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Alzenau
(Kreis Aschaffenburg,
Unterfranken)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Alzenau bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17./18.
Jahrhunderts zurück. Im 17. Jahrhundert lebten bereits 12 jüdische
Familien am Ort, im benachbarten Wasserlos
waren es sogar 30 Familien (mit einer im 19. Jahrhundert zurückgehenden
Tendenz, sodass sich die Juden aus Wasserlos 1871 der Gemeinde in Alzenau
anschlossen). Im 18. Jahrhundert war die Zahl der jüdischen Familien zurückgegangen,
1794 waren es noch drei jüdische Familien in der Stadt.
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Alzenau auf sieben
Matrikelstellen die folgenden jüdischen Familienvorstände genannt (mit
neuem Familiennamen und Erwerbszweige): Herz Hamburger (Viehhandel), Simon
Hamburger (Schlachten), Jacob Schlessinger (Handel mit alten Kleidern, Kupfer,
Eisen usw.). Löw Hamburger (Kramhandel, war damals Judenvorstand), David
Hamburger ("ist noch in seines Vaters Brot"), Beer Hamburger
(Kramhandel), Isaak Hamburger (Feldbau). 1816 wurden außerdem noch genannt:
Daniel Hamburger, Samson Hamburger, Josel Schlesinger und Salomon Löbs Kinder.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Zahl der jüdischen
Einwohner wie folgt: 1867 63 jüdische Einwohner (5,5 % von insgesamt
1.144), 1880 69 (5,1 % von 1.340), 1890 65 (4,4 % von 1.477), 1892 76 (in 13
Familien), 1900 91 (5,3 % von
1.719), Höchstzahl 1910 112 ( in 25 Familien, 5,2 % von 1.719).
Jüdische Gewerbetreibende spielten seit der Mitte des 19. Jahrhunderts
eine nicht unbedeutende Rolle im wirtschaftlichen Leben der Stadt und der
Industrialisierung. Sie waren als Viehhändler tätig, bauten Tabakwaren- und Möbelfabriken
auf, einige waren Handwerker.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule und ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen
Friedhof in Hörstein
beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl. unten
Ausschreibungstexte der Stelle). Von den Lehrern werden genannt: um 1864/1872
Moses Baumann, um 1881 J. Kaufmann, um 1887/1889 Lehrer Schleßinger, 1889 bis
1892 Selig Wissmann, um 1895 J. Hamburger, um 1896 S. Blumenthal (geb. 1873 in
Laudenbach, zeitweise auch Lehrer
in Goßmannsdorf), um 1898 N. Berlinger, um 1899/1900 Nathan Adler
(geb. 1879; Examen 1898 vermutlich an der ILBA Würzburg; umgekommen nach
Deportation 1942), ab 1901 Benzion Wechsler.
An der
Religionsschule der Gemeinde wurden 1892 16 Kinder unterrichtet, 1896 13 Kinder.
Die Gemeinde war orthodox geprägt. Sie gehörte
zum Distriktrabbinat in Aschaffenburg.
An jüdischen Vereinen werden genannt (vgl. unten die Angaben zu 1925): 1892 der Tora-Lern- und
Wohltätigkeitsverein Chewrat Talmud Thora ugmilus chassodim (1892 unter
Leitung von Lehrer S. Wißmann); Ortsgruppe des Verbandes der Sabbatfreunde
(siehe Mitteilung unten von 1908).
Von den Gemeindevorstehern werden genannt. um 1876 Ruben Manko, vor 1890
Daniel Hamburger, um 1892/1895 Löb Hamburger, um 1896/1901 Isidor Hamburger.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Hugo Jakob
Hamburger (geb. 7.11.1886 in Alzenau, gef. 17.6.1917) und Robert Lindenberger
(geb. 26.11.1887 in Wasserlos, gest. an der Kriegsverletzung am 2.8.1919).
Um 1925, als 97 Personen zur jüdischen Gemeinde gehörten (3,9 % von
insgesamt 2.481 Einwohnern; dazu neun jüdische Personen aus Wasserlos,
1932 sieben Personen), waren die Vorsteher der Gemeinde: Isidor
Hamburger, Louis Marburg und Salomon Hamburger. Als Lehrer, Kantor und
Schochet war seit 1901 Benzion Wechsler tätig (geb. 1874 in Schwabach
als Sohn des Rabbiners Heinrich Wechsler und der Klara geb. Rosenbaum; war noch
nach 1933 Lehrer in Alzenau, umgekommen nach Deportation 1942 in Sobibor;
Bericht zum 25jährigen Ortsjubiläum siehe unten). Er unterrichtete im
Schuljahr 1923/24 an der Israelitischen Religionsschule acht Kinder und erteilte
drei Kindern Religionsunterricht an der Volksschule des Ortes; 1932 waren es
noch insgesamt sieben Kinder). An jüdischen Vereinen bestanden noch der
Israelitische Männerverein Chewra Kadischa (gegründet 1890; Ziele:
Unterstützung Hilfsbedürftiger, Kranker, Bestattung) und der Israelitische
Frauenverein (gegründet 1905, Ziele: Unterstützung Hilfsbedürftiger,
Wache bei Kranken und Toten, siehe Näheres im Nachruf zur langjährigen 1.
Vorsitzenden Frau Hamburger, s.u. und im Bericht zum 25-jährigen Stiftungsfest
1930 unten). 1932 waren die Vorsteher weiterhin
Isidor Hamburger (1. Vorsteher), Josef Hamburger (2. Vorsteher); Kassierer war
Salomon Hamburger.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 setzte sich der
wirtschaftliche Boykott in Alzenau erst langsam durch. Noch im September 1935
waren 20 der 29 Tabakwarenfabriken in jüdischem Besitz und beschäftigten etwa
2.100 Arbeiter und Arbeiterinnen. Bis Sommer 1937 befand sich auch der
Viehhandel noch überwiegend in jüdischen Händen. Seit Herbst 1935 hatte sich
allerdings die Situation durch einen auch in Alzenau stärker zunehmenden
Antisemitismus verschärft, sodass sich bis 1939 44 jüdische Einwohner zur
Auswanderung entschlossen, darunter 21 in die Vereinigten Staaten, 11 nach Palästina/Erez
Jisrael. Einigen weiteren gelang bis 1941 noch die Auswanderung; 24 verzogen in
andere deutsche Städte. Die letzten 11 jüdischen Einwohner wurden 1942 nach
Izbica (Polen) oder in das KZ Theresienstadt deportiert.
Von den in Alzenau geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen
Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Jenny (Jeanette)
Adler geb. Hamburger (1869), Frieda Berliner geb. Hamburger (1872), Rosa Frank
geb. Hamburger (1908), Karolina (Karola) Freudenthal geb. Hamburger (1867),
Adolf Hamburger (1910), Bernhard Hamburger (1875), Bertha Hamburger (1900), Dina
Hamburger geb. Wallerstein (1900), Elsa Hamburger geb. Steinhäuser (1885),
Fanny Hamburger geb. Goldschmidt (1869), Ferdinand Hamburger (1874), Heinrich
Hamburger (1897), Ilse Hamburger geb. Kahn (1917), Hugo Hamburger (1895),
Jettchen (Binchen) Hamburger geb. Flörsheimer (1876), Josef Hamburger (1873),
Julius Hamburger (1877), Karolina Hamburger geb. Rosenberger (1878), Siegfried
Hamburger (1906), Cäcilie Kiesel geb. Hamburger (1869), Else Kleve geb.
Wechsler (1913), Hermann Manko (1895), Arthur Marburg (1907), Amalia Oestrich
geb. Hamburger (1874), Josef Oestrich (1868), Daniel Rothschild (1881), Karolina
Rothschild geb. Rothschild (1901), Mina Strauss geb. Marx (1884), Benzion
Wechsler (1874), Sofie Wechsler geb. Strauss (1879), Selma Weissmann geb.
Glasberg (1906), Sigmund Weissmann (1931).
