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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Wangen am See (Gemeinde Öhningen,
Kreis Konstanz)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In dem bis Anfang des 19. Jahrhunderts den Freiherren von
Ulm (Herrschaft Marbach) gehörenden Wangen bestand eine jüdische Gemeinde bis
1938/40. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17. Jahrhunderts zurück. Der erste
namentlich bekannte Jude war Baruch Mosis Ainstein, der 1665 von Wangen nach
Buchau übersiedelte und Ahnvater der Einstein-Familie Buchau/Ulm wurde.
Bis
Mitte des 18. Jahrhunderts lebten nur wenige jüdische Familien am Ort. 1666
waren es drei, 1696 vier, 1743 sieben Familien. Dann nahm die Zahl zu auf
1779 14 Familien.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1825 224 jüdische Einwohner (39,3 % von insgesamt 570 Einwohnern), 1864
233 Einwohner, 1875 184 (28,8 % von 638), 1900 105 (15,1 % von 695). Die Zahl
der jüdischen Einwohner war vor allem durch die Abwanderung in die Städte Konstanz und Zürich
stark zurückgegangen.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde insbesondere eine Synagoge
(s.u.), eine jüdische Schule (jüdische Volksschule, ab 1876 Religionsschule; das
Schulhaus wurde 1852 gebaut),
ein rituelles Bad (Badhaus am Dorfbach, bis dieser für den Bau der Schiffslände
verlegt wurde) und einen Friedhof. Für die
jüdische Volksschule wurde 1852 ein eigenes Gebäude errichtet (Hauptstraße
39). Das rituelle
Bad befand sich am Dorfbach. Als dieser 1820 in ein neues Bett geleitet wurde,
fehlte das Wasser. Die behördliche Erlaubnis zur Benützung eines neuen
Badehauses konnte erst nach der Behebung mancher Schwierigkeiten 1837 erreicht
werden. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
angestellt (zur Zeit der jüdischen Volksschule ein Elementarlehrer), der auch
als Vorbeter und Schochet tätig war. 1827 wurde die Gemeinde dem Bezirksrabbinat
Gailingen
zugewiesen, ab 1925 gehörte sie zum neugebildeten Bezirk Konstanz.
Die im 19. Jahrhundert erbauten jüdischen Wohnhäuser unterschieden sich von den christlichen Wohnhäusern
in mehreren Fällen durch ihr Walmdach (z.B. Hauptstraße 21, 35 und 39); die christlichen Häuser hatten ein
eher ein Satteldach (auch die Synagoge hatte ein Walmdach). Am Haus Hauptstraße
27 (ehemaliges Haus Rothschild?) findet sich über dem Eingang eine hebräische
Inschrift (siehe Foto unten).
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der Gemeinde: Wilhelm Bernheim (geb.
9.3.1888 in Wangen, vermisst seit 1.7.1916), Siegfried Gump (geb. 25.11.1885 in
Wangen, gef. 19.3.1916), Unteroffizier Edwin Gut (geb. 3.3.1891 in Wangen,
vermisst seit 17.9.1917), Heinrich Picard (geb. 14.6.1888 in Wangen, gef.
27.5.1918). Die Namen dieser und einiger anderer, aus Wangen stammender und
inzwischen andernorts lebenden Gefallenen stehen auf dem allgemeinen
Gefallenendenkmal der Gemeinde gegenüber dem Rathaus (siehe Foto unten).
Um 1925, als zur Gemeinde noch 23 Personen gehörten (in 12
Haushaltungen, 4,3 % von insgesamt 540 Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher
Ludwig Wolf, Heinrich Wolf und Alfred Wolf.
1933 lebten noch 20 jüdische Personen in Wangen (3,5 % von insgesamt
574 Einwohnern, darunter die Familien von Abraham Gump, Viehhandlung, Alfred
Wolf, Kaufmann, Emil Wolf, Kaufmann und Dr. Nathan Wolf, Arzt). In
den folgenden Jahren ist ein Teil von ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. 1938 wurde die
Synagoge zerstört und der Friedhof verwüstet. Die noch anwesenden drei
jüdischen Männer Alfred, Emil und Dr. Nathan Wolf, ferner Dr. Otto Blumenthal
aus Schienen, sowie ein zu Besuch anwesender jüdischer Mann wurden von den
SS-Leuten schwer misshandelt und anschließend in das KZ Dachau verschleppt, von
wo sie erst nach Wochen zurückkehren durften. Emil Wolf starb an den Folgen der
Misshandlungen und des KZ Aufenthalts Anfang 1939 im Krankenhaus in
Singen.
Die letzten sieben jüdischen
Einwohner wurden im Oktober 1940 in das KZ Gurs in Südfrankreich
deportiert.
Von den in Wangen geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Fanni Bernheim (1858),
Julius Bernheim (1857), Therese Blum (1908), Lina Fröhlich geb. Rothschild
(1887), Johanna Guggenheim geb. Wolf (1876), Julie Gusstein geb. Wolf (1890),
Julie Hess geb. Rothschild (1886), Hilde Krasnopolski geb. Picard (1885), Regine
Levy geb. Wolf (1885), Moses Ohnhaus (1876), Louis Picard (1861), Maximilian
Picard (1865), Moritz Picard (1861), Max Rothschild (1880), Karoline Sandmeer
geb. Bernheim (1856), Salomon Seligmann (1861), Alfred Wolf (1881), Hermann Wolf
(1861), Paula Wolf geb. Vollmer (1887), Rosalie Wolf geb. Gump (1888).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Allgemeine Berichte
Gemeindeverhältnisse 1867
Anmerkung: in einem mehrteiligen Bericht über die Verhältnisse der jüdischen
Gemeinde im "Großherzoglichen badischen Rabbinatsbezirke Gailingen"
wird immer wieder auch aus Wangen berichtet:
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. November 1867:
"Die Synagoge in Wangen, welche im Jahre 1859 renoviert
wurde, ist in sehr gutem Zustande; auch der Betsaal in Konstanz wird in
ordentlichem Stande gehalten, wird aber der zunehmenden israelitischen
Bevölkerung nicht auf lange Zeit genügen.
Die eifrige Sorge um Verschönerung des Gotteshauses erfüllt allenthalben
ihren Zweck: Hebung des Gottesdienstes. (Fortsetzung folgt)" |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. November 1867 - Über
die Stiftungen in der Gemeinde: "III. In der israelitischen
Gemeinde Wangen. 1) die Stiftung des Mannes Wolf im Betrage von 200
Gulden; 2) des Josef M. Wolf im Betrage von 200 Gulden; 3) des Michael und
der Chaje Pikart im Betrage von 200 Gulden; 4) der Jeanette Pikart im
Betrage von 50 Gulden; 5) der Sara Weil im Betrage von 100 Gulden; 6) des
Daniel Jacob im Betrage von 200 Gulden." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Dezember 1867:
"Aus dem Großherzoglichen Rabbinatsbezirke Gailingen. (Fortsetzung)
- über die Vereine in der Gemeinde. III. Israelitische
Gemeinde Wangen. 1) Die heilige Brüderschaft. Vermögen 600
Gulden. 2) Verein zur Friedenstiftung. Zweck: Erhaltung,
Beförderung und Wiederherstellung des Friedens in der Gemeinde, ferner
Beförderung des Gottesdienstes und Armenunterstützung. Vermögen: 2.800
Gulden. Einnahme im Jahr 1866 180 Gulden, hierunter 40 Gulden freiwillige
Gaben. Ausgabe 70 Gulden." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Dezember 1867:
"Aus dem Abschnitt über die rituellen Bäder führen wir an:
Die Bäder in Gailingen und Worblingen sind in guter Ordnung. In der
Gemeinde Tiengen wurde im vorigen Jahre ein neues Bad mit einem Aufwande
von 1.100 Gulden hergestellt und sehr zweckmäßig eingerichtet. In Wangen
wurde erst in diesem Jahre der dringend notwendige Neubau ermöglicht, der
in den nächsten Monaten vollendet sein wird. In Konstanz besteht zur Zeit
noch kein rituelles Bad, doch sei die Aufmerksamkeit der Gemeinde darauf
gelenkt." |
Jacob Picard: Erinnerung eigenen Lebens (1938)
Jacob Picard ist am 11. Januar 1883 in
Wangen als Sohn eines Kaufmanns geboren. Nach dem Schulbesuch in Konstanz
studierte er in München, Freiburg und Heidelberg (Germanistik,
Geschichte, Jura). 1910 wurde er Referendar in Konstanz und Freiburg, seit
1919 Rechtsanwalt in Konstanz. Bereits seit 1913 Publikation von
Gedichtbänden u.a.m. 1933 zwangsweise Aufgabe des Rechtsanwaltsberufs,
Rückzug in die Literatur; 1935/36 Aufenthalt in Horn (Höri), wo er seine
Erzählungen über das Landjudentum beendet. 1940 Emigration in die USA;
seit 1957 jährliche Reisen nach Deutschland, weitere Publikationen die
Gedichtbänden u.a.m. 1964 Bodensee-Literaturpreis der Stadt Überlingen.
Am 1. Oktober 1967 gestorben in Konstanz. |
Fotos zu Jacob Picard
(Quelle:
Seite des Jacob-Picard-Freudeskreis - hier noch weitere Fotos und
Abbildungen;
Foto rechts: Leo-Baeck-Institut New York, Fotos
darunter: Hahn, Aufnahmedatum
14.11.2009) |
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Jacob Picard am See |
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Geburtshaus von
Jacob Picard in Wangen mit Hinweistafel (Foto Mitte) und Eingangstor (Foto
rechts) |
Siehe auch weiter
unten auf dieser Seite: Erinnerungen
an Jacob Picard im Höri-Museum Gaienhofen. |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Morgen" vom April 1938: Jakob Picard:
Erinnerung eigenen Lebens. Wer in den letzten beiden Jahrzehnten
des vergangenen Jahrhunderts in einem der zahlreichen Judendörfer oder
-städtchen Südwestdeutschlands oder gar Badens geboren wurde und
aufwachsen durfte in der Sicherheit einer menschlich ausgeglichenen
Umgebung, eines durch viele Jahrzehnte organisch gewachsenen Wohlstandes
einer Familie und ihrer bestimmten Kultur, wie sie fast allgemein in jenen
Gegenden zu finden war, der hat eine glückliche Jugend gehabt,
unvorstellbar vielen in der heutigen Zeit. Eine Jugend war es, die
wesensbestimmend sein musste über den allgemeinen Satz hinaus, dass die
ersten sechs bis zehn Jahre eines Menschen ausschlaggebend sind für die
Bildung der inneren Symbole seines Lebens. Kaum einen unter den
schöpferischen und wesentlichen Menschen gibt es, der das nicht
bestätigt hat; aber ich führe als ein frisches Zeugnis für diese
Feststellung nur das vor nicht langer Zeit bekannt gewordene Wort des
starken Bialik an, des Wissenden auch, der doch das Neue beginnen wollte
gern in seinem Jugendland: 'Es gibt nur ein wahres Erlebnis auf Erden, das
ist das erste Erlebnis: die Tage unserer Kindheit; von ihm gehen die
schöpferischen Kräfte aus, zu ihm kehren wir immer wieder zurück.'
