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Geschichte / Synagoge in Lengnau
Endingen und
Lengnau (Kanton
Aargau, Schweiz)
Texte/Berichte zur Geschichte des Rabbinates an den beiden Orten
Übersicht:
Zur Geschichte der Rabbinate / beziehungsweise des Rabbinates in Endingen und
Lengnau
Bis um 1730/40 hatten die jüdischen Gemeinden in Endingen und Lengnau noch
keinen eigenen, fest an einem dieser Orte tätigen Rabbiner. Gemeinsam mit den
nördlich des Rheins liegenden jüdischen Gemeinden in Stühlingen
und Tiengen unterstand man vielmehr einem
gemeinsamen Rabbiner, der in einem dieser Orte seinen Sitz hatte. Als erster
wird ein Rabbiner Matitjahu (Sohn des Rabbiners Adonijah Israel, Enkel
des großen Gelehrten (Gaon) Rabbiner Isaak Heppenheim) genannt, der
Rabbiner und Rechtsprecher (More zedek) "im Lande Schweiz" war. Er
hatte seinen Sitz in Tiengen und Stühlingen und für auch für die
"angeschlossenen Gemeinden" zuständig, womit vor allem auch Endingen und
Lengnau gemeint war. Rabbiner Matitjahu verstarb 1639 oder 1653/54.
1699 wird ein "Rabbi Löb von Endingen" genannt, der in
diesem Jahr gemeinsam mit Rabbiner Götsch von Hechingen
und Haigerloch nach Donaueschingen zur
Ausarbeitung eines Reglements berufen wurde; er war vermutlich identisch mit
Rabbiner Arje Jehuda Löb Theomim (genannt Lob Schnapper), der Rabbiner in Breisach
und später Rabbinatsassessor in Frankfurt war. Ob Rabbi Löb aus Endingen
stammte oder zeitweise dort residierte, ist nicht bekannt.
Der erste ständig im Surbtal residierende Rabbiner war vermutlich Jehuda
Löb ben Abraham von Pintschoff. Er wird erstmals in einer Urkunde von 1746
genannt, in der er als "Rabbiner in Lengnau und Endingen" unterzeichnete.
Er starb um 1750 und wurde mit seiner Frau auf dem Judenäule (alter
jüdischer Friedhof der Surbtalgemeinden auf der Judeninsel bei Koblenz)
beigesetzt. Sein Nachfolger war von etwa 1750 bis 1758 Rabbi Jakob Levi von Schnaittach,
gefolgt von Rabbiner Jakob ben Isserle Schweich aus Metz, der etwa 30
Jahre lang in den beiden Orten tätig war. Unter ihm galt die Bestimmung dass,
dass der Surbtaler Rabbiner abwechselnd jeweils drei Jahre lang in Lengnau, danach drei
Jahre in Endingen zu residieren hatte. Rabbiner Schweich weihte 1764 die neue
Endinger Synagoge ein. 1786 verließ er das Surbtal, um noch bis
1812 (das heißt bis zu seinem 97. Lebensjahr) in Nancy als Rabbiner zu
wirken.
1788 bis 1813 war Raphael Ries aus Hagenthal
(Hagenthal-le-Bas) im Elsass Rabbiner in Endingen und Lengnau. Er hatte in Hagenthal
erfolgreich eine Jeschiwa
geleitet. Auch im Surbtal genoss er auf Grund seiner großen Gelehrsamkeit und
tiefen Frömmigkeit hohes Ansehen. Er war weiterhin zuständig für die
Gemeinde Tiengen: um 1800 nennt er sich in
einer Publikation "Raphael ben Abraham, amtierend in Endingen, Lengnau und
Tiengen". Nachfolger von Raphael Ries war von 1815 bis 1834 sein
Sohn Abraham Ries. Er war 1763/64 in Hagenthal-le-bas geboren, wurde 1793
Rabbiner in Mühringen, seit 1797
Landesrabbiner für den Schwarzwaldkreis des Deutschen Ordens mit Sitz in Mühringen
beziehungsweise 1803-1806 mit Sitz in Nordstetten.
1812 kam er als Rabbinatsgehilfe seines Vaters nach Lengnau und Endingen. Wie sein Vater war
er noch einige Zeit auch der für Tiengen
zuständige Rabbiner, bis 1827 im Zuge der Neuordnung der Synagogenverhältnisse
im Großherzogtum Baden Tiengen dem Bezirksrabbinat in Gailingen
zugeordnet wurde. Über die Tätigkeiten der Rabbiner Schweich sowie Vater und
Sohn Ries - liegen zahlreiche Dokumente vor. Bei schwierigen Entscheidungen
holten sich die Rabbiner Auskünfte bei anderen rabbinischen Autoritäten
ein.