Aus dem Leben der jüdischen Gemeinde
Aus der
Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Religionslehrer- und Vorbeterstelle in
Alzenau 1879 / 1892 / 1901 / 1906
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. August 1879:
"Vakanz. Die Religionslehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle in
Alzenau soll sofort wieder besetzt werden. Außer freier Wohnung und
Schulholz beträgt der fixierte Gehalt als Lehrer und Vorsänger 600 Mark
jährlich. Die Einkünfte als Schächter und sonstige Erträgnisse
belaufen sich auf 400 Mark jährlich. Seminaristisch gebildete Bewerber,
die über sittliches und religiöses Betragen genügend sich ausweisen
können, wollen binnen 4 Wochen ihre Bewerbungen mit Zeugnissen an den
Unterzeichneten richten. Aschaffenburg, 25. August 1879. A. Adler,
Distrikts-Rabbiner". |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Januar 1892:
"Lehrer gesucht. Zum 1. März dieses Jahres ist in hiesiger
Synagogengemeinde die Stelle eines Religionslehrers, Vorbeters und
Schochet zu besetzen. Fixo 550 Mark pro Jahr, Nebenverdienste (inkl.
Schächten) ungefähr 300 Mark. Russen und Polen ausgeschlossen. Nur
seminaristisch gebildete Bewerber belieben sich baldigst unter Einreichung
ihrer Zeugnisse zu wenden an den Kultusvorstand
Löb Hamburger in Alzenau
bei Aschaffenburg." |
Anmerkung: 1889 bis 1892 war als Lehrer in Alzenau Selig Wißmann
tätig. Bericht zu ihm siehe unten. |
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Anzeige in "Der Israelit" vom 25. Juli
1898: "Die hiesige Religions-, Vorbeter- und Schächterstelle
ist als bald neu zu besetzen. Fester Gehalt 750 M., bei freier Wohnung.
Nebeneinkommen circa 300 M. Seminaristtisch gebildete, ledige Bewerber
wollen ihre Offerten nebst Zeugnisabschriften innerhalb acht Tagen an den
unterfertigten Kultusvorstand einsenden.
Alzenau, bei Aschaffenburg.
Der Kultusvorstand: Isidor Hamburger." |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. September 1901:
"Wir suchen für sofort einen seminaristisch gebildeten, längere
Zeit in Praxis gestandenen Religionslehrer, der Chassen und
Schochet ist. Fixum 900 Mark. - Nebeneinkünfte ca. 300 Mark. Antritt: 10.
Oktober dieses Jahres. Bewerbungen alsbald zu richten an
Isidor Hamburger,
Vorstand der israelitischen Kultusgemeinde,
Alzenau (Unterfranken)." |
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Anzeige
in "Der Israelit" vom 16. April 1906: "Die hiesige
Religions-, Vorbeter- und Schächterstelle ist alsbald neu zu
besetzen. Fester Gehalt 650 M. bei freier Wohnung. Nebeneinkommen circa 300
M., für welch Letzteres jedoch keine Garantie geleistet wird. -
Seminaristisch gebildete, ledige Bewerber wollen ihre Offerten nebst
Zeugnisabschriften innerhalb acht Tagen an den unterfertigten Kultusvorstand
einsenden.
Alzenau, bei Aschaffenburg. Der Kultusvorstand: Isidor Hamburger." |
Zum Tod von Lehrer Selig Wißmann in Künzelsau (1889
bis 1892 Lehrer in Alzenau
(1927)
Artikel in der "Gemeindezeitung für die israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 16. Februar 1927: "Künzelsau. In Künzelsau
verstarb am 28. Januar unerwartet an einem Hirnschlag Religionslehrer
Selig Wißmann im Alter von nur 57 Jahren. 35 Jahre hat Lehrer Wißmann in
Künzelsau im Dienste seines heiligen Amtes gewaltet und außer Künzelsau
auch den Gemeinden Braunsbach und Hohebach seine Kraft gewidmet. Wer mit
ihm in Künzelsau durch die Straßen ging, konnte sehen, welche Liebe und
Achtung er überall genoss. Seine Beerdigung war eine imposante Kundgebung
der Treue und Freundschaft, die er sich erworben hatte. Die ganze Stadt
Künzelsau beteiligte sich an der Trauerfeier; Vertreter aller Behörden
und der gesamte Gemeinderat waren zur Feier erschienen. In Künzelsau
hielt vor dem Trauerhause Bezirksrabbiner Dr. Kahn - Mergentheim die
Gedächtnisrede. Nach ihm sprach Flegenheimer - Heilbronn im Namen des
Oberrats, Stadtschultheiß Pflüger für die Stadt Künzelsau, deren
Gemeinderat der Verstorbene lange Zeit angehörte. Studienrat Waldmann
sprach für das Lehrerkollegium der Realschule, Oberlehrer Gutöhrle für
den Bezirksschullehrerverein Künzelsau, Vorsteher Marx - Hohebach für
die Synagogengemeinde Hohebach und Sigmund Gottlieb - Stuttgart für die
Schüler. In der Synagoge, wohin die Gemeinde ihren heimgegangenen Führer
vor seinem letzten Wege noch einmal geleitete, gab Religionslehrer Kulb -
Öhringen in einem erhebenden, von Herzen kommenden Nachruf ergreifend
Ausdruck, welch unersetzliches Vorbild an selbstloser Bescheidenheit und
Pflichterfüllung von uns genommen wurde. Sein letzter Weg führte durch
sein geliebtes Braunsbach nach Schwäbisch
Hall. In Braunsbach wie in
Hall hatte sich ein großes Trauergefolge angesammelt, welches vor der
Stadt den Zug erwartete. Auf dem alten Steinbacher Friedhof war es
Bezirksrabbiner Dr. Berlinger, welcher als Freund und Vorgesetzter ihm den
letzten Gruß entbot. Nach den Vertretern der Gemeinden
Künzelsau und
Braunsbach sprachen noch Oberlehrer Rothschild - Esslingen für den
Israelitischen Lehrerverein und den Lehrerstand, als Nachbarkollege und
Freunde Oberlehrer Oberndörfer - Niederstetten und der Schwiegersohn des
Entschlafenen Dr. Lorch - Nürnberg. Selig Wißmann war am 1. Mai 1869 als
Sohn des Rabbi Salomon Wißmann in Georgensgmünd geboren. Da der
sechsjährige Knabe die Eltern verloren, wurde er von seinem Onkel
Rabbiner Lob Wißmann in Schwabach, dem Führer der dortigen Talmud
Tora-Lehranstalt, erzogen. Nachdem er das Seminar Würzburg 1888
absolviert, erhielt er mit 21 Jahren den Chowertitel. Seine erste
Tätigkeit übte er von 1888-89 als Hilfslehrer an der Volksschule
Thüngen und hierauf von 1889-92 als Lehrer in Alzenau aus. Vom Februar
1892 bis zu seinem Tode, also 35 Jahre, wirkte er in
Künzelsau. Die
Gemeinde dankte ihm den Bau ihrer Synagoge, deren Einweihung 1907
stattfand und die Schaffung eines Ritualbades (1914). Viele Jahre war er
ein geachtetes Mitglied des Gemeinderats und zugleich der Schriftführer
und Kassier der Demokratischen Partei. Sein von seiner Gattin und seinen
sieben Kindern tief betrauerter Tod trat am 28. Januar 1927 ein. Seine
Beisetzung erfolgte am 30. in Hall. Das Andenken des ausgezeichneten
Lehrers und vorbildlichen Juden bleibt
gesegnet!" |
Zum 25-jährigen Ortsjubiläum von Lehrer
Benzion Wechsler (1926)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 7.
