar
Neumaier zu gedenken. Erfreulich viele waren dem Aufruf des
Kirchenvorstehers gefolgt. Der stellvertretende Landrat Peter Suckfüll
erklärte, es sei ihm ein persönliches Anliegen, solche wichtigen
Veranstaltungen zu besuchen.
Rosenblüten an den Stolpersteinen. Rund um die 'Stolpersteine' vor
dem Anwesen der Marktstraße 22 lagen Efeukränze und Rosenblüten; Teelichter
verbreiteten warmes Licht. Mit dem Verklingen des Abendläutens wurde es
ruhig. An dieser besonderen Stimmung mochte selbst der vorbeifließende
Verkehr nichts ändern – waren die Autos doch Synonym dafür, dass es im Leben
keinen Stillstand gibt. Manchmal hielten die Redner inne, bis man sie wieder
verstehen konnte. Und Stadtmusikmeister Walter Bortolotti stimmte auf seinem
Akkordeon 'Schalom Chaverim' an. Eberhard Helm erläuterte, wie es zu den
grausamen Geschehnissen vor 80 Jahren in Ostheim kommen konnte. Mitglieder
der SA hatten sich in der Gaststätte 'Felsenkeller' getroffen; rund 18 von
ihnen suchten zu später Stunde das Geschäft der Neumaiers auf, um es
mutwillig zu zerstören. Die ehrenamtliche Forscherin Elisabeth Böhrer aus
Sondheim/Rhön ergänzte, dass Regina und Siegmund Neumaier ihr Zuhause rund
14 Tage später verließen, um nach Marktbreit zu fliehen. Im September 1942
wurden sie nach Theresienstadt deportiert, wo beide im Januar 1943 an den
Folgen von Krankheit und Mangel starben.
Brauner Mob wütete. Die jüdischen Kaufleute hatten die Gewalt des
braunen Mobs erfahren müssen, bedauerte Ulrich Waldsachs in seiner
Ansprache. Dies sei schlimm. Noch schwerer wiege jedoch die Tatsache, dass
die meisten, die damals dabei waren, weg sahen und schwiegen. Sichtlich
berührt zitierte der Bürgermeister den englischen Politiker Edmund Burke:
'Damit das Böse triumphieren kann, ist es nur nötig, dass die Guten nichts
dagegen tun.' Zukunft brauche Erinnerung. Zur Erinnerung an dieses
beschämende Ereignis wurden auf Initiative von Rainer Kochinki und
Altbürgermeister Adolf Büttner im Jahr 2003 die beiden 'Stolpersteine' in
Gedenken an Regina und Siegmund Neumaier verlegt. Dass Juden in das Land der
damaligen Täter zurückkehrten oder einwanderten, nannte Waldsachs einen
Vertrauensbeweis. Dieser basiere darauf, dass Deutschland sich nach 1945
geändert und sich seiner Vergangenheit gestellt habe. Es sei gelungen, eine
Demokratie aufzubauen. Heute genieße man das Privileg, in einem
freiheitlichen Rechtsstaat zu leben, dessen Grundprinzip es ist, die Würde
des Menschen – ungeachtet seiner Herkunft oder Religionszugehörigkeit – zu
wahren. Dennoch sei der Antisemitismus nicht mit dem Dritten Reich
untergegangen, fuhr das Stadtoberhaupt fort. Ulrich Waldsachs mahnte daher
eindringlich zur Wachsamkeit. Mit der Erinnerung an das Schicksal der
Neumaiers bekunde man in Ostheim seine Trauer und Scham über die
entsetzlichen Geschehnisse.
Schicksalstag der Deutschen. Da auch der Mauerfall 1989 am 9.
November stattfand, sei dieses Datum zu einem Schicksaltag der deutschen
Geschichte geworden, beendete der Bürgermeister die Andacht. Der Choral
'Verleih uns Frieden gnädiglich' entließ die Besucher mit einem Gefühl von
Zuversicht und Hoffnung hinaus in die Nacht."
Link zum Artikel |
|
|
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in
Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979 S. 382. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 102. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 387-388.
|
| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 117-118. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Oberwaldbehrungen Lower
Franconia. Jews settled in the mid-18th century and operated a synagogue,
cemetery, and Jewish school by the mid-19th century. In 1837 the Jewish
population was 130 (total 340) and in 1933, eight. The last Jew left in October
1938.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|