Die folgenden Rabbiner waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts - in Endingen und Lengnau -
tätig: noch während der Zeit
von Rabbiner Raphael Ries: Anschel Levi aus Rosheim;
er war 1805 bis 1811 als Oberlehrer und Rabbinatsgehilfe in Endingen und Lengnau
tätig; von 1815 bis 1818 Abraham Isak Luntenschütz aus Romansweiler im
Elsass (vgl. unten Grabinschrift).
Zwischen ca. 1820 und 1860 gab es zwei Rabbinate, eines in Lengnau, eines
in Endingen:
1824 bis 1860 war Wolf Dreyfus Rabbiner in Lengnau. An seiner
Seite hatte er seit 1858 Rabbinatsverweser David Josua Guggenheim.
Guggenheim sprach neben Oberlehrer Bernheim eine Trauerrede bei der Beisetzung
von Rabbiner Dreyfus Ende Mai 1860 auf dem jüdischen Friedhof (siehe Bericht
unten). Guggenheim verließ Lengnau 1861.
1835 bis 1851 Leopold Wyler Rabbiner in Endingen. Sein Nachfolger
war als Rabbiner in Endingen von 1854 bis 1858 Rabbiner Dr. Julius Fürst.
Dieser ist 1826 in Mannheim geboren als Sohn des vor allem in Heidelberg tätigen
Rabbiners Salomon Fürst. Nach seiner Zeit in Endingen war Dr. Fürst kurzzeitig
in Merchingen tätig, danach in Bayreuth,
Mainz und Aub;
zuletzt von 1880 bis 1899 an der Klaus in Mannheim.
Nach dem Tod von Rabbiner Wolf Dreyfus im Mai 1860 beschlossen die beiden
Gemeinden Lengnau und Endingen, das Rabbinat wieder gemeinsam für beide Gemeinden
auszuschreiben. Die Besetzung gestaltete sich schwierig, zumal im Blick auf die
Besetzung Spannungen zwischen orthodox und liberal Gesinnten in den Gemeinden
auftraten. Doch konnte die Stelle schließlich (1861) mit Rabbiner Dr.
Meyer Kayserling aus Hannover besetzt werden, der bis 1870 in Endingen
und Lengnau geblieben ist und danach einen Ruf nach Pest (Budapest) angenommen
hat.
1872 bis 1880 war Rabbiner Salomon Bamberger
(geb. 1835 in Wiesenbronn als Sohn des
"Würzburger Raw" Seligmann Bar Bamberger, gest. 1918 in Würzburg) in beiden Orten
tätig, 1880 wurde er Rabbiner in Niederhagenthal
(Hagenthal-le-Bas) und 1886 in Sennheim (Cernay).
In Lengnau ist 1875 seine Frau Lea geb. Adler (geb. 1844 als Tochter von
Rabbiner Abraham Adler [seit 1845 Rabbiner in Aschaffenburg],
gest. 1875 in Lengnau) nach der Geburt ihres achten Kindes gestorben; Rabbiner
Salomon Bamberger hat nicht wieder geheiratet.
Meldung
in der "Frankfurter Israelitischen Gemeindezeitung vom 27. März
1918: "Würzburg. Salomon Bamberger, bis zum Ausbruch des Krieges
Rabbiner in Sennheim (Elsass), eine von hohem jüdischen Idealismus
getragene Persönlichkeit, ist hier im Alter von 83 Jahren verschieden. Er
war einer der letzten, die die so schwer heimgesuchte Ortschaft
verließen."
Foto von Rabbiner Salomon Bamberger und seiner Frau Lea Adler aus einem französischen
Artikel über ihn und seine Zeit in Cernay. |
1885 wurde das Rabbinat in Endingen und Lengnau nicht mehr besetzt. In
diesem Jahr wurde es nach Baden verlegt, wo als erster Rabbiner Dr. Heinz
Ehrmann aus Michelstadt eingesetzt wurde. Er blieb in Baden bis 1903 und
war von hier aus auch für Endingen und Lengnau zuständig. Bei der Betreuung
der in den beiden Orten noch lebenden jüdischen Personen durch auswärtige
Rabbiner blieb es auch in der Folgezeit.
Als für Endingen und Lengnau zuständige auswärtige Rabbiner werden genannt:
von 1896 bis 1936 der Rabbiner der Israelitischen Cultusgemeinde in Zürich
Dr. Martin Littmann aus Elbing (1864-1946 (Link
zum Historischen Lexikon der Schweiz); von 1908 bis 1915 der Rabbiner
der Israelitischen Religionsgesellschaft in Zürich Armin Kornfein Link zur Seite der
Israelitischen Religionsgesellschaft in Zürich Link
zum Historischen Lexikon der Schweiz sowie von 1908 bis 1951 der
Prediger und Lehrer Meier Schnitzer.