Oktober 1926: "Alzenau. Eine Reihe verdienter jüdischer
Lehrer konnten im vergangenen Jahre auf eine 25-, beziehungsweise
50jährige Tätigkeit in ihren Gemeinden zurückblicken. Ihnen reiht sich
am 1. Oktober Herr Benzion Wechsler an, der 25 Jahre als Religionslehrer,
Kantor und Lehrer seine Gemeinde betreut hat. Der Sohn eines bedeutenden
Talmudgelehrten, der an den Talmud-Toraschulen in Schwabach
und Höchberg segensreich
wirkte, widmete er sich der Tradition seiner Familie folgend dem
Lehrerberuf. Nach dem Seminaraustritt (Würzburg 1890), amtierte er in
mehreren Kleingemeinden und folgte 1901 einer Berufung in die noch immer
stattliche Gemeinde Alzenau. Als Sekretär der Kultusverwaltung und
als Kassier und Schriftführer des Frauenvereins nahm er hervorragenden
Anteil am Gemeindeleben. Seiner werbenden Tätigkeit gelang es die
Synagoge gründlich zu renovieren und der Gemeinde ein würdiges
Gotteshaus zu erhalten. Über den engen Kreis hinaus wirkte er im Verband
Bayerischer Israelitischer Gemeinden, im Lehrerverein und der Aguda stets
fördernd, wenn es auch seiner Natur nicht entsprach, sich in den
Vordergrund zu drängen.
Das Vertrauen seiner christlichen Mitbürger übertrug ihm in den
Kriegsjahren das Versorgungswesen, viele Jahre stand er ein eifriger
Schüler Jahns an der Spitze des Turnvereins, leitete er als Dirigent den
örtlichen Gesangverein. So wird der Ehrentag des tüchtigen Schulmanns,
des pflichtbewussten Beamten und allgemein geachteten Bürgers ein
Ehrentag auch für die Kultusgemeinde und das Städtchen werden.
S.D." |
Lehrer Benzion Wechsler wirbt für seine Familien-Pension
(1925)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Juni 1925: "Familien-Pension
gewährt bei voller, vorzüglicher Verpflegung für 5 Mark täglich Lehrer
Wechsler, Alzenau bei Hanau." |
Aus dem jüdischen
Gemeinde- und Vereinsleben
Gründung einer Ortsgruppe des Verbandes der Sabbatfreunde
(1908)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Januar 1908: "Alzenau,
17. Januar (1908). Hier wurde nach einem zündenden Vortrage des Herrn
Louis Kahn - Frankfurt am Main eine Ortsgruppe des Verbandes der
Sabbat-Freunde gegründet, welcher sich der größte Teil der Gemeinde
anschloss. Auch der 'Freuen Vereinigung für die Interessen des orthodoxen
Judentums' traten viele Mitglieder bei." |
Großzügigkeit der Gemeindeverwaltung Alzenau 1910
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. November
1910: "Die Gemeindeverwaltung Alzenau hat beschlossen, den bisher nur
von der christlichen Gemeinde benützten Leichenwagen auch der
israelitischen Kultusgemeinde bei Beerdigungen zur Verfügung zu
stellen." |
25jähriges Stiftungsfest des Israelitischen Frauenvereins Alzenau-Wasserlos
(1930)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Juli
1930: "25jähriges Stiftungsfest des Israelitischen Frauenvereins
Alzenau - Wasserlos (Unterfranken). Einen in allen seinen Teilen
würdigen Verlauf nahm die Feier des 25jährigen Bestehens des
Israelitischen Frauenvereins Alzenau am 15. Juli 1930: Samstagvormittag
entwarf in seiner Festpredigt Herr Bezirksrabbiner Dr. Breuer von Aschaffenburg
in der geschmackvoll dekorierten Synagoge ein Bild des idealen
Frauencharakters Mirjam an Hand des in der heiligen Schrift verlesenen
Wochenabschnitts und ermahnte die Mitglieder des Vereins zu treuem
Festhalten an den Geboten. Das Dreigestirn Moses, Ahron und Mirjam möge
der Gemeinde stets als Leitstern ihrem Leben vorschweben; dann wird der
Verein immer seinem Ziele näher kommen. Sonntagabend fand eine weltliche
Feier statt. Die Schülerin Meta Hamburger trug den von Herrn Lehrer
Wechsler verfassten Prolog vor. Hierauf begrüßte dieser im Namen des
Ausschusses die zahlreiche Erschienenen und gab einen Überblick über die
Tätigkeit des Vereins seit seiner Gründung, bestehend in Wohltätigkeit
(Unterstützung Bedürftiger), Krankenhilfe und Leichenbestattung sowie
Wache bei Toten. An Hand des Prophetenwortes Hoseas: 'Ich verlobe mich dir
auf ewig durch Gerechtigkeit und Recht, in Gnade und Barmherzigkeit, ich
verlobe mich dir in Treue, damit du den Herrn erkennen wirst' erläuterte
er die Bestrebungen des Jubelvereins. Mit ehrenden Worten überreichte der
Schriftführer des Vereins, Herr Lehrer Wechsler, der 1. Vorsteherin seit
Gründung bis zum heutigen Tag, Frau Isidor Hamburger, ein Geschenk. Möge
der Frauenverein weiter wachsen, blühen und gedeihen." |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10.
Juli 1930:
Bericht wie oben in der "Bayerischen Israelitischen
Gemeindezeitung" |
Bericht über die Zweite
Bezirkstagung der Freien Vereinigung in Alzenau (1931)
Artikel in "Der Israelit" vom 18. Juni 1931: "Zweite Bezirkstagung der
Freien Vereinigung in Alzenau..."
Zum Lesen des Artikels bitte Textabbildung anklicken. |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der Gemeinde
Goldene Hochzeit des langjährigen
Vorstehers Daniel Hamburger und seiner Frau (1897)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Januar 1897:
"Worms. Vor Kurzem feierten die hiesigen Eheleute Daniel Hamburger
unter Anteilnahme der ganzen jüdischen Gemeinde das Fest ihrer goldenen
Hochzeit. Hamburger war lange Zeit erster Vorsteher der Gemeinde Alzenau, Rabbinats
Aschaffenburg, wo er durch viele religiöse Institutionen, die er dort
schuf, heute noch in gutem Andenken steht." |
Über eine Publikation zu
Maimonides von Dr. Bernhard Hamburger in Alzenau (1903)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 27. August 1903:
Der Artikel wird nicht ausgeschrieben, da er keine direkten Bezüge zur
jüdischen Geschichte in Alzenau enthält. Bei Interessen: zum Lesen
Textabbildung anklicken. |
Zum Tod von Rebekka Oestreicher geb. Strauß (1906)
Anmerkung: war seit 1837 in Aschaffenburg
verheiratet mit Philipp (Feist) Oestreicher (gest. 1865).
Mitteilung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 19. Januar
1906: "Alzenau. Frau Rebekka Oestreicher, die älteste Frau
unseres Ortes, verschied im Alter von 98 Jahren." |
Zum Unglücksfall der Familie Bernhard Hamburger
(1907)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 1. Februar 1907: "Alzenau. Hier fand man am Samstag
früh die Handelsmannseheleute Bernhard Hamburger nebst ihrem Kinde
bewusstlos in ihrem Schlafzimmer auf. Sie waren durch Einatmen von
Kohlenoxydgas, das aus dem die Nacht über geheizten Ofen entströmte, an
Vergiftungserscheinungen dem Tode nahe. Der Kunst der vier aus der
Umgegend, sowie von Hanau und Frankfurt am Main herbeigerufenen Ärzte
gelang es, die drei Personen wieder zum Bewusststein zu
bringen." |
Zum Tod von Mirjam Strauß geb. Thalheimer (1923)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Januar 1923:
"Alzenau (Unterfranken), 14. Januar. Am vergangenen Sonntag haben wir
eine selten fromme Frau zur letzten Ruhe gebettet. Frau Mirjam Strauß,
Witwe des vor 11 Jahren verblichenen früheren Lehrers Abraham Strauß -
das Gedenken an den Gerechten sei zum Segen - in Berlichingen,
ist nach vierwöchentlichem Krankenlager am Erew Schabat Kodesch Wajehi
(= 5. Januar 1923, Freitag = Vorabend vor dem Schabbat mit der
Toralesung Wajehi) im 77. Lebensjahre sanft verschieden. Getreu dem
Vorbilde ihres Elternhauses - Tochter des weitberühmten Distriktrabbiners
Thalheimer in Mainbernheim - hatte
sie ihr eigenes Haus und ihres frommen, gelehrten Gatten zu einem Mikdasch
Meat (Kleinen Heiligtum) gestaltet und ihre Kinder zu echten Jehudim
erzogen. Ihre hervorragende Herzens- und Geistesbildung, ihr vielseitiges
Wissen auf profanem und besonders jüdischem gebiete befähigten sie, in
ihrem Hause als Priesterin und in ihrer Gemeinde als Führerin in idealem
Sinne zu wirken. Nach ihrem Wegzug von Berlichingen fand die Verstorbene
bei ihrer Tochter, der Gattin des Lehrers Wechsler, liebevolle Aufnahme,
wo ihr ein schöner, sorgenfreier Lebensabend bereitet wurde.
Von der Beliebtheit der Entschlafenen zeugte die große Beteiligung sowohl
von jüdischer als auch nichtjüdischer Seite bei der Beerdigung. Im Sterbezimmer
zeichnete als Freund des Hauses Herr Hauptlehrer Wahler von Hörstein,
ein getreues Lebens- und Charakterbild der Heimgegangenen. Seine von
Herzen zu Herzen gehenden Worte wirkten tiefergreifend. Vor dem
Trauerhause drückte der Schwiegersohn, Herr Lehrer Wechsler, schmerzerfüllt
den Dank und die Anerkennung aus für die aufopfernde Tätigkeit und
Mithilfe bei der Erziehung und Unterweisung seiner Kinder.
Der älteste Sohn, Kantor Strauß von Freiburg,
gab am Grabe dem tiefen Schmerz der Hinterbliebenen über den Heimganz der
guten, treubesorgten Mutter in ergreifenden Worten Ausdruck, dankte der
Verklärten für sich und seine Geschwister dafür, dass sie ihnen alle
Zeit eine Lehrerin und Führerin gewesen war und gelobte, das Vermächtnis
der geliebten Mutter treu zu wahren. Das Gedenken an den Gerechten sei
zum Segen". |
80. Geburtstag von Babette Marx geb. Frank (1924)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Mai 1924:
"Alzenau, 4. Mai (1924). Im Kreise ihrer Kinder feiert in voller
Rüstigkeit Frau Babette Marx geb. Frank ihren achtzigsten Geburtstag. (Alles
Gute) bis 100." |
Zum Tod des Bäckermeisters Kaufmann Schafheimer (1929)
Anmerkung: Anzeigen und biographische Angaben zu Bäckermeister Kaufmann
Schafheimer siehe unten.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. November 1929: "Alzenau,
10. November (1929). Unsere hiesige Gemeinde hat einen herben Verlust
erlitten. Nach schwerem Leiden verschied im Alter von 56 Jahren der hier
allseits beliebt und angesehene Bäckermeister Kaufmann Schafheimer.
Der Verblichene besaß einen vornehmen Charakter und wahre Herzensbildung.
Durchdrungen von dieser Religiosität und echt jüdischem Gottvertrauen,
war er jederzeit ein eifriger Besucher des Gottesdienstes. Beseelt von
einer beispiellosen Hilfsbereitschaft stand er jedem stets gerne mit Rat
und Tat zur Seite. Am Trauerhause entwarf Herr Lehrer Wechsler in beredten
Worten ein Lebensbild von dem Entschlafenen. Im Namen der Familie widmete
der Neffe des Verstorbenen, Herr Lehrer Lehmann - Flehingen,
demselben tief empfundene Worte des Abschieds. Für den Kriegerverein, der
seinem treuen Mitgliede die letzten militärischen Ehren erwies, sprach
Herr Trageser Worte des Dankes für seine dem Verein geleisteten
Verdienste. Namens der Freiwilligen Feuerwehr widmete Herr Bürgermeister Antoni dem langjährigen Mitgliede einen warmen Nachruf. Möge Gott
den trauernden Hinterbliebenen seinen Trost spenden. Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens." |
84. Geburtstag von Babette Marx geb. Frank (1928)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Mai 1928:
"Alzenau, 30. April (1928). In körperlicher und geistiger Frische
feiert am 5. mai Frau Babette Marx geb. Frank in Alzenau ihren 84.
Geburtstag. Nicht nur ihr großer Familienkreis freut sich an diesem Tage
mit der Jubilarin, sondern alle, die sie kennen, nehmen Anteil an dieser
Feierstunde, getragen von dem Wunsch, dass Gott ihr weiter ihre Gesundheit
noch lange Jahre erhalte." |
87. Geburtstag von Herz Hamburger (1928)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Juli 1928: "Hanau,
29. Juni (1928). Am 7. Juli (Schabbos Pinchas) feiert im nahen Alzenau
Herr Herz Hamburger seinen 87. Geburtstag. Der Greis, ein Jehudi vom alten
Schlag, erfreut sich - Gott sei gepriesen - einer seltenen
Rüstigkeit und Frische des Geistes. Er ist weit über die Grenzen seines
Heimatortes bekannt und genießt größte Beliebtheit. Er versieht in
seiner Gemeinde das Amt eines Jom-Kippur-Chasan (ehrenamtlicher
Vorbeter an Jom Kippur) und hat noch an den vergangenen ehrfurchtgebietenden
Tagen dieses Amt in treuer Hingabe versehen. Unser Wunsch: (Alles
Gute) bis 120 Jahre!". |
Zum Tod von Babette Marx (1929)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Januar 1930:
"Alzenau, 30. Dezember (1929). Im hohen Alter von 85 Jahren verstarb
hier Frau Babette Marx. Die Verblichene war durchdrungen von
unerschütterlichem Gottvertrauen und erfüllt von wahrer, in ihrem
innersten Wesen wurzelnden Frömmigkeit. Ausgestattet mit tiefer
Herzensbildung und vornehmem Charakter war sie stets von größter
Liebenswürdigkeit und gewinnender Freundlichkeit zu allen ihren
Mitmenschen. Ihr höchstes Streben fand sie darin, Gastfreundschaft zu
üben. Auch um den hiesigen Frauenverein hat sich die selige Entschlafene
sehr verdient gemacht. So wirkte sie als eine wahre tüchtige Frau im
Kreise ihrer Familie und in unserer Gemeinde. Trotz eines schweren
Fußleidens war die Verblichene noch regelmäßige Besucherin der
Synagoge. Ließ sie sich doch noch einige Wochen vor ihrem Tode von ihren
Kindern unter Aufbietung ihrer letzten Kräfte ins Gotteshaus führen. Die
große Beteiligung an ihrer Beerdigung legte ein beredtes Zeugnis ab von
der Beliebtheit, welcher sie sich in allen Kreisen der Bevölkerung ohne
Unterschied der Konfession erfreute. Am Trauerhause entwarf Herr Lehrer
Wechsler in markanten Worten ein Lebensbild der Dahingeschiedenen und
schilderte ihre hervorragenden Tugenden. Im Namen der Familie widmete ein
Enkel derselben, Herr Lehrer Lehmann, Flehingen,
der geliebten Großmutter tiefempfundene Worte des Dankes und des
Abschieds. Während der Schiw'a (Trauerzeit) hielt ein zweiter
Enkel, Herr Kantor Adler, Fürth, der Heimgegangenen einen herzlichen
Nahruf. Möge der Heilige - er sei (Gott) die tief
trauernden Kinder trösten und ihr Andenken in unserer Gemeinde ein
gesegnetes sein. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Tod von Janchen Hamburger und Aron Freudenthal (1930)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Dezember 1930:
"Alzenau, 29. November 1930. Unsere hiesige Gemeinde hatte innerhalb
zweier Tage zwei Todesfälle zu beklagen. Am 6. November verschied im
Alter von 74 Jahren nach langem Siechtum Frau Janchen Hamburger.
Die verblichene war ein tiefreligiös veranlagter Charakter und
durchdrungen von aufrichtigem Gottesvertrauen. Von großer
Anspruchslosigkeit für sich selbst, zeigte sie sich stets hilfsbereit
gegen ihre Mitmenschen. Die große Beteiligung an der am 9. November
stattgefundenen Beerdigung war ein beredter Beweis für die Beliebtheit,
deren sie sich allseits erfreute. In Abwesenheit des hiesigen Lehrers H.
Wechlser hielt als Verwandter Herr Lehrer Lehmann, Flehingen
die Traueransprache.
Am 7. November wurde Aron Freudenthal im Alter von 63 Jahren von
seinem qualvollen, schweren Leiden erlöst. Der Dahingeschiedene war
beseelt von wahrer Herzensfrömmigkeit und aufrichtigem Gottvertrauen.
Wohltätigkeit auszuüben, war ihm ein Herzensbedürfnis. Liebe und Güte
waren die Grundzüge seines Wesens. Zu allen seinen Mitmenschen war er von
gewinnender Liebenswürdigkeit und steter Freundlichkeit. Er erfreute sich
der grö0ten Beliebtheit und Wertschätzung. Der Neffe des Verblichenen,
Lehrer Lehmann in Flehingen,
schilderte bei der am 10. November stattgefundenen Beerdigung in beredten
Worten die edlen Charaktereigenschaften des Dahingeschiedenen. Seine Seele
sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Tod von Frau Hamburger, Gattin des Kultusvorstehers
Isidor Hamburger (1933)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Mai 1933:
"Alzenau, 22. Mai (1933). Unter außerordentlicher Beteiligung von
nah und fern, auch nichtjüdischer Kreise, wurde am 30. April die Frau
unseres Kultusvorstehers, Herrn Isidor Hamburger, zur letzten Ruhe
gebettet. Lehrer Wechsler würdigte in längerer Rede die Verdienste der
Verschiedenen um die hiesige Gemeinde. Sie war seit Gründung des
Frauenvereins (1905) 1. Vorsteherin bis zu ihrem Tode und leitete den
Verein in mustergültiger Weise. Besonders hob er ihre große
Wohltätigkeit hervor, indem sie den armen Durchwanderern Obdach in ihrem
Hause gewährte und sie mit Speise und Trank labte. Auch im Kriege sorgte
sie, dass die Soldaten Liebespakete erhielten. Ihr Haus suchte sie zu
einem Mikdasch meat (kleinem Heiligtum) zu gestalten, in welchem
ihre ganze Liebe dem Gatten und den Kindern entgegengebracht wurde. Ihr
Andenken wird nicht nur im Frauenverein, sondern bei allen, die sie
kannten, ein gesegnetes sein. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Zum Tod der aus Alzenau stammenden Frau des Eschauer Lehrers Lehmann (1935)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Mai 1935: "Alzenau
(Unterfranken), 1. Mai (1935). Am vierten Tag der Halbfeiertage (des
Pessach-Festes, das war 23. April 1935] verschied im 70. Lebensjahr
Frau Lehrer Lehmann im Spessartdörfchen Eschau.
In Alzenau geboren, war es ihr Wunsch, auf dem dortigen Friedhof
bestattet zu werden. Herr Bezirksrabbiner Dr. Bloch, Aschaffenburg,
widmete der Verstorbenen am Sterbehause Worte ehrenden Gedenkens. Der
einzige Sohn, Lehrer in Wiesloch,
brachte die Gefühle der Dankbarkeit und kindlichen Verehrung zum
Ausdrucke. Ein stattlicher Trauerzug, in welchem auch viele Nichtjuden
waren, gab Frau Lehmann das letzte Geleite. Nach ihrer Überführung zum Friedhof
Alzenaus zeichnete Herr Lehrer Wechsler in kurzen Strichen die
hervorragenden Eigenschaften der Entschlafenen, worauf der Gatte in
rührenden Worten Abschied von der geliebten Lebensgefährtin nahm.
Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Die Frau von Daniel Hamburger sucht
einen Lehrling für ihr Manufaktur-, Kolonial-, Leder- und Eisengeschäft (1892)
Anzeige
in "Der Israelit" vom 1. September 1892: "Ich suche für mein
Samstags und Feiertags streng geschlossenes Manufaktur-, Kolonial-, Leder-
und Eisengeschäft einen Lehrling aus guter Familie. - Kost und Logis im
Hause.
Firma Daniel Hamburger, Alzenau bei Aschaffenburg. " |
Salomon Hamburger sucht eine
Haushaltshilfe (1898)
Anzeige
in "Der Israelit" vom 6. April 1898: "Suche zum
alsbaldigen Eintritt ein tüchtiges erfahrenes Mädchen, gesetzten
Alters, welches in der Küche bewandert und einem kleinen strengen religiösen
Haushalte vorstehen kann.
Salomon Hamburger, Alzenau, Unterfranken. " |
Bäckermeister Kaufmann Schafheimer sucht einen Gehilfen
(1898 / 1900 / 1901 / 1903)
Anmerkung: Kaufmann Schafheimer ist am 27.
September 1871 in Lohrhaupten geboren
(hebräischer Name Jekutiel, Sohn der Bela). Er war von Beruf Bäcker und
verheiratet mit Fanny (Vany) geb. Marx (geb. 13. Mai 1881 in Alzenau). Er starb
am 16. September 1929 in Alzenau (siehe Artikel oben) und wurde im jüdischen
Friedhof in Hörstein beigesetzt. Seine Frau
Fanny war zuletzt gemeldet in Frankfurt am Main (1936).
Anzeige in "Der Israelit" vom 22. September 1898:
"Ein tüchtiger, selbstständiger Bäckergehilfe gesucht.
Samstags und Feiertage geschlossen.
K. Schafheimer, Bäckermeister, Alzenau (Unterfranken)." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Juni 1900:
"Tüchtiger
Bäckergehilfe gesucht.
K. Schafheimer, Bäckermeister, Alzenau,
Unterfranken." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. April 1901:
"Tüchtiger
Bäckergehilfe gesucht.
K. Schafheimer, Alzenau bei Hanau." |
|
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6.
August 1903:
"Tüchtiger Bäckergehilfe gesucht.
K. Schafheimer, Alzenau (Unterfranken)." |
Anzeige der Manufakturwaren- und Möbelhandlung A. Rothschild
(1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. November 1901: "Lehrling
per sofort gesucht.
Samstags und Feiertage geschlossen.
A. Rothschild, Manufaktur und Möbel, Alzenau
(Bayern)". |
Lehrlingssuche des Eisen-Geschäftes Ferdinand Manko (1906)
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 6. April 1906:
"Suche sofort einen Lehrling für mein Eisen-Geschäft.
Samstag und Feiertage streng geschlossen. Ferdinand Manko, Alzenau
(Unterfranken)." |
Das Mehl- und Landesproduktengeschäft J. Nussbaum
sucht einen Lehrling / einen Mitarbeiter (1903 / 1911)
Anmerkung: Isaak Nußbaum ist am 10.12.1865 in
Vollmerz geboren. Er lebte seit 1895 in
Alzenau (Hanauer Straße 91). Er heiratete 1895 Johanna geb. Staadecker (geb.
1872 in Merchingen). Die beiden konnten 1940 in die USA emigrieren (1940 New
York).
Anzeige in "Der Israelit" vom 10. Oktober 1903: "Suche
für mein Landesprodukten- und Mehlgeschäft einen
Lehrling
aus achtbarer Familie.
J. Nußbaum, Alzenau," |
|
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 6. Januar
1911:
"Suche für mein am Samstag und Feiertage geschlossenes Mehl-
und Landesproduktengeschäft einen
jungen Mann aus achtbarer
Familie.
J. Nussbaum, Alzenau." |
Silberne Hochzeit von Bernhard Hamburger und Sara geb. Kaufmann
(1929)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. März 1929: "Bernhard Hamburger
und Frau Sara geb. Kaufmann
Alzenau,
feiert am Sonntag, den 12. Adar II / 24. März das Fest der silbernen Hochzeit." |
Hochzeitsanzeige für Josef Hamburger und Regine geb. Jacobs (1933)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Februar 1933: "
Statt Karten Josef Hamburger - Regine Hamburger geb. Jacobs.
Vermählte.
Alzenau/Unterfranken - Hopsten in Westfalen.
Trauung: 15. Februar 1933 - 19. Schewat 5693, 13 Uhr. Pension Scheuer,
Frankfurt am Main, Börsenplatz.
Zugedachte Telegramme bittet man zu Gunsten der Agudas Jisroel
abzulösen." |
Zur Geschichte der Synagoge
Im 17./18. Jahrhundert besuchten die
Juden aus Alzenau die Synagoge im benachbarten Wasserlos.
Wann in Alzenau ein eigener Betsaal beziehungsweise eine Synagoge eingerichtet
oder erbaut wurde, ist nicht bekannt.
Um 1820 beschloss
die Gemeinde den Bau einer Synagoge. Man konnte ein Grundstück an der heutigen
Alfred-Delp-Straße erwerben und auf diesem 1825/26 eine Synagoge erbauen. 1826
wurde sie eingeweiht. Ein Bericht von der Einweihung ist nicht bekannt, doch
wurde im Zusammenhang mit der Hundertjahrfeier der Synagoge 1926 ein
ausführlicher Bericht in der Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung am 3.
Dezember 1926 veröffentlicht:
Eine Doppelfeier in Alzenau. In der
Nordwestecke unseres engeren Vaterlandes, dort, wo die lieblichen Waldberge des
Vorspessarts den sich weitenden Kahlgrund grüßen, liegt zwischen sanftem Hügelgelände,
von wenig ertragsfähigen Fluren umrahmt, der gewerblich rührige Marktflecken
Alzenau. Die nahen Braunkohlengruben im Tertiärgebiet des Untermaintales und
das benachbarte Industriezentrum von Hanau-Offenbach bestimmen die
wirtschaftliche Eigenart seiner Bevölkerung. Seit vielen Jahrhunderten ist im
Kahlgrunde auch eine jüdische Bevölkerung ansässig, die nachweislich im 17.
Jahrhundert in dem Alzenau benachbarten Wasserlos 30, in Alzenau 12 Familien zählte.
Heute hat sich das Zahlverhältnis der jüdischen Bevölkerung der beiden Orte,
welche eine Kultusgemeinde bilden,
umgekehrt. Während im 17. und 18. Jahrhundert die Juden von Alzenau
allsabbatlich zur Synagoge nach Wasserlos wanderten, besuchen heute die jüdischen
Familien von Wasserlos die Synagoge zu Alzenau, deren Grundsteinlegung und Bau
urkundlich auf das Jahr 1826 festgestellt ist.
Das 100jährige Bestehen ihres Gotteshauses
gab der Gemeinde Alzenau-Wasserlos Anlass zu einer Gedenkfeier, in deren Rahmen
die gleichzeitige Feier der 25jährigen Wirksamkeit ihres Lehrers in der
Gemeinde mit eingefügt war. Was dieser Doppelfeier die charakteristische Note
und für den fremden Teilnehmer den eigenartige Reiz verlieh, war die
Beteiligung der gesamten christlichen Bevölkerung des Marktfleckens an dieser jüdischen
Feier. Ein seltener Fall in unserem engeren Vaterlande, dass solch friedliche
Harmonie zwischen den verschiedenen Glaubensbekenntnissen eines kleinen Ortes
besteht, das auch in den politisch unruhigsten Zeiten des vergangenen Jahrzehnts
niemals durch den leisesten Misston getrübt war. Schon der Festgottesdienst am
Freitagabend des 19. Novembers findet die gesamte Verwaltung der politischen
Gemeinde als Teilnehmer in der festlich geschmückten, in ihren bescheidenen
Ausmaßen stimmungsvoll wirkenden Synagoge. In der Festpredigt des
Morgengottesdienstes am Sabbat benutzte Herr Bezirksrabbiner Dr. Breuer
(Aschaffenburg) den Bericht des Wochenabschnittes über die Errichtung des
Gottesaltars zu Betel durch Erzvater Jakob und dessen Mahnung an seine Gemeinde,
die fremden Götter aus ihrer Mitte wegzuschaffen, zu einer wuchtig
eindrucksvollen Predigt über die Bedeutung des Gotteshauses und zu einer
ernsten Mahnung wider die Sünden der Zeit. Dem Beamten verlieh er als Zeichen
der Anerkennung für seine verdienstvolle Wirksamkeit den Ehrentitel eines
Chower. Ein Festkommers im größten Saale des Ortes vereinigte am Abend eine
4-500köpfige Menschenmenge aus allen Schichten der Bevölkerung zu
freundschaftlicher Harmonie der
Konfessionen, die sich einfanden, die jüdische Gemeinde und den jüdischen
Lehrer gemeinsam zu ehren. Der 2. Vorstand der Gemeinde, Herr Marburg, begrüßte
die Erschienenen und gedenkt der Verdienste, die sich der Beamte in seiner 25jährigen
Wirksamkeit erworben hat. In dem Vortrag eines poetisch gehaltenen Prologs –
sicherlich verfasst von dem im ganzen Kahlgrunde als Festdichter bekannten Herrn
Lehrer Wechsler – lässt Fräulein Neu aus Wasserlos in dramatisch-vollendetem
Vortrag die Geschichte der Doppelgemeinde Alzenau-Wasserlos in den letzten
Jahrhunderten vor dem Hörer vorüberrauschen. Vier verschiedene Gesangvereine
und verschiedene Sport- und Turnvereine des Marktfleckens bieten ihr Bestes zur
Verschönerung der Feier. Weitere Deklamationen und Reden, darunter Ansprachen
der Vorstandschaft der benachbarten Kultusgemeinde Aschaffenburg, gelten der
Ehrung der Gemeinde und ihres Beamten. Ein Vorstandsmitglied der Gemeinde
Alzenau gedenkt unter Überreichung von Ehrendiplomen der Verdienste zweier
Gemeindeglieder, von welchen Herr Louis Hamburger 35 Jahre als 1. Vorstand, Herr
Isidor Hamburger ebenso lange als Kassier ununterbrochen ihres Amtes walten. Den
Mittelpunkt des Doppelfestes bildete die akademische Feier am Sonntagnachmittag,
zur der wiederum eine vielhundertköpfige Menschenmenge aus nah und fern
herbeigeeilt war. Herr Kassier Hamburger begrüßt die Festgäste und die
erschienenen Delegierten der geistlichen und weltlichen Behörden und überreicht
dem Beamten namens der Kultusgemeinde und ihrer Chevras Ehrengaben. Herr
Bezirksrabbiner Dr. Breuer würdigte in einer eindrucksvollen Ansprache die
Verdienste des Jubilars Wechsler in Schule und Gotteshaus unter Hervorhebung der
außerordentlichen Schwierigkeiten, mit welchen die religiöse Einwirkung auf
die Seelen der Jugend und der Erwachsenen im Allgemeinen, ganz besonders aber
die jüdisch-religiöse Erziehungstätigkeit im Sinne des überlieferten
Judentums gegenüber den heutigen Zeitströmungen zu kämpfen hat. |
Das 100jährige
Bestehen der Synagoge und die drei Jahrhunderte zurückreichende Geschichte der
Gemeinde gab ihm Anlass, in eindrucksvollen Darlegungen nachzuweisen, wie sehr
der deutsche Jude mit dem deutschen Heimatboden verwurzelt ist und das deutsche
Judentum, das seit 1.600 Jahren in Deutschland Heimatrecht besitzt, durch Betätigung
seines Väterglaubens dem deutschen Vaterlande in der Mitwirkung am geistigen
und sittlichen Wiederaufbau die besten Dienste erweist. Als Vertreter des
Verbandes Bayerischer Israelitischer Gemeinden überbrachte das Ratsmitglied,
Herr Hauptlehrer Stoll (Würzburg) die Grüße und Glückwünsche des Präsidiums.
An der Hand der Geschichte des Verbandes legte er dar, dass der Verband, wie an
den Leiden, so auch an den Freuden der Gemeinden innigen Anteil nehme. Die
heutige Doppelfeier und der Kreis der Teilnehmer, der sich aus allen
Konfessionen rekrutiert, ist für ihn der Beweis, dass die drei Grundpfeiler der
sittlichen Weltordnung – Gotteslehre, Gottesdienst und allgemeine Nächstenliebe
– in den Herzen der Mitglieder der Gemeinde Alzenau-Wasserlos auf festem Grund
ruhen. Vertreter der katholischen und protestantischen Geistlichkeit betonten,
dass ihre christlichen Gemeinschaften gerne mit dem gläubigen Judentum
zusammenwirken wollen auf dem gemeinsamen Boden des Glaubens an den Einen Gott
und der Verteidigung und Verbreitung des den Konfessionen gemeinsamen biblischen
Sittengesetzes. Der Vertreter des Bezirksamtes dankte ganz besonders dem Lehrer
Wechsler für seine unermüdliche Tätigkeit zur Förderung aller gemeinnützigen
Bestrebungen in Ort und Bezirk. In gleicher Weise bringt der Bürgermeister des
Ortes die Glückwünsche des Marktfleckens für die beiden Jubilare zum
Ausdruck. Weiterhin halten Ansprachen Vertreter der jüdischen und christlichen
Lehrerschaft des Bezirkes. Umrahmt war die akademische Feier von den wuchtigen
Chören des Synagogenchores der Israelitischen Religionsgesellschaft Frankfurt
am Main, der unter der persönlichen Leitung seines Dirigenten, des Herrn Max
Neumann, der selbst im Kahlgrund seine Heimat hat, in Stärke von etwa 50 Köpfen
mit Sonderzug aus Frankfurt herübergekommen war. Musikalische und sonstige
Darbietungen hielten alt und jung noch viele Stunden zusammen. Als die von auswärts
gekommenen Gäste wieder der Heimat zustrebten, waren alle durchdrungen von dem
Bewusstsein, bei der Doppelfeier in Alzenau in der Bekundung selten
freundschaftlicher Harmonie christlicher und jüdischer Ortsgenossen ein
Erlebnis in sich aufgenommen zu haben, das ihrem Gedächtnis unvergänglich sein
wird. |
Ein weiterer Bericht zu den Jubiläumsfeierlichkeiten
erschien in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Dezember 1926:
"Die Jubiläumsfeierlichkeiten in
Alzenau.
Alzenau, 26. November (1926). Die hiesige israelitische Gemeinde
feierte am 19, 20. und 21. dieses Monats das Fest des 100jährigen Bestehens
ihrer Synagoge, verbunden mit dem 25jährigen Ortsjubiläum ihres Lehrers, Herr
B. Wechsler.
In der festlich geschmückten Synagoge wurde die Feierlichkeit am Freitag abend
begonnen, wobei der Alzenauer Synagogenchor den Gottesdienst verschönte.
Samstag früh fand der eigentliche Festgottesdienst statt. Seinen Höhepunkt
erreichte derselbe in der Festpredigt unseres allverehrten Herrn
Distriktsrabbiners Dr. Raphael Breuer, Aschaffenburg, welche allen andächtig
Versammelten zu einem seelischen Erlebnis wurde. Unter Zugrundelegung des
Sabbatpsalms Psalm 93 (Vers 5) Edotächa näämanu meod ("Deine
Zeugnisse sind sehr bewährt...") legte der Redner dar, dass nur dort, wo
die Zeugnisse Gottes, die Tora und ihre Gebote, hochgehalten werden und Treue
finden lebeitecha naawa-kodäsch ("dein Haus ziert
Heiligkeit"), nur da auch dem Gotteshause Heiligkeit zukommt. Er führte
aus, dass nicht nur im Beit HaKnesset (Synagoge) das Gebet die Hauptsache
bildet, sondern auch außerhalb desselben der Zusammenhang in dem Befolgen der
Gebote im Hause und im bürgerlichen Berufe nicht gelockert werden dürfe.
Redner erinnerte an unsern Stammvater Jakob, der bei seiner Rückkehr von Laban
ins Vaterhaus seine Kinder ermahnte, .. die fremden Gottes aus ihren Häusern zu
schaffen und sich zu reinigen. Er ermahnte die Zuhörer, den Mammonismus und die
Unsittlichkeit zu bekämpfen, die sich im Volke breit mache. Dann werden ihnen
auch die umliegenden Völker gleich Jakob nichts anhaben können, von dem es
heißt... Zum Schlusse seiner tief schürfenden Rede verlieh Herr Dr. Breuer als
Ausdruck des Dankes für sein bisheriges Wirken Herrn Lehrer Wechsler den
Chower-Titel unter Überreichung einer entsprechenden Urkunde. Der Geehrte
dankte in herzlichen Worten und ermahnte seinerseits die Zuhörer, insbesondere
die Jugend den Worten des allverehrten Redners auch die Tat folgen zu
lassen.
Abends fand im Ritter'schen Saale ein Festkommers statt, der von sämtlichen
Gesangvereinen, dem Turnverein und Kraftsportklub durch Darbietung von Gesang
und Aufstellung von Pyramiden verschönt wurde. Der zweite Vorstand, Herr Louis
Marburg, hieß die Gäste willkommen und gab ein Bild der Entstehung der
Synagoge und der Geschichte der Gemeinde. Sodann feierte er die Verdienste des
Jubilars in der Schule, Gemeinde und Gotteshaus sowie dessen Wirken auch in den
Vereinen und der politischen Gemeinde. Seine Rede fand begeisterte Aufnahme.
Herr Salomon Goldschmidt als zweiter Vorstand der Kultusgemeinde Aschaffenburg
gratulierte im Namen derselben, hob die guten Beziehungen zwischen den beiden
Gemeinden hervor und brachte zum Schluss ein Hoch auf die 82jährige Mutter des
Jubilars aus. Fräulein Neu aus Wasserlos schilderte in gediegener Rede ihre
Heimatgemeinde als die Mutter der Gemeinde Alzenau und widmete ihr Hoch den
Vorstehern der Gemeinde sowie den Vorständen des Männer- und Frauenvereins.
Hierauf fand die Ehrung des ersten Vorstands und des Kassierers der
Kultusgemeinde Alzenau statt. In Anerkennung ihrer 35-jährigen treuen Dienste
überreichte ihnen Herr Marburg in längerer Rede ein von Herrn Kunstmaler
Ludwig Neu in Hamburg (gebürtig in Wasserlos) prächtig gefertigtes
Diplom als Ehrengabe. Auch dem ältesten Mitgliede Herrn Herz Hamburger, der mit
86 Jahren noch als Vorbeter am Versöhnungstage fungiert, wurde durch den
Jubilar in ehrender Weise ein Hoch gewidmet. Zum Schlusse dankte Herr Lehrer
Wechsler allen Mitwirkenden und der Kultusgemeinde für den herrlichen Verlauf
der Feier, welche durch die prächtigen Musikstücke der Kapelle Hermann
verschönt wurde. |
Sonntag Nachmittag fand die akademische Feier im Ritter'schen Saale statt, der
dichtbesetzt war. Der Synagogenchor der Israelitischen Religionsgesellschaft
Frankfurt am Main war herbeigeeilt und leitete mit schwungvoll zu Gehör
gebrachten Chören die Feier ein. Unter der temperamentvollen Leitung seines
Dirigenten Herrn Max Neumann fanden seine Darbietungen riesigen Applaus. Herr
Kassier Salomon Hamburger eröffnete die Versammlung und begrüßte die
Ehrengäste sowie alle Erschienenen. Er würdigte die Verdienste des Jubilars
und mahnte, den Frieden in der Gemeinde stets hochzuhalten, wie er bis jetzt
sich erhalten habe. Herr Distriktsrabbiner, Dr. Breuer, hob die Schwierigkeit
hervor, mit welcher der gesetzestreue Jude zu kämpfen habe, indem er zwei Tage
der Woche von der Arbeit ruhen müsse. Er bedauerte die Demoralisation der
Jugend und betonte, dass derjenige ein guter Deutscher sei, der auch ein guter
Jude ist. Er wies nach, dass Kaiser Konstantin schon am 11. Dezember 321 den
Juden in Köln das Wohnrecht einräumte und dass die Juden deshalb nicht als
"Fremde" im deutschen Vaterlande zu betrachten seien. Seine
begeisterten Beifall findende Rede schloss mit dem Psalmistenwort: "Wie
schön ist es, wenn Brüder einträchtig beisammen wohnen". Fräulein Neu
von Wasserlos trug einen der Feier angepassten vom Jubilar verfassten Prolog
recht ausdrucksvoll vor. Herr Seminardirektor Stoll aus Würzburg überbrachte
die Glückwünsche des Verbandes bayrischer Gemeinden und des Präsidiums
desselben. Unter großem Beifall bestieg Herr Pfarrer Orgeldinger die
Rednertribüne und übermittelte die herzlichen Glück- und Segenswünsche der
katholischen Mitbürger Alzenaus. Er hob hervor, dass er es für seine Pflicht
erachtet hätte, auch wenn er nicht persönlich eingeladen worden wäre, zu der
Feier zu erscheinen, da die katholische Kirche und der orthodoxe jüdische
Glaube in vielen Dingen gemeinsam gehen könnten. Die Gottesidee und der Dekalog
sind solche gemeinsame Glaubenswahrheiten, die die beiden Konfessionen einander näher bringen.
Der geschätzte Redner schloss mit dem Verse des 1. Psalms: "Heil dem
Manne, der am Gesetz seinen Wohlgefallen hat". Seine zündenden Worte
lösten einen Beifallssturm aus, wie er wohl selten gehört wurde. Herr Vikar
Schwarz als Vertreter der protestantischen Kirche überbrachte die Gratulation
der protestantischen Mitbürger, während Herr Oberregierungsrat Buchner die
Grüße und Glückwünsche der Staatsregierung und des Bezirksamts aussprach. Er
führte in teilweise launiger Weise aus, dass die jüdischen Bürger die
angenehmsten der Behörde seien, da sie das Amt nur in seltensten Fällen
belästigten. |
Er lobte die Eintracht, in welcher die Konfessionen hier leben und
wünschte, dass es so bleiben möge. Dem Jubilar, den er den Dichter des Bezirks
nannte, wünschte er weiter alles Gute zum Heile seiner Gemeinde. Auch dieser
Redner erntete stürmischen Applaus. Herr Bürgermeister Antoni beglückwünschte
die Kultusgemeinde im Namen des Ortes und hob die Verdienste des Jubilars hervor,
die er sich in gemeinnützigen Vereinen erwarb. Herr Lehrer Schloss von
Aschaffenburg brachte die Glückwünsche des Israelitischen Lehrervereins und
der Bezirkslehrerkonferenz bezeichnete den Jubilar als eines der treuesten
Mitglieder, der noch bei keiner Versammlung gefehlt habe und überreichte eine
prächtige Sammlung Bilder. Herr Bezirksoberlehrer Borst beglückwünschte im
Namen des Bezirkslehrervereins den Jubilar und widmete sein Hoch der treuen
Gefährtin. Herr Hauptlehrer Wissmann, ehemaliger Lehrer hierselbst, freute
sich, in seiner früheren Wirkungsstätte den Geist wiederzufinden, den er vor
35 Jahren der Jugend eingepflanzt habe. In mit Humor gewürzter Rede feierte
Herr Hauptlehrer Wahler von Hörstein den Nachbarkollegen als einen treuen
Freund, den er um seine allzeit bewährte Ruhe beneide und brachte gleichzeitig
die Glückwünsche der Nachbargemeinde Hörstein, die Freud und Leid mit der
Jubilarin teile. Zum Schluss der Versammlung dankte der Jubilar mit den Worten
unseres Stammvaters Jakob: "Ich bin zu gering ob alle der Gnade und der
Liebe, die du deinem Knechte erwiesen". Er dankte der Kultusgemeinde und
seinen Schülern für die herrlichen Geschenke, allen Rednern für die ehrenden
Worte, der politischen Gemeinde, den Behörden und den Vereinen für ihre
Mitwirkung bei der Feier, die einen der schönsten Tage seines Lebens in sich
schließe. Die Feier bedeutete einen wahren Kiddusch HaSchem, zeigte sie so
recht deutlich, wie ein inniges Verhältnis zwischen den hiesigen Konfessionen
besteht und wie sehr der Jubilar bei allen geachtet wird. |
Anmerkung: Lehrer Benzion Wechsler
wurde 1942 im Vernichtungslager Sobibor ermordet.
Einweihung eines neuen Toravorhanges 1902
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Januar 1902:
"Alzenau, 13. Januar (1902). Am vergangenen Schabbat fand hier die
Einweihung eines neuen Parochet (Toraschrein-Vorhanges) statt, welches von
den Frauen der beiden Gemeinden Alzenau-Wasserlos gestiftet wurde. Herr
Lehrer Wechsler hielt die Festpredigt, worin er auf die in goldenen
Buchstaben der auf dem Parochet prangenden Jahreszahl (5)662 (= 1901/02)
hinwies, welche das Wort 'im Verborgenen' ergebe. Daran anknüpfend
beleuchtete er die Pflichten eines Jehudi, der nicht nur in der
Öffentlichkeit die Gebote ausüben müsse, wo jeder die Frömmigkeit
bewundern könnte, sondern auch im Verborgenen, auf dass man in Zukunft
'im Schirm des Höchsten' wohne. Die nach Form und Inhalt
wohlausgearbeitete Rede übte einen sehr guten Eindruck. Das Parochet ist
aus der Kunststickerei von J. Kauffmann, Frankfurt a.M. hervorgegangen und
bildet einen schönen Schmuck unserer Synagoge." |
Nach der Jubiläumsfeier 1926 blieb die Synagoge nur noch 12 Jahre Mittelpunkt der jüdischen Gemeinde in Alzenau. Beim Novemberpogrom 1938 wurden die Synagoge, die Gemeinderäume und
die Mikwe aufgebrochen. Die Inneneinrichtungen der Gebäude wurden zertrümmert,
die Ritualien zerstört. Im Januar 1939 wurde mit einem Bauern aus Alzenau über
den Verlauf des Synagogengebäudes zum Preis von 2.500 RM verhandelt. In den
1960er-Jahren wurde das Gebäude abgebrochen. An ihrem Standort befinden sich
heute ein Hof und eine Garage.
Unweit des Rathauses befindet sich ein Denkmal zur Erinnerung an die
ehemalige Synagoge.
Adresse/Standort der Synagoge: Hanauer Straße 10
(Hinterhof) / Alfred-Delp-Straße
Fotos
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 252-254. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 34. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 402-403. |
| Walter Scharwies: Jüdische Kultusgemeinde in
Alzenau, Wasserlos und Hörstein. In: Alzenauer Stadtbuch.
2001. |
| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 85. |
| "Mehr als
Steine...." Synagogen-Gedenkband Bayern. Teilband
III: Unterfranken, Teil 1.
Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid,
Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger. Hg.
von Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid und Gury Schneider-Ludorff
in Verbindung mit Meier Schwarz. Synagogue Memorial Jerusalem. Bd. 3:
Bayern. 1. Auflage 2015. Kunstverlag Josef Fink Lindenberg im
Allgäu (mit umfassenden Quellen- und
Literaturangaben)
ISBN 978-3-89870-449-6.
Hinweis: die Forschungsergebnisse dieser Publikation wurden in dieser Seite
von "Alemannia Judaica" noch nicht eingearbeitet.
Abschnitt zu Alzenau-Wasserlos S. 55-69.
|
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Alzenau Lower
Franconia. The community was probably founded in the 17th century. Jews played
an important role in the town's economic development, opening tobacco factories
and controlling the cattle trade. A synagogue was built in 1826 and the Jewish
population grew to 112 in 1910 (total 2,135). In 1933, the Jewish population was
89. In the first years of Nazi rule the economic boycott was barely felt and
Jews continued to employ 2,100 workers in 20 tobacco factories. The situation
began to deteriorate in 1937 as local antisemitism intensified. Of the 52 Jews
who emigrated under the Nazis, including 21 to the United States and 11 to
Palestine, 44 left in 1937-39. A total of 24 moved to other German cities. On Kristallnacht
(9-10 November 1938), the synagogue was damaged along with Jewish homes and
business establishments. The last 11 Jews were deported to Izbica in the Lublin
district of Poland and the Theresienstadt ghetto in 1942.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|