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Unterfranken"
Marktbreit (Kreis
Kitzingen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(erstellt unter Mitarbeit von Lassar Brueckheimer
[1926-2018],
Sohn des letzten jüdischen Lehrers Simon Brückheimer)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Marktbreit bestand eine jüdische Gemeinde bis 1942.
Ihre Entstehung geht in die Zeit des 15./17. Jahrhunderts zurück. Eine
erste Niederlassung jüdischer Familien bestand zwischen 1487 (erste
Erwähnung) und 1553 (Ausweisung der Juden). Unter Georg Ludwig von
Seinsheim (gest. 1591) hatte sich damals (1553) die Dorfgemeinde vom Ortsherren die "Judenfreiheit" erkauft,
die sie sich gegen eine Weinsteuer "auf ewige Zeiten" zusichern ließ.
Auch die Herren von Seckendorff beteiligten sich an der Ausweisung. Die
jüdischen Familien hatten "südöstlich von der Kirchhofsmauer" in
einigen von ihnen erworbenen, um einen Brunnen gelegenen markgräflichen
Häusern gewohnt.
In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges wurde das Niederlassungsrecht
durch den Würzburger Bischof Franz von Hatzfeld erneuert (1635/36). Er
wies dem Ort die ersten fünf jüdischen Familien mit zusammen 20 Personen gegen
die Bezahlung hoher "Schutzgebühren" zu. 1644 regelte ein Schutzbrief
von Graf Johann Adolph von Schwarzenberg umfassend die Pflichten und Rechte der jüdischen Familien. Unter den Rechten
stand ihnen zu, einen Rabbiner, Vorsänger und Schulmeister anzustellen und
"die jüdischen Ceremonien wie zu Prag, Frankfurt, Worms oder sonsten im
Römischen Reich und Lande zu Franken" einzuführen. 1652 bestimmte
die Herrschaft auf Druck des Rates und der christlichen Kaufleute, nicht mehr
als die inzwischen ansässigen acht jüdischen Familien in Marktbreit
aufzunehmen. Seit 1661 war der Ort unter Schwarzenbergischer Herrschaft.
Sie übernahm die gegenüber Juden geltenden Bestimmungen und nahm 1683
eine neunte Familie auf. Nach 1690 kamen "auf besonderen fürstlichen
Befehl" Juden in den Ort, die familiäre Beziehungen zu kaiserlichen
Hoffaktoren in den damaligen Metropolen Wien und Frankfurt hatten. Seitdem waren
Vertreter der bedeutenden Familien Astruque und Oppenheimer (das
Familienoberhaupt Astruque war Stiefsohn des Samuel Oppenheimer in Wien) sowie
Wertheimer (Verwandte des Oberhoffaktors Samson Wertheimer, Wien) in Marktbreit.
Bereits um 1700 war der Ort eine der bedeutendsten jüdischen Gemeinden der
Region geworden. Marktbreit wurde zum Sitz eines Oberrabbinates (bis
1806) und des Bezirksvorstehers für die schwarzenbergischen Judengemeinden.
Regelmäßig wurden jüdische Landtage in Markbreit abgehalten.
Bis zum Tode des
Fürsten Ferdinand (1703) wuchs die jüdische Gemeinde auf 20 Familien mit 150
Angehörigen an. Der genannte Oberhoffaktor Samson Wertheimer kaufte 1701 ein
Haus im Ort, 1710 drei weitere Wohnungen. 1718/19 wurde am Marktplatz eine neues
Wertheimer-Haus erstellt. In den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts
versuchten der Gemeinderat, der Bürgermeister und die christlichen Kaufleute
regelmäßig die schwarzenbergische Herrschaft unter Druck zu setzen, um die
Freiheiten der Juden einzuschränken oder sie möglichst aus dem Ort
"wegzuschaffen". Dennoch kam es zu keiner Ausweisung.
Unter den
Marktbreiter Rabbinern waren im 18. Jahrhundert
- Pinchas ben Mosche haKohen Katzenellenbogen (von Dubnow, gest. ca.
1767 in Schwabach*). Er hatte in Prag und Nikolsburg studiert, war
1720
einige Monate Rabbiner in Wallerstein, danach in Leipnik in
Mähren und von 1722 bis 1750 in Marktbreit als Rabbiner bzw. Aw Beth
Din = Vorsitzender des Rabbinatsgerichtes in den Schwarzenbergischen Ländern.
Anmerkungen:
- Hinweis auf Literatur: Julia Haarmann. Hüter der Tradition. Erinnerung und
Identität im Selbstzeugnis des Pinchas Katzenellenbogen (1691-1767). Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht (Jüdische Religion, Geschichte und Kultur Bd. 18). 2012.
- *nicht korrekt sind die Angaben bei Lamm,
Memorbuch
Oettingen S. 150, wonach Katzenellenbogen zunächst Rabbiner in Marktbreit, danach in Leipnik und Boskowitz
war, wo er
1748 gestorben sei).
- Simcha-Bunem ben Zvi haKohen Rappaport (von
Wallerstein, gest. 1816 in
Bonn): bis 1772 Rabbiner in Marktbreit, danach in Wallerstein,
1788 in Bonn.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts kam es zu einer weiteren
Blütezeit der jüdischen Gemeinde. Zunächst war die Zahl der jüdischen
Familien bis auf etwa 70 im Jahr 1837 zurückgegangen, um danach stark
zuzunehmen (1867: 172 Personen = 8 % der Gesamtbevölkerung von 2.158 Personen;
1880: 246 Personen, d.h. 10,2 % von insgesamt 2.408 Personen; 1890: 320
Personen, d.h. 13,4 % von insgesamt 2.385 Personen). Nach 1900 ging der
jüdische Bevölkerungsanteil auf 8-10 % der Gesamteinwohnerschaft zurück (1910
213, d.h. 9,1 %).
Nachdem Marktbreit 1806 mit der schwarzenbergischen Herrschaft zu Bayern kam
(seit 1819 Stadtrechte), wurde das Oberrabbinat aufgelöst und Marktbreit dem
Bezirksrabbinat Würzburg (bzw. zunächst
Heidingsfeld), später dem Distriktsrabbinat Kitzingen
(bzw. zunächst Marktsteft, dann Mainbernheim)
unterstellt.
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Marktbreit auf insgesamt
13 Matrikelstellen (später erhöht auf 14 Matrikelstellen) die folgenden jüdischen Familienvorstände genannt
(mit neuem Familiennamen und Erwerbszweig): Gumbrich Levi Eisemann (Handel mit
altem Eisen), Lazarus Marx Kürzinger (Vorsingen und Schächten), Elkan Peretz
Hahn (Ellenwarenhandel), Elias Jacob Renno (Kommissionswarenhändler); Jacob
Elias Renno (Händler mit alten Waren), Salomon Jandof Jandorf (Kapitalist).
Philipp Maier Fälklein (Schnittwaren- und Tuchhandel), Israel Benjamin Stern
(Schnittwaren- und Tuchhandel, bis 1823), Joachim Baer Astruck (Weinhandel),
Baer Joachim Astruck (Ellenwaren- und Weinhandel), Löb Samuel Aidfelder (Wein-
und Schnittwarenhandel), Machul Koppel Ehrlich (Schmuser), Bär Lazarus
Kürzinger (Weinhandel), Samson Hamburger (Kommissionshandel), Samuel Stern
(Schnittwaren- und Tuchhandel, ab 1823, vermutlich auf der Stelle von Israel
Benjamin Stern).
Bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts kam es immer wieder zu
antisemitischen Umtrieben in der Stadt, insgesamt war jedoch das Verhältnis zwischen
Christen und Juden in Marktbreit über mehrere Jahrzehnte seit der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhundert gut (siehe
unten).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Israelitische Religionsschule (ab 1920: staatlich anerkannte Israelitische Volksschule) und ein rituelles Bad. Die Toten
der Gemeinde wurden im jüdischen Friedhof in Rödelsee
beigesetzt. Private Erziehungsinstitute (s.u.) gaben in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts dem Ort seine besondere Bedeutung für eine weitere
Umgebung. Zur Besorgung der religiösen Aufgaben der Gemeinde war im
19./20. Jahrhundert ein Religionslehrer (ab 1920: Volksschullehrer) angestellt.
Mit dem Amt des Lehrers war das Amt des Kantors (Vorbeters) in der Synagoge verbunden.
Von 1864 bis 1900 war J. Rosenberger in diesen Ämtern tätig, von 1900 bis 1911
ein Lehrer Strauß, danach bis 1939 Simon Brückheimer (zu den Ausschreibungen
der Stellen und weiteren Berichten hierzu siehe unten).
Als Religionslehrer war von vor 1900 bis zu seinem Tod im Dezember 1934, d.h.
über 30 Jahre als Kultusbeamter und Synagogendiener auch Sigmund Pollack
in der Gemeinde tätig.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Gefreiter Martin
Goldstein (geb. 18.4.1892 in Bosen, vor 1914 in Nürnberg wohnhaft, gef.
13.8.1918), Simon Astruck (geb. 12.10.1885 in Marktbreit, gef. 21.4.1915), Josef
Astruck (geb. 30.6.1895 in Marktbreit, gef. 7.6.1917), Abraham Lauber (geb.
16.5.1877 in Würzburg, gef. 20.4.1917), Gefreiter Julius Putzel (geb.
11.12.1890 in Marktbreit, gef. 20.7.1918). An den Folgen seiner schweren Verwundungen starb 1919
Vizefeldwebel Kurt Lehmann (geb. 22.6.1895 in Marktbreit, gest.10.7.1919). Ihre Namen stehen auf dem kommunalen Gefallenendenkmal links der
Bahnhofstraße an der Ecke Schlossplatz/Pfarrgasse vor der Kirche. An der
Außenmauer der ehemaligen Synagoge in der Schustergasse (zwischen 12 und 14)
stehen auf einem Gefallenendenkmal der jüdischen Gemeinde gleichfalls die Namen
der gefallenen Soldaten mit näheren Angaben zu ihren Lebensdaten und der
Todesursache. Aus Marktbreit sind außerdem gefallen: Jakob Ballin (geb.
1.9.1886 in Marktbreit, vor 1914 in Fürth wohnhaft, gef. 16.11.1916) und Otto
Schönfärber (geb. 12.5.1897 in Marktbreit, vor 1914 in Nürnberg wohnhaft,
gef. 30.9.1916).
Um 1924, als noch 135 jüdische Personen in Marktbreit wohnten
(5,6 % von insgesamt etwa 2.400 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde A.
Goldbach, B. Blumenthal, Jakob Sänger, S. Rosenfeld und J. Rosenfeld.
Synagogendiener (d.h. im Amt des oben genannten Schächters und Gemeindedieners)
war Sigmund Pollak. An der Israelitischen Volksschule wurden
damals
zehn Kinder unterrichtet. An jüdischen Vereinen gab es eine Chewra
Kadischa (1817 gegründet, Ziele: Wohltätigkeit, Bestattungswesen, Leiter Hermann Sonn, 18 Mitglieder),
den Wohltätigkeitsverein Gemillus Chassodim (Leiter Julius Sänger, 14
Mitglieder), den Israelitischen Frauenverein (gegründet 1878, Leitung Berta Rosenfeld, 45
Mitglieder), den Verein Zedokoschel Zibbur (Leiter Salomon Weinberg) und die
"Armenkasse" (A. Goldbach). Spätestens
seit den 1920er-Jahren bestand unter den jüdischen Vereinen in Marktbreit
auch eine Ortsgruppe des "Central-Vereins deutscher Staatsbürger
jüdischen Glaubens". 1928 starb der frühere Vorsitzende dieser
Ortsgruppe Salomon Weinberg (siehe Berichte unten). Zur Gemeinde in Marktbreit zählten
nach Auflösung der dortigen Gemeinden auch die in Obernbreit und
Marktsteft lebenden jüdischen Personen (1924 12 beziehungsweise 2 Personen,
1932 12 beziehungsweise zwei Personen). Im Schuljahr 1932/33 besuchten 20
jüdische Kinder die achtklassige Israelitische Volksschule. Seit 1932 gehörten
auch die in Gnodstadt noch lebenden vier
jüdischen Familien zur Gemeinde in Marktbreit.
1933 lebten 127 jüdische Personen in der Stadt. In den folgenden Jahren bestand
zunächst ein weiterhin reges jüdisch-kulturelles Leben in der Stadt. Dennoch
wirkten sich wie überall in Deutschland auch in Marktbreit der nationalsozialistische Boykott, die
zunehmenden Repressalien und die immer stärker werdende Entrechtung aus. Zum
letzten jüdischen Gemeindevorsteher wurde im Februar 1936 Max Weinberg bestimmt.
Im Schuljahr 1937/38 besuchten noch 15 Kinder die jüdische Volksschule. Beim
Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge geschändet, die Inneneinrichtung
zerstört (s.u.). Dazu wurden elf jüdische Wohnungen durch Marktbreiter
Einwohner völlig verwüstet: Fenster und Mobiliar wurden zertrümmert, Kleider
zerrissen, Lebensmittelvorräte vernichtet. Sechs Männer
wurden nach Dachau beziehungsweise Buchenwald verschleppt. Wenig später mussten die hier
noch lebenden Juden ihre Wohnungen verlassen und im jüdischen Gemeindehaus
zusammenziehen. Seit 1933 waren von umliegenden Orten insgesamt 54 Juden nach
Marktbreit gezogen. Bis vor Beginn der Deportationen hatten insgesamt 146 Juden
die Stadt verlassen, 86 von ihnen konnten auswandern. 1942 wurden die noch
verbliebenen Juden deportiert, 23 über Würzburg in das Vernichtungslager Izbica
(bei Lublin, Polen) am 24. März 1942 und neun im September 1942 in das Ghetto Theresienstadt.
Von den in Marktbreit geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Betti Ballin (1877), Grete Ballin
(1890), Alfred Benario
(1899), Bella Benario geb. Sichel (1875), Helene Blum (1887), Lilli Blüth geb.
Schönfarber (1895), Karola Bolley geb. Blühte (1908), Rosa Braun geb.
Pollack (1893), Jakob Emden (1880), Kela Ettlinger (1920), Dina Frank geb. Klein
(1869), Carola Freundlich geb. Meyer (1891), Zilla Frey geb. Fleischmann (1891),
Ester Friedländer geb. Oppenheimer
(1909), Hermann Friedmann (1892), Rosa Friedmann geb. Kohn (1882), Ruth
Friedmann (1924), Sigmund Friedmann (1881), Dora Gerstle geb. Klein (1893), Abraham Goldbach (1881), Klara Goldbach geb. Blum
(1889), Meta
Goldmann geb. Ballin (1884), Betty Goldstein (1883), Sofie Grünebaum geb. Heinemann (1893), Alfred Gunz (1881),
Ida Hamburger (1874), Lisbeth Haymann geb. Lehmann (1904), Sally
Heimann geb. Hellmann (1880), Bertha Hellmann (1878), Julius Hellmann (1884), Max Hellmann
(1875), Moritz Hellmann (1877), Zerline Hesse geb. Rosenfeld (1875), Emma
Kirschbaum (1883), Hedwig
Klein geb. Silbermann (1877), Siegmund Klein (1865), Mathilde Kohn geb.
Herzfelder (1866), Selma Kohn (1881), Abraham Ladenburger (1921), Ruth Ladenburger (1919), Frieda Lauber geb. Adler (1892),
Karl Lauber (1884), Marianna (Mirjam) Lauber geb. Auerbach (1861), Susi Lauber
(1925), Frieda Lehmann geb. Schild (1877), Rosa Lehmann geb. Ehrenberg (1889),
Sigmund Lehmann (1869), Therese Levi (1884), Jenny Lichtenstein geb. Grünwald
(1887), Rosalie Meijer geb. Schloss (1894),
Regina Neumaier geb. Rindsberger (1872), Martha Oppenheim geb. Marx (1897), Gita
Oppenheimer (1909), Klara (Clara) Oppenheimer geb. Levi (1882 oder 1885), Samuel
Oppenheimer (1916), Theodor Oppenheimer (1904), Therese Pollack geb.
Bein (1857), Bernhard Reiß (1870), Fanny Reiß geb. Edelstein (), Helene Reiß (1876), Bernhard Rindsberger (1878), Paul Rindsberger (1921), Benno
(Bernhardt) Rosenberg (1916), Ida (Jetta) Rosenberg geb. Lewkowitz (1881),
Mendel (Menachem) Rosenberg (1880), Samuel Rosenberg (1880), Anna
Rosenfeld (1884), Ida (Jetta) Rosenberg geb. Lewkowicz (1881), Mendel Samuel
Rosenberg (1880), Ruth Rosenberg (1923), Anna Rosenfeld (1884), Jenny Rothschild
geb. Goldschmidt (1897), Max Rothschild (1885), Betty Sänger (1902), Mina Sänger geb. Israel (1877),
Meta Schloß geb. Schild (1868), Ida Sonn (1900), Lisette Sonn geb. Löbenberg (1872), Nathan Sonn (1903), Marie
Spier
geb. Rosenfeld (1868), Max Stahl (1897), Sofie Steinem geb. Breitenbach (1870),
Luise Stern geb. Schwab (1851), Frida Strauß geb. Goldstein (1881), Malchen Tachauer geb. Grünebaum (1887), Simon Tachauer (1881),
Pauline Weil (1873), Selma Wilmersdörfer geb. Marx (1880), Elsa Wisbrunn
geb. Rosenfeld (1879), Selma Wolf geb. Grünewald (1884), Jette Wolfrom (1880).