Diese Erkenntnis kann man, da sie durch diesen Mann kurz vor seinem Tode
und jetzt in dieser Zeit und im Lande seiner Hoffnung ausgesprochen worden
ist, von ihm aus gesehen tragisch nennen. Sie ist aber auch beglückend
für jeden von uns, der zu seiner Vergangenheit stehen will, unabhängig
von dem, was später geschah.
So darf ich sagen, dass über den Jahrzehnten meines Lebens, da ich in den
großen Städten war und fern meinem Heimatort Wangen am Bodensee,
der nur wenige hundert Meter vom jenseitigen Schweizer Ufer getrennt
liegt, immer sein Bild mit |
allem,
was ihn und seine Landschaft umschließt, geschwebt hat. Mit allem, was
ihn umschließt: dem bewaldeten, langgestreckten Berg in seinem Rücken,
dem See, in den er, der Gestalt einer Halbinsel sich nähernd,
vorgeschoben ist, seinen Häusern zwischen der Üppigkeit und Vielfalt der
Obstbäume und Gärten, seiner Reben die Hänge hinan, hinter denen die
Wälder emporwachsen. Vor allem aber das Leben seiner Bewohner, der
bäuerlich alemannischen Menschen und unserer jüdischen Gemeinschaft,
einer Gemeinde von nicht mehr als etwa fünfzig Familien, deren
eigentlicher Mittelpunkt die hundert Jahre alte Synagoge am See
zwischen den Pappeln war. Unsere Sprache war die der Umgebung, stark
durchsetzt mit den Worten und Begriffen unserer alten heiligen Sprache,
die seit je, wie überall auch sonst in Süddeutschland, für das profane
Leben entliehen wurden, verstanden übrigens, ja gesprochen zum Teil
auch von den nichtjüdischen Menschen der Bevölkerung. Ruhig lief das
Leben hin, und man hatte nie jene wichtigtuerische Eiligkeit, die doch zu
keinem Ziele führt. Und so sehr man den Alltag bescheiden zubrachte, so
gut wusste man Feste zu feiern; es waren nicht nur die religiösen im Ablauf
der Jahre, denen man sich selbstverständlich hingab, in Frömmigkeit und
allem Vorgeschriebenen treu, auch spontan wurde manches geleistet, wozu
ein gesunder Lebenstrieb und ein stolzes Gefühl von Unabhängigkeit Lust
machten.
Mein Vorväter kann ich bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts in unserem
Dorfe namentlich zurückverfolgen; doch sind unseres Stammes mit den
andern sicher schon Jahrhunderte früher da gewesen. Von Juden besiedelt
wurde das Dorf wahrscheinlich zu Ende des 15. Jahrhunderts; sie sind von
den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges direkt wohl nicht betroffen
worden, weil die Gegend überhaupt offenbar verschont blieb, da sie auch
damals von den großen Heerstraßen abgelegen war. Und es ist ebenfalls
wahrscheinlich, dass meine Vorfahren zur französischen Judenemigration
des 14. Jahrhunderts gehörten, worauf unser Name schließen lässt, den
wir nachweislich schon im 18. hatten, also vor 1809, da die meisten
übrigen Juden Süddeutschlands und vor allem Badens ihre bürgerlichen
Namen von heute empfingen.
Ein solider Bestand von Bräuchen und familiärem Wesen hat sich lange
erhalten, gewiss auch darum, weil unser Dorf und die ganze Gegend wie
schön erwähnt, aus verkehrstechnischen Gründen bis in die neueste Zeit
abgelegen von den großen Wegen, immer eine gewisse Abgeschlossenheit dem
Außen gegenüber bewahren konnte, eingerahmt von See und Berg und Wald,
wie es war. So ergab sich nicht nur in unserer Familie ein starkes
Bewusstsein familiären wie religiösen Herkommen. |
Von hundert Jahren her haben die Väter in unserem engeren und weiteren
Familienkreis den Viehhandel als Beruf gehabt, wie eben allenthalben in
solchen Landsiedlungen bis vor zwei Generationen, ehe man in die Städte
zu ziehen begann. Er wurde bei uns in kaufmännischer Weise betrieben und
war verbunden mit der Bebauung beachtlichen bäuerlichen Grundbesitzes;
eigene Äcker, Obstbäume und Gärten gaben das Gefühl der
Bodenständigkeit wohl mehr als anderswo, wie ja überhaupt Menschen, die
in der freien Luft von eigenem Grund und Boden aufwachsen können, meist
andere seelische Voraussetzungen ihr Leben lang behalten als die aus der
Enge abhängiger Mietwohnung stammen. Freilich wandte mein Vater, gleich
manchen seiner Altersgenossen, früh sich anderem zu; er zog mit uns in
die Stadt, nach Konstanz. Damals war ich zwölf Jahre
alt.
Trotz der Abgeschlossenheit hat man die Frauen doch oft von draußen, für
die Verhältnisse weit her und nicht aus der Nachbarschaft geholt. So nahm
mein Vater seine Frau aus einem alten, heute noch schön gegiebelten
Städtchen des südlichen Schwarzwaldes her, das Tiengen heißt, wo
sie in ähnlichen Lebensumständen wie bei uns behaglich ihre Tage
hinbrachten. Ihre Mutter kam aus dem französischen Elsass des dritten
Napoleon vor 1870 und trug ganz das innere und äußere Wesen ihrer Jugend
und einer sicheren Kultur in sich bis an ihr Ende, besonders verehrt vom
weiten Familienkreis, weil wir alle wohl unbewusst das wertvoll Nährende
in ihr spürten. Dieser Großmutter von Mutters Seite her verdanke ich
vieles von meinem Eigentlichsten, vieles hat gerade sie in mir geweckt.
Früh schon, unmittelbar und nicht nur über meine Mutter weg, zeigte sie
mir, dass es über den niedrigen Alltag hinaus die schönen geistigen
Dinge des Lebens gibt. Sie hatte einen wachen historischen Sinn und war
über ihre Zeit und Umgebung hin gebildet und wissend, wobei ich die
frühen Klänge der französischen Sprache nicht vergessen darf, die ich
von ihr hörte; auch erzählte sie von den klassischen französischen
Dichtern und den großen Erscheinungen des Nachbarvolkes. Dabei war vor
allem sie es, die mir zuerst Gedichte sagte; es ist nicht bedeutungslos,
dass es die alemannischen Johann Peter Hebels waren: 'Das Habermues' und
'Der Winter' waren die ersten literarischen Strophen, die ich hersagen
konnte. Bei ihr aber bekam ich auch, freilich viel später, im 'Germinal'
den ersten Band Zola in die Hand, eine ganz andere Welt, um dies
vorwegzunehmen.
Der Vater meiner Mutter hatte 1848 mitgemacht. Daher rührte wohl auch
seine starke Neigung für politische Geschichte, ja zu Abenteuerlichem.
Viele Ferienwochen bei jenen Großeltern, immer wieder las ich in einem
dickbändigen Werk mit erregenden Bildern, das ihm gehörte, die
Geschichte des amerikanischen |
Bürgerkriegs.
Die hatte er sich beschafft, weil als Führer der deutschamerikanischen
Truppen auf Seiten der Nordstaaten darin der frühere badische Offizier
General Siegel eine Hauptrolle spielte, unter dem er selbst einst am
badischen Aufstand teilgenommen hatte. Noch als Student erhielt ich eines
Tages einen Brief von ihm mit der Frage, ob ich in der Zeitung gelesen
habe, dass ein General gestorben sei; sein General. - Ferner besaß er in
zahlreichen gehefteten Einzeldarstellungen die Lebensbeschreibungen
sämtlicher Generäle der französischen Revolution und Kaiserzeit, die
mich ebenso fesselten. So lernte ich früh mit den Kriegszügen Napoleons
I. und seiner Gestalt jene neue europäische Zeit und damit den Beginn
unseres Zeitalters kennen.
Wenn man aber nach dem Jüdischen fragt und wer mich dazu erzogen hat, so
muss ich antworten, dass unser ganzes Leben davon erfüllt war, dass es
wie die Luft um mich war von Anbeginn, bestimmt von der starken Art meines
Großvaters väterlicherseits, eines wahrhaft und vertrauensvoll
gläubigen Mannes, mit dem wir im selben großen Haus wohnten. Er galt als
der Frömmste der Gemeinde; am Neumond sah ich ihn unter den
Himmelssternen der Heimat l'wono mekadesch sagen, am Jom Kippur
sich inbrünstig im weißen Gewand büßend zu Boden werden, die Gebete
sprechend. Beide Großväter sind über achtzig Jahre alt geworden. Und
wenn meine Großmutter mütterlicherseits mir das, was oben geschildert,
gegeben hat, so hat seine Frau, die Mutter meines Vaters, die ersten Jahre
meiner Jugend so betreut, wie eben in einem frommen jüdischen Hause der
älteste Sohn des Sohnes in der Bindung der religiösen Vorschriften
zwischen Alltag und Festtage erzogen wird, von der Beris mila
(Beschneidung) an über das erste Arba kanfos, das dem Bübchen
weihevoll umgetan wird, bis zur Barmizwo. Sie hielt ihre
schützende Hand bedingungslos über all meine Dorfbubenstreiche. Anders
als die ferne Großmutter trug sie noch einen Scheitel; und es war eines
der erschütterndsten Erlebnisse meiner frühesten Jugend, als ich sie,
die ich nur mit den glänzenden schwarzen Haare um das schon faltige
Gesicht kannte, eines Morgens in dem natürlich Schmuck ihrer Jahre
silberweiß stehen sah, ohne die fromme Bedeckung: es war das Erlebnis des
Alters; ich begann zu weinen.
Kurz nachdem ich Barmizwo geworden war, hat mein Vater von sieben
Kindern weg sterben müssen, ein ernster und gütiger Mann von starkem,
berechtigtem Selbstgefühl, angesehen bei jedermann. Unsere Erziehung
blieb meiner guten Mutter allein. Seitdem habe ich bis zum zwanzigsten
Jahr, da ich zur Universität kam, alle Ferien bei den Großeltern
mütterlicherseits in Tiengen verbracht. Dort hat die Großmutter
meine ersten Gedichte mit einem Verständnis gelesen, das über
laienhaftes und billiges |
Gelobe einem Enkel gegenüber sich erhob; auch lehrte sie mich früh das
Schachspiel, das mich wohl davor gewahrt hat, ein Kartenspieler zu werden.