Texte zur Geschichte des Rabbinates in Endingen und
Lengnau
Über
die Grabinschrift des 1818 verstorbenen Rabbi Abraham Luntenschütz im
Friedhof der Gemeinden (Artikel von 1924)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. September 1924: "Das
Grab des Rabbi Abraham Luntenschütz.
Endingen und Lengnau - die beiden Stamm- und Muttergemeinden der
schweizerischen Judenheit besitzen seit nahezu 200 Jahren einen
gemeinschaftlichen Friedhof (Beit HaKewarot), welches dem heutigen
Besucher wie eine Totenstadt mit über zweitausend Bewohnern vorkommt.
Dieser alte, ehrwürdige Friedhof (Beit Olam) ist der
schweizerischen Juden schönstes Kulturdenkmal, das ihnen - aber auch uns
Fernstehenden - Vieles und Interessantes aus vergangenen Zeiten
erzählt.
Manche Großen des Geschlechtes liegen da begraben, unter denen
auch der berühmte Rabbi Luntenschütz - das Andenken an den Gerechten
ist zum Segen -, über welchen der in Frankfurt in bester Erinnerung
stehende Herr Lehrer Michael Neuberger in Lengnau im 'Jüdischen
Wochenblatt' der Schweiz einiges mitteilt: Die Grabstein-Inschrift des vor
106 Jahren heimgegangenen großen Gelehrten Reb Awrohom Jizchok
Luntenschütz, Rabbiner von Endingen-Lengnau in den Jahren 1813-1819,
lautet wörtlich: ...
Hierzu noch einige Bemerkungen: Auffällig und besonders gekennzeichnet
ist obige Inschrift schon durch das erste Wort, das hübsch umrandete Hajom
('heute'). Man fühlt gleichsam, wie wenn der Tod dieses
Geistesfürsten (hebräisch und deutsch) eine schützende Sühne
für alle seine Zeitgenossen war. Fast alle 2.000 Grabsteine
auf diesem ehrwürdigen Friedhof tragen obenan die üblichen
Buchstaben respektive Wortabkürzungen 'Hier ruht' oder auch wie
auf den ganz alten Steinen 'Hier wurde begraben', oder 'Hier
liegt aufbewahrt'. Der biblische Ausdruck (hebräisch und deutsch), 'Wagen
Jisroels und seine Reiter', den der Prophet Elischa seinem in
Himmelshöhen scheidenden Lehrer Elia nachrief, wird heute noch vielfach
in den Nekrologen für verstorbene Rabbiner angewandt. Dies soll uns
belehren, dass zu jeder Zeit unsere Geisteshelden ihrem Volke soviel
Schutz und Waffe waren, wie eine ganze Heeresmacht mit Roß und Reitern.
Wenn die Memor-Bücher der elsässischen Gemeinden
Balbronn und
Westhofen
nur einen Eisik Lundeschütz rühmlichst erwähnen, so ist dies doch der
Obgenannte. Sehr häufig bezeichnen die Grabsteine auf diesem Friedhof
(hebräisch und deutsch) Isaak genannt Eisik. Den Vornamen Awrohom
erhielt Luntenschütz beim Gebet anlässlich seiner schweren Krankheit,
die er glücklich überstand. - Der angegebene Wirkungskreis durch das
Wort Medinateinu ('unsere Länder') in der Pluralform lässt die
Möglichkeit zu, dass Luntenschütz etwelche rabbinische Funktionen auch
noch von Endingen-Lengnau aus im benachbarten Elsass ausübte. Zum
Schlusse sei noch erwähnt, dass man der Geistesgröße Luntenschütz auch
in der Wahl seiner Grabesstätte gerecht wurde. In 18. Reihe rechts die
unvergesslichen Rabbiner Raphael und dessen Sohn Abraham Ris; links Reb
Jehuda Arie, Sohn des Judele Wyler; dazwischen liegt Luntenschütz
begraben - sein Verdienst komme uns zugute." |
Beitrag über Rabbiner Abraham Isaak
Luntenschütz (Awrohom Jizchok Lunteschitz; Artikel von 1927)
Artikel
in "Der Israelit" vom 15. Dezember 1927: "Awrohom Jizchol
Lunteschitz. Ein Schweizer Gaon von J. Fröhlich in
Baden (Schweiz).
Das Prophetenwort (Hosea 14,6): 'Ich werde wie der Tau sein für Israel, es
wird blühen wie die Rose, und Wurzeln schlagen wie der Libanon', kommentiert
Malbim wie folgt: Zu den naturgeschichtlichen Phänomenen gehört die
Jerichorose. Sie wurzelt nicht fest im Boden, der Wind trägt sie in die
entferntesten Länder, durch Wüsten und Steppen, aber überall belebt sie der
Tau des Himmels und lässt sie in Pracht und Schönheit wieder erblühen. Ist
dies nicht ein Symbol für Israel? So sehr auch bei seiner Wanderung durch
die Länder und Völker Sturm und Wetter ihm entgegenbrausten, Golus-(Diapora-)Elend,
Druck und finsteres Leid es niederdrückten, es blüht doch wieder in
Schönheit auf, weil der Allgütige es ist, der seine Erhaltung will und zur
Lösung seiner Aufgabe drängt.
In allen Ländern der jüdischen Diaspora hat diese Sturm-Israelrose ihre
geistigen Blüten entfaltet, auch in dem Lande, wo man sie heute weniger
sucht, wo man viel eher in wilder Sportlust nach der Alpenrose sucht, sie
schmückend an den Hut steckt, um sagen zu können, dass man im schönsten
Tempel der Natur verweilt hat, in der Schweiz. Der Tourist, der sie heute
besucht, um ihre himmelragenden Berge, ihre blauen Seen zu bewundern und im
Genusse ihrer balsamischen Höhenluft gesundheitlich zu erstarken, er ahnt
nicht, dass es Zeiten gegeben hat, wo auch in diesem Lande Israels
köstlichstes Kleinod, die heilige Tora eine Heim- und Pflanzstätte ihn
geradezu klassischem Ausmaße gehabt hat. Aber nicht im Lärm der Großstadt
durfte man sie suchen, dort wohnen heute die Epigonen jener Geistespioniere,
die kaum die Erinnerung an die Glanz- und Blütezeit bewahrt haben.
Wenn man auf einer der verkehrsreichsten Linien der schweizerischen
Bundesbahnen, auf der Strecke Basel-Zürich, im Limmatstädtchen Baden,
dass durch seine heilenden Thermalquellen einen Ruf hat, aussteigt, kann man
mit dem Auto in einer schwachen halben Stunde die Ortschaften in Endingen
und Lengnau, die Stammgemeinden der Schweizer Juden erreichen. Dort
pulsierte noch vor einem halben Jahrhundert warmes jüdisches Leben und in
der abgelegenen Stille des schweizerischen Subtals widerhallten die Wände
des Beshamidrasch von den Disputationen des Abajeh und Rowoh wo so laut und
feurig, dass die letzte Hütte in den Dörfern wie von der elektrischen
Zentrale eines Großstadtwerks erhellt wurde. Nicht von ungefähr entzündeten
sich die Tora-Liebesflammen. Führer, ausgerüstet mit einem immensen Wissen,
beispielgebend in Lehre und Leben sorgten dafür, dass Jugend und Alter auf
den Höhen des Judentums blieben. Davon lesen wir nichts im Ulrich,
Geschichte der Schweizer Juden, der heute leider fast einzigen Quelle der
Geschichte unserer Schweizer Stammesgenossen. Aber es fehlt doch nicht an
Urkunden, dass lernbeflissene und toradurstige Jünglinge in die damaligen
Hochburg Fürth, Westhofen, Buchsweiler unter den damals
obwaltenden schwierigen Reiseverhältnissen sich begaben, um den Segen über
die Heimatgemeinde zu ergießen. Wir lesen im Neuda Bijehudoh von
Korrespondenzen mit schweizerischen Toragelehrten und wir wissen auch, dass
bei einer das jüdische Gemeindeleben tief aufwühlenden Affäre ein Chasam
Sofer als entscheidende Instanz angerufen wurde, dass der Kehillo in nicht
misszuverstehender Deutlichkeit die hohe Würdigkeit ihres geistigen Führers
ins Bewusstsein rief.
Heute gehen die alten schweizerischen Muttergemeinden den Leidensweg aller
Landgemeinden in tragischer Erfüllung des Talmudwortes: ... Aber unbewusst
zittert doch ein Heimweh durch die jüdische Seele und wir erleben etwas, was
in seiner Art nicht allzu häufig ist in der Geschichte der jüdischen
Gegenwart. Vor kurzem hat sich ein Komitee konstituiert zur Erhaltung des
jüdischen Friedhofs in
Endingen-Lengnau. Die Initiative ist ausgegangen von Männern, die dem
praktischen Judