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Heilbronn 457 Inschriften (1813-1968)

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TEI P5

Projekt

1990 wurde Dan Bondy von der Stadt Heilbronn mit der Dokumentation des jüdischen Friedhofs Heilbronn im Breitenloch beauftragt. 1991 wurde diese Arbeit vervielfältigt und an verschiedene Institutionen verteilt.

Lage

Der jüdische Friedhof von Heilbronn (6500 qm) liegt am Fuße des Wartbergs. Er ist der jüngste der drei jüdischen Friedhöfe, die es zu verschiedenen Zeiten in Heilbronn gegeben hat und der einzige noch erhaltene. An drei Seiten grenzt er an Straßen: Im Breitenloch, Erlenbacher Straße und Raffeltersteige. Links vom Eingangstor ist eine Gedenktafel für die deportierten und ermordeten Heilbronner Juden angebracht. Ein Hauptweg führt von Westen nach Osten und trennt die Gräberreihen voneinander. In seiner Mitte steht ein Denkmal für die Heilbronner jüdischen Gefallenen aus dem ersten Weltkrieg. Der südliche Teil des Friedhofs ist belegt. Die Grabmale sind fortlaufend mit ungeraden Zahlen nummeriert (1-275). Der nördliche Teil ist mit fortlaufenden geraden Zahlen nummeriert (2-704). Beginnend mit einem "Kinderfeld", weist er im östlichen Bereich eine größere freie Fläche auf. Ob und wie viele Steine fehlen, bleibt ungewiss. Erhalten sind insgesamt ca. 515 Grabsteine, davon sind ungefähr 50 ganz oder teilweise zerstört bzw. völlig verwittert. Die erste Bestattung ist datiert vom 1.8.1868 (Franke, S. 183), das älteste noch erhaltene Grabmal ist vom 15.9.1868 (Kindergrab Nr. 23).

Es gibt keine ausschließlich hebräisch verfasste Inschrift. An einigen Steinen, die heute keine deutschen Inschriften aufweisen (z.B. Nr. 112, 116, 186), sind diese offensichtlich entfernt worden. Die Mehrzahl der Inschriften (ca. 70 ̆ist zweisprachig verfasst, zumindest ist die traditionelle Kopf- bzw. Schlussformel in hebräischen Lettern angebracht. Im 19. Jahrhundert überwiegt die deutliche Trennung von hebräischem (Vorderseite) und deutschem Text (Rückseite). Ab der Jahrhundertwende wird deutscher Text auf der Rückseite seltener und nimmt auf der Vorderseite die Stelle des Hebräischen ein. Diese Entwicklung schreitet erst ab 1920 schnell voran. In den 30er Jahren ist die hebräische Kopf- und/oder die Schlussformel wieder häufiger zu finden. Der Übergang von der getrennten Zweisprachigkeit zu nur deutschen Texten (134) führt nicht über die zweisprachigen Inschriften auf der Vorderseite (85), da diese sich in etwa gleich über die Jahrzehnte verteilen.

Die Form der Steine passt sich der der bürgerlich-christlichen jener Zeit stark an. Schmuckelemente wie Palmetten und Eckakroterien verzieren öfters die Grabmale. Die Grundformen der Steine sind nicht mehr durchweg traditionell zu nennen. So finden sich neben der hochrechteckigen Stele mit dem rundbogigen Abschluss, die in der Ausführung variiert, auch polierte, aus schwarzem Granit hergestellte Obelisken mit pyramidenartigem Abschluss, die ebenfalls in Höhe und Breite variieren. Auch die unterschiedliche Größe der Steine, wenn sie auch nicht so auffällig wie auf anderen jüdischen Friedhöfen in Städten ist, zeigt doch ein verändertes Gesamtbild im Vergleich zu älteren Begräbnisorten, wie etwa in Sontheim.

Das Material der Grabmale ist nicht einheitlich. Es gibt auch hier den so häufig verwendeten Sandstein mit oder ohne eine darin eingelassene marmorne Schrifttafel. Die Sandsteine sind in unterschiedlichen Stadien der Verwitterung, die immer schneller voranschreitet. Einige Inschriften (z. B. Nr. 602) konnten nur noch anhand von Aufnahmen aus dem Jahre 1982 entziffert werden, da die Inschrift mittlerweile verloren ist. Es wurde auch zunehmend widerstandsfähigeres Material verwendet wie schwarzer Granit oder Kunststein.

Die Zahl der jüdischen Symbole (51) ist kaum kleiner als die der nicht-jüdischen (61). Am häufigsten (33) ist das David-Schild in verschiedenen Ausführungen vertreten. Von den anderen Symbolen finden sich noch die Levitenkanne (13), die zum Priestersegen erhobenen Hände (4) und einmal das Schofar auf den Grabmalen. Von den nicht-jüdischen Symbolen sind der fünfzackige Stern (18), Kränze, Mohnkapseln als Symbol des Schlafes, und eine Pickelhaube (Nr. 233) zu nennen. Gräber von jung verstorbenen Menschen erkennt man an den Grabsteinen in Form einer abgebrochenen Säule (z.B. Nr. 114 und 272) oder am Symbol der gebrochenen Rose (Nr. 226).

Es gibt mehrere aufwendige und ausführliche hebräische Texte (z. B. Nr. 20, 63, 139, 165, 221, 222, 270, 304, 332, 534). Einige dieser Inschriften, aber auch noch andere (z. B. Nr. 284, 424, 466) sind nach einem vorgegebenen Schema komponiert (Namensakrostichon und Endreim), was der Inschrift einen stärkeren formalen Ausdruck verleiht. Es finden sich traditionelle Eulogien, die Aufrichtigkeit und Lauterkeit der Verstorbenen betonen (z. B. Nr. 66, 170, 173, 190), wie auch den steten Synagogenbesuch bei Männern (z. B. Nr. 5, 122,136), einmal auch bei einer Frau (Nr. 298). Bei Frauen werden u. a. die Wohltätigkeit (z. B. Nr. 38, 96, 326, 214) und die Fürsorge für Gatte und Kinder (z. B. Nr. 34, 56, 58, 224, 238) hervorgehoben. Die Ausübung religiöser Funktionen bei Männern wird vorwiegend im hebräischen Text erwähnt: Beschneider (Nr. 230), Schofarbläser (Nr. 165, 288) und Vorsänger (Nr. 74, 270, 288 - die beiden letzteren auch im deutschen Text). Die Todesursache, die auf Inschriften früherer Jahrhunderte selten genannt war (mit Ausnahme von Frauen, die während oder kurz nach einer Niederkunft starben, hier Nr. 209, 292, 334), ist hier öfters beschrieben. So wird z. B. berichtet von Menschen, die während eines Kuraufenthaltes starben (Nr. 96, 208, 290 u.a.), von dem jungen Mann, der im Hause seiner Schwester erkrankte (Nr. 332), vom Vorsteher, der während einer Epidemie verschied (Nr. 304), oder vom Knaben, der in den Fluten des Neckars unterging (Nr. K17). Eine Zeit lang (1894-1916) wird die Wiedergabe des Todesjahres als Chronostichon (z. B. Nr. 7, 13, 122, 233, 270) beliebt. Verwendet wurden vornehmlich Zitate aus den Sprüchen, aber auch aus den Psalmen.

In den deutschen Texten finden sich zum einen ebenfalls viele Eulogien. Es sind Bibelzitate aus den Psalmen, aber auch aus den Sprüchen und einmal aus dem zweiten Buch Samuel (Nr. 240). Die Mehrzahl der Zitate sind in Inschriften des 19. Jahrhunderts zu finden (z. B. Nr. 164, 178, 211, 332), aber noch 1901 (Nr. 86) und 1921 (Nr. 195). Zum anderen sind es der Konventionen der Zeit sich anlehnende Sätze und Denksprüche wie: "Dem Auge fern, dem Herzen ewig nah" (Nr. 14, 438) und "Erst im Sarge endet des Menschen Sorge" (Nr. 38).

Diese Sätze finden sich auf den Inschriften von 1871 bis ca. 1920. Danach, mit dem Übergang zu nur deutschen Inschriften, werden die Texte kürzer und geben, mit wenigen Ausnahmen, nur noch Namen, Geburts- und Sterbedaten an.

Inschriften, die den hebräischen Text in deutschem Sprachgewand wiederzugeben suchen, sind sehr selten. Nur ein Beispiel soll hier erwähnt werden (Nr. 636). Es ist die Zeit (1935), und der Text: "Lichtblick sei sie fürs Volk - das Bedrückte", die diese Inschrift hervorheben.

Ganz im Sinne der jüdischen Tradition ist das Bestreben, jedem Verstorbenen einen Grabstein zu setzen. Da, wo es keine Angehörigen gab, übernahmen diese ehrenvolle Aufgabe die Männer der Chewra Kaddischa ("heilige Bruderschaft") für einen Synagogendiener (Nr. 140), wohltätige Frauen für eine auswärtige, unverheiratete Frau (Nr. 162), oder wohltätige Männer für einen Juden aus Russland (Nr. 352).

Zu erwähnen sind auch die (meist deutschsprachigen) Inschriften von Gefallenen aus dem ersten Weltkrieg (Nr. 121, 233, 265, 468, 484, 546), von Ermordeten während der Nazi-Zeit (Nr. 20, 237, 249, 538, 572, K20) und von Menschen, die nach 1945 hier begraben wurden (Nr. 239, 267, 271, 273, 275, 526, 566, 568, 620, 640).

Heilbronn ist ein Begräbnisort, der den Weg vom traditionellen zum assimilierten Judentum in seiner Zeit widerspiegelt. Dabei setzte sich die Anpassung an die bürgerlich-christliche Umgebung schneller und deutlicher in der äußerlichen Form der Steine als in den Inhalten der Texte durch. Dies kann auch so verstanden werden, dass die äußere Form leichter anzunehmen war, als die jüdische Tradition der Vorfahren aufzugeben.

Edition

Dan Bondy

Fotografie

Stadt Heilbronn

Zitation der digitalen Edition

Digitale Edition - Jüdischer Friedhof Heilbronn (1813-1968 / 457 Einträge)
URL: http://www.steinheim-institut.de/cgi-bin/epidat?id=hnn

 

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