Ja, kaum war ich Barmizwo geworden, als ich auch die ersten
Versuche machte, mit Worten meine wahren oder eingebildeten Gefühle
rhythmisch auszudrücken. Und vielleicht ist es nicht bedeutungslos, dass
es nicht das übliche Liebeserlebnis war, das mich zuerst zwang,
Gebundenes und Gereimtes zu sagen, als vielmehr das der Landschaft und
ihrer Stimmungen. Lange blieben die Gedichte dilettantisch, wenn es auch
immer ein innerer Trieb gewesen ist, der mich zu formen bewog und kaum
jenes Geltungsbedürfnis, das das Wesen des Dilettanten ausmacht. Offenbar
darum habe ich auch viele Jahre nichts zu publizieren versucht.
Die Zeit des Gymnasiums verbrachte ich zu Konstanz im alten
Gebäude eines früheren Barockklosters und jener humanistischen
Atmosphäre, die die Ideale des letzten Jahrhunderts in mich pflanzte und
mich band an das Vergangene, meinen historischen Sinn bestätigend. Gute
Jahre sind es gewesen, deren Früchte ich heute hoch ernte; wir hatten im
wesentlichen verständige, dem Menschlichen offene Lehrer gerade in der
Zeit, die wichtig für uns Heranwachsende war. Die Landschaft bot uns die
Möglichkeit, außerhalb der Schule ein heiteres Leben zu führen. Wir
fingen früh mit dem Sport an und liefen z.B. schon Ski im nicht zu fernen
Hochgebirge, als man das anderswo noch nicht kannte. Ich hatte dort gute
Kameraden, ja Freunde, die mich bis ins Mannesalter über die Universität
hinweg begleiteten. Der treueste und mir liebste ist schließlich an der
Somme gefallen; er war, als der Krieg kam, Assistent am Archäologischen
Institut zu Heidelberg, ich Referendar ich der gleichen Stadt. Es
ergab sich unter uns auch bald ein Kreis, der sich bei allem schon
studentischen Gehabe mit Trinkereien und Komment, das die kleine Stadt
gestattete, dem Schönen widmete. Bereits in Sekunda hatten wir eine Art
literarischen Zirkels mit wöchentlichen Zusammenkünften, bei denen
gelesen und reichlich billiger Seewein getrunken wurde aus tönernen,
farbigen Bechern; ein älterer Freund, Maler und Keramiker, brannte sie
eigens für uns. Ich bin der einzige, der beim 'Dichten' geblieben ist,
wenn auch einige davon es weit gebracht haben in Berufen, die dem
Ästhetischen verwandt sind. Es war ein besonderes Ereignis für uns alle
aus diesem engeren Kreis, als eine damals angesehene literarische
Zeitschrift mein erstes Gedicht veröffentlichte, herbstliche
Stimmungsstrophen, die zwischen den abgeernteten Feldern des Schwarzwaldstädtchens
mit ihren Herbstzeitlosen entstanden und von meiner Großmutter zuerst als
dichterisch gebilligt worden waren. In ihrer Art lasse ich sie heute noch
gelten. Im übrigen war ich ein mittelmäßiger Schüler; nur Deutsch,
Geschichte und |
vielleicht
noch Griechisch kamen meinem Wesen entgegen, wurden leicht bewältigt,
während Mathematik mich ständig beschwerte. Keiner von denen, die bei
uns sich damals als Schüler auszeichneten, ist etwas Besonderes geworden.
Menschen, die ein gutes Gedächtnis haben, also schülerhaft gut lernen
und mit Aufgenommenem sich hervortun, sind fast nie schöpferisch; die
Erfahrung des Lebens hat es mir gezeigt.
In dieser Zeit trat das Gefühl des Religiösen zurück; wenn jüdisches
Leben nicht aus dem Vaterhaus in mir gewesen wäre, der dem
Heranwachsenden erteilte Religionsunterricht hätte es gewiss nicht wecken
können. Doch entsinne ich mich aus jener Zeit eines Gedichtes 'Paria',
das mir am Jom Kippur in der Synagoge einfiel und das in der zionistischen
Zeitschrift 'Ost und West' erschienen ist. Der Titel zeigt, was es
bedeutet, ich kann es nicht mehr auffinden; aber es muss durch irgendein
unmittelbares Erleben veranlasst worden sein, das an mein Judenschicksal
mich erinnerte.
Als ich im Herbst 1903 zum Studium nach München ging, dem von
Heiterkeit und schöner Lebenskultur erfüllten München des ersten
Jahrzehnts unseres Jahrhunderts, waren es zuerst Neuphilologie und
Germanistik, Kunst- und Literaturgeschichte, denen ich mich hingab.
Mehrere Semester blieb es dabei, bis ich mich entschloss, zur
Rechtswissenschaft überzugehen, in der Hauptsache, weil ich als Ältester
unserer Familie und insbesondere meiner lieben Mutter zu Willen die
Pflicht zu einem Brotberuf, wie man damals sagte, fühlte. Aber nie ließ
mich der Hang zu den reinen und gehobenen Dingen des menschlichen Geistes
los. Es war nicht leicht, die neuen abstrakten Begriffe in mich
aufzunehmen, da meine Veranlagung durchaus nach dem Anschaulichen
gerichtet ist, als dem Wesen des Künstlerischen. Gleichwohl bewältigte
ich diese nüchterne Aufgabe schließlich; nach gewissen - fast
selbstverständlichen - Fährlichkeiten der Examina, muss ich freilich
hinzufügen. Eigentlich bin ich nie müßig gewesen, war stets über den
Büchern, nur eben die juristischen hatte ich zu lange in Ruhe gelassen;
auch anderem gab ich mich nicht einseitig hin, so ernst ich es immer betrieb,
wenn auch das Literarische in seiner höchsten Form stets den Vorrang
hatte; fast unbewusst hatte ich immer ein höheres ZIel vor Augen,
rückschauend sehe ich das jetzt erst deutlich. Und so schwierig bei
meiner Veranlagung eben das Theoretische der Brotwissenschaft war, nach
all dem Früheren, so befriedigte mich doch später die Praxis des
juristischen Berufs in ihrer Vielfalt durchaus, lehrte sich mich doch, da
sie mir nun die Anschauung des Lebens bot, menschliches erkennen zu
lernen, wie es vielleicht bei keinem anderen Berufe möglich gewesen
wäre, ungeachtet |
der
dialektischen Auseinandersetzungen, zu denen sie zwang, die aber zugleich
zur Sachlichkeit erzogen.
Ich habe Späteres vorweggenommen. In der Stadt des künstlerischen Lebens
trat ich - nach kurzem Gastspiel in einer der jüdischen Verbindungen, die
den Kommentbetrieb der anderen allzu sehr nachahmten - einem akademisch-literarischen
Verein junger Menschen bei, die ähnlichen Zielen nachgingen, wie ich sie
vor mir sag, und der Betreuung schon angesehener Dichter sich erfreuten;
manche der Kameraden von damals haben heute bekannte Namen. Doch wurde ich
wählerisch in den geistigen Genüssen und bin es, noch gesteigert,
geblieben bis heute, und auch in den Anforderungen, die ich an das
Kunstwerk stelle, bedingungslos und streng, vor allem natürlich an das,
was ich selbst unternehme. Viel habe ich in jenen Jahren auch mit
bildenden Künstlern, insbesondere mit Malern verkehrt und mich auf
Ateliers herumgetrieben. Von hier her rührt es, dass ich niemals die
Fähigkeit verloren habe, aus Kunstwerken aller Zeiten tiefe Genüsse zur
Bestätigung und Erhöhung meines Lebensgefühls zu
holen." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Morgen" vom Juni 1938: "Erinnerung
eigenen Lebens (Schluss).
Wenn ich zurückschaue, so zeigt sich die seltsame Fügung, dass ich fast
genau alle zehn Jahre seit meiner Geburt in eine neue Phase des Lebens
getreten bin; zunächst äußerlich und räumlich, aber auch für das
Wachstum des inneren Wesens: die ersten zehn Jahre auf dem Dorfe, die
bildsam waren für die Zukunft und die Grundvoraussetzungen schufen; dann
zehn Jahre des Aufenthaltes in der kleinen Stadt und der wissensmäßigen Bildung,
die eine humanistische war; danach weitere zehn in verschiedenen großen
Städten, wo ich auf die Welt außerhalb meines eigenen Kreises traf, und
schließlich die, die mit dem Kriege begann und mich in ganz neue
menschliche und bürgerliche Verhältnisse aus dieser großen Erschütterung
heraus nach der rheinischen Stadt führten; und fast genau nach Ablauf
dieses Jahrzehntes brachte mich das persönliche Schicksal zusammen mit
den großen Umsturz wieder in die Stille und Gesammeltheit der
heimatlichen Landschaft, die der ursprüngliche Näheboden gewesen ist und
in der ich seither wieder lebe, im Bewusstsein eines Endes infolge des
allgemeinen tragischen Geschehens, das mir doch den lang gehegten Plan
verwirklichen half, gerade hierher zurückzukehren, um das zu gestalten,
wonach es mich seit Jahren gedrängt hatte. Spät bin ich geistig reif
geworden; noch als ich aus dem Kriege zurückgekehrt war, spürte ich mich
unfertig und noch im Wachsen. Jetzt erst scheine ich am Ziele meines
inneren Wesens angelangt zu sein, da es wieder aufbrechen heißt und
wandern.
Dieses also ist der Versuch, den Rahmen meines Lebens darzustellen, des
Lebens eines jüdischen Menschen in der Mitte seiner Tage um diese
Zeitenwende vor dem Ausgang des letzten Jahrhunderts über dessen erste
Jahrzehnte hinweg. Und natürlich kann man ragen, ob eine solche
Lebensüberschau in mittleren Jahren nicht vermessen sei, ja anmaßend.
Aber wenn es sonst üblich ist, erst gegen das wirkliche Ende eines
Menschenlebens sich darüber Rechenschaft abzulegen, wenn alles bei einem
Einzelnen sich dem Tode zuneigt und vergangen ist, so darf ein jüdischer
Mensch heute in Deutschland, dessen Lebenshauptteil sich vor der Wandlung
unseres Daseins abspielte, vielleicht doch sagen, dass sein Früheres so
vorbei ist, als sei er dem Ende nah, ja als sei er schon gestorben. Ja,
niemand, der früher seine Erinnerungen aufzeichnete, konnte es so sehr
aus dem Gesichtspunkt des unwiederbringlich Abgeschlossenen tun wie wir |
jetzt. Denn alle müssen wir diesen Abschied vom Vergangenen als einen Tod
ansehen und ein Neues beginnen.
Darum aber auch scheint mir dieses nicht nur mein Bild, das ich geben
wollte - und das ist die andere Rechtfertigung meines Unterfangens -, es
ist das meiner Familie eines jüdischen Geschlechtes aus Oberdeutschland;
und es ist ein Beispiel der Entwicklung des Lebens vieler meiner Art und
ihrer Vorfahren, einer Art, von deren Wesen nicht nur die ganz
Außenstehenden nichts wussten, sondern wie wir gesehen haben, selbst
viele Juden nicht. Die Bilder vieler Toten, die mir einst teuer waren,
stehen am Wege meines Lebens. Wir Geschwister sind nun in alle Welt
zerstreut - auch darin ein Beispiel des allgemeinen jüdischen
Umgetriebenseins -, und haben doch alle in uns den Trieb zur Sesshaftigkeit,
wie nur je in der Geschichte Menschen ihn hatten. Denn niemals sind wir
Juden ein Wandervolk gewesen; immer haben wir Ruhe gesucht und Verwurzelung
von Anfang an und haben, einmal sesshaft geworden, die Heimat
geliebt." |
|
Hinweis: Innerhalb des
"Forum Allmende für Literatur" besteht ein Jacob-Picard-Freundeskreis
(Link: Informationen
zu diesem Kreis) |
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Lehrers an der
israelitischen Schule (1823 / 1832)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 3. Mai 1823 (Quelle: Stadtarchiv
Donaueschingen): "Bekanntmachung.
Nro. 10207. Die israelitische Schule zu Wangen betreffend.
Die Lehrstelle an der israelitischen Schule zu Wangen im Bezirke
Radolfzell mit einem Gehalte von 200 Gulden, hälftig aus der
Gemeindekasse und dem Schulgeld verbunden, ist erledigt.
Die Kompetenten haben ihre Verleihungsgesuche, welche mit den
Rezeptionsurkunden sowohl für den politischen als religiösen Unterricht,
sowie mit Sittlichkeitszeugnissen belegt sein müssen, binnen vier Wochen
an das Bezirksamt Radolfzell einzusenden.
Konstanz, den 25. April 1823. Großherzoglich Badisches Direktorium des
Seekreises. von Kleiser. vdt. Schroß." |
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Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" von 1832 S. 632 (Quelle: Stadtarchiv
Donaueschingen): Bekanntmachung.
Da die Schulstelle bei der Israeliten-Gemeinde, mit welcher eine Besoldung
von 200 fl., jedoch ohne freie Wohnung verbunden ist, definitiv besetzt
werden soll, so werden die Kompetenten hierzu aufgefordert, sich mit ihren
Gesuchen, unter Anfügung der Zeugnisse über ihre Rezeption und ihren
sittlichen und religiösen Lebenswandel, binnen 4 Wochen, bei
Großherzoglicher Regierung des Seekreises zu melden. Der
Ministerial-Kommissär. Bekk." |
Die Lehrer- und Vorsängerstelle wird
Lehrer Lazarus Haarburger von Wangen übertragen (1839)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 21. Dezember 1839 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):
"Die mit dem Vorsängerdienste vereinigte Lehrstelle an der
öffentlichen israelitischen Schule in Wangen im Seekreise wurde
dem bisherigen provisorischen Lehrer Lazarus Haarburger von da definitiv
und jene an der neukonstituierten öffentlichen israelitischen Schule in Baiertal
im Unterrheinkreise, dem Schulkandidaten Josef Steinhardt von Dittigheim
(vermutlich statt Dettigheim) übertragen". |
Aus dem jüdischen Gemeinde-
und Vereinsleben
Über den Verein zur Friedensstiftung (1853)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 19. Oktober 1853:
"Wangen, 1. September (1853). Die 'Badische Landeszeitung' bringt
einen rühmenden Artikel über die israelitische Gemeinde dieses Ortes.
Abgesehen von der schönen Synagoge, die dich am Ufer des unteren
Bodensees liegt, und dem erbaulichen Gottesdienst mit Sangchor, der darin
ausgeübt wird, berichtet der Artikel über einen 'Verein zur
Friedensstiftung' in der Gemeinde. Es heißt da: '§ 6 lautet: 'Die
Mitglieder des Vereins machen sich sowohl einzeln, als in der Gesamtheit
verbindlich, zur Erhaltung und Beförderung, sowie zur Wiederherstellung
des Friedens und der Eintracht in der Synagogengemeinde alle in ihrem
Wirkungskreise liegenden Kräfte aufzubieten.' § 11. 'Die Wirksamkeit des
Vereins soll sich auch auf Streitende oder Entzweite, welche einerseits
der christlichen Konfession des Ortes angehören, ausdehnen, um wo
möglich Prozesse und Eidschwüre zu verhüten, und die Eintracht in der
Gesamtgemeinde zu erhalten.'
Die für diesen schönen Zweck vorgeschlagenen Mittel sind ebenso
lobenswert, als jener selbst, und es ist ganz begreiflich, dass das
großherzogliche Bezirksamt die Statuten genehmigt hat. Alles dies
gereicht aber gewiss der israelitischen Gemeinde Wangen zum großen Lobe,
und vorzüglich ihrem würdigen Vorsteher, Herr S.H. Wolf, welcher für
deren Bildung und sittliche Hebung bereits seit 20 Jahren ebenso rastlos
und energisch, wie umsicht und wohlwollend tätig ist. Möchten doch alle
diese Tatsachen auch anderwärts Nachahmung finden!'" |
Erfolg des jüdischen Gesangvereins Wangen bei einem
Sängerfest (1891)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Juli 1891: "Aus
dem badischen Oberlande. Gestern, am 28. Juni, fand in unserer
Amtsstadt Radolfzell das 33. Höhgau-Sängerfest statt, an dem sich
ungefähr 40 Vereine mit über 1.200 Mitgliedern beteiligten. Die 2
israelitischen Vereine Wangen und Gailingen
erhielten hierbei Preise und zwar der Gesangverein Wangen einen 1. und
Eintracht Gailingen einen 2. Preis.
Der gesellige Verkehr unter den nach vielen Zausenden zählenden Sängern
und Sangesfreunden aus allen Schichten der Bevölkerung zusammengesetzt,
war ein solch friedlicher und einträchtlicher, wie es sich nicht schöner
denken lässt, was wohl wert, öffentlich erwähnt zu
werden." |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Cassal Hirsch ist nach einem Streit mit Hayman Isack
Bikard auf der Flucht (1819)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 11. August 1819 S. 670 (Quelle: Stadtarchiv
Donaueschingen): Bekanntmachungen.
Radulfzell (Fahndung). Der Juden Pursche Cassal Hirsch von Wangen,
welcher unterm 16. dieses Monats den ledigen Haymann Isack Bikard,
17-jähriger Sohn des Isack Bikard von da in Streithändel durch
einen Messerstich gefährlich verwundete, hat sich gleich flüchtig
gemacht, und es werden daher sämtliche Behörden ersucht auf Cassal
Hirsch zu fahnden, und denselben im Betretungsfalls gegen Ersatz der
Kosten anher zu liefern, zu welchem Ende das Signalement hier unten
beigesetzt wird.
Personal-Beschrieb.
Derselbe ist 16 Jahre alt, 4 Schuh 9 Zoll groß, hat braune Haare,
schwarze Augen, etwas dicke Nase und rundes Gesicht.
Er trägt eine blautüchene Jacke, grüne manchesterne Pantalons, ein
schwarz seidenes Halstuch und Schuh mit Bändel. Radolfzell den 27. Juli 1819. Großherzoglich Badisches Bezirksamt. Walchner." |
Cassal Hirsch ist nach einem erneuten Streit mit
Haymann Isack Bikard wiederum auf der Flucht (1822)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 31. März 1822 (Quelle: Stadtarchiv
Donaueschingen): "Vorladung.
Caßal Hirsch von Wangen, ledigen Standes, israelitischer Religion,
welcher den gleichfalls ledigen Haymann Bikard daselbst in einem
Wortwechsel mit einem Messerstich gefährlich verwundete und hierauf die
Flucht ergriffen hat, um sich der eingeleiteten gerichtlichen Untersuchung
zu entziehen, wird hiermit aufgefordert, binnen 4 Wochen dahier vor seiner
Amtsbehörde sich zu stellen und über das ihm zur Last liegende
Verbrechen Rede zu stehen, oder widrigens zu gewärtigen, dass gegen ihn
als einen böslich ausgetretenen Untertan nach Vorschrift der
Landesgesetze verfahren werde.
Radolfzell, den 25. Februar 1822.
Großherzoglich Badisches Bezirksamt. Walchner." |
Diebstahl im Haus von Daniel Bikart (1823)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 9. Juli 1823 (Quelle: Stadtarchiv
Donaueschingen): "Diebstahl.
Vom 10. auf den 11. dieses Monats
wurde in der Nacht dem Juden Daniel Bikart in Wangen eingestiegen, und ihm
eine Koste Geld, worin sich 1.100 fl. befangen, entwendet. Diese Summe
bestand aus lauter Brabanter und circa 7 Stück bayerische Kronenthaler.
1000 Gulden befanden sich in einem aschgrauen Säckle von Zwilch und
Kaudergarn, welches 1/2 Elle lang und 1/2 Elle breit und mit einem
hebräischen Namenszeichen D. B. gezeichnet sei. Das Säcklein sei bereits
neu, nur an der Naht gehe es etwas voneinander und sei mit weißen
Bändeln versehen. Auch dürfte sich noch eine Pettschaft daran vorfinden.
Da man die Geldkiste wieder leer gefunden hat, so kann diesseitige
Behörde keine ausführlichere Beschreibung weiter geben, sondern ersucht
alle obrigkeitlichen Behörden auf solche Individuen, die nach ihren Vermögenskräften
ungewöhnlich viel Geld ausgeben, oder ihren
Vermögensverhältnissen nach nicht passende Ankäufe machen, oder
Einrichtungen treffen, - ein wachsames Auge führen zu lassen, und beim
'Entdecken irgendeines Verdachts oder Auffinden des beschriebenen
Säckleins bald gefällige Anzeige machen zu wollen.
Radolfzell, den 29.
Juli 1823." |
Gegen Herz Joseph Seeligmann von Wangen wurde die Gant
eröffnet (1834)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" von 1834 S. 404 (Quelle: Stadtarchiv
Donaueschingen): "Gegen Herz Joseph Seeligmann von Wangen
hat man unterm 15. April dieses Jahres die Gant eröffnet und zum
Schuldenbericht die Einzahlungs- und Vorzugsverfahren auf
Donnerstag, den 5. Juni, früh 8 Uhr, Tagfahrt auf hiesiger Staatskanzlei
angeordnet". |
Fahndung gegen Handelsmann A. Jakob und Lehrer J.
Ullmann von Wangen (1836)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" von 1836 S. 406
(Quelle: Stadtarchiv
Donaueschingen):
Zum Lesen bitte Textabbildungen anklicken |
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Benedikt Gump wird Opfer eines Diebstahles (1837)
Anzeige
im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den See-Kreis"
von 1837 S. 63 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Diebstahl.
In der Nacht vom 31. vorigen Monats wurden dem Israeliten Benedikt Gump
von Wangen aus dem Viehstalle 2 gemästete Gänse und 5 Enten
entwendet; was anmit zum Zwecke der Fahndung bekannt gemacht wird.
Radolfzell, den 12. Januar 1837. Großherzoglich Badisches
Bezirksamt. Felder". |
Schuldenliquidation - Gabriel Harburger betreffend (1839)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" von 1839 S. 545 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen). Zum
Lesen bitte Textabbildung anklicken |
Das Haus von Salomon Bernheim wird öffentlich
versteigert (1839)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" von 1839 S. 798 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Radolfzell
(Hausverkauf). Montag den 18. November dieses Jahres, nachmittags 4 Uhr,
wird der Erbteilung wegen aus der Salomon Bernheimischen Masse auf
dem Gemeindehaus in Wangen öffentlich versteigert:
Ein neuerbautes zweistöckiges Wohnhaus mit 38 Ruthen Garten am See im
Unterdorf, neben Herz Seligmann und Wolf Rothschilt, Anschlag 600 Gulden.
Steigerungsliebhaber werden zu diesem Verkaufe, wobei
obervormundschaftliche Ratifikation vorbehalten wird, mit dem Bemerken
eingeladen, dass die Steigerungsbedingungen am Tage des Verkaufs bekannt
gemacht werden. Radolfzell, den 24. Oktober 1839. Großherzoglich
badisches Amtsrevisorat. Haas". |
Gump von Wangen wird Opfer eines Diebstahles (1841)
Anmerkung: es handelt sich möglicherweise auch um Benedikt Gump (wie oben,
Artikel von 1837)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" von 1841 S.877 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):
"Konstanz (Diebstahl). Im Juni dieses Jahres wurde dem Israeliten
Gump von Wangen eine silberne Uhr, welche römische Stunden und Tageszahlen
und ein porzellanenes Zifferblatt hat, sowie einem Knechte, dessen Name
unbekannt ist, ein leinenes Hemd entwendet, welcher Entwendung die
Elisabetha Wett von Schnerkingen dringend verdächtig ist, was behufs der
Fahndung auf diese Gegenstände bekannt gemacht wird. Konstanz, den 18.
September 1841. Großherzogliches Bezirksamt. Pfister." |
Zum Tod des aus Wangen stammenden und im Alter von 25 Jahren
verstorbenen Lehrers Jacob Bernheim (1841 in Ilvesheim)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Januar 1842:
"Ilvesheim, im November (1841). Am 30. September dieses Jahres
verschied der verdienstvolle und allgemein geachtete Lehrer an der
Israelitischen öffentlichen Schule zu Ilvesheim, Bezirksamt Ladenburg,
Jacob Bernheim von Wangen im Seekreis, an den Folgen der Ruhr in einem
Alter von 25 Jahre,
Ein Mann jeder Aufopferung fähig, jedermann durch einen Charakter
Vertrauen, wie durch sein ausgezeichnetes Talent im Lehrfache Achtung
einflößend, von warmer Liebe zu seiner Gemeinde und seinen Amtsbrüdern
und der ihm anvertrauten Jugend beseelt, war er ganz der Mann dazu, sein
Scherflein zum Heil des Judentums beizutragen.
Von seinen Vorgesetzten und Freunden mit den Zeichen ehrender Anerkennung
seiner Verdienste geschmückt, und von allen seinen Kollegen,
israelitischer und christlicher Konfession, so von allen Redlichen, die
ihn kannten, hoch verehrt, erweckte sein Hintritt allgemeine
Trauer.
Die letzte Ehre, die dem Hingeschiedenen zuteil ward, ist der beredeste
Beweis von Verehrung, Liebe und Teilnahme die seinem Andenken gezollt
werden konnte.
Am Morgen des 3. Oktober sah man den ganzen Straßenraum vor dem
Sterbehause des Verewigten von einer ungewöhnlichen Menschenmasse, aller
Konfessionen angefüllt. Um 8 Uhr setzte sich der Leichenzug in Bewegung.
Die 24 Mitglieder des von dem Verblichenen gestifteten
Wohltätigkeits-Vereins umgeben den Leichenwagen; diesem folgten die
leidtragenden Brüder des Hingeschiedenen, sodann die israelitische
Schuljugend von Ilvesheim und Feudenheim,
der Bezirksrabbine Herr Traub, der Rabbinatskandidat Herr Lindemann von
Mannheim, der katholische Pfarrer Herr Neumayer von Ilvesheim und der
evangelische Pfarrer, Herr Hecht von Seckenheim; sodann sämtliche Lehrer
aller Konfessionen aus dem Bezirke, endlich die sämtlichen Mitglieder der
israelitischen Gemeinde, an die sich auch viele Mitglieder der nahe
gelegenen israelitischen Gemeinden Ladenburg
und Feudenheim, nebst sehr vielen
Christen anschlossen.
Da wo der Leichenwagen, und die, ihn nach der 4 Stunden entlegenen Begräbnisstätte
zu Hemsbach begleitenden 24 Vereinsmitglieder sich vom Kondukte
trennten, trotz des in Masse herabstürzenden Regens, von den beiden
israelitischen Geistlichen und Herrn Pfarrer Neumayer als
Lokalschulinspektor der israelitischen Schule dortselbst, höchst
ergreifende Leichenreden gehalten. Kein Auge blieb trocken, vielfaches
Schluchzen ließ sich vernehmen. Es waren die zwei tief gebeugten Brüder
des Verblichenen, die den Versorger ihrer Familie beweinten. Es waren die
Zöglinge der Israelitischen Schule, die den Verlust ihres Lehrers und
Freundes betrauerten; es waren seine Amtsbrüder, die in ihm einen
tüchtigen Mitarbeiter im Weinberge des Herrn verloren; es waren die
Mitglieder seiner Religionsgemeinde, allen jene, denen er so oft mit Rat
und Tat beistand, und die ihm jetzt eine Träne der Dankbarkeit
nachweinten.
Für den Freund der fortschreitenden Humanität aber war es ein
herzerhebender Anblick, zu sehen, wie die Bekenner zweier verschiedener
Religionen ihre Tränen vereint mischten an dem Sarge eines jungen Mannes,
dessen leben und Streben war, Licht und Liebe zu verbreiten. Das sicherste
Kennzeichen wahrer Religion. So ist der Staub nun zum Staube
zurückgekehrt, aber der Geist hat sich emporgeschwungen zu Gott, der ihm
zum ewigen Leben berufen hat." |
Versteigerung des Wohnhauses
von Magdalena Hirsch, Frau von Leopold Jakob
(1843)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 11. November 1843 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Radolfzell.
[Wohnhausversteigerung.] Aus der Verlassenschaftsmasse der Magdalena
Hirsch, Ehefrau des Israeliten Leopold Jakob von Wangen werden
der Erbteilung wegen Montag, den 27. dieses Monats Nachmittags 2 Uhr in
der Wohnung des Witwers versteigert: ein zweistöckiges Wohnhaus außen am
Dorf, neben der Gemeindestraße und sich selbst, samt einem circa 40 Rthn.
großen Platz beim Haus, worauf 3 Bäume stehen, Anschlag 1550
fl.
Kaufliebhaber werden mit dem Anfügen eingeladen, dass sich auswärtige Steigerer
mit legalen Vermögenszeugnissen auszuweisen haben.
Radolfzell, den 4. November 1843. Großherzogliches Amtsrevisorat."
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Rettung des Xaver Welte durch Lederhändler Jesaias Bernheim
von Wangen im Zusammenhang eines Schlittschuhlauf-Unglückes
(1845)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 3. Mai 1845 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):
"Öffentliche Belobung.
(Nr. 7866). Am 2. vorigen Monats sind der ledige Sylvester
Hangartner und der Wagner Josef Hangartner, etwa in der Mitte
des Sees zwischen Wangen im Amtsbezirk Radolfzell und Mammern, Kantons
Thurgau beim Schlittschuhlaufen in das Eis an zwei verschiedenen, jedoch
nahe beieinander gelegenen Stellen eingebrochen. Dem ersten eilte sofort
der Glaser Pankraz Singer zu Hilfe, dem letzteren der Küfer Nikolaus
Moser. Als Singer eben damit beschäftigt war, dem Sylvester
Hangartner aus dem Wasser zu helfen, wurde er von ihm ergriffen und da er
sich auf dem glatten Eise nicht festzuhalten vermöchte, ebenfalls ins
Wasser gezogen. Dem Nikolaus Moser war mittlerweile sein Rettungswerk
gelungen und er und der kaum gerettete Josef Hangartner vereinten nun ihre
Kräfte, um den Pankraz Singer zu retten, was sie denn auch nicht ohne Lebensgefahr
vollbrachten. Leider war Sylvester Hangartner, während Pankraz Singer aus
dem Wasser heraufgehoben wurde, in die Tiefe des Sees gesunken.
Das bei dieser Gelegenheit bewiesene edle Benehmen des Pankraz Singer,
Josef Hangartner und Nikolaus Moser, sämtlich von Wangen, wird
andurch zu ihrem Lobe mit dem Anfängen bekannt gemacht, dass jedem
denselben von großherzoglichem Ministerium des Innern eine angemessene
Geldbelohnung zuerkannt worden sei.
Konstanz, den 15. April 1845. Großherzogliche Regierung des Seekreises. Vogel.
Vdt. Coppin."
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Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 9.Juli 1845 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):
"Bekanntmachung und Belobung. Die Rettung des Xaver Welte von
Kattenhorn durch den Israeliten Jesaias Bernheim von Wangen vom Tode des
Ertrinkens betreffend. (Nr. 12943). Bei dem Vorfalle vom 2. März dieses
Jahres, den wir in Nr. 36 des Anzeigeblattes veröffentlicht haben, wobei
Pankraz Singer, Joseph Hangartner und Nikolaus Moser sich so
auszeichneten, wollte auch Xaver Welte von Kattenhorn den ins Eis eingebrochenen
Silvester und Josef Hangartner und Pankraz Singer zu Hilfe eilen, geriet
aber einige hundert Schritte vom Ufer ebenfalls in eine sogenannte
'Blöße' und wäre, obschon ein guter Schwimmer, ohne Zweifel binnen
kurzer Zeit ertrunken, wenn nicht der israelitische Schutzbürger und
Lederhändler Jesaias Bernheim von Wangen, der den Hilferuf des Welte
vernahm, schnell seine Schlittschuhe angezogen hätte, und ein Brett vor
sich herschiebend, dem in Todesgefahr befindlichen zugeeilt wäre, sofort
sich aufs Eis hinlegend dem Welte das Brett hingehalten und diesem dadurch
Gelegenheit gegeben hätte, sich aufs Eis herauf zu schwingen, welch
letzteres denn auch gelang.
Offenbar hat Jesaias Bernheim hierbei
sein Leben in Gefahr gesetzt, weshalb seine Tat hiermit öffentlich belobt
und noch bemerkt wird, dass ihm das großherzogliche Ministerium des
Innern auf unsern Antrag auch eine entsprechende Geldbelohnung zuerkannt
hat.
Konstanz, den 24. Juni 1845. Großherzogliche Regierung des
Seekreises. v. Vogel. Vdt. Rau." |
Forderungssache gegen Juditha Seligmann, Frau des
Leopold Jakob (1845)
sowie Forderungssache des Abraham Jacob von Wangen (1846)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 14. Januar 1846 (Quelle: Stadtarchiv
Donaueschingen). Zum Lesen bitte Textabbildung anklicken |
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 3. Januar 1846 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Wahlwies.
[Liegenschafts- Versteigerung.] In Forderungssachen des Abraham von Wangen
gegen Bartholomä Forster von hier, werden dem Letztern am 8. Januar 1846,
nachmittags 2 Uhr, auf dem Rathause dahier im Zwangswege öffentlich
versteigert, als: ...."
Zum weiteren Lesen bitte Textabbildungen anklicken. |
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Versteigerung der Liegenschaft des Handelsmannes Veit
Jakob (1848)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 23. Februar 1848 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):
"Radolfzell. [Liegenschaftsversteigerung]. Aus der
Verlassenschaftsmasse des israelitischen Bürgers und Handelsmannes
Veit Jakob von Wangen mit mit Vorbehalt obermundschaftlicher
Genehmigung der Erbteilung wegen verkauft.... Zum weiteren Lesen bitte
Textabbildung anklicken
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Zum Tod von Max Alexander (1933)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Juni 1933: "Wangen
am Untersee, 27. Juni (1933). Der in weitem Umkreis bekannte Max
Alexander ist am 11. Juni nach schwerer Krankheit von uns gegangen. Am
13. gab ihm eine große Trauergemeinde das letzte Geleite. Herr
Bezirksrabbiner Dr. Chone, Konstanz,
sprach im Trauerhaus Worte des Trostes und schilderte den Verstorbenen als
echten religiösen Familienvater, der nur für das Gute zu haben war. Aus
kleinen Anfängen hat er es durch Fleiß und Sparsamkeit zu Ansehen
gebracht. Möge die große Beteiligung sowohl von Glaubensgenossen von Nah
und Fern als auch von Andersgläubigen den Hinterbliebenen ein Trost in
ihrem großen Schmerz sein! Seine Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Persönlichkeiten
Leo Picard (1900 Wangen - 1997 Jerusalem), wirkte seit 1924 als Geologe in Palästina und wurde 1939 Prof. der Geologie an der Universität Jerusalem. |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige von Jeanette Schwab (1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Mai 1901: "Ein im
Hauswesen durchaus erfahrenes, älteres Fräulein, sucht Stellung
bei alleinstehendem Herrn. Am liebsten in Baden. Vorzügliche Zeugnisse
stehen zu Diensten. Offerten erbitte an Fräulein Jeanette Schwab,
Wangen. Baden, am Untersee." |
Anzeige von Frau Ohnhaus (1928)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. August 1928: "Gouvernante
oder Gesellschaftsdame,
25 Jahre, perfekt französisch, gutes Deutsch, Lehrerin, Prüfung in Paris
gemacht, Stenotypist., aus sehr guter Familie sucht per sofort passende
Stellung. Ia Referenzen und Zeugnisse.
Frau Ohnhaus Wangen Amt Konstanz." |
Sonstiges
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert: Grabstein in New York für
William (Wilhelm) Wolf aus Wangen (1839-1896)
Anmerkung: das Grab befindet sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn.
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Grabstein für our beloved Mother
Augusta Wolf
Born in Hesse - Darmstadt.
December 13, 1845,
Died May 14, 1903" und
"my beloved Husband
William Wolf
Born in Wangen, Germany
Januar 25, 1839
Died July 30, 1896". |
Zur Geschichte des Betsaales / der Synagoge
Das jüdische Wohngebiet
lag bis zum 19. Jahrhundert unmittelbar in Seenähe. Hier stand bis 1825 eine
kleine Synagoge, die 1759 erbaut worden war
(erstmals wird 1779 ein Vorbeter in der Gemeinde genannt). Ihre Wände und das
Dach waren aus Holz. Im Betsaal gab es zusammen 22 Plätze. Im Bereich des
Erdgeschosses befand sich auf der linken Seite die Wohnung des Vorbeters, auf
der rechten Seite der Betsaal. Über der Wohnung des Vorbeters war ein "Obergemach
nach der Männerhalle hin, dessen Fenster dahin offen waren". Hier saßen während
des Gottesdienstes die Frauen. Neben der Gemeindesynagoge bestand nach 1783 im
Haus des damaligen Gemeindevorstehers, des angesehenen Rabbi Joseph Manes Wolf,
eine Privatsynagoge.
In den 1820er-Jahren war die alte Synagoge viel zu klein
und inzwischen stark baufällig geworden. Mehrere junge Männer und Familienväter
konnten keinen Platz zum Gebet bekommen. Zur Frage des Neubaus gab es zunächst
Auseinandersetzungen in der Gemeinde, da die Männer, die Plätze in der
Synagoge hatten, den Standpunkt vertraten, dass die neue Synagoge von denen
bezahlt werden sollte, die keine Plätze hatten. Dann einigte man sich darauf,
dass die bisherigen Platzinhaber in der neuen Synagoge ein Vorrecht haben und
jeweils die ersten Seitenplätze erhalten sollten. Damit waren sie für die
Mitfinanzierung des Neubaus gewonnen. Zu dieser sollten unter anderem die
Synagogenplätze verkauft werden. Auch die am Schabbat zur Tora Aufgerufenen
sollten ab sofort jeweils eine Spende von zwei Kreuzern zum Baufonds geben. Die
Suche nach einem Bauplatz erwies sich als schwierig, da das Grundstück der
alten Synagoge zu klein für einen Neubau war. Die Nachbargrundstücke gehörten
der christlichen Gemeinde, die ihrerseits zunächst einen viel zu hohen Preis
von etwa 1.000 Gulden verlangte. Auf Grund eines Ministerialerlasses, nach dem
der jüdischen Gemeinde ein Platz zu einem günstigen Preis zur Verfügung
gestellt werden müsse, konnte am 20. November 1824 zwischen der christlichen
und der jüdischen Gemeinde ein Kaufvertrag unterzeichnet werden. Demnach
erhielt die Judenschaft für 69 Gulden einen an das alte Synagogengrundstück
angrenzenden "Wiesgarten" zum Bau der neuen Synagoge. Im Mai 1825 konnte man die
Grundsteinlegung feierlich begehen und im kommenden Jahr den Bau vollenden.
Teile der Inneneinrichtung wurden von dem 1817 gegründeten "Verein
Friedensstiftung" (Ahawat Schalom) gestiftet, woran eine Inschrift in der
Synagoge erinnerte. Ein Synagogenchor wurde kurze Zeit nach der Einweihung der
Synagoge ins Leben gerufen. Dieser muss sich prächtig entwickelt haben und war
weit über Wangen hinaus bekannt. Als 1852 Großherzog Leopold starb, berichtete
Rabbiner Schott aus Randegg über die Vorbereitungen zum Trauergottesdienst in
der Synagoge Wangen: Unter Leitung von Samuel Wolf wurde "die Vorbereitung auf
den am Sonntag abzuhaltenden Trauergottesdienst getroffen, namentlich der
Vortrag der angeordneten Psalmen eingeübt, woran sich wie in Randegg der ganze
Synagogengesangchor mit Eifer beteiligte". Rabbiner Schott hob dabei hervor,
dass sich der "würdige Vorsteher Samuel Wolf... überhaupt um die Veredlung des
Gottesdienstes in der Synagoge Wangen in hohem Maße verdient gemacht hat". 1853
berichteten auch die "Badische Landeszeitung" und im Anschluss an sie die "Allgemeine
Zeitung des Judentums" von "der schönen Synagoge (in Wangen), die dicht am Ufer
des untern Bodensees liegt, und dem erbaulichen Gottesdienst mit Sangchor, der
darin ausgeübt wird".
In der Zeitschrift "Israelitische Annalen" vom
10. Juli 1840 liegt ein Bericht von Rabbiner Leopold Schott in Wangen über
die religiösen Verhältnisse in der Gemeinde Wangen und der Synagoge um 1840
vor: "Großherzogtum Baden. - Die verschiedenen Berichte aus diesem
Lande dürften nicht unwürdig mit einigen Notizen über die Israeliten in dem
Dorfe Wangen am Bodensee vermehrt werden; um so mehr als dies zeigen wird, dass
selbst bei der Lückenhaftigkeit der bestehenden Verordnungen doch die Energie
eines verständigen und würdigen Lehrers viel Gutes zu beleben im Stande sei.
Von den 36 israelitischen Familien zu Wangen sind nur wenige als reich, dagegen ungefähr
die Hälfte als mittellos zu bezeichnen, und können sie daher keinen eigenen
Rabbinen unterhalten. Dagegen besitzen sie eine eigene Elementarschule, aus
welcher schon viele recht gut vorbereitete Jünglinge hervorgegangen sind, wovon
sich*) einer der Jurisprudenz (zu Freiburg), vier dem Lehrstande (wovon drei
bereits angestellt), zwei dem höheren Kaufmannsstande (zu Mannheim und Ankona),
und zehn dem Handwerke gewidmet haben (drei Schuster, zwei Schneider, zwei
Weber, ein Färber, ein Grobschmied, ein Seifensieder).
Der derzeitige Lehrer, ein geborener Wangener, steht auch in solcher Achtung,
dass ihm gegenwärtig auch an der vakanten christlichen Schule, bis zu deren
Wiederbesetzung, der gesamte Unterricht, versteht sich mit Ausnahme des
religiösen, anvertraut ist, was aber nicht bloß ihm, sondern auch und noch
vielmehr dem wohlwollenden Zutrauen des Schulvorstandes, an dessen Spitze der
katholische Ortsgeistliche steht und der Toleranz des betreffenden
Bezirksschulvisitators zum größten Ruhme gereicht. Geschickte israelitische
Lehrer sind sicherlich keine Seltenheit mehr, wohl aber solche vorurteilsfreie
und ausgezeichnete Anerkennung, die oft an größeren auf den Ruhm der Bildung
ansprechenden Orten am allerwenigsten gefunden wird. -
Auch die vor ungefähr 15 Jahren dicht am Ufer des Bodensees im einfachen Stil
erbaute freundliche Synagoge bietet dem demütigen Gottesverehrer ein
schönes Bild von Ordnung, Ruhe und Andacht dar (wie man auch dieses in größeren
Gemeinden meistens vergeblich sucht) und man wird hier, ohne Gepränge, durch
die feierliche Stille, welche den andächtigen Vortrag des Vorbeters umgibt, zur
innigsten Andacht und heiligsten Ergebung zu Gott hingerissen. Alle diese
herrlichen Resultate sind aber vorzüglich dem derzeitigen Vorsteher Samuel Wolf
zu verdanken. Dieser treffliche Mann vereinigt in sich die innige israelitische
Frömmigkeit der vergangenen Zeit mit der feinen Bildung unserer Generationen.
Er hat an seinem Orte das Gute so zu sagen erschaffen. Er ist durch Wort und Tat
der Vater und Wohltäter seiner Gemeinde, die er nicht nur mit einer seltenen Fürsorge
und Pünktlichkeit verwaltet, sondern auch mit mehr als Pflichtmäßigkeit, mit
Eifer und Liebe für edlere Gesinnung zu wecken und zu stärken sucht. Diese
Bemühung weiß er auch vorzüglich durch sein eigenes schönes Beispiel zu
unterstützen, so wie nicht weniger durch eine ausgewählte kleine Sammlung
hebräischer und deutscher Schriften, die er seine Untergeordneten gerne
benutzen lässt. Möge er noch lange die Zierde und der gerechte Stolz seiner
Gemeinde bleiben und möge sein Beispiel recht viel Nachahmung
finden.
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Bereits 1847 war eine größere Renovierung der
Synagoge nötig. Vermutlich auf Grund der nahen Lage am See waren die Holzwände
und der Fußboden zum Teil verfault, der Verputz abgefallen. Längere Zeit
suchte man diese Arbeiten wegen der Kosten hinauszuziehen, denn man war gerade
mit dem Bau eines neuen Schulhauses beschäftigt, das 1852 fertiggestellt werden
konnte. Einige Gemeindeglieder, aber auch das Bezirksamt Radolfzell drängten in
der Folgezeit immer wieder den Gemeindevorstand, mit der Renovierung zu
beginnen. Jedoch hatte man noch 1.500 Gulden an Schulden für den
Schulhausneubau. Dennoch blieb keine Wahl: 1857 wurde die Synagoge renoviert.
Dabei ist der Fußboden höher gelegt worden, damit die Feuchtigkeit des nahen
Sees nicht mehr so schnell Schaden anrichten könne. Anstatt der bisherigen
beweglichen Betpulte (Ständer), die dadurch störend wirkten, dass die Beter
nicht alle zur Ostwand gerichtet saßen, sondern sich ins Gesicht schauen
konnten, wurden Bänke hergestellt. Nach einer längeren Auseinandersetzung
zwischen dem vor Neuerungen nicht zurückschreckenden Synagogenrat und Vorsteher
Samuel Joseph Wolf einerseits und dem Bezirksrabbiner Willstätter und einigen
protestierenden Gemeindegliedern andererseits wurde auch "das Almemor (sc.
Vorlesepult) als Estrade zur heiligen Lade hingerückt". Zur Renovierung gab der
"Verein Friedensstiftung" 200 Gulden, die Chewra Kadischa (Heilige Bruderschaft)
100 Gulden.
Feier (?) zum 100-jährigen Bestehen der Synagoge
(1927)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. August 1927: "In
jener Zeit, gerade, als ich die Orte Villingen
und Donaueschingen besuchte, da feierte die Gemeinde Wangen am
Bodensee das hundertjährige Bestehen ihrer Synagoge. Von nah und fern strömten
die Teilnehmer an dem Feste dorthin, wo an Stelle der einst mehr als
fünfzig Familien umfassenden stattlichen Gemeinde heute nur zwölf
Haushaltungen mit - was noch trauriger ist - nur 25 Seelen der Zeit
entgegensehen, in der das große schöne Gotteshaus am See gänzlich
verwaist sein wird. Wer dort an jenem - Festtage? - gehört hat, was
Erinnerung unter Herzkrämpfen erzählte aus Wangen und Mühlheim,
aus Gailingen und Randegg,
wer die bunten Bilder, hervorgeholt aus der Kammer des Herzens und erfasst
mit den Händen der Sehnsucht, geschaut hat, der wird andere darüber
aufklären können, dass die Niedergang des Judentums auf dem Lande einen
Verlust bedeutet, für den es einen Ersatz schlechtweg nicht
gibt." |
In der Pogromnacht 1938 wurde die Synagoge von
SS-Leuten aus der Kaserne Radolfzell niedergebrannt, die Reste abgetragen. Das
Grundstück erhielt nach 1945 die politische Gemeinde, die hier einen Zeltplatz
(später Campingplatz) anlegte.
Ein Teil des Toraschmuckes der Synagoge konnte rechtzeitig gerettet
werden und kam in den Betsaal der Jüdischen Gemeinde in Kreuzlingen (CH) . Nach
der Auflösung des Betsaales der Jüdischen Gemeinde Kreuzlingen im Herbst 2009
wurde dieser Toraschmuck dem Jüdischen Museum in Basel als Dauerleihgabe
übergeben.
Seit 1968 erinnert ein Gedenkstein am Synagogengrundstück an das
Schicksal der Synagoge. Das Synagogengrundstück selbst gehört heute zu
dem Campingplatz am See. Mit der Aufrichtung eines "Synagogentors"
wurde das Synagogengrundstück Ende 2009 neu gestaltet (siehe Bericht
unten). 2017 kam es zu einem Pächterwechsel des Grundstückes der
ehemaligen Synagoge. Dadurch wurde eine neue Diskussion ausgelöst um die
künftige Gestaltung des Synagogengrundstückes. Der "Freundeskreis Jacob Picard"
möchte hier eine Gedenkstelle einrichten.
Fotos
Historische Fotos:
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Synagoge in Wangen
(Quelle: Turn- und Sportverein
Wangen, s.u. Links) |
Dass. (Quelle: Hundsnurscher/
Taddey s. Lit. Abb. 213)
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Innenaufnahme (Quelle: J.
Picard, Erinnerung
s.Lit. S.182; rechts technisch
überarbeitet von Roland Oesterlein) |
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Der Eingang zur
Synagoge |
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Der Eingang zur Synagoge
vor 1938
(Foto: Gert Wolf; Quelle: Hegau-Jahrbuch) |
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Fotos nach 1945/Gegenwart:
Weitere Spuren der jüdischen Geschichte
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 13.6.2004)
Hinweis
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Obige Abbildung zeigt nach
Angaben von Nachum T. Gidal: Die Juden in Deutschland von der Römerzeit
bis zur Weimarer Republik 19887 S. 250 das "Israelitische
Schul- und Rathaus in Öhningen, Ortsteil Wangen". Auf Grund dieser
Angabe wurde auch noch im Buch Joachim Hahn/Jürgen Krüger: Die Synagogen
in Baden-Württemberg. Stuttgart 2007 Bd. 2 S. 366 dies so
übernommen.
Freilich handelt es sich nach Angaben von Dr. Franz Hofmann, Konstanz hier
um das Israelitische Schulhaus in Randegg. |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
November 2009:
Neugestaltung der Gedenkstätte für die
Synagoge |
Artikel im "Südkurier" vom
7. November 2009 (Artikel):
"Öhningen - Die jüdische Synagoge.
Am kommenden Montag, 18 Uhr, findet am Seeweg in Wangen eine öffentliche Grundsteinlegung zum Synagogentor statt, das künftig an das jüdische Gotteshaus erinnern wird, das sich bis 1938 hier einmal befand...".
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Januar 2010:
Ehrung für das Engagement des "Gäste-,
Kultur- und Dorfvereins u.a. im Blick auf die Neugestaltung der
Synagogengedenkstätte |
Artikel (Verfasser: Strate) im
"Südkurier" (Kreis Konstanz) vom 3. Februar 2010 (Artikel):
"Öhningen-Wangen. Dorfverein bleibt treibende Kraft. ...
Zudem ist das historisch-kulturelle Engagement für Wangen ein weiteres erklärtes Ziel der Vereinsaktiven:
So wurde vor rund zwei Jahren die Idee geboren, die Synagogen-Gedenkstätte des Dorfes neu zu
gestalten. Bisher erinnerte lediglich ein Gedenkstein daran, dass am 10. November 1938 die jüdische Synagoge von Wangen durch die SS niedergebrannt und damit eine bis dahin rund dreihundertjährige freundliche Koexistenz von jüdischer und christlicher Gemeinde in Wangen zerstört wurde. Auf Betreiben des Vereins wurde mit Hilfe des Ortsvorstehers Thomas von Gottberg eine Mitfinanzierung des Projekts durch die Gemeinde verabschiedet...".
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März 2010:
Ein neues Denkmal wird am Synagogenstandort
aufgestellt |
Artikel im "Südkurier"
(Radolfzell) vom 20. März 2010 (Artikel):
"Geschichte: Denkmal am Standort der früheren Synagoge.
Öhningen-Wangen – An das 300 Jahre währende Miteinander von christlicher und jüdischer Dorfgemeinschaft bis zur Zerstörung durch die nationalsozialistische Diktatur wollen der Gäste-, Kultur- und Dorfverein Wangen und die Gemeinde Öhningen erinnern..." |
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Artikel im "Südkurier"
(Radolfzell) vom 24. März 2010 (Artikel):
"Blick nach Osten. Es war ein berührender Augenblick. 72 Jahre nachdem die Synagoge in Wangen auf der Höri in der so genannten Reichskristallnacht in Flammen aufgegangen ist, öffnete Ortsvorsteher Thomas von Gottberg das Tor zur Synagoge wieder..." |
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Frühjahr/Sommer
2017: Ausstellung zu Familie Wolf in
Diessenhofen |
"Die Wolfs. Geschichte einer
Familie". Jüdisches Leben am Bodensee und Rhein. Eine
Ausstellung von Anne Oberlack in Kooperation mit dem Museum Lindwurm Stein
am Rhein
17.3.-21.7.2017 im Museum kunst+wissen diessenhofen. Die Ausstellung zeigt eine fesselnde deutsch-jüdische Familiengeschichte, die
über mehrere Generationen hinweg bis in die Gegenwart führt. Der Arzt Nathan Wolf, seine Frau Auguste und ihre Kinder Hannelore und Gert
stehen für ein Leben zwischen Integration und Ausgrenzung, Verfolgung und
Exil, Rückkehr und Selbstbehauptung. Die nahe Schweiz und der Rhein werden für
die halb-christliche, halb-jüdische Familie einerseits zum „rettenden Ufer“, andererseits
zur unüberwindbaren Grenze. Das Leben und Leiden der Wolfs beschreibt die Ausstellung eindrücklich anhand historischer Fotografien und Portraits, in
Tagebüchern, Briefen und Postkarten.
Im Ausstellungskino wird der Dokumentarfilm von Marcus Welsch gezeigt:
'... und dann waren wir wieder da, wo wir hingehören', in dem Hannelore König und Gert
Wolf über ihr Leben erzählen.
Erhältlich ist auch die Publikation von Anne Overlack „In der Heimat eine Fremde“.
Kontakt: Museum kunst+wissen Museumsgasse 11 CH-8253 Diessenhofen
www.diessenhofen.ch
Helga Sandl, Leitung und Kuration kunstwissen@diessenhofen.org |
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Februar 2018:
Soll das Synagogengebäude wieder
aufgebaut/sichtbar gemacht werden? |
Artikel von Achim Holzmann im
"Wochenblatt" (Lokalausgabe) vom 18. Februar 2018: "Wiederaufbau der jüdischen Synagoge.
Der Herzenswunsch von vielen Wangenern
Öhningen. Das Einzige, was derzeit noch an die ehemalige Synagoge in Wangen erinnert, ist das Eingangstor und ein Gedenkstein im Ortskern am vorderen Eingang vom Campingplatz. Dort gab es im 19. Jahrhundert, in unmittelbarer Seenähe, ein jüdisches Wohngebiet. Bis 1825 stand hier eine kleine Synagoge, die vermutlich im 18. Jahrhundert erbaut worden war. Die Konstruktion war aus Holz und im Betsaal gab es 22 Plätze. 1938 wurde die Synagoge zerstört. Bis 1933 lebten noch 20 jüdische Personen in Wangen.
Heute befindet sich auf diesem Areal ein Teil des Campingplatzes mit Saisonstellplätzen. Der mittelfristige Wiederaufbau dieses geschichtsträchtigen Ortes ist ein Herzenswunsch von vielen Wangenern. Ein neuer Synagogenplatz soll die lange währende positive Koexistenz beider Religionsgemeinden dokumentieren. Der Platz soll sich zu einem Platz der Begegnung und der christlich-jüdischen Kultur entwickeln. Aus diesem Grund setzte sich der Ortschaftsrat mit dem Thema auseinander und startete einen Dialog mit den Bürgern.
In der jüngsten Sitzung im Öhninger Gemeinderat informierte Ortsvorsteher Siegfried Schnur zu den Ergebnissen. Die Aktion
'Sichtbarmachung der Synagoge' soll mit der Gesamtplanung zur Sanierung und Erweiterung des Campingplatzes verwoben werden. Der Campingplatz wurde kürzlich wieder für weitere fünf Jahre an den bisherigen Pächter verpachtet. Die zukünftige Entwicklung und die Umgestaltung wurden im Rahmen der Neuverpachtung diskutiert. Angedacht sind die Verlegung des Platzes in Richtung Friedhof, oder ein Flächentausch von Grundstücken, der es ermöglicht den Campingplatz trotz einer Neuerrichtung des Synagogenplatzes wirtschaftlich zu betreiben. Der Gemeinderat erteilte einstimmig sein Einvernehmen. Er beauftragte die Verwaltung die notwendigen Schritte einzuleiten.
Ein weiterer wichtiger Punkt der Sitzung war das Ergebnis einer Umfrage zum Standort des Wochenmarktes. Mit der Verlegung des Standortes war die Belebung des Dorfkerns beabsichtigt. Entgegen den Vorstellungen von einigen Gemeinderäten lehnten die Marktbeschicker das Vorhaben ab. Die Umfrage zeigt deutlich, dass alle Teilnehmer den gegenwärtigen Standort südlich des Sportplatzes präferieren."
Link
zum Artikel |
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November 2018:
Dr. Gert Wolf berichtet über die
Geschichte seiner Familie in Wangen |
Artikel von Ute Mucha im "Wochenblatt" vom
14. November 2018: "Zur Mahnung und Erinnerung. Gedenkfeier Pogromnacht
Gailingen
Ein Zeitzeuge berichtet an der Gedenkfeier zum 80. Jahrestag des
Novemberpogroms
Gailingen. Stille und Betroffenheit füllten den Leopold Guggenheim-Saal
im jüdischen Museum in Gailingen, als Dr. Gert Wolf seine Erinnerungen an
den wohl dunkelsten Teil seines Lebens beendet hatte. Der 90-Jährige aus
Wangen schilderte die Vorkommnisse vom 10. November 1938, als SS-Offiziere
aus Radolfzell in den frühen Morgenstunden in sein Elternhaus eindrangen,
seinen Vater, einen jüdischen Arzt schlugen, verhafteten und ins
Konzentrationslager nach Dachau verschleppten. 'Als er zurück kam, war er
nicht mehr wieder zu erkennen, nach all den Gräueltaten', erinnerte sich
Gert Wolf selbst nach acht Jahrzehnten. Der Zeitzeuge ist seit Jahren dem
Verein für jüdische Geschichte in Gailingen eng verbunden und nahm gemeinsam
mit zahlreichen Bürgern aus Gailingen und Nachbargemeinden vergangenen
Donnerstag an der Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Novemberpogromnacht am
Synagogenplatz in Gailingen teil, wo den Opfern des Nationalsozialismus
gedacht wurde. Dort mahnten zu Beginn Schüler der Internatsschule
Friedrichsheim mit Gedichten eindringlich gegen Antisemitismus und
Gleichgültigkeit ehe Ingbert Sienel als erster Vertreter von Bürgermeister
Dr. Thomas Auer an die 'schlimmsten Tage in der Geschichte unseres Landes'
erinnerte. Damals vor 80 Jahren, als in Gailingen und in der ganzen Republik
Synagogen brannten, jüdische Einrichtungen und Geschäfte verwüstet und
Tausende Juden verhaftet, misshandelt und getötet wurden. 'Das war ein
staatlich inszenierter Zivilisationsbruch, nicht nur verübt von fanatischen
Nationalsozialisten, sondern auch von Menschen, die bis dahin Nachbarn waren
- und es endete im Holocaust', fasste Sienel zusammen. Er legte den Kranz an
der Gedenkstätte nieder, um 'die Opfer zu ehren, uns alle zu mahnen und uns
zu erinnern' und appellierte: 'Wehret den Anfängen'. Gerade wegen der
schrecklichen Erfahrungen sei es umso unerträglicher, dass 'auch im Jahr
2018 in unserem Land jüdische Einrichtungen beschützt werden müssen und
antisemitische Parolen verbreitet werden', schloss der erste
Bürgermeisterstellvertreter. Im Guggenheim-Saal erinnerte Pfarrer Matthias
Stahlmann an die dunkle Zeit vor 80 Jahren, als den jüdischen Mitbürgern
sämtliche Rechte genommen, sie zu Fremden und Feinden im eigenen Land
gemacht wurden. Und: 'in der auch die Kirche komplett versagt habe', so der
evangelische Pfarrer und forderte, dass 'alle Menschen sich dafür einsetzen
müssen, damit solche Gräueltaten nicht wieder geschehen'. Joachim Klose vom
Verein für jüdische Geschichte Gailingen, erzählte das berührende Schicksal
der Familie Seligmann, die die Leitung des jüdischen Altenheims
Friedrichsheim übernommen hatte, kurz bevor die systematische Verfolgung und
Vernichtung der jüdisch-gläubigen Bevölkerung begann. Verhaftung, Folter,
Konzentrationslager und Flucht, Trennung und der Tod des kleinen Herbert
haben für dessen Schwester Henny noch heute traumatisierende Auswirkungen.
Vor zehn Jahren kehrte sie aus Israel noch einmal zurück nach Gailingen an
den Hochrhein - dorthin, wo ihr Leben und das ihrer Familie damals diese
schreckliche Wendung nahm."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur
(hier auch Literatur zum "Dichter des alemannischen
Landjudentums" Jacob Picard, geb. 1883 in Wangen, gest. 1967 in Konstanz):
| Heymann
Chone: Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Synagoge in Wangen.
Konstanz 1927. |
| Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 284-287. |
| Otto Blumenthal: Die Verhaftung, in: Wir haben es
gesehen. Augenzeugenberichte über die Judenverfolgung im Dritten Reich (hg.
Gerhard Schoenberner). Wiesbaden 1981. S. 53-61. |
| Leo Picard: Vom
Bodensee nach Erez Israel - Pionierarbeit für Geologie und
Grundwasser seit 1924. Konstanz 1996 (auch hebräisch). |
| Manfred Bosch/Jost Grosspietsch: Jacob Picard
1883-1967. Dichter des deutschen Landjudentums. Ausstellungskatalog
Sulzburg. 1992. |
| Manfred Bosch (Hg.): Jacob Picard. Werke in zwei
Bänden. Konstanz 1991. |
| Hermann Dicker: Aus Württembergs jüdischer
Vergangenheit und Gegenwart. 1984. S. 120-125 (zu Jacob Picard). |
| Naftali Bar-Giora Bamberger: Der jüdische Friedhof
in Gailingen. 1994. |
| Jacob Picard: Erinnerung eigenen Lebens. In:
Alemannisches Judentum. Spuren einer verlorenen Kultur. Hg. Manfred Bosch.
Eggingen 2001.
|
| Joseph Walk (Hrsg.): Württemberg - Hohenzollern -
Baden. Reihe: Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from
their foundation till after the Holocaust (hebräisch). Yad Vashem Jerusalem
1986. S. 216-217. |
| Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007.
|
| Markus Wolter: particularly hard - Die Stadt
Radolfzell im Nationalsozialismus. Freiburg 2010. Darin: S. 11-13:
Reichspogrom in Wangen und Horn/Gaienhofen. S. 13-14: Reichspogrom in
Gailingen. S. 14-16 Reichspogrom in Konstanz. Link
zu dieser Arbeit |
| ders.: Radolfzell im Nationalsozialismus. Die
Heinrich-Koeppen-Kaserne als Standort der Waffen-SS. In: Schriften des
Vereins für die Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. Band 129.
Thorbecke Ostfildern 2011.
|
| Helmut Fidler: Jüdisches Leben am Bodensee.
Verlag Huber Frauenfeld - Stuttgart - Wien 2011. 320 S. zahlreiche
Abbildungen. Verlag: www.verlaghuber.ch
mit Infoseite
zum Buch. ISBN 978-3-7193-1392-0. 29,90 € 39,90
CHF
Wenn aus Fremden Nachbarn werden. Zwei Generationen nach dem Zweiten
Weltkrieg und dem Ende des Holocaust geht Helmut Fidler einen
ungewöhnlichen Weg, um achthundert Jahre jüdische Geschichte in der
Bodenseeregion zu beschreiben. Er sucht die Orte auf, an denen jüdisches
Leben heute noch sichtbar, nach-erlebbar und begreifbar ist, erzählt von
Personen, die hier gelebt haben, und von Ereignissen, die in Erinnerung
geblieben sind.
|
| Anne
Overlack: "In der Heimat eine Fremde". Das Leben einer
deutschen jüdischen Familie im 20. Jahrhundert. 320 S. 153 s/w Abb. und
zwei Karten. Geb. mit Schutzumschlag und zwei Lesebändchen Verlag
Klöpfer & Meyer www.kloepfer-meyer.de
ISBN 9789-3-86351-419-8 34 €. Flyer
zum Buch.
Die Buchvorstellung war am 10. April 2016 im Bürgerhaus Gaienhofen http://www.hesse-museum-gaienhofen.de/hessemuseum/event/detail/607331
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Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Wangen Baden. (*The
Jewish community in Wangen...) was apparently established in the late 16th
century, growing steadily in the 18th century and reaching a peak population of
224 in 1825 (total 570). Most Jews engaged in the cattle trade across the Swiss
border. A new synagogue was built in 1825 and a cemetery was consecrated in
1827. After 1875, the Jewish population dropped rapidly and numbered 20 in 1933.
On Kristallnacht (9-10 November 1938) the synagogue was blown up, the
cemetery was desecrated, and Jews were severely beaten before being sent to the
Dachau concentration camp. Nine left in 1933-40 and the last seven were deported
to the Gurs concentration camp on 22 October 1940.
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