Aus Theresienstadt kam 1945 als Überlebende nach Marktbreit zurück: Clara
Reiß, die 1969 im Alter von 97 Jahren in Marktbreit gestorben ist. Ihre
Familiengeschichte steht auf der Seite
zu Segnitz.
Aus dem Leben der jüdischen Gemeinde
Aus der
Geschichte der Erziehungs- und Lehrinstitute
Über das Erziehungs- und Handels-Lehr-Institut von
Salomon Wohl in Marktbreit
Hinweise: Über Salomon Wohl (geb. 1818 in
Fuchsstadt, gest. 1902 in Marktbreit) vgl.
Wikipedia-Artikel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Salomon_Wohl
Weitere Informationen zur
Schulgeschichte der heutigen staatlich anerkannten Leo-Weismantel-Realschule mit
Schulleitungen und Schulträgern (von 1843-2019) siehe eingestellte
pdf-Datei.
Zusammenstellung zur Schulgeschichte auch in einer Datei
"Die
Geschichte der Schule - Realschule Marktbreit" von 1999 (150-jähriges
Jubiläum, pdf-Datei)
Links zur
Leo-Weismantel-Realschule in Marktbreit und zur
Realschule des Bildungswerks
Marktbreit e.V. (Bildungschancen-Realschule) ; beide privaten, aber
staatlich anerkannten Realschulen - mit unterschiedlicher Ausrichtung - sind
direkte Nachfolger des Wohl'schen Instituts.
Vorbemerkung: Salomon Wohl erteilte seit 1845 einer stets wachsenden Zahl von
Kaufmannssöhnen Privatunterricht in Handelskunde und kaufmännisches Rechnen.
Seit seiner Heirat mit der vermögenden Kaufmannswitwe Jeanette geb. Rödelsheimer
aus Veitshöchheim im April 1844 konnte
er es sich leisten, am Schlossplatz Nr. 1 in Marktbreit ein großes Haus zu
führen. Hier konnte er auch Schüler in Pension nehmen. Dabei reifte wohl der
Gedanke zur Errichtung einer privaten Handelsschule mit Internat in Marktbreit.
Nachdem Wohl in Würzburg das Lehrerexamen in der französischen Sprache
erfolgreich abgelegt hatte, konnte er einen Antrag zur Errichtung eines
Erziehungs- und Handels-Lehr-Institutes einreichen. Er erhielt dafür am 11.
September 1849 den positiven Entscheid:
Genehmigung für
Salomon Wohl zur Errichtung einer Privatunterrichtsanstalt für Knaben
israelitischen Glaubens in Marktbreit (1849)
(rechts Abschrift aus Jahrbuch 1985) |
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Ausschreibung von
Schulplätzen (1853) |
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 17. Oktober 1853:
"Erziehungs- und Handels-Lehr-Institut in Marktbreit.
Der Unterricht
in meinem Institute für das kommende Semester beginnt mit 1. November
laufenden Jahres. Die Lehrgegenstände sind: Religion, deutsche,
französische, englische und hebräische Sprache, Kalligraphie,
Orthographie, allgemeine und Handelsgeographie, Arithmetik, kaufmännische
Korrespondenz, einfache und doppelte Buchführung, Geschichte, Wechsel-,
Münz-, Maß- und Gewichtskunde, Musik und Zeichnen.
Meine Bedingungen
sind wie früher, aufs Billigste gestellt.
Zur Erwerbung neuer, tüchtiger
Lehrkräfte für die französische und englische Sprache und die
Elementarfächer habe ich zahlreiche Opfer gebracht und hoffe, durch
dieselben meinem Institute den gesegneten Fortgang und die immer größere
Ausdehnung, deren es sich bis jetzt zu erfreuen hatte, auch für die Folge
zu sichern. Alle weiteren Aufschlüsse gibt mein Prospekt, den ich auf
Verlangen gerne erteile.
Marktbreit, im September 1853.
S. Wohl, israelitischer Lehrer und
Instituts-Vorstand". |
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Bericht über das
Handelsinstitut (1859) |
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 1. August 1859: "Teils reicht die Würzburger Jeschibo nicht
mehr aus, teils kann man doch nicht alles und jedes dort so passend
unterbringen; man hat deshalb in Höchberg,
Gerolzhofen, Rimpar
und vielen andern Orten Schulen nach dem Muster der alten Chedorim
gegründet und als Zweck sich die Aufgabe gestellt, die Zöglinge ihrem
Berufe als Rabbiner und Lehrer zuzuführen, wie dies in einem
Rundschreiben dargelegt wird. Da aber nur solche Eltern ihre Kinder dieser
Musterschule anvertrauen, deren Vermögensverhältnisse nicht gestattet,
anderweitig für dieselben zu sorgen, so brauchte man vor allem Geld. Neue
Rundschreiben wurden erlassen und unter dem verführerischen Namen 'Fürs
Toralernen' aller Orten freiwillige Gaben gesammelt. Reichlich flossen und
fließen die Gaben von allen Seiten und die Leute machen brillante
Geschäfte. Sie klopfen nirgends vergebens an. Alt wie Neu öffnet ihnen
willig den Säckel und so mancher glaubt Wunder was zu tun, wenn er Leute
dafür honoriert, das zu tun, was er nicht mehr für zeitgemäß hält,
aber nur für sich. Was soll aber daraus werden Schon jetzt macht sich ein
sehr bedeutender Lehrermangel fühlbar. Der Seminarbesuch ist für
Israeliten nicht mehr notwendig und denjenigen, die es ja noch besuchen
wollen - im Würzburger Seminar sind gegenwärtig vier jüdische Zöglinge
- erschweren die sogenannten Schwarzen ihre Lage nach Kräften, und wer
nicht Alles aus eigenen Mitteln bestreiten kann, kann sich dort nicht mehr
halten. Wie leicht aber die Befähigungsnote als Rabbiner und Lehrer
erlangt wird, davon könnten wir so manches hübsche Beispiel erzählen,
wollen aber nur erwähnen, dass Rabbiner Bamberger die Hauptperson bei der
Prüfungskommission bildet. Bedenkt man nun, dass die Vorsteher
dieser Pflanzstätten jüdischer Lehrer und Rabbiner auch des
geringsten weltlichen Wissens bar, kaum der Mehrzahl nach im Stande sind,
Deutsch zu schreiben und jedenfalls nicht korrekt, so können auch nur
geistig verkümmerte Subjekte aus dieser Schule hervorgehen. Freue dich
aber dann, bayerisches Judentum, wenn erst deine geistlichen
Angelegenheiten und die Erziehung deiner Jugend in solche Hände
übergegangen. Traurig ist die Zukunft, der wir auf solche Weise
entgegengehen, und es tut wahrhaftig Not, diesen Leuten
entgegenzuarbeiten. Niemand unterschätze die Gefahr, die unsern
heiligsten Interessen droht. Soll jedoch etwas geschehen, so muss dies
rasch geschehen, ehe es zu spät ist. Darum kann es nicht laut genug
gesagt werden: Ihr Freunde des Judentums, scharet Euch zusammen, entziehet
Eure Spenden diesen Spekulanten auf Eure Gutmütigkeit, wendet sie solchen
jungen Leuten zu, denen es jetzt doppelt schwer wird, sich für ihren
Beruf gehörig vorzubilden. Doppelt wünschenswert erscheint es aber unter
den gegebenen Verhältnissen, dass man, sobald die Zeitumstände sich
wieder freundlicher gestalten, Hand an die Gründung eines jüdischen
Schullehrer-Seminars für Süddeutschland lege. Wohl lässt sich nicht
leugnen, dass für das Studium des Religiösen mehr geschehen muss, als in
der letzten Zeit geschehen ist; aber ein Extrem ist so verwerflich als das
andere, und sehr treffen lehren unsere Weisen: 'ohne Tora gibt es kein
profanes Wissen' und 'ohne profanes Wissen gibt es kein (Wissen um die)
Tora'.
Erfreulich ist es, zu sehen, wie neben diesen Instituten der Finsternis
auch recht gute Elementarschulen, und so sich seminaristisch gebildete
Lehrer befinden. Außerdem sind zwei in höchster Blüte stehende
Handelsinstitute fast nebeneinander, in Marktbreit
und Segnitz, von denen jedes 70-80 Schüler, worunter viele
christliche zählt. Bisher wurde in diesen Instituten, vielleicht aus
letzterem Grunde, der israelitische Religionsunterricht etwas
stiefmütterlich behandelt, doch ist in Segnitz letzter Zeit ein
Vorstandswechsel eingetreten, und wird jetzt jedenfalls dort das
religiöse Element die gehörige Würdigung finden, ohne dass deshalb
weltliches Wissen vernachlässigt wird, und so soll es sein. Um den
Bericht nicht allzu sehr auszudehnen, will ich Spezielles aus einzelnen
Gemeinden für nächstens sparen und nur bemerken, dass auch in
Unterfranken Herr Rabbiner Lebrecht für die Bibelanstalt tätig ist.
Derselbe ist unermüdlich für alles wahrhaft Gute und lässt sich durch
keine Hindernisse, von welcher Seite sie auch kommen mögen, in seinem
anerkennenswerten Eifer beirren". |
|
Ergänzend
eingestellt: Dokument aus dem Jahr 1859 von Salomon Wohl über das
"Erziehungs- und Handels-Lehr-Institut in Marktbreit" mit Informationen zur
Schule und zum Unterricht (Quelle: Archiv der Leo-Weismantel-Realschule in
Marktbreit). |
|
Weiterer Bericht
über das Handelsinstitut (1863) |
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 27. Oktober 1863: "Würzburg, 1. Oktober (1863;
Privatmitteilung von einem christlichen Korrespondenten). Ein
Freund der Bildung und des zeitgemäßen Fortschritts, ganz unparteiisch
in seinem Urteile, dem bereits Gelegenheit geworden, mehrere in Bayern
bestehende, dem Geiste der Zeit Rechnung tragende Bildungsanstalten zu
beobachten, hält es für seine Pflicht, die Aufmerksamkeit eines der
Intelligenz huldigenden Publikums auf das in Marktbreit am Main
blühende Erziehungs- und Handelsinstitut des Herrn S. Wohl zu
lenken. Dasselbe hat sich nämlich seither durch seine Leistungen nicht
bloß der vollen Zufriedenheit der Eltern der ihm übergebenen Zöglinge,
sondern auch bereits 7 Jahre hintereinander der schmeichelhaften lobenden
Anerkennung seitens der Königlichen Kreis-Regierung von Unterfranken
erfreut. Es dürfte daher nicht unangemessen erscheinen, eine Zeichnung
seines Standpunktes und seiner Richtung in allgemeinen Grundrissen zu
entwerfen.
Plan und Ökonomie dieser Anstalt begreift, außer allen merkantilischen Fächern,
Wechselkunde, kaufmännischem Rechnen, einfacher und doppelter
Buchführung, den gewöhnlichen realistischen Gegenständen, deutscher
Sprache und deutschem Stil, auch die drei anderen fremden Sprachen, das
Französische, Englische und Italienische, Physik und Naturgeschichte in
sich, welche Lehrobjekte von tüchtigen Lehrkräften in gediegener und
gründlicher Weise vorgetragen und behandelt werden. Zudem ist noch den
Zöglingen, welche sich dem polytechnischen Fache oder dem humanistischen
Studium widmen wollen, die beste Gelegenheit geboten zu gründlichem
Unterricht in der Mathematik, im Lateinischen und Griechischen. Namentlich
aber dürfte die Erscheinung das beste Zeugnis und der triftigste Beweis
für die objektive Trefflichkeit dieses Institutes sein und für das
allgemeine Vertrauen, das es allerwärts genießt, dass es gegen 100
Zöglinge in vollständiger Verpflegung zählt, unter welchen die
Hälfte christlichen Konfessionen angehört, und dass es, was seiner
universellen Richtung zur großen Ehre gereicht, den religiösen
Bedürfnissen der christlichen Schuler ebenso sehr volle Befriedigung
angedeihen lässt, als es sich die streng religiöse Erziehung der
israelitischen Zöglinge zur Aufgabe gemacht hat. Die sittliche Erziehung
und leibliche Verpflegung, verbunden mit dem äußerst billigen, den
Leistungen nicht adäquaten jährlichen Honorar von fl. 200 für
Unterricht, Kost, Logis und Wäsche wird mit der größten Sorgfalt und
Gewissenhaftigkeit gehandhabt, und Liebe, mit Strenge gepaart, ist das in
der Behandlung der Zöglinge unverrückt herrschende Prinzip. Und so
glaube ich den auf Überzeugung gestützten vielseitigen Wünsche Worte zu
leihen, wenn ich sage: es möge diese Anstalt zum Frommen und Gedeihen der
ihrer Obhut anvertrauten Jugend fröhlich und kräftig fortblühen, und es
mögen die Eltern von nah und fern, denen die sittliche und geistige
Wohlfahrt ihrer Kinder am Herzen liegt, ihr Augenmerk diesem Institute
zuwenden und in ihrem und ihrer Kinder Interesse demselben nähere
Berücksichtigung schenken. Carl Rohr." |
|
Ausschreibung der
Stelle eines Elementar- und Religionslehrers (1869) |
An der Schule von Salomon Wohl unterrichteten mehrere
Lehrer, die Stelle eines Elementar- und Religionslehrers wurde 1869
ausgeschrieben: |
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 12. Januar 1869:
"Unter günstigen Bedingungen sucht Unterzeichneter für sein
Institut zum sofortigen Eintritt einen tüchtigen Elementar- und
Religionslehrer. S. Wohl, Marktbreit am Main, Bayern".
|
Auf die Ausschreibung hin bewarb sich
erfolgreich Leopold Adler, der über 50 Jahre, von 1870 bis 1922
Lehrer an der "Real- und Handelsschule" in Marktbreit
unterrichtete. 1902 wurde mit nachstehender Anzeige für die Schule
geworben: |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Juli 1902: "Real-
& Handelsschule, Marktbreit am Main.
Älteste Privatschule mit
Pensionat Bayerns. Anerkannt gute Erziehungs- und Unterrichtsresultate;
mäßiges Honorar. Abgangszeugnisse berechtigen zum
einjährig-freiwilligen Militärdienst. Prospekt und Auskunft durch
L.
Adler, Lehrer an der Real- und Handelsschule. Das Schuljahr beginnt am 18.
September." |
|
Zum Tod des Lehrers
Leopold Adler (1937) |
Zum Tod Leopold Adlers 1937 erschienen
mehrere Nachrufe: |
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15.
September 1937: "Vereinsmitteilungen. 1. Personalien. Wir haben den
Heimgang unseres lieben Vereinsmitglieder, des Kollegen Leopold Adler,
zuletzt wohnhaft in Berlin, zu beklagen. Der Verstorbene wurde 1852 in
Mittelstreu geboren und wirkte über 50 Jahre, von 1870-1922, an der Real-
und Handelsschule in Marktbreit. Adler s.A. gehörte zu den
Gründungsmitgliedern unseres Vereins und wurde 1930 zum
Gründungsmitglied ernannt. Die nächste Nummer unserer 'Mitteilungen'
wird einer von Freundeshand geschriebenen Nachruf bringen. Hier sei namens
der Vereinsleitung aufrichtiger Danke für die Treue, die der
Heimgegangene unserem Vereine in langjähriger Zugehörigkeit erwiesen
hat, zum Ausdruck gebracht. Stets wird dem Dahingeschiedenen ein ehrendes
Andenken in unseren Reihen bewahrt bleiben." |
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Artikel
in der Lehrerbeilage ("Mitteilungen des jüdischen Lehrervereins für
Bayern") der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung"
vom 15. Oktober 1937: "Leopold Adler seligen Andenkens.
Marktbreit.
In Berlin, wo er seit einigen Jahren bei seiner ihn liebevoll betreuenden
Tochter lebte, starb unser Ehrenmitglied, Herr Leopold Adler. Über 50
Jahre gehörte er zum Lehrkörper der Real- und Handelsschule in
Marktbreit. Dieser Schule, welche durch den Religionslehrer Salomon Wohl
begründet worden war, strömten aus allen europäischen Ländern ja sogar
aus Übersee, viele Schüler zu. Zur der Berühmtheit dieser Schule hat
Adler, der in Sprach- und Handelswissenschaften umfassend gebildet war,
auch durch das von ihm und seiner ihm gleichstrebenden Frau geleitete
Pensionat für jüdische Schüler in großem Maße beigetragen. Zeitweise
gehörte er der Verwaltung der damals bedeutenden Kultusgemeinde an. Seine
Bescheidenheit und Güte, vor allem aber seine beispielhafte Gefälligkeit
haben ihn an allen Kreisen beliebt gemacht. Wo und wann es ihm möglich
war, versuchte er, unter Einsatz seiner ihm eigenen Beredsamkeit und
Überzeugungskraft, feindliche Parteien zu friedlichem Ausgleich zu
bringen. Er hat frühzeitig die Notwendigkeit des Zusammenschlusses der
jüdischen Lehrer erkannt und gehörte deshalb zu den
Gründungsmitgliedern des jüdischen Lehrervereins für Bayern. Für
dessen Hilfseinrichtungen hat er große Summen aufgebracht. Für diese
Verdienste wurde ihm im Jahre 1930 die Ehrenmitgliedschaft verliehen. Sein
Andenken wir von allen jüdischen Lehrern in hohem Andenken behalten
werden. Br." |
Das Erziehungs- und Unterrichts-Institut
für Mädchen von J. Regensburger
Unter Lehrer J. Regensburger (Näheres siehe unten) bestand unter seiner
Leitung ein "Erziehungs- und Unterrichts-Institut für Mädchen" |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. August 1872:
"Erziehungs- & Unterrichtsinstitut für Mädchen in Marktbreit.
Die Aufnahme in diese Anstalt, welche der Erziehung und dem Unterrichte
junger Mädchen die gewissenhafteste Sorgfalt zuwendet und vorzügliche
Lehrkräfte besitzt, findet am 7. Oktober dieses Jahres statt. Alles
Nähere enthält der gratis zu Diensten stehende Prospekt.
Marktbreit, 1. August 1872.
J. Regensburger, Vorstand des Instituts." |
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Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. März 1873:
"Erziehungs- und Unterrichtsinstitut für Mädchen in Marktbreit
am Main.
In obiger Anstalt, welche der geistigen und körperlichen
Entwicklung und Pflege die gewissenhafteste Sorgfalt widmet, gediegene
Lehrkräfte und geräumige, freundliche Lokalitäten besitzt, beginnt
das Sommersemester am 28. April dieses Jahres. Alles Nähere
enthält der gratis zu Diensten stehende Prospekt. J. Regensburger,
Vorstand des Institutes." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. März 1876:
"Erziehungs- und Unterrichts-Institut für Mädchen in Marktbreit am
Main. Unterricht in allen Lehrgegenständen höherer Töchterschulen.
Beginn des Sommersemesters am 24. April (1876). J. Regensburger". |
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Wie lange das Erziehungs- und Handels-Lehr-Institut von J. Regensburger für
Mädchen bestand,
ist nicht bekannt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts bestand die
Möglichkeit der Ausbildung in der Städtischen Real- und Handelsschule
in Marktbreit mit der Möglichkeit der Unterbringung auswärtiger
jüdischer Schüler in einem Pensionat: |
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 28. Juli 1893:
"Städtische Real- und Handelsschule Marktbreit am Main. (Pensionat).
Die Abgangs-Zeugnisse berechtigen zum Einjährig-Freiwilligen
Militärdienst. Gute Verpflegung, strenge Beaufsichtigung. Das neue
Schuljahr beginnt am 19. September. Wegen israelitischer Zöglinge wende
man sich gefälligst an L. Adler, Lehrer an der städtischen Real- und
Handelsschule". |
Zum Tod von Salomon Wohl
(1902)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 6. Oktober 1902: "Marktbreit, 30. Elul (unklares
Datum, da der Elul nur 29. Tage hatte, eventuell verschrieben für 20.
Elul = 22. September 1902). Wieder ist ein Mann
treuer Pflichterfüllung und rastloser Tätigkeit eingegangen in das Reich
der Geister. Am 1. Selichottage wurde Herr S. Wohl seligen Andenkens,
Magistratsperson und langjähriger erster Kultusvorsteher unserer
Gemeinde, zur letzten Ruhe bestattet. Er erreichte das seltene, hohe Alter
von 85 Jahren. Bis vor drei Jahren noch wirkte der Verstorbene in seinen
Ämtern mit jugendlicher Rüstigkeit und in voller geistiger Frische. In
seiner Familie, in der bürgerlichen Gesellschaft, in der Gemeinde, in
allen Kreisen, in denen er seine geistigen Kräfte entfaltet, hat er
unauslöschliche Spuren seines tatenreichen Lebens zurückgelassen. 57
Jahre wirkte der Verblichene in hiesiger Gemeinde in segensreicher
Tätigkeit. 19 Jahre bekleidete er bei bescheidenem Einkommen das Amt des
Religionslehrers und Kantors der damals noch kleinen hiesigen Gemeinde. 36
Jahre war der Entschlafene der bewährte Führer und so der geistige
Mittelpunkt der aufblühenden und immer mehr wachsenden Kultusgemeinde.
Sein hervorragender Geist, sein überaus reiches Wissen, sein praktischer
Sinn, sowie seine Charaktereigenschaften befähigten ihn ganz besonders zu
diesem Amte, das er mit gewissenhafter Treue verwaltete. Er war in des
Wortes vollster Bedeutung ein 'Seher des Kommenden' (?) Er hatte einen klaren, besonnen Blick in
das Kommende. Mit dieser zielbewussten Energie verband sich der sanfte
Charakter einer alles versöhnenden Friedensliebe und eine bestrickende Beredsamkeit.
Der imposante Trauerzug, welcher der Bahre dieses hochverdienten Mannes
folgte, legte lautes Zeugnis ob von der allseitigen Beliebtheit und hohen
Zeugnis ab von der allseitigen Beliebtheit und hohen Achtung, deren sich
der Heimgegangene bei der gesamten Bevölkerung der hiesigen Stadt ohne
Unterschied der Konfessionen in hohem Maße erfreute. Unter anderen
erwiesen die Geistlichen der beiden Konfessionen, die städtischen
Kollegien mit dem Bürgermeister, das Lehrerkollegium und die Schüler der
städtischen Real- und Handelsschule, deren Gründer und langjähriger
Leiter der Verstorbene war, diesem die letzte Ehre. Vor dem Trauerhause sprach
Seine Ehrwürden Herr Distriktsrabbiner Adler, Kitzingen,
im Auftrage der Kultusgemeinde. In eindrucksvoller, tief empfundener Rede
entrollte er ein klares Bild von der fruchtbaren, erfolgreichen Tätigkeit
des Hingeschiedenen. Am Grabe zollte der erste Kultusvorstand, Herr S. Weinberg,
dem Wirken seines Vorgängers im Amte die wohlverdiente Anerkennung und
den Dank der hiesigen Gemeinde. In kernigen, treffenden Worten hob der
Redner unter Zugrundelegung des Textes - Rabbi Chanina ben Dosa sagte:
Bei jedem, dessen Taten mehr sind als seine Weisheit, bleibt seine
Weisheit bestehen" (Mischna Avot 3,9) - seine hervorragenden
Verdienste um das hiesige Gemeindewesen hervor, besonders noch seinen
friedlichen, versöhnenden Charakter, dem es auch unter den schwierigsten
Verhältnissen gelang, die Einheit und den Frieden in der Gemeinde
allezeit zu wahren.
Als letzter Redner am Grabe sprach der Bürgermeister der hiesigen
Stadt, der mit dem Rektor der Handelsschule der Bahre auf den zwei Stunden
entfernten Friedhof gefolgt war. In eindrucksvollen Worten gab Redner der tiefen
Trauer der Bürgerschaft um den Verlust dieses wackeren, hoch angesehenen
Mannes Ausdruck. Er betonte die ersprießliche Tätigkeit, die der
Verstorbene als Magistratsrat, sowie auch als Vorsitzender des Sühneamts
in hiesiger Stadt entfaltete. Diese Wirksamkeit und das leutselige Wesen
haben ihm ein bleibendes Andenken in hiesiger Stadt gesichert.
Auch in der hiesigen Kultusgemeinde wird das Wirken dieses Mannes
unvergessen bleiben. S." |
Aus der Geschichte der Lehrer
/ Kantoren
von 1864 bis 1939 sowie zur Israelitischen Religionsschule und Volksschule
Rücktritt und Tod des seit 1864 in Marktbreit wirkenden
Religionslehrers und Kantors J. Regensburger im Januar / Mai 1900
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Januar 1900 zum Rücktritt
von J. Regensburger und zur Neuausschreibung der Stelle: "In Folge Rücktrittes unseres Herrn
J. Regensburger,
erledigt sich dessen Stelle als Religionslehrer und Kantor in hiesiger Gemeinde.
Seminaristisch und musikalisch gebildete Bewerber um dieselbe, im Besitze guter
Stimme und Befähigung zum Kantordienste, sowie zu religiösen Vorträgen,
wollen ihre Gesuche mit Angabe ihrer Familienverhältnisse und unter Anlage der Abschriften
ihrer Prüfungs- und Befähigungszeugnisse, die nicht retourniert werden, bis
längstens 15. Februar anher einreichen. Die bare Besoldung beträgt jährlich
Mark 1000 bei freier Wohnung und gutem Nebeneinkommen, für welches jedoch nicht
garantiert wird. Reisekosten werden nur dem Gewählten vergütet. Marktbreit
i.B., den 1. Januar 1900. Der Kultusvorstand: S. Weinberg." |
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Nachruf zum Tod von J. Regensburger in der Zeitschrift
"Der Israelit" am 11. Juni 1900: "Marktbreit, 28. Mai
(1900). Ein unabsehbarer Trauerzug, unter Beteiligung der Angehörigen aller
Konfessionen, bewegte sich heute durch die Straßen hiesiger Stadt. Galt es doch
dem verdienten, langjährigen, hiesigen Lehrer J. Regensburger seligen
Angedenkens die letzte Ehre zu erweisen. Rasch und unerwartet hauchte er in
einem Alter von 67 Jahren seine edle Seele aus. Mit Beginn dieses Jahres war er
in den wohlverdienten Ruhestand getreten, und seine dankbare Gemeinde hatte ihm
freiwillige einen Ruhegehalt ausgesetzt. Nach Gottes weisem Ratschluss sollte
ihm jedoch der Genus desselben versagt sein. Über 36 Jahre wirkte er als
Religionslehrer und Kantor in hiesiger Gemeinde mit Ehre und Auszeichnung.
Zahlreiche Schüler saßen zu seinen Füßen und die Liebe und Hochachtung, die
ihm dieselben allenthalten entgegenbrachten, sind ein beredtes Zeugnis für
dessen verdienstliches Wirken. Besonders verdient waren seine Leistungen als
Kantor. Als solcher verstand er es durch seine herrliche Vortragsweise, sein
inniges Vertrautsein mit Inhalt und Bedeutung der Gebete seine Zuhörer für den
Gottesdienst zu begeistern und zur Andacht zu stimmen. Am Trauerhause gab
zunächst Herr Distriktsrabbiner Adler von Kitzingen dem allgemeinen Schmerze
über den Heimgang dieses Frommen beredten Ausdruck. Er pries ihn als wahrhaften
Jehudi und als Ben Tora (Sohn der Tora), der es sich angelegen sein ließ, einen
seiner Söhne dem Lehrberufe zuzuführen. Im Anschluss hieran widmete Herr
Lehrer Goldstein aus Heidingsfeld, als Vorstand des israelitischen Lehrervereins
dem hingeschiedenen Freunde und Kollegen, der zu den Gründern des Vereins
gehörte, warme Worte des Nachrufes." |
Der
Nachfolger von J. Regensburger war Lehrer Strauß, der bis 1911 in Marktbreit
blieb und dann nach Nördlingen wechselte.
Die Neuausschreibung der Stelle
des Religionslehrers, Vorbeters, Schochets und Gemeindeschreibers erschien am
22. Juni 1911 in der Zeitschrift "Der Israelit":
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"Vakanz.
Durch die Berufung unseres seitherigen Lehrers Herrn Strauß nach Nördlingen,
ist die hiesige Stelle eines Religionslehrers, Vorbeters, Schochets und
Gemeindeschreibers bis zum 1. September neu zu besetzen. Die bare
Gesamtbesoldung beträgt jährlich Mark 1500 bei freier Wohnung und gutem
Nebeneinkommen. Landes- respektive Reichsangehörige, seminaristisch und
musikalisch gebildete, streng religiöse Bewerber, die bereits die
Anstellungsprüfung gemacht haben oder sich verpflichten, solche innerhalb 2
Jahre abzulegen, im Besitze guter Stimme, sowie befähigt sind, religiöse
Vorträge zu halten, wollen ihre Gesuche mit Angabe ihrer Familienverhältnisse
unter Anlage der Abschriften ihrer Prüfungs- und Führungszeugnisse - die nicht
zurückgesandt werden - bis längstens 1. Juli an den Unterzeichneten
einreichen. Marktbreit (Bayern), den 9. Juni 1911. Der Kultusvorstand S.
Weinberg.
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Als Nachfolger von Lehrer Strauß wurde Simon Brückheimer (geb. 1889 in
Külsheim, gest. 1950 bei einem
Verkehrsunfall in England) bestimmt. Er kam noch 1911 nach Marktbreit. 1920
wurde er nach der Begründung der Israelitischen Volksschule in Marktbreit
zum Volksschullehrer ernannt. Im Juli 1920 starb sein Vater Lazarus
Brückheimer in Külsheim; Simon Brückheimer hielt die Trauerrede - siehe
Bericht auf Seite zu Külsheim.
Brückheimer machte sich in den folgenden Jahren einen Namen als Erforscher der
Geschichte der jüdischen Landgemeinden. Er hatte vom Landesverband der
Israelitischen Gemeinden (München) den Auftrag, viele kleine Gemeinden
aufzulösen, wo oft nur noch wenige ältere Menschen zurückgeblieben
waren, nachdem die Jüngeren entweder ausgewandert oder verzogen waren.
Ein weiterer Auftrag bestand darin, ein Inventar von allen Ritualien in
etwa 150 kleinen Gemeinden zu erstellen. Das Inventar ist erhalten und
befindet sich im Archiv von Yad Vashem in Jerusalem.
Am 10. November 1938 (Novemberpogrom) war Simon Brückheimer mit
dem Auto unterwegs, vermutlich, um wieder eine kleine Gemeinde
aufzulösen. Nachdem er mehrere brennende Synagogen gesehen hatte, gab er
seine Reise auf und flüchtete nach Frankfurt, wohin auch seine Frau und
die Kinder geflohen waren. Am Hauptbahnhof Frankfurt wurde er vor den
Augen seiner Frau und seinen Kindern verhaftet und in das KZ Buchenwald
eingewiesen.
(Weitere Informationen im Bericht von Lassar Brueckheimer in: Martin Gilbert,
Kristallnacht. Prelude to Destruction. 2006 (Taschenbuch-Ausgabe 2007). S. 103-106).
Familie Brückheimer emigrierte 1939 nach London. Simon Brückheimer kam
1949 in die Rheinprovinzen als Rabbiner für die zurückkehrenden Juden.
Anfang 1950 reiste er nach London zurück und wurde bei dieser Reise von
einem Auto überfahren und getötet. Sohn Lassar Brueckheimer wanderte
1988 von England nach Israel zu seinen Kindern und Enkeln aus.
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Von zahlreichen Artikeln des
Lehrers Simon Brückheimer in der Zeitschrift "Der Israelit"
seien vier genannt: "Die neue Lehre" (in "Der
Israelit"
vom 1. Mai 1924), "Lehrerelend" (in "Der
Israelit" vom 10. Februar 1921), "Ein seltsamer Chanukogast"
(in "Der Israelit" vom 15. Dezember 1927),
"Schir-haschirim"
(in: "Der Israelit" vom 17. April 1924). |
Leseproben |
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"Erez-Jisroel-Erde"
(In: Der Israelit
vom 10. Dezember 1925) |
Über "Chajim Löb"
(In "Der Israelit"
vom 14. Juni 1923) |
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Leseproben aus den "Mescholim"
von Simon Brückheimer
(Geschichten über jüdische
Charaktere aus Wertheim,
Külsheim
usw.; Texte 15 und 19 bei Külsheim
abgeschrieben) |
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Artikel in der
Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. November 1925 |
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Beitrag "Schatten
'...und was
verschwand, wird mir zu
Wirklichkeiten' 1. Die alte
Tefiloh von S. Brückheimer in
Marktbreit (aus der
"Bayerischen
Israelitischen Gemeindezeitung"
vom 15. September
1936) |
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Der Beitrag von
Simon Brückheimer schildert ihn bei seiner langjährigen Tätigkeit im
Besuch jüdischer
Gemeinden, teils nicht mehr benutzter Synagogen. Auf
Grund des im Artikel angegebenen Namens von Mirjam
Neugass besuchte er
vermutlich die Synagoge in Rieneck -
nur in der dortigen Gemeinde gab es im
Unterfränkischen über mehrere
Generationen eine Familie Neugass (von Matrikelliste 1817 bis nach
1933). |
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Neubegründung der Israelitischen
Volksschule (1920)
Bis 1920 bestand nur eine Israelitische Religionsschule in Marktbreit.
1920 wurde eine Israelitische Volksschule eröffnet. |
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. November 1920:
"Marktbreit, 25. Oktober (1920). Vor Kurzem wurde hier die
neugegründete jüdische Volksschule mit einer kleinen Feier eröffnet.
Kultusvorstand H. S. Weinberg betonte in seiner Begrüßungsansprache an
die zahlreich erschienenen Eltern- und Gemeindemitglieder das innige
Zusammenarbeiten zwischen dem bisher als Religionslehrer amtierenden und
nun zum Volkschullehrer ernannten H. S. Brückheimer und der hiesigen
Kultusgemeinde und wünschte, dass dieses gedeihliche Verhältnis auch
weiterhin bestehen möge. Herr S. Brückheimer entwickelte sein
Schulprogramm dahingehend, dass er die Schüler zu aufrechten Juden, zu
guten Deutschen und zu gesinnungstüchtigen Menschen erziehen wolle. Herr
Schul- und Stadtrat Karl Zimmermann wünschte der neuen Schule frohes
Blühen und bemerkte, indem er H. Brückheimer in sein neues Amt einwies,
dass er der neuen Schule die gleich Obsorge zukommen lassen wolle, wie den
übrigen Schulen seines Bezirks. Die würdige Feierlichkeit hinterließ
bei allen Anwesenden den tiefsten Eindruck". |
Heimweh nach dem Geburtsort in der Rhön (Beitrag von Lehrer Brückheimer von
1924)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. September 1924: "Bilanz.
Von S. Brückheimer in Marktbreit.
Als Jakob Thalmann an einem Montag Morgen seine Augen von seinen
Geschäftsbüchern weg zu dem eisenvergitterten Fenster seines Kontors
schweifen ließ, überfiel in wieder ganz unversehens die heftige Sehnsucht
nach seinem entlegenen Geburtsdorf. Schon am vergangenen Abend war ihm,
als im Gespräch ganz zufällig seine Heimat genannt wurde, eine heiße
Welle vom Herzen aus gegen den Kopf gestiegen.
Konnte er es sich erlauben, diesen Wunsch noch für längere Zeit
zurückzustellen, wo er bereits 69 Jahre zählte?
Und deshalb trug ihn der Schnellzug am nächsten Freitag schon aus dem
Stadtgelärme in das waldstille Rhöndorf...
Auf einem holprigen Wege stieg er zuerst einen mit alten Eichen und
Rottannen bestandenen Hügel hinauf, bis er vor dem wurmstichigen Holztor
des Bes Olam (Friedhof) stand. Über dessen zerbröckelnde Mauer nickten
hohe Haselbüsche; flinke Eidechsen huschten im blühenden Grase, und ein
Raubvogel schoss in der blauen Höhe nach einer wilden Taube. Die
Jahrhunderte alten Grabsteine des tiefer gelegenen Teiles waren fast bis
zu ihrem oberen moosbewucherten Ende in den Boden gesunken oder lagen mit
ihren unleserlich gewordenen Inschriften glatt auf dem welligen Grunde.
Die Goldlettern auf den neueren Mazewos (Grabsteinen) und die Marmortafeln
an denselben blinkten zuweilen im hereinfallenden Sonnenschein und wirkten
mit ihren Verzierungen und Aufsätzen ein wenig aufdringlich in dieser
ungestörten Waldeinsamkeit.
Und Jakob Thalmann, der seit vierzig Jahren ein klarer Rechner war, lehnte
sich an einen Baumstrunk und kam ins Träumen: Hier, wo seine Angehörigen
ruhten, wo nicht allzu weit davon sein wilder Knabenübermut sich
ausgetobt, wo die Heimat die ersten, die wahrsten und süßesten
Schönheiten vom Leben aufgezeigt, hier musste es sich auch - friedsamer
schlafen lassen.
Ein mit Holz beladener Wagen knarrte den Weg herauf und Jakob Thalmann
stieg hinunter ins Dorf. Über die Straße liefen wie früher die
jüdischen Mädchen mit Töpfen und Blechen unter dem Arm. Durch
geöffnete Haustüren hinein sah man blankgescheuerte Flure und
sandbestreute Dielen: Deutlich wahrnehmbar ging der Schabbos als froher
Gast durch die schmalen Dorfgassen.
Während der alte Vorbeter den Locho daudi trällerte, gingen
Thalmanns Blicke durch die kleine Synagoge. Wie viele Stände waren
doch im Laufe der Jahre leer geworden! Er bedeckte mit der Hand seine
Augen und nun füllten alte Gestalten die verlassenen Bänke. Der
stillgewaltige Leser Kahn, der religiöse Schauer weckte, wenn er das
Neiloh-Gebet begann, lehnte mit dem Rücken am Fenster mit den erblindeten
Butzenscheiben. Neben dem Almemor stand Bär Adler, ein kleines Männlein,
das - wie ein Tier im Käfig - hin und her trippelte, wenn der Chason
(Vorbeter) zu lange im Gebet verweilte. Und aus der Ecke summte Hirsch Neumann,
dem des Lehrers neuere Gesänge nicht gefallen wollten, die alte, etwas
wehmütige Melodie. Dann gingen die Knaben, darunter der kleine
Jakob Thalmann, an das Vorbeterpult den Kidduschwein zu trinken und
zurück zu ihren Vätern, um sich benschen zu lassen.
Und dem alten Jakob Thalmann stiegen heiße Tränen ins Auge, er
bückte sich tief und seine Seele verlor sich im Gebete.
In der Freitagnacht lag er lange noch wach. Die ungestörte dörfliche
Stille wirkte so wohltuend wie ein Bad im Quellwasser nach ermüdender
Wanderung. Manchmal hörte er ein klirrendes Lachen und leichte Schritte.
Er dachte: Es wird die Dorfjugend sein, die Arm in Arm durch die Straße
zieht und draußen vor dem Apothekersgarten wohl wie früher ein Tänzchen
wagt. ein Käuzchen schrie über den Häusern. In einem Hof schlug ein
Hund an. Vor dem Rathause aber murmelte der vielröhrige Laufbrunnen sein
altes Geheimnis, nicht lauter und nicht schneller wie seit Jahren, Jahren.
Das gleich eintönige Glucksen und Rauschen, bei dem er früher immer so
rasch und beruhigt eingeschlafen war... Am späten Nachmittag, als sich
auf dem Marktplatze kleine Gruppen bildeten, welche die Wochenneuigkeiten
besprachen, ging Jakob den Boul hinauf bis hinter das letzte Häuschen.
Auf dem hölzernen Stege, der das seichte Wässerlein überspannte, blieb
er stehen. Die Wellchen da drunten spielten um die Wurzeln der morschen
Weidenbäume, klatschten an moosige Sandsteine und raunten und schwatzten.
Und wiederum glitten ihm seine Gedanken weg. So langsam wie das
Lindenblatt, das der leise Wind eben in den Bach geworfen und nun wellauf
und wellab gewiegt wurde, kam aus schon nebelumhüllter Weite Erinnerung
um Erinnerung. Die Hände auf das Geländer gestützt, blickte er hinab
auf das ewig tänzelnde Spiel des Wassers und in seinem Spiegel sah er -
hineingezaubert durch Himmelsbläue, Weißdornblütenschnee und Rosengrün
- Vater und Mutter, seinen Jugendfreund Marum, eine helle Schulstube,
Mondscheinnächte, märchenbehangene Sederabende und da - wirklich dort
auch - ein liebes, feines Mädchengesicht. Er fuhr in die Höhe, ließ
seine Augen suchende kreisen, weil ihm an diesem letzten Bilde noch etwas
zu fehlen schien. Jetzt huschte es wie ein Schimmer über sein faltiges
Gesicht. Und mit langen Schritten, in denen sich ein längst verwehtes
Sehen kund gab, eilte er mitten durch eine blühende Wiese einem Hügel
zu. Dort stand neben baufälligen Zehntscheunen ein an der Spitze
abgebrochener Turm aus Raubrittertagen. An seinem Fuße in regelloser
Folge wuchsen wilder Rosenstrauch und Fliederbusch, alle der schwellenden
Knospen voll, die ihre Zeit kaum erwarten konnten. Mit einer jugendhaft
schnellen Bewegung setzte sich Thalmann zwischen hinein.
Und dachte an Rosele Sußmann.
Gleich wusste er, was ihm noch nie so klar geworden war, dass er nichts in
seinem Leben so lieb gehabt habe. Nicht sein Geld und nicht sein
Geschäft. Nicht das wechselvolle Stadtleben und nicht seine das Schönste
suchenden Reisen. Weil er nach größtem Besitz begehrte, weil es ihn
übermäßig nach den Reizen der Großstadt verlangte, war er über Nacht
aus dem Dorfe weg und hat sie vergessen.
Und jetzt wurde es ihm deutlich - nein... irgendwo da drinnen war dies
Wissen immer lebendig ... dass er doch eigentlich nichts so lieb gehabt
habe.
Und es fror ihn plötzlich wie eine Herbstblume, die vom ersten kalten
Wind getroffen wird.
Über den Resten des einstigen Burggrabens drüben wurde jetzt eine Stimme
laut. Löb Strauß war auf dem dort hinlaufenden Feldpfade unter einem
dickstämmigen Nußbaum, mit seinem Sohne vom Walde herkommen, im
Gespräche stehen geblieben.
'...Solch ein unbefriedigter Stadtmensch scheint auch Jakob Thalmann zu
sein. Von hochfliehenden Wünschen und vom Berufe durchs Leben gehetzt,
muss ihm unsere dörfliche Schabbosfreude wie ein Spiegel seine innere
Unrast gezeigt haben. Wenn er heute einmal vergleichen
wollte...'
Die Zwei waren weiter gegangen.
Als Jakob Thalmann am Sonntag Morgen den Zug bestieg und vom Fenster aus
noch einmal den alten brüchigen Turm hinter hohen Pappeln auftauchen sah,
würgte ihn etwas im Halse. Dich bei der nächsten Station zog er
sein Notizbuch aus der Tasche und rechnete und
rechnete..." |
Beitrag von Lehrer Brückheimer über "jüdische Nationalspeisen"
(1934)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. September
1934: "Jüdische Nationalspeisen.
Von S. Brückheimer in Marktbreit.
Die Besinnung auf jüdische Art und Sitte veranlasst mich, in ein dem
Manne sonst etwas abgelegenes Gebiet, in den ureigensten Bezirk der
Hausfrau einen Einfall zu wagen. Nicht als Sachverständiger im Koch oder
gar als räsonierender Feinschmecker!
In stetem Bemühen, die ländliche, jüdische Weise und Gewohnheit der
vergangenen Jahrzehnte festzuhalten, scheint es mir, als ob die jüdischen
Nationalgerichte nicht nur zu Gaumen und Magen sprächen. Sind sie doch
verwoben in die Geschichte der länglichen Gemeinden und erzählen von
ungestörtem Feiertagsfrieden, stillen, von der Schabboslampe beschiedenen
Freitagabenden, von engen Gassen und von zufriedenen, mit Gott und der
Umwelt im Einklang lebenden menschen. Wenn im Winter die 'Gänsekuggel',
braun glänzend und nach Zimt duftend, auf dem Teller hin- und herschwang,
wenn die im Backofen 'gesetzte' Bohnen oder Grünkernsuppe wohlig den
Magen wärmte, dann waren der blaue Warenpacken, der die Schulter wund
drückte, und die oft groben Worte der Bauern bald vergessen. Das in Oel
gebackene 'Buwele', die in Mickerfett schwimmende 'Krautkuggel'
entschädigten hinreichend für die kargen Bissen an den Werktagen
draußen auf den Weilern und Gehöften.
Manche unter den jüdischen Nationalspeisen beziehen ihre
Daseinsberechtigung, ja ihre Existenz überhaupt aus religiöser Anordnung
oder aus der jüdischen Geschichte. Die aus Mazzoh bereiteten, in
Zwetschenbrühe aufgekochten 'Krimsel' und die mit 'jonteftigem'
Sauerkraut gereichten 'Mazzohklöße' sind aus dem Pessachfeste heraus
geboren. Der 'Käsekuchen' am Schowuaus ist zwar nur die Belohnung für
den, der während der sieben Wochen niemals das Omern vergessen hat. Aber
der geflochtene, mit Milch und Rosinen bereitete 'Koletsch' stellt nach
mancher Meinung die Erinnerung her an die zwei im Tempel aus neuem
Weizenmehl dargebrachten Schwingungsbrote. Am Erew-Jom-Kippur mag der in
Süddeutschland beliebte 'Nudelschalet' bei der Schlussmahlzeit dem
Fastenden für den 'langen Tag' den nötigen Rückhalt geben. Die am
Hochanoh-Rabbo als Gemüse aufzutischenden roten Birnen spielen aber
hinein in das Geheimnis dieses in mancher Beziehung dem Versöhnungstage
gleichgestellten Festes. Der 'Haman', der am Purim den Kindern gebacken
wird, bedarf keiner Ausdeutung. Wohl aber das an diesem Tage
obligatorische Rauchfleisch. Dagegen mögen der freitägige
'Zwiebelkuchen' und die mit Knoblauch gewürzte 'Einmachsauce' in der
Freitag-Nacht im Zusammenhang stehen mit der Anordnung Esras, die in der
10. Mischnah des dritten Pereks im Traktat Nedarim erwähnt
wird.
Die, durchaus nicht vollständig ausgezählten Gerichte, sind durch eine
lange Reihe jüdischer Generationen gegangen. Sie sind so im Laufe der
vielen Jahre in gewissem Sinne zu einer Art von Verpflichtung geworden.
So, dass man auf dem Lande nicht selten den als 'schlechten' Juden
betrachtet, der diese seit altersher bekannten Nationalgerichte nicht
liebt. Mag dies als grotesk und ungerecht erscheinen. Und doch liegt ein
Körnchen Wahrheit in solchem Urteil. Denn wenn auch alle Völker
sogenannte Nationalgerichte haben, so führen sie doch nur beim,
jüdischen, über die Befriedigung des körperlichen Bedürfnisses hinaus,
in seine Geschichte, in sein Geistesleben, in seine
Kultur." |
Anzeige zum Tod von Lehrer Sigmund Pollack (1934)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 6. Dezember 1934: "Nachruf.
Nach längerer Krankheit verschied im 80. Lebensjahre
Herr Sigmund Pollack - er ruhe in Frieden - Lehrer
a.D.
Über 30 Jahre hat er alt Kultusbeamter unserer Gemeinde wertvolle Dienste
geleistet. Wir werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren. Israelitische
Kultusgemeinde Marktbreit." |
25-jähriges Ortsjubiläum von Lehrer Simon Brückheimer (1936)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15.
Oktober 1936: "Ortsjubiläen. I. Am 1. Oktober dieses Jahres
konnte Kollege Simon Brückheimer auf eine 25jährige segensreiche
Tätigkeit in Marktbreit zurückblicken. Dieser Tag bedeutete nicht nur
einen Feiertag für seine Gemeinde, sondern es ist auch Anlass gegeben,
dass man darüber hinaus in weiten jüdischen kreisen in Bayern und
besonders in Kollegenkreisen der unermüdlichen Tätigkeit und des
ersprießlichen Wirkens des Jubilars gedenkt.
Als Brückheimer im Jahre 1911 die Religionslehrerstelle in Marktbreit
antrat, war Marktbreit eine schöne, aufstrebende jüdische Gemeinde. Eine
Berufung dorthin bedeutete damals für diesen jungen Lehrer eine ganz
besondere Auszeichnung. Denn vor 25 Jahren hatten unsere jüdischen
Gemeinden noch nicht den Ehrgeiz und das Streben, nur ganz junge Lehrer
anzustellen. Brückheimer hat sich des ihm durch seine Berufung
entgegengebrachten Vertrauens stets würdig gezeigt. Er ist nicht nur ein
vorbildlicher, pflichteifriger und tüchtiger Lehrer der Jugend, der schon
vor 15 Jahren mit Erfolg für die Umwandlung seiner Religionsschule in
eine Volksschule tätig war, er war und ist auch ein wahrer Volkslehrer,
ein Lehrer seiner Gemeinde. die intensive und erfolgreiche Arbeit in
seiner Gemeinde fand insbesondere darin Anerkennung, dass man ihn - schon
im Gründungsjahre des Verbandes - in die Tagung des Verbandes Bayerischer
Israelitischer Gemeinden berief. In uneigennütziger Weise widmet er sich
seitdem den Aufgaben der jüdischen Gesamtheit, und in den letzten Jahren
benutzte er jeden freien Tag, um in den jüdischen Gemeinden die noch
vorhandenen Kultgegenstände, alte Akten usw. zu sammeln und zu
registrieren.
Im jüdischen Lehrerverein gehört Brückheimer zu den bekanntesten und
aktivsten Mitgliedern. Kurz nach dem Kriege gründete er mit
gleichgesinnten Freunden die 'Arbeitsgemeinschaft jüdischer Junglehrer',
die er bis zu ihrem seligen Entschlafen mit jugendlichem Feuer und
vorbildlicher Energie leitete. Pädagogische und methodische Weiterbildung
der Junglehrer, Einrichten von Bezirkskonferenzen usw. war ihr Ziel. Seit
1920 gehört Brückheimer der Verwaltung des Jüdischen Lehrervereins als
eifriges Mitglied an und ist hier besonders unermüdlich für
Volksschullehrer und Lehrer in Kleingemeinden tätig. An unserem
diesjährigen Fortbildungskurs hielt er das sehr instruktive Referat über
'Die ungeteilte Schule', das wir in der nächsten Zeit zu veröffentlichen
gedenken.
Neben seiner schulischen, gemeindlichen und standespolitischen Arbeit
entfaltet er auch eine äußerst fruchtbare literarische Tätigkeit. Die
Gemeindezeitung hat erst in ihrer letzten Nummer eine Arbeit von
Brückheimer veröffentlicht, unsere 'Mitteilungen', der 'Israelit' und
andere jüdische Zeitschriften zählen ihn zu ihren
Mitarbeitern.
Wir beglückwünschen den Jubilar und seine Gemeinde und wünschen von
Herzen, dass er die Kraft habe, seine ersprießliche Tätigkeit im
gleichen Tempo und mit gleichem Erfolge noch recht viel Jahre
fortzusetzen.
- Am 4. Oktober fand im Anschluss an den Nachmittagsgottesdienst in der
Synagoge zu Marktbreit eine kleine Feier statt. Bezirksrabbiner Dr.
Hanover - Würzburg beglückwünschte den Jubilar und die Gemeinde.
Studiendirektor Stoll - Würzburg überbrachte die Grüße der
Lehrerbildungsanstalt und des Jüdischen Lehrervereins für
Bayern." |
Aus
der Geschichte der Schächter / Gemeindediener / Hilfsvorbeter
Ausschreibungen der Stelle(n) des Schächters /
Gemeindedieners / Hilfsvorbeters 1878 /1891 / 1922
Ausschreibung
der Stelle des Schächters in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 26.
Februar 1878: "Vakanz. In der hiesigen israelitischen Gemeinde
erledigt sich mit Ende Juli dieses Jahres die Stelle eines Schochet
(Schächters), mit welcher ein jährliches Einkommen von 1.000 Mark und
zwar: 800 Mark aus dem Ertrage der Schechita und 200 Mark aus der
Gemeindekasse nebst freier Wohnung verbunden ist. Gut qualifizierte
Bewerber wollen sich unter Vorlage ihrer Zeugnisse und genauer Angabe
ihres Alters und Familienstandes an den unterzeichnete Vorstand
wenden.
Marktbreit a.M., im Februar 1878. Wohl."
Die Anzeige erschien gleichlautend auch in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 27. Februar 1878. |
|
Ausschreibung
der Stelle des Schächters und Gemeindedieners in der Zeitschrift
"Der Israelit" vom 6. August 1891: "Vakanz. In
hiesiger Gemeinde ist die Stelle eines Schächters, womit die Funktion
eines Gemeindedieners verbunden ist, in Erledigung gekommen. Ein
jährliches Einkommen von mindestens Mark 1.200 - bei freier Wohnung -
wird zugesichert. Bewerber mit guten Zeugnissen und der Befähigung zum
Hilfsvorsängerdiensten belieben sich bis längstens 1. September dieses
Jahres an den Unterzeichneten zu wenden.
Marktbreit am Main, 3. August 1891. Der Kultusvorstand: S.
Wohl". |
|
Ausschreibung
der Stelle des Schächters, Kultusdieners und Hilfsvorbeters in der
Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Juli 1922: "Wir
suchen einen Schochet, Kultusdiener und Hilfsvorbeter, der befähigt ist,
Religionsunterricht zu erteilen. Der Dienst erstreckt sich noch auf zwei
nahe Filialgemeinden. Das Gehalt richtet sich nach Klasse V der B.B.O.
(vermutlich Bayerische Beamtenordnung) vom 1.4.1922. Pensionierung in
gleicher Höhe. Reflektiert wird auf jüngere Bewerber (Reichsdeutsche).
Der Vorstand: A Goldbach.
Marktbreit, 1. Juli 1922." |
Aus dem jüdischen
Gemeinde- und Vereinsleben
Gründung einer Ortsgruppe der "Freien
Vereinigung für die Interessen des orthodoxen Judentums"
(1908)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30.April 1908: "Marktbreit,
26. April (1908). Heute Abend hatten wir das Vergnügen, einen
vorzüglichen Propaganda-Redner in unserer Mitte zu hören. Im Saale 'zum
Löwen' hatte sich eine stattliche Zahl von Interessenten eingefunden, um
den Darlegungen des Herrn S. Ehrmann - München zu lauschen, der als
Sendbote der 'Freien Vereinigung für die Interessen des orthodoxen
Judentums' die Gründung einer Ortsgruppe befürwortete. Trotz aller pessimistischen
Voraussagen gelang es den vortrefflichen Ausführungen des Referenten,
alle von der Notwendigkeit eines Zusammenschlusses zu überzeugen und zu
beweisen, dass Einigkeit aller am Fortbestand des Judentums und der
Judenheit interessierten Glieder die Forderung des Tages geworden sei. Der
Redner konnte am Schlusse der Versammlung mit Befriedigung konstatieren,
dass außer den bereits der Vereinigung angehörigen 20 neue Mitglieder
sich eingezeichnet hatten. Als Vertrauensmann der hiesigen Ortsgruppe
wurde Herr Lehrer Strauß bestimmt, der die Versammlung geleitet
hatte." |
Zum 50-jährigen Bestehen des Israelitischen Frauenvereins
(1928)
Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom
1. Mai 1928: "Marktbreit. Am 15. April (1928) feierte der
israelitische Frauenverein sein fünfzigjähriges Bestehen. In der
Festrede gab Herr Lehrer Brückheimer einen Überblick über die
Entwicklung des Vereins, der außer den üblichen Aufgaben auch noch die
übernommen hat, die Armen der Umgebung zu Pessach und Rosch-haschonoh
zu unterstützen. Er überreichte dann den acht noch bei der Gründung
beteiligten Damen eine Urkunde, worin sie zu Ehrenmietgliedern ernannt
wurden. Die erste Vorsitzende, Frau Berta Rosenfeld, übergab dem
geladenen Gemeindevorstand zu Erinnerung an das Jubiläum eine prachtvoll
gearbeitete Schulchon-Decke und betonte, dass dieser Tag weiterhin
festgehalten werden soll durch die Gründung eines Fonds, aus welchem im
Bedürfnisfalle an die Mitglieder Beihilfen abgegeben werden können.
Frühere Mitglieder hatten durch Übersendung von reichen Spenden ihr
altes Interesse bezeugt und durch den hier geborenen Herrn Strauß
(London) war anlässlich der Feier ein herrlich verziertes Toramäntelchen
gestiftet worden. Anschließend feierte der Bezirksrabbiner, Herr Dr.
Wohlgemuth (Kitzingen), die nur der Frau eigenen Gefühle der
Mütterlichkeit und des Mitleidens." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Mai 1928: Außer dem
Schlussabschnitt identisch mit dem Artikel in der "Bayerischen
Israelitischen Gemeindezeitung". Der Schlussabschnitt: "...Bei
dem sich anschließenden Kaffeekränzchen feierte der Bezirksrabbiner,
Herr Dr. Wohlgemuth - Kitzingen, die nur der Frau eigenen Gefühle der
Mütterlichkeit und des Mitleidens. Dann erstattete die zweite
Vorsitzende, Frau Sänger, den Rechenschaftsbericht. Durch weitere
Ansprachen kam auch noch eine heitere Note in den Tag, der von allen
Teilnehmern als ein echt jüdisches Erlebnis empfunden
wurde." |
Gründung einer Nähstube (1932/33)
Artikel
in der Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung vom 15. Januar 1933:
"Marktbreit. Durch die Initiative und nach den Vorschlägen der Herrn
Hauptlehrers Brückheimer wurde nach den Herbstferientagen vom hiesigen
israelitischen Frauenverein eine Nähstube eingerichtet, durch welche
Mittel herbeigeschafft werden sollten, um der Not der Zeit begegnen zu
können. Durch eine Sammlung, durch Ausbesserungsarbeiten und
Neuerstellungen war bis Chanukka schon eine so große Menge von Wäsche-
und Bekleidungsstücken vorhanden, dass die Bedürftigen hieraus und in
der näheren Umgebung sowie jüdische Anstalten reichlich bedacht werden
konnten. Die Leitung der Nähstube liegt in den Händen der 1.
Vorsteherin, Frau Jenny Klein". |
Christlich-jüdisches Miteinander vor Ort
und antisemitische Agitationen seit 1900
Um 1900 scheint das Verhältnis zwischen Christen und Juden
in Marktbreit überwiegend sehr positiv gewesen zu sein. Hinweis darauf ist
sowohl der Beschluss des Magistrates der Stadt, einem pensionierten Rabbiner
(unklar, wer gemeint ist) 400 Mark Pensionszuschuss aus Gemeindemitteln zukommen
zu lassen, wie auch die Tatsache, dass im Vorstand des evangelischen
Krankenvereines der Stadt auch jüdische Mitglieder saßen. Beides war Anlass zu
einer heftigen Attacke im antisemitischen "Deutschen Volksblatt" in
München:
Artikel in der Zeitschrift "Die Welt" vom 25. Mai 1900: "In
Marktbreit in Bayern hat der Magistrat beschlossen, dem pensionierten
Rabbiner 400 Mark Pensionszuschuss aus Gemeindemitteln zukommen zu
lassen".
|
Artikel
in der Zeitschrift "Im Deutschen Reich" vom Mai 1900:
"Marktbreit, 2. Mai (1900). Das antisemitische Münchener 'Deutsches
Volksblatt' hatte seinerzeit berichtet: 'In Marktbreit, ehemals ein
wohlhabendes Bauernstädtchen, jetzt ein veritables Judennest, ist ein
'evangelischer Krankenverein', in dessen Vorstandschaft 1 Jude und 2
Judenfrauen sitzen! Daher der Name 'evangelischer'. Ebendortselbst hat der
Magistrat beschlossen, dem pensionierten Rabbiner jährlich 400 Mark
Pensionszuschuss aus Gemeindemitteln zu bewilligen!'. - Dies veranlasste
den Vorstand des Ausschusses Herrn kgl. Pfarrer J. Schußer Nachstehendes
zu veröffentlichen: 'Nach den Statuten des evangelischen Krankenvereins
können alle volljährigen Einwohner der Stadt Marktbreit Mitglieder des
Vereins werden, welche sich zur Entrichtung eines Jahresbeitrages von 3
Mark verpflichten. Unter den 204 Mitgliedern des Vereins gehören 42 der
israelitischen Religion an. Während nun die 162 Mitglieder der
christlichen Religion im ganzen circa 800 Mark pro anno aufbringen,
leisten die 42 Mitglieder der israelitischen Religion circa 200 Mark. Es
war mithin nur eine Forderung der Gerechtigkeit und Billigkeit, dass schon
bei der Gründung des Vereines von Seiten der Generalversammlung
einstimmig den Mitgliedern israelitischer Religion eine Vertretung im
Ausschuss mit beschließender Stimme eingeräumt werde, ohne dass von
israelitischer Seite ein solcher Antrag gestellt wurde. Unrichtig ist in
dem Artikel die Angabe über die Zahl der israelitischen weiblichen
Ausschussmitglieder. Nicht zwei, sondern eine Frau israelitischer Religion
gehört dem Ausschuss mit beratender Stimme an. Übrigens schadet sich der
evangelische Krankenverein ebenso wenig in seiner Würde und an seiner
Ehre, wenn er seine evangelischen Diakonissen anweist zur Pflege bei
katholischen oder israelitischen Kranken, wie wenn katholische
Elisabethenvereine ihre barmherzigen Schwestern absenden an die
Krankenlager evangelischer Christen oder israelitischer
Religionsangehöriger". |
Vorboten der NS-Zeit (1922)
Artikel
in der CV-Zeitung (Zeitschrift des Central-Vereins) vom 16. November 1922:
"Die völkische Hetze im Maindreieck. Im Maindreieck der Gegend von
Kitzingen, Marktbreit und Kleinlangheim, grassiert die völkische
Hetze zurzeit besonders heftig. Wir erhalten aus Kleinlangheim den Bericht
über eine sozialdemokratische Versammlung, in dem es u.a. heißt. Zu
dieser Versammlung war auch der Stoßtrupp der Hakenkreuzler und als
Wortführer war der Zahnarzt Dr. Hellmuth aus Marktbreit
erschienen. Dieser Herr hielt sich besonders lange damit auf, den
ermordeten Minister Dr. Rathenau zu beschimpfen. Derartiges kann sich
diese Sorte von Leuten nur in Bayern leisten, wo ja das Schutzgesetz nicht
existiert. Die Bemühungen der Reichsregierung, politische Attentate zu
verhindern, werden wohl illusorisch sein, solange derartige Hetzen
ungestraft in Volksversammlungen gehalten werden dürfen. Ein Vorschlag
des Hetzredners ging dahin, den Juden das Geld abzunehmen und damit die
Kriegsschulden zu bezahlen. Derartiges erlebt man hier fast alltäglich.
Frau Ellen Arendt (sc. gemeint wohl: Andrea Ellendt) reist von Dorf
zu Dorf, um ihre giftige Saat auszustreuen und als die einzig Schuldigen
am Elend der Gegenwart die Regierung und die Republik zu bezeichnen. Man
muss fürchten, dass in Bayern der Regierung die Erleuchtung erst kommt,
wenn es zu spät ist." |
Anmerkung: Der im Artikel genannte
Zahnarzt Dr. Otto Hellmuth in Marktbreit war in der NS-Zeit
gefürchteter Gauleiter der NSDAP und Regierungspräsident von
Mainfranken. Er betrieb seit 1922 eine zahnärztliche Praxis in
Marktbreit und wurde 1924 in der Stadtrat gewählt. Er war lebenslang
überzeugter Nationalsozialist. 1951 wurde er zum Tod durch den Strang
verurteilt; das Urteil wurde jedoch in einem Revisionsverfahren in eine
"lebenslange" Haftstrafe umgewandelt. Bereits 1955 wurde er
entlassen. 1958 ließ er sich in Reutlingen als Zahnarzt nieder. 1968
starb er an Suizid. Er wurde im Familiengrab in Marktbreit
beigesetzt. vgl. Wikipedia-Artikel
zu Otto Hellmuth |
Über die in Marktbreit herausgegebene völkische
Zeitschrift des Zahnarztes Dr. Otto Hellmuth (1926)
Artikel in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des Central-Vereins -
Monatsheft) vom November 1926:
Der Beitrag befasst sich mit der "völkischen Presse" mit dem
Thema "Vom 'Skandal der Skandalblätter'".
Unter den "Skandalblättern" wird auch genannt: "Die
Sturmfahne. Unterfränkisches Kampfblatt für Wahrheit und Gerechtigkeit.
Verlag Dr. Hellmuth in Marktbreit". Abgebildet ist die Ausgabe 8 des
1. Jahrganges vom März 1926. |
Links
Abbildung eines Teiles des Titelblattes der Ausgabe 8 des 1. Jahrganges
der Zeitschrift "Die Sturmfahne" vom März
1926. |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Notiz über einen aus Marktbreit stammenden Emanuel Cohn (1774-1827)
Aus
dem familiengeschichtlichen Artikel in der "Bayerischen
Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Mai 1931: Anmerkung 2:
"Ich darf bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, dass ich vor
kurzem auf einem verlassenen, aber jetzt vom Preußischen Landesverband
jüdischer Gemeinden betreuten Friedhof der Provinz Brandenburg in
Wusterhausen a.d. Doße das Grab eines Emanuel Cohn entdeckte, der am 31.
Oktober 1774 in Marktbreit geboren wurde und am 15. Oktober 1827 in
Wusterhausen starb." |
Zum Tod des Gemeindevorstehers Elias Mosbacher am 1. Januar
1886
Anmerkung: vgl. zu Elias Mosbacher den Brief von 1870 unter weitere
Dokumente.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Januar 1886: "Marktbreit.
Die hiesige Gemeinde erlitt durch das am Vorabend zum Heiligen Schabbat
(Freitag) mit der Lesung (= 1. Januar 1886) erfolgt plötzliche
Ableben des Elias Mosbacher einen herben Verlust. Ausgezeichnet mit einem
erleuchteten Verstande war es dem Verlebten eine Freude, seinen Mitmenschen mit
Rat und Tat in Leid und Freud beizustehen. Der selig Entschlafene war von
Glücksgütern reichlich gesegnet; dabei mache es ihm das größte Vergnügen,
verschämten Armen mit reichlichen Darlehen wieder empor zu helfen. Schon seit
einer langen Reihe von Jahre ehrte ihn das Vertrauen seiner jüdischen
Mitbürger durch einen Sitz im israelitischen Gemeindevorstande. Das am Sonntag
Morgen 8 1/2 Uhr stattgehabte Leichenbegängnis gestaltete sich zu einem
äußerst imposanten. Alle Schichten der Bevölkerung, sowohl Israeliten als
Nichtisraeliten, waren vertreten; selbst die protestantische Geistlichkeit war,
trotzdem sie um 9 Uhr ihren Gottesdienst hatten, anwesend. Seine Seele sei
eingebunden in das Bündel des Lebens." |
Zum Tod von Ester Eisenmann (1887)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. März 1887: "Marktbreit,
1. März (1887). Heute haben wir unter der allgemeinen Teilnahme sowohl
der israelitischen als nichtisraelitischen Bevölkerung unserer Stadt eine
Frau zu Grabe geleitet, die es umso mehr verdient, dass ihrem Andenken
einige Worte gewidmet werden, je seltener jene Frauen aus früheren Zeiten
noch zu uns herüber ragen, die wie die Entschlafene - Friede sei mit
ihr - mit einer tiefen Liebe zu ihrem Schöpfer und seinen heiligen
Geboten die größte Demut und Anspruchslosigkeit verbinden.
Eine solche, schon während ihres langen, an Freuden und Leiden reichen
Lebens, mit der Krone des gute Namens geschmückte Greisin war Frau Ester
Eisenmann, die am 4. Adar, gerade an ihrem 82. Geburtstage dahier
verschied und ihrem schon 20 Jahre ihr vorhergegangenen, braven und
religiösen Ehemanne ins ewige Leben folgte. Von Jugend auf fromm
und gottesfürchtig, erzog sie ihre Kinder und Enkel zu wahren und
gottesfürchtigen Jehudim und wie sie nur für die ihrigen lebte und
sorgte und keine andere Freude kannte, als die, welche ihr in ihrem
glücklichen Familienleben erblühten und die an Geboten und guten
Taten, ebenso hingen ihre Kinder und Kindeskinder in rührender Liebe
an ihr, denn sie war in der Tat die Zierde ihres Hauses, und die Zierde
ihrer Söhne und ihrer Töchter.
Nicht geringer als ihre Liebe zu ihrer Familie war ihre unermüdliche
Hingabe in der Ausübung von Wohltätigkeit. Kein Armer ging
ungesättigt aus ihrem Hause, keine Träne konnte sie sehen, die sie nicht
zu trocknen suchte, kein Leid vernehmen, ohne ihre Teilnahme auszudrücken
und wo eine Krankheit, irgend eine Not herrscht, da war sie Tag und
Nacht besorgt und bemüht zu helfen, zu trösten, zu wachen, und auf das
Sterben zu warten und so durfte sie mit vollem Rechte kurz vor ihrem
Hinscheiden sagen: 'ich kann ruhig sterben, denn ich habe keinen
Feind'.
Nein, Freinde ließ sie nicht zurück, sondern nur gute Freunde und
dankbare Herzen, und die überaus zahlreiche Begleitung hier und auf den
Friedhof in Rödelsee bezeugte die ihr nachfolgende Ehre, Liebe und
Anerkennung. An ihrem Grabe sprach ihr Enkel, Herr Salomon Eisenmann,
Lehrer an dem Dr. Joel'schen Institute in Pfungstadt, ebenso von Herzen
kommende als zu Herzen gehende, erhebende und tröstende Worte, anknüpfen
an die Schriftstelle: "Die Zahl deiner Tage werde ich voll machen"
(2. Mose 23,26). Ihre Kinder und Enkel, die würdig in den Wegen ihrer
Eltern wandeln, finden gewiss in dem Verdienst ihrer frommen Mutter Trost
und Beruhigung, ihr Andenken aber bleibt zum Segen. -r." |
Jac. Benario aus Marktbreit erhält einen Preis der medizinischen Fakultät der
Universität Würzburg (1891)
Mitteilung
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. Januar 1891:
"Bei dem aus Anlass des 309. Stiftungstages der Universität
Würzburg stattgehabten Festakte wurde der Preis der medizinischen
Fakultät für richtige Lösung der von dieser gestellten Preisaufgabe,
dem cand. med. Jac. Benario aus Marktbreit
verliehen." |
Würdigung der Arbeit des Vorstehers Salomon Weinberg durch einstimmige
Bestätigung durch eine Gemeindeversammlung (1903)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 24. April
1903: "Marktbreit. Das verdienstvolle Wirken eines für die
Förderung der religiösen Interessen seine ganze Kraft einsetzenden
Mannes anerkannt zu sehen, ist eine wohltuende Erscheinung in der Zeiten
Flucht. Seit mehreren Jahren bekleidet Herr Salomon Weinberg hier das Amt
eines ersten Vorstehers. Dank seinem rastlosen Eifer ist es ihm gelungen,
den religiösen Sinn in unserer großen Gemeinde, in deren Mitte sich
viele neologen Elemente befinden, zu beleben und zu kräftigen. So ist
z.B. unter Herrn Weinbergs Verwaltung eine Mikweh (rituelles Bad)
errichtet worden, die geradezu mustergültig genannt zu werden verdient.
Trotz der uneigennützigsten Hingebung für die gedeihliche Entwicklung
unseres Gemeindelebens kam es vor einigen Wochen zu
Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Kultusverwaltung, und der erste
Vorsteher Herr Weinberg, sah sich infolgedessen veranlasst, sein Amt
niederzulegen. Die Bekanntgabe dieses Entschlusses weckte allseitig tiefes
Bedauern. Wie verlautet, hat Herr Distrikts-Rabbiner Adler in Kitzingen,
zu dessen Rabbinatsbezirk unsere Gemeinde gehört, Herrn Weinberg in einem
ihn sehr ehrenden Schreiben gebeten, seine Demission zurückzuziehen. In
einer Gemeindeversammlung wurde einstimmig der Beschluss gefasst und von
sämtlichen Gemeindemitgliedern unterschrieben, Herrn Weinberg unter
Anerkennung seiner großen Verdienste um die Hebung und Förderung der
religiösen Interessen unserer Gemeinde zu bitten, auch fernerhin an der
Spitze der Kultusverwaltung zu verbleiben. Diese Bitte hatte, wie wir zu
unserer Freude mitteilen können, den erwünschten
Erfolg." |
90. Geburtstag von Mathilde Kissinger (1909)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Juli 1909:
"Marktbreit am Main, 4. Juli (1909). Im Kreise ihrer Familie und
Freunde, zu denen wohl alle, die sie kennen, gehören, feierte Frau
Mathilde Kissinger, dahier ihren 90. Geburtstag in körperlicher und
geistiger Frische. Unter den vielen Gratulationen befand sich auch der
Magistrat, der der Greisin ein ansehnliches Ehrengeschenk
überreichte." |
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Meldung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 5. Juli 1912:
"Marktbreit. Witwe Kissinger feierte am 5. Juli den 90.
Geburtstag." |
Zum Tod von Emma Flamm geb. Eisenmann aus Marktbreit, gestorben in Nenzenheim (1911)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. November 1911: "Nenzenheim
(Mittelfranken), 29. Oktober (1911). Letzten Donnerstag haben wir Frau
Emma Flamm - sie ruhe in Frieden - zur Beisetzung gebracht.
Ein Herzschlag hatte ihrem Leben plötzlich ein Ende bereitet. Die
außergewöhnlich große Beteiligung bei der Beerdigung legte von
der sehr großen Beliebtheit der Verklärten beredtes Zeugnis ab.
Hervorgegangen aus der schon seit Jahrhunderten durch wahre Frömmigkeit
berühmt gewordene Familie Eisenmann in Marktbreit, war sie stets bestrebt,
auch in ihrem Familienkreis Gottesfurcht zu verbreiten, und so ist
es ihr gelungen, vereint mit ihrem Manne, ihre sämtlichen Kinder zu
wahren Jehudim zu erziehen. Hervorragendes hat die Verklärte besonders
auf dem Gebiete der Wohltätigkeit geleistet. Freiwillige
Krankenpflege und die Gebote bei (im Umgang mit) Toten waren
bei ihr etwas Selbstverständliches. Stets war ihr Haus den Armen
geöffnet, und wurden diese daselbst nach jüdischer Art gespeist. Wohl
niemals hat ein Hungriger bei ihr umsonst bittend vorgesprochen. Dass in
einem solchen Hause jedermann gerne verkehrte, bedarf keiner weiteren Erwähnung.
Im Sterbehause schilderte Herr Lehrer Sichel aus Kleinsteinach in
meisterhafter Weise die hohen Verdienste und das Wirken der Verstorbenen;
auf dem Begräbnisplatz im nahen Hüttenheim nahm Herr Oppenheimer aus
Marktbreit das Wort, um die Tugenden der Verstorbenen hervorzuheben. Möge
der schwer geprüfte Gatte und die ihrer Mutter beraubten Kinder in dem guten
Namen der Verblichenen Trost finden. Auch wir werden ihr Andenken in
Ehren halten. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Tod vom Ephraim Eisemann (1915)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Februar 1915:
"Marktbreit, 15. Februar (1915). Am letzten Freitag ist Ephraim
Eisemann im 79. Lebensjahre gestorben. Er war ein wahrer Zadik,
ein Gerechter, dem die Bitternis des Lebens nicht erspart blieb. Musste er
doch die sterben sehen, die ihn nach natürlichen Gesetzen überleben
mussten, die er in wahrhaft jüdischem Sinne erzogen, seine Kinder, welche
sein Pflichtgefühl in weitere Kreise zu tragen befähigt waren. Zwei
blühende Söhne - der eine Arzt, der andere Lehrer - sah er zu Grabe
tragen, seine einzige Tochter hat er betrauert, seine Gattin verloren. Er
aber hat, wie sein Schwiegersohn, Herr B. Oppenheimer, am Grabe sagte, das
Problem vom Frommen, dem es im Erdenleben schlecht geht, dahin gelöst,
dass er, ein Zadik, den Leiden sein ganzes Gottvertrauen
entgegenstellte, das ihn dann zu einer Höhe erhob, von der aus auch die
Leiden sich als ein Teil der Liebe des Allmächtigen erweisen.
Am 1. Tag des Monats Adar wurde er unter zahlreicher Beteiligung
aus Nah und Fern zu Grabe getragen. In Anerkennung und Würdigung der echt
jüdischen Gesinnung des Verstorbenen und seiner vielen guten Taten war
auch Herr Rabbiner Dr. Wohlgemuth aus Kitzingen erschienen. Ephraim
Eisemann war ein Gottesfürchtiger, dessen fast ängstliches Bestreben
darauf gerichtet war, so, wie es vorgeschrieben ist - zu leben, ein
Beschützer der Armen im Sinne der wahren Menschenliebe. Die hiesige Armenunterstützungskasse
ist seine Gründung, die er auch lange Zeit selbst geleitet hat.
Am Grabe dankte Herr Lehrer Brückheimer namens der Gemeinde, deren Schofarbläser
der Verstorbene 42 Jahre lang gewesen, im Namen der Chewra Kadischa (Wohltätigkeitsverein),
die er 43 Jahre als Vorsteher in vorbildlicher Weise geführt, für den Frauenverein,
dem er als Berater zur Seite gestanden. - Mit Eisemann ist das älteste
Mitglied unserer Gemeinde geschieden, die ihn als Führer aufs tiefste betrauert.
Möge den Hinterbliebenen Trost werden. Seine Seele sei eingebunden in
den Bund des Lebens." |
Zum Tod des langjährigen Kultusvorstandes und Stadtrates
Salomon Weinberg (1928)
Artikel in der Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 4. September
1928: "Marktbreit. Am 14. August (1928) verschied nach
längerem Leiden der frühere Kultusvorstand und Ehrenvorsitzende der
hiesigen Gemeinde Salomon Weinberg. Er entstammte einem religiösen Hause
und brachte somit durch seine gut jüdische Einstellung die erste
Voraussetzung mit für dieses Führeramt, das er über zwei Jahrzehnte in
aller Treue verwaltete. Während seiner Amtsperiode wurde das Mikwoh
(rituelles Bad) neuzeitlich umgebaut und im Jahre 1920 die jüdische
Volksschule errichtet. Der Tagung des Verbandes Bayerischer Israelitischer
Gemeinde gehörte er als Mitglied an. Im Stadtrat wurde seine die
Gegensätze überbrückende Gewandtheit allseits geschätzt. Die
Beerdigung fand unter starker Beteiligung auch von Seiten der christlichen
Bevölkerung statt. Vor dem Trauerhause zeichnete Herr Bezirks-Rabbiner
Dr. Wohlgemut das vielseitige Wirken des Verstorbenen. Dr. Weinberg (Neumarkt),
ein Bruder des Verklärten, beklagte den Hingang des Familienältesten,
der von allen wegen seiner Hilfsbereitschaft und Güte als zweiter Vater
geschätzt worden war. Kultusvorstand Goldbach dankte namens der Gemeinde
und Seminar-Oberlehrer Stoll für die freudige Mitarbeit, die er als
Mitglied der konservativen Fraktion dieser und dem Gemeindeverband
geleistet hat. Vor dem Abendgebete im Trauerhause weihte Lehrer
Brückheimer dem Geschiedenen in einem Schiur Worte des Gedenkens
und der Erinnerung. Br." |
|
Derselbe
Artikel erschien in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23.
August 1928. |
|
Todesanzeige
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 4.
September 1928: "Am 14. August verschied nach langer, schwerer
Krankheit der Ehrenvorstand unserer Gemeinde Herr Salomon Weinberg.
Wir beklagen tief den Heimgang dieses seltenen Mannes, der in 30jährigem
Wirken unser Führer war. Ausgestattet mit reichem Wissen und großer
Lebenserfahrung stellte er seine ganze Persönlichkeit in den Dienst
unserer Gemeinde deren Wohl zu fördern mit sein Lebenswerk war. Die
Kultusgemeinde wird ihm allezeit ein treues und dankbares Gedenken
bewahren.
Die Verwaltung der israelitischen Kultusgemeinde Marktbreit. A.
Goldbach." |
|
Todesanzeige in der Zeitschrift
des "Central-Vereins" vom 31. August 1928: "Nachruf! Nach
längerem Krankenlager verschied unser früherer Vorsitzender Herr Salomon
Weinberg. Seine selbstlose Hingabe für unsere Sache sichert ihm ein
bleibendes Andenken. Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen
Glaubens. Ortsgruppe Marktbreit am Main". |
Zum 80. Geburtstag von Berta Rosenfeld geb.
Mosbacher (1928)
Artikel
in der "Deutschen Israelitischen Zeitung" vom 8. November 1928:
"Marktbreit am Main. Am 1. November beging Frau Berta
Rosenfeld geb. Mosbacher, die langjährige Vorsitzende und
Mitbegründerin des hiesigen jüdischen Frauenvereins, unter allgemeiner
Anteilnahme der jüdischen und christlichen Bevölkerung das Fest ihres 80.
Geburtstages." |
Zum 92. Geburtstag von Sofie Liebenstein (1933)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Januar 1933:
"Marktbreit, 6. Januar (1933). Ganz in der Stille feiert Frau Sofie
Liebenstein, die älteste Einwohnerin Marktbreits, am 5. Tage Chanukka
ihren 92. Geburtstag. Früher in Mainbernheim
wohnhaft, zog sie nach dem Tode ihres Mannes zu ihrer Tochter nach Marktbreit. Die Jubilarin, eine Frau nach alter jüdischer Sitte, übte
jahrzehntelang in beispielgebender Weise Wohltätigkeit, am letzten Jom
Kippur weilte sie noch von früh bis abends in der Synagoge und fastete
ganz. Sie ist geistig und körperlich noch vollkommen rüstig und erfreut
sich heute noch in allen Kreisen der Bevölkerung größter Beliebtheit,
nicht zuletzt durch ihre ausgedehnte Wohltätigkeit. (Alles Gute) bis 120
Jahre." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Einzelpersonen
Anzeige des Schnitt-Waren-Geschäftes B. Herzfelder (1867)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 22. Oktober 1867: "Einen Lehrling für sein
Schnitt-Waren-Geschäft sucht B. Herzfelder in
Marktbreit." |
Anzeige von Sara Grünewald - Verkauf einer Metzgerei
(1891)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Mai 1891: "Für
Metzger (Fleischer).
In Folge Sterbefalles ist in Marktbreit (Bayern) ein
schönes Haus in bester Lage, worin bisher eine flotte Fleischerei
betrieben wurde, zu verkaufen. Einem tüchtigen Metzger, der zugleich
Wurstler ist, bietet sich eine sichere Existenz und würden einem soliden
Israeliten besonders günstige Bedingungen gestellt. Anfragen beantwortet
Frau Sara Grünewald, Marktbreit (Main)." |
Spendenaufruf für einen in Not geratenen Talmudisten (1897)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Dezember 1897: |
Anzeigen des Öl-, Fett-, Lack- und Farbwaren-Geschäftes Gebr. Klein (1898 /
1901 / 1904)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. August 1898:
"Für unser Öl-, Fett-, Lack- und Farbwaren-Engrosgeschäft suchen
wir zum sofortigen Eintritt einen Lehrling, mit guter Schulbildung.
Kost und Logis im Hause. Samstags und Feiertage geschlossen.
Gebrüder Klein.
Marktbreit am
Main." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Oktober 1901:
"Für unser Öl-, Fett-, Lack- und Farbwaren-Geschäft suchen wir zum
baldigen Eintritt einen jungen branchekundigen
Commis,
der schon
kleine Touren gemacht hat. Ferner einen Lehrling, gegen sofortige
Vergütung.
Gebrüder Klein, Marktbreit am
Main." |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 18. April 1904: "Oel, Fett, Lack &
Farbwaren.
Wir suchen einen Commis für Comptoir und eventuell Reise.
Branchekundiger bevorzugt. Selbstständiger Arbeiter Bedingung.
Gebrüder Klein, Marktbreit." |
Neujahrsgrüße von Lehrer Pollack und Frau (1898)
Anmerkung: es handelt sich um Lehrer a.D. Sigmund Pollack und seine Frau
Therese geb. Bein.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. September 1898:
"Freunden und Bekannten senden zur Jahreswende herzliche
Neujahrswünsche ('Einschreibung und gute Besiegelung'). Lehrer
Pollack und Frau, Marktbreit am Main." |
Lehrer Pollak verkauft Torarollen (1900)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Juli 1900: "Zwei
mit noch gut erhaltenem Pergamente, etwas reparaturbedürftige Tora
Rolle(n), deren Erlös zu religiösen Zwecken verwendet werden soll,
sind zu jedem annehmbaren Preise abzugeben. Lehrer Pollack,
Marktbreit am Main." |
Stellensuche eines 18-jährigen Mädchens (1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. April 1901: "Ein
nettes Mädchen, aus guter Familie, 18 Jahre alt, kräftig, welches
im bürgerlichen Kochen und sämtlichen Hausarbeiten ausgebildet, wünscht
im religiösen hause, bei guter Behandlung, auf besserem Platze
Süddeutschlands passende Stelle. Offerten unter D.S.50 postlagernd
Marktbreit am Main erbeten." |
Anzeige von Frau M. Benario (1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Juni 1901:
"Für einen größeren Haushalt suche per 1. Juli ein
tüchtiges
Mädchen,
welches die bürgerliche Küche versteht.
Frau M. Benario, Marktbreit am Main." |
Anzeigen der Eisenhandlung Sigmund Klein (1901 / 1903)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Juli 1901:
"Suche zum Eintritt bis 1. Oktober dieses Jahres einen mit der
Branche vertrauten
jüngeren Commis für Lager und Comptoir.
Sigmund Klein, Eisenhandlung,
Marktbreit am Main." |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 10. August 1903:
"Suche zum baldigen Eintritt, längstens jedoch bis 1. Oktober, einen
mit der Branche vertrauten
jüngeren Commis
mit schöner Handschrift. Samstage und Feiertage geschlossen.
Sigmund Klein, Eisenhandlung, Marktbreit am
Main." |
Anzeigen des Schuh-, Hut- und Herrenkleidergeschäftes Leopold Putzel
(1900/1921)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Mai 1900: "Schuhbranche.
Tüchtige Verkäuferin per 1. Juli gesucht. Offerten mit Gehaltsansprüchen
und Photographie an
Leopold Putzel, Marktbreit am Main." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Juni 1921: "Für
mein Schuh-, Hut- und Herrenkleidergeschäft suche ich einen kräftigen
Lehrling mit guter Schulbildung. Samstag und Feiertage geschlossen.
Gute Ausbildung.
Leopold Putzel, Marktbreit." |
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Geschäftshaus von Leopold
Putzel
am Marktplatz von Marktbreit
(aus der Sammlung von
Peter Karl Müller, Kirchheim / Ries) |
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Foto der Hutschachtel des Geschäftes Leopold Putzel und weitere
Informationen in einer
Seite
der Website des Träger- und Fördervereins ehemalige Synagoge Obernbreit
e.V.
Die Karte wurde am 3. Dezember 1926 nach Esslingen geschickt. |
Anzeige des Manufakturwaren-Geschäftes M. Benario (1915)
Verlobungsanzeige von Tilde Ettlinger und Raphael Oppenheimer (1922)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Oktober 1922: Statt
Karten - Gott sei gepriesen -
Tilde Ettlinger - Raphael
Oppenheimer - Verlobte.
Marktbreit am Main". |
Verkauf von reparaturbedürftigen Torarollen durch die Gemeinde
(1925)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. November 1925: "14
posule Sifre Thoros (unbrauchbare Torarollen), von denen einige
durch Überschreiben wieder brauchbar werden, hat abzugeben (nur an
Gemeinden oder vertrauenswürdige Sofrim).
Kultusgemeinde Marktbreit A. Goldbach." |
Hochzeitsanzeige von Lehrer Simon Brückheimer und Selma geb. Sonn (1925)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. März 1925:
"Simon
Brückheimer, Lehrer - Selma Brückheimer geb. Sonn.
Vermählte.
Marktbreit, 3. März 1925." |
Verlobungsanzeige von Bella Weikersheimer und Hermann Frank (1928)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. März 1928:
"Bella
Weikersheimer - Hermann Frank - Verlobte.
Marktbreit - Nieder-Ohmen bei
Gießen. Purim 1928." |
Heiratsanzeige für Abraham (Awrohom) Oppenheimer und Lili geb. Klein (1936)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. März 1936: "Gott
sei gepriesen.
Awrohom Oppenheimer - Lili Oppenheimer geb. Klein.
Vermählte.
Marktbreit / Petach-Tikwa - Berlin / Jerusalem (Schaarei
Zedek).
Jerusalem, 21. Adar 5696 (= 15. März 1936)" |
Hochzeitsanzeige von Nathan Sonn und Ruth geb. Kahn
(1937)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Mai 1937: "Statt
Karten - Gott sei gepriesen
Nathan Sonn - Ruth Sonn geb. Kahn.
Vermählte.
Berlin / Marktbreit - Köln. Trauung 11. Mai 1937 - Rosch
Chodesch Siwan.
Hotel Ulmann, Frankfurt am Main." |
Verlobungsanzeige von Nanny Rosenberg und Julius
Ritterband (1937)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. September 1937:
"Gott sei gepriesen.
Nanny Rosenberg - Julius Ritterband. Verlobte.
Marktbreit am Main, Ückermünde i.P.
Frankfurt am Main, Schwanenstraße 12. Sukkot 5697." |
Weitere Dokumente
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim /
Ries)
Brief an
den Weinhändler Elias Moosbacher
in Marktbreit aus Erlangen (1870) |
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Der Brief an Herrn E. Moosbacher Weinhändler in Marktbreit
wurde aus Erlangen am 25. Juli 1870 verschickt. Ursprünglich aus Burgpreppach kommend erhielt der Kaufmann und Weinhändler Elias Mosbacher die
Übersiedlungsgenehmigung nach Segnitz plus Weinhandelkonzession am 13. September 1852.
Im Dezember 1865 zog Elias Mosbacher mit seiner Familie nach Marktbreit.
Er war Inhaber einer Weinhandlung. 1872 war er (Mit)-Gesellschafter der
"Löwenbrauerei Miltenberg", damals noch "Miltenberger Gesellschaftsbrauerei".
Innerhalb der Israelitischen Gemeinde Marktbreit war Elias Mosbacher eine hochgeachtete Persönlichkeit.
Eine lange Reihe von Jahren hatte Elias Mosbacher einen Sitz im israelitischen
Gemeindevorstand (vgl. oben den Artikel zu seinem Tod am 1. Januar 1886 in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 11. Januar 1886).
Bereits in Segnitz war Elias Mosbacher ein geachteter Mann in der Israelitischen Kultusgemeinde,
in der er Anfang 1860 die Stelle des Vorgängers ausübte.
Elias Mosbacher war verheiratet mit Johanna geb. Kürzinger (gest.
1903).
Quellen: http://em.mainpost.de/regional/kitzingen/14-Judenfamilien-eine-zuviel;art773,7751216
http://www.infranken.de/regional/kitzingen/Verzweifelte-Versuche-in-Sicherheit-zu-kommen;art218,543498
http://www.faust.de/index.php/region/ehemalige-brauereien/bestehende-brauereien/article/6-miltenberg |
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Bettelkarte
aus Jerusalem
an N. Sonn in Marktbreit (1898) |
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Die Karte von M.
K. Glaubermann wurde 1898 nach Marktbreit geschickt, wo sie am 17.
November 1898 angekommen ist. M. K. Glaubermann
hatte nach dem Inhalt der Karte vor drei Monaten bereits einen Brief an N.
Sonn geschickt, der mit dem "Blut seines zerbrochenen Herzens"
geschrieben war. Er äußert sich enttäuscht, dass er keine Antwort und
Hilfe zugeschickt bekam. So bittet er nochmals um die Gutherzigkeit, das
Erbarmen und das Mitleid, einer unglücklichen Waisenbraut eine
Unterstützung zu schicken. |
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Ansichtskarte
der Schustergasse
mit Geschäft Astruck (1924) |
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Die Ansichtskarte Marktbreit zeigt die Schustergasse mit dem
Geschäft von Bernhard Astruck und J. Astruck; die Karte wurde versandt nach Berlin am 27. Juni 1924.
Der Familiennamen Astruck findet sich in der Matrikelstellen von 1817
zweimal (siehe oben). Auf den Denkmälern und Gedenktafeln für die gefallenen Soldaten des 1. Weltkriegs
werden Simon und Josef Astruck genannt (siehe oben). Rabbiner Magnus Menachem Weinberg erwähnt in seinem Buch "Die Memorbücher der jüdischen Gemeinden in Bayern"
in seiner Beschreibung des Marktbreiter Memorbuchs von 1792 auch die Familie Astruck (Astrugue):
"Marktbreit war lange Zeit der Sitz der bedeutendsten Familien des Reiches oder einzelner ihrer Mitglieder; wir nennen die Wertheimers, die Oppenheimers, die Astruque...".
Michael Schneeberger (Jüdische Landgemeinden in Bayern 30: Die Geschichte der Juden von Marktbreit)
weist darauf hin, dass die Familie Astruck bereits seit dem 17. Jahrhundert in Marktbreit ansässig war.
Quelle: http://ikg-bayern.de/Zeitschriften/dez11.pdf
(Beitrag Schneeberger - S. 22 und 24). |
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Postkarte
an B. Astruck in Marktbreit
aus Dermbach (1894) |
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Bei der Postkarte an B. Astruck handelt es
sich um eine Karte geschäftlichen Inhalts. Absender ist die Dermbacher Korkfabrik Dittmar; es geht um Wein- und Selterskorken unterschiedlicher
Größe und deren Preise. Die Karte wurde von von Dermbach am 8.Juni 1894
verschickt.
Text der Karte: "Herrn B. Astruck Marktbreit
den uns gütigst mit Ihrem Geehrten vom 6 ct. ertheilten Auftrag a. 2 Mille Korken a Stck 14,-
haben wir dankend in Nota genommen. Da Sie uns die Nummer nicht angegeben haben,
so bitten wir noch und gefl. zu schreiben, ob die Bordeauxkorken für 1/1 oder 1/2 Flaschen
bestimmt sind also No.15 oder No.9 gewünscht werden. Für Selterskorken werden fast immer
höhere Preise als 6,- -8,- angelegt, weil für diese Preise bei geringeren Qualitäten die
Kohlensäure leichter entweicht. Unter sep. Adresse senden wir Ihnen die gewünschten Muster
zu Nr. 7 per Mille franca dort und würden uns freuen einen Auftrag durch Sie zu erhalten.
Dermbach 8.6.94 - Hochachtungsvoll - Dittmar. - Ries". |
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Zur Geschichte der Synagoge
Eine erste Synagoge wurde im 17. Jahrhundert unmittelbar neben dem
Seinsheimer Schloss erbaut. Mit dem Schutzbrief von 1642 hatten die in
Marktbreit lebenden Juden das Recht zur Abhaltung von Gottesdiensten erhalten. Das Gebäude
der ersten Synagoge brannte 1714 ab. Hierauf beschloss man
den Bau einer neuen Synagoge im damaligen jüdischen Wohnviertel. Das Gebäude
wurde weitgehend finanziert durch den Oberhoffaktor Samson Wertheimer. 1717
konnte die Synagoge eingeweiht werden. Neben einem Betraum verfügte die Synagoge
über Räume für die Gemeinde, einen Vorbau mit einer Lehrerwohnung sowie eine
Mikwe (rituelles Bad).
1885 erfolgte eine umfassende Erneuerung
der Synagoge. Die Einweihung fand am 27. Juni 1885 durch den Kitzinger
Bezirksrabbiner Adler statt. Im südlichen Teil des Gebäudes, waren die Räume der jüdischen
Schule und der Lehrerwohnung untergebracht. Im Untergeschoss befand sich eine
Mikwe (rituelles Bad).
Über
die Einweihung der Synagoge liegt u.a. ein kurzer Bericht in der Zeitschrift
"Jeschurun" (Ausgabe Juli 1885) vor: "Marktbreit, 2. Juli
(1885). Am vorigen Samstag, 27. Juni, wurde die hiesige neuerbaute Synagoge
ihrer Bestimmung übergeben. Unser Distriktsrabbiner, Herr Adler von Kitzingen,
hielt die Festrede. Der Bau ist im byzantinischen Stile gehalten und seiner
Bestimmung in hohem Maße würdig. Es hat großer Opfer bedurft zur Herstellung
des Prachtbaues; umsomehr verdient die Opferwilligkeit der Gemeindemitglieder
die höchste Anerkennung". |
Der byzantinische oder "maurische" Stil der Synagoge
in Marktbreit wird auch in einem Bericht von 1934 hervorgehoben:
Aus
einem Artikel in der Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung vom 1.
September 1934: "Alte und neue Synagogen. Es ist merkwürdig, dass
verhältnismäßig viele Synagogen in früheren Jahren einem Brande zum
Opfer gefallen sind. Nur selten verdankt ein Neubau dem Anwachsen der
Gemeinde seine Entstehung. Man mag die neueren Synagogen schön finden.
Die in Theilheim etwa, wo die Anlage der Frauenempore und deren
Ausstattung mit farbigen Vorhängen an stille Theaterlogen erinnern; die
in maurischem Stil gehaltenen Synagogen in Marktbreit und Obbach oder
die in kirchenhaftes Düster getauchte in Gerolzhofen." |
1935 konnte das 50jährige Bestehen der Synagoge
gefeiert werden:
Artikel
in der Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung vom 15. Dezember 1935:
"Marktbreit. Es sind 50 Jahre verflossen, seitdem unsere Synagoge von
Grund auf umgebaut und erweitert worden ist. Dieses Jubiläums gedachte am
vergangenen Sabbat Herr Hauptlehrer Brückheimer in seiner religiösen
Ansprache, erinnert an die wechselvolle Geschichte unserer Gemeinde, die
nachweisbar schon über 5 Jahrhunderte besteht und ermahnte die
Mitglieder, opferbereit zu bleiben, damit die Institutionen der Gemeinde
weiterhin erhalten werden können." |
Beim Novemberpogrom 1938 wollten SS-Leute aus Kitzingen
am Morgen des 10. November mit Benzin, das aus einem jüdischen Geschäft
besorgt wurde, die Synagoge in Brand setzen. Auf Grund der engen Bebauung im
Bereich der Synagoge verhinderten jedoch der Bürgermeister, der
Polizeikommandant und die Feuerwehr die Ausführung des Planes. Daraufhin wurde von
den SS-Leuten die Inneneinrichtung der Synagoge und ein Teil der Ritualien (zwei
Chanukka-Leuchter, die Ewige Lampe) vernichtet, zwölf Torarollen auf den Boden
geworfen, der Silberschmuck zerbrochen. Mehrere ältere Juden wurden gezwungen,
Gebetbücher und andere Ritualien auf einen Wagen zu laden und sie durch die
Stadt in das leere Geschäft eines Gemeindemitglieds zu fahren. Nach einem
vorliegenden Bericht drangen auch Kinder in die Synagoge hinein und beteiligten sich an der Plünderung
des Inventars. Die jüdische Volksschule und die Lehrerwohnung blieben nach
Angaben von Lassar Brueckheimer unversehrt. Die Schülerbücherei, Lehrbücher, Geld aus
Sammelbüchsen u.a.m. waren ins Rathaus gebracht worden. Alle Juden von Marktbreit
wurden im Schulhaus zusammengetrieben und von dort zum Marktplatz gebracht, wo
sie von zahlreichen Bewohnern der Stadt beschimpft und verspottet
wurden.
Zu dem obigen Bericht eine Ergänzung(per E-Mail vom
17. Mai 2007): "Am 10. November war meine Mutter mit
uns drei Kindern zu Ihren Eltern geflüchtet, die weiter unten in der Pförtleinsgasse
wohnten. Sie wurde dort von zwei SS-Männern geholt, um die Schule aufzuschließen,
damit man nach angeblich geheimen Akten suchen konnte. Ich ging mit und ließ meine Mutter
nicht allein. Die Schule selbst blieb unversehrt und wurde nach der Suche, die
nichts erbrachte, verschlossen und versiegelt. Im späten Dezember 1938 stand
ich selbst Wache für meinen Vater, als er unter großer persönlicher
Gefahr nach seiner Rückkehr von Buchenwald im späten Dezember 1938 in die zerstörte Synagoge ging, um die Torarollen, die auf der Erde verschandelt
lagen, wieder in den Toraschrein zurückzustellen. Viele Ritualien waren
zerstört worden,
aber doch noch in der Synagoge vorhanden. Er kam zurück durch das Tor mit einer zerquetschten
kleinen silbernen Krone von einem Toraschild und sagte: 'Das ist alles, was ich
als Andenken mitnehmen werde' und ich habe dieses Krönchen noch heute. Die
Schule wurde nicht zerstört, kein Möbel etc. zertrümmert. Das ist sicher.
Denn die ganze Zeit, als wir noch in der Lehrerwohnung blieben (bis April 1939)
war ein SS-Siegel an der Türe der Schule. "
Das Gebäude der Synagoge blieb nach den Ereignissen beim Novemberpogrom 1938
erhalten und wurde nach 1945 zu einem Wohn- und Geschäftshaus umgebaut.
Erhalten ist die Ostfassade mit dem Mauervorsprung für den Aron Hakodesch
(Toraschrein), darüber ein zugemauertes Rundfenster.
Adresse/Standort der Synagoge: Zwischen Schustergasse 12 und 14
(Zugang ausgeschildert)
Fotos
Ritualien der jüdischen Gemeinde
(Fotos aus der Sammlung Theodor Harburger:
Quelle: Central
Archives for the History of
the Jewish People, Jerusalem; veröffentlicht
in
"Die Inventarisierung jüdischer Kunst- und
Kulturdenkmäler in
Bayern. Jüdisches Museum
Franken. 1998 S. 381-382) |
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Toraschild von 1737,
ursprünglich
aus Obernbreit, nicht erhalten |
Toraschild aus dem 18.
Jahrhundert,
heute im Israel-Museum Jerusalem |
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Innenansicht |
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Gemälde der
Marktbreiter Synagoge - Innenansicht vor 1938
(Quelle: Lassar Brueckheimer: zugesandt mit Brief vom 18.9.2007, Abb.
rechts)
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"Krönchen"
aus Synagoge, zertrümmert beim
Novemberpogrom, gerettet von Lehrer Simon
Brückheimer (Foto von Lassar Brückheimer) |
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Das Synagogengebäude im Frühjahr 2006
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 12.5.2006) |
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Wegweiser zur
ehemaligen
Synagoge |
Hinteres
Tor zur ehemaligen Synagoge mit
Hinweistafel, Inschrift: "Ehemalige Synagoge,
erbaut 1717, finanziert
durch Samson Wertheimer, Wien. Umfassend erneuert 1885.
Zerstörung der
Inneneinrichtung. Einzig erhalten: Eingangsportal, Fassadenschmuck,
Gedenkstein für die jüdischen Gefallenen des 1. Weltkrieges". |
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Oben: das hintere
Tor zur ehemaligen
Synagoge; dieses Tor wurde nur selten geöffnet, meist nur an hohen
Feiertagen, wenn mehr Menschen als zu normalen Gottesdiensten zu Synagoge
besuchten. Der normale Eingang mit einem großen Doppeltor war in dem
Korridor des Gemeindehauses (erstes linkes Gebäude in der
Pförtleinsgasse), das an die Synagoge angebaut war. Das große Tor
führte in einer Vorhalle, von wo die Treppe zur Frauenempore führte,
eine weitere Türe führte in den Betsaal der Männer.
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Die erhaltene Fassade an der
Ostwand der ehemaligen Synagoge
mit byzantinischen Schmuckelementen |
Der Gedenkstein für die
jüdischen Gefallenen
des 1. Weltkrieges |
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Hinweistafel am
(hinteren) Eingang |
Gedenktafel
für die Opfer der NS-Zeit aus Marktbreit
(Foto: Richard Scharnagel) |
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Aus Marktbreit im Jüdischen
Museum Franken in Fürth
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Giebel
eines Toraschreins (Marktbreit 1714, Sandstein, gefasst): 1714 brannte die
Synagoge von Marktbreit ab. Der Vorsteher der Landjudenschaft in der
Herrschaft Schwarzenberg Samson bar Isaak Wertheimer, stiftete daraufhin
ein neues Synagogengebäude, zu dem dieser Schrein gehörte. Der Stifter
war Onkel des Wiener Hofjuden Samson bar Josef Wertheimer (1658-1724) und
mit dessen Schwester Krönle verheiratet. Zwei Löwen flankieren die Tafel
mit den Zehn Geboten. Ab 1885 fand der Toraschrein in der neuen
Marktbreiter Synagoge als Türsturz Verwendung und kam nach 1945 in das
Mainfränkische Museum nach Würzburg. |
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Stiftertafel
der Synagoge Marktbreit (1718): "Die Stiftertafel wurde 1718 im
Gedenken an den verstorbenen Stifter der Synagogeneinrichtung von
Marktbreit, Samson ben Isaak Wertheimer, und seiner Frau Krönle
angebracht. Die Inschrift lautet: '[Dies] soll sein zum Gedenken, zum
Zeichen, zur Erinnerung an den Verstorbenen, den ehrenwerten Schimschon,
Sohn des Jizchak, welcher Vorsteher der Land[judenschaft] Schwarzeburg
[Schwarzenberg] war. Und er war lobenswert, vollkommen und umsichtig bei
Angelegenheiten der Land[judenschaft] und tüchtig wie ein spitzer Stein
am Dreschschlitten [vgl. Jesaja 41,14]- Ferner [zum Gedenken] an seine
Gattin, Frau Krönle, Tochter unseres Lehrers, des Rav, Herrn [= Rabbiner]
Josef Wertheim, die Bescheidene unter den Frauen im Zelt [vgl. Richter
5,24], Maier und Schutzwand. Sie beteiligten sich gemeinsam an guten
Werken im Handwerk des Künstlers und Webers. Sie hinterließen als
Schenkung eine Summe von dreihundert Reichsthalern zum Anzünden von zwei
Dochten an einer Kampe, immer zum Brennen breit. Das Geld wurde in die
Hände von vertrauenswürdigen Personen gegeben, auf dass die Sache nie
dem Vergessen anheimfalle. Auch stifteten sie den Platz, auf dem diese
Synagoge errichtet wurde, damit in ihr emporsteigen unsere Gebete wie der
Duft des Speiseopfers. Die Gemeinde hat es sich zur Aufgabe gemacht, der
Seelen des oben genannten Paares zu gedenken an jedem Schabbat und an
jedem Feiertag, um sie in [ihrer] Ruhe zu erfreuen. Sie mögen ruhen auf
ihren Lagern [Jesaja 57,2]! Und im Bunde des Lebens sei[en] eingebunden
ihre Seelen. 5. Tammus 478 [4. Juli 1718] nach der kleinen
Zählung." |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
April 2011:
Nachfahren der jüdischen Familie Putzel zu Besuch in Marktbreit und
Obernbreit |
Foto
links von Heidecker: Eine Original-Hutschachtel der ehemaligen Firma
Putzel.
Artikel von zis in der "Main-Post" vom April 2011 (Artikel): "MARKTBREIT.
Eine Hutschachtel für Putzels Nachfahren
Geschenk für Nachfahren
Die jüdische Firma Putzel besaß einst in Marktbreit ein Geschäft für Herren- und Knabenkleidung, Hut- und Schuhwaren sowie sämtliche Bekleidungs-Gegenstände. Zwei Familien, Nachkommen von Inhaber Leopold Putzel, besuchten am Osterwochenende Marktbreit – und bekamen ein ganz besonderes Geschenk.
Neben Gesprächen mit Bürgern aus Marktbreit, die noch Erinnerungen an die Marktbreiter Putzels haben, machten sie auch einen Abstecher nach
Obernbreit, wo sie die ehemalige Synagoge mit der frei gelegten Mikwe besichtigten, schreibt Friedrich Heidecker vom Träger- und Förderverein ehemalige Synagoge Obernbreit an die Presse.
Beide Familien seien zwar nur indirekte Nachkommen der Putzels und tragen andere Familiennamen, waren aber überrascht und gerührt über das Geschenk, das ihnen der Vorsitzende des Träger- und Fördervereins, Friedrich Heidecker, überreichte: eine Hutschachtel für einen Zylinder von der Firma Putzel aus Marktbreit (Foto). Das gute Stück mit der vollständigen Firmenaufschrift war vor einigen Jahren beim Abbruch eines Hauses in Obernbreit gefunden worden.
Es sei zwar nicht mehr in einem 'Topzustand', schreibt Heidecker, für die Gäste aber eine wertvolle Erinnerung an die Wurzeln ihrer Familien in Franken. Wie wichtig ihnen das Geschenk war, drückte Helga Eigner aus:
'Wenn das die Oma noch erleben könnte, sie war nämlich eine geborene
Putzel.'
Am 1. Mai, dem Tag der Konfirmation in Obernbreit, sind Synagoge und Mikwe von 14 bis 18 Uhr geöffnet." |
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Oktober 2011:
Eine Gedenktafel des 18. Jahrhunderts
(Stiftertafel) ist in einer Ausstellung des Jüdischen Museums in Fürth
|
Artikel in der "Main-Post" vom 23.
Oktober 2011: "Gedenkstein aus Marktbreit. Das Jüdische
Museum Franken in Fürth will mit seiner neuen Dauerausstellung 'Jüdisch
leben' Rituale der jüdischen Religion erklären... Ein Gedenkstein
aus der früheren Synagoge in Marktbreit aus dem 18. Jahrhundert mit
gefühlvoller Widmung für zwei Stifter demonstriert die
Erinnerungskultur".
Link
zum Artikel - auch eingestellt
als pdf-Datei. |
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November 2013:
November 2017:
Gedenkstunde an die Marktbreiter Opfer der
NS-Gewaltherrschaft |
Artikel von Michaela Stumpf in infranken.de
vom 14. November 2017: "MARKTBREIT Ein Stein wider das Vergessen.
Mindestens 90 jüdische Markbreiter kamen in der Zeit des nationalsozialistischen Terrorregimes zwischen 1933 und 1945 ums Leben. In der Pogromnacht vom 10. November 1938 wurde auch in Marktbreit die jüdische Synagoge geschändet. Dass sie nicht angezündet wurde, verdankt man allein der Tatsache, dass die Anwohner fürchteten, ein Brand der Synagoge würde auf die benachbarten Häuser übergreifen. Daran erinnerten Mitglieder des SPD-Ortsvereins Marktbreit und eine 35-köpfige Tagungsgruppe der IG Metall, die sich in Marktbreit trafen.
Mindestens 90 jüdische Markbreiter kamen in der Zeit des nationalsozialistischen Terrorregimes zwischen 1933 und 1945 ums Leben. In der Pogromnacht vom 10. November 1938 wurde auch in Marktbreit die jüdische Synagoge geschändet. Dass sie nicht angezündet wurde, verdankt man allein der Tatsache, dass die Anwohner fürchteten, ein Brand der Synagoge würde auf die benachbarten Häuser übergreifen. Daran erinnerten Mitglieder des SPD-Ortsvereins Marktbreit und eine 35-köpfige Tagungsgruppe der IG Metall, die sich in Marktbreit trafen.
Gemäß der jüdischen Tradition, einen Stein als Zeichen der Erinnerung auf ein Grab zu legen, legten sie für jeden der meist in Konzentrationslagern zu Tode gekommenen jüdischen Marktbreiter einen Stein auf die Türschwelle der ehemaligen Synagoge, heißt es in einer Pressemitteilung.
Zum Abschluss verlas Christiane Berneth vom SPD Ortsverein ein selbstverfasstes Gedicht mit dem Titel:
'Wo werde ich stehen, wenn wieder in Deutschland die Synagogen brennen
werden?'"
Link
zum Artikel |
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Juli/August 2018:
Zum Tod von Lassar Brückheimer
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Artikel in infranken.de vom 2. August 2018:
"Kenner der Geschichte Marktbreits. Der jüdische Gelehrte Lassar
Brückheimer aus Marktbreit ist am 25. Juli nach langer Krankheit mit 92
Jahren in Jerusalem gestorben.
Der jüdische Gelehrte Lassar Brückheimer aus Marktbreit ist am 25. Juli nach
langer Krankheit mit 92 Jahren in Jerusalem gestorben. Dies teilt Pfarrer
i.R. Hans Schlumberger (Welbhausen), ein Freund der Familie, mit. Die
Nachricht hat er vom Sohn Lassar Brückheimers erhalten, dem Medizinprofessor
Elchanan Brückheimer in Petach Tikwa. Lassar Brückheimer wurde 1926 in der
Lehrerwohnung des jüdischen Schulhauses neben der Marktbreiter Synagoge
geboren. Er wurde von seinem Vater Simon Brückheimer, dem Lehrer der
Israelitischen Volksschule Marktbreit unterrichtet. Als zwölfjähriger Bub
erlebte Lassar die Schrecken der Marktbreiter Pogromnacht am 10. November
1938.
Simon Brückheimer war, wie so oft, in Franken unterwegs. Im Auftrag des
Landesverbandes der bayerischen Kultusgemeinden sicherte er in jenen Jahren
das kostbare Inventar aufgelöster Kultusgemeinden wie Torarollen,
Toraschmuck und Memorbücher. Um der Verhaftung und dem Abtransport in ein
Konzentrationslager zu entgehen suchte er die Anonymität der Großstadt und
floh nach Frankfurt. Ohne jedes Lebenszeichen rechnete er damit, dass seine
Frau und die Buben es ihm gleichtun würden, und hielt am Hauptbahnhof
tagelang unter den Augen der Gestapospitzel nach ihnen Ausschau. Tatsächlich
erhaschte er einen kurzen Blick auf seine Familie, nahm aber
sicherheitshalber keinen Kontakt auf. Sekunden später verhaftete die Gestapo
Simon Brückheimer und brachte ihn ins Konzentrationslager Buchenwald, aus
dem er nach sechs Wochen entlassen wurde. Im April 1939 flüchtete die
Familie nach England.
Dort unterstützte der junge Lassar seinen Vater bei der fieberhaften und
sehr genauen Dokumentation des Schicksals der fränkischen Gemeinden und
ihrer Schulhäuser und Synagogen. Als Bub im zerbombten London fertigte
Lassar Brückheimer mit einer Federzeichnung und mit Wasserfarben ein
getreues Abbild des schönen und festlichen Inneren der Marktbreiter Synagoge
– das einzige, das es noch gibt. Sein Vater, der nicht nur Lehrer war,
sondern auch ausgebildeter Rabbiner, half in Kultusgemeinden im Großraum
London mit. In einer winzigen Wohnung und tiefer Armut überstand die Familie
den Krieg. Für ein Studium fehlte das Geld – Lassar lernte und arbeitete als
Dentist. Bald nach dem Krieg starb sein Vater bei einem Verkehrsunfall.
Mit seiner Frau Dina, einige Zeit noch mit der Mutter Selma und in der Nähe
des Bruders und der Söhne, verbrachte Lassar Brückheimer ruhige Jahre am Ort
seiner Sehnsucht. Tora- und Talmudstudien, seine Briefmarkensammlung und
historische Forschungen bestimmten den Alltag des frommen Mannes. Trotz
allem, was er erlebt hatte, freute er sich an aufgefrischten und neuen
Kontakten nach Franken. Seine Krebserkrankung nahm er sehr gelassen, weiter
strahlte der bescheidene Mann eine starke Zufriedenheit aus. Am Mittwoch der
vergangenen Woche ist er ruhig eingeschlafen. Er wurde in Jerusalem
bestattet."
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 355-358. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 87. |
|
Johannes Wenzel: Die jüdische
Gemeinde von Marktbreit im 19. Jahrhundert. Beiträge zur Kultur, Geschichte
und Wirtschaft der Stadt Marktbreit und ihrer Nachbarschaft. Heft 12.
Marktbreit 1985. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 510-513. |
| Richard Scharnagel: Religiöse Toleranz -
Hintergründe und Erfolge am Beispiel der Stadt Marktbreit. 2002. Online
zugänglich |
| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 200-201. |
| Michael Schneeberger: Die Geschichte der Juden von
Marktbreit. Reihe: Jüdische Landgemeinden in Bayern (30). In: Jüdisches
Leben in Bayern. Nr. 117/2011 (26. Jahrgang, erschien im Dezember 2011). S.
22-29. Eingestellt
als pdf-Datei. |
|
Schulgeschichte der staatliche anerkannten Leo-Weismantel-Realschule mit
Schulleitungen und Schulträgern (pdf-Datei; Stand: Mai 2019). |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Marktbreit (in Jewish sources,
Bratt) Lower Franconia. Jews are first mentioned in 1487 and were expelled in
1553. They settled again from 1636 and in 1642 received a general letter of
protection from the emperor granting them religious freedom and other rights
which promoted the development of the community into one of the most important
in the principality, with the seat of the chief rabbinate established there
until 1806. From the late 17th century, Court Jews were active. Among the
prominent families were the Wertheimers, Oppenheimers, and Astruques. The
Wertheimers built a synagogue in Marktbreit and Samson Wertheimer was the chief
agent of the Viennese court. Also in the late 17th century Prince Ferdinand
restricted Jewish residence to 14 families (which remained in force until 1862).
From 1806, with annexation to Bavaria, the community was under the aegis of the
Wuerzburg district rabbinate, serving as its seat for a time. The Jewish
population reached a peak of 320 in 1890 (total 2,385) and then declined
steadily to 127 in 1933, with the communities of Obernbreit,
Marktsteft and Gnodstadt attached to it. A
Jewish public school was opened in 1920. Under Nazi rule, the economic boycott
quickly undermined Jewish livelihoods. Nevertheless, between 1933 and 1939 the
community was active in education, culture, and social welfare. On Kristallnacht
(9-10 November 1938), the Jewish public school and synagogue were vandalized,
including 12 Torah scrolls, 11 Jewish apartements were destroyed, and six men
were sent to the Dachau and Buchenwald concentration camps. Afterwards all the
Jews were evicted from their homes and ghettoized in the community center. In
1933-42, 54 additional Jews moved to Marktbreit and a total of 146 left, 83 of
them emigrating. Of the remaining Jews, 23 were deported to Izbica in the Lublin
district (Poland) via Wuerzburg on 24 March 1942 and nine were sent to the
Theresienstadt ghetto in September 1942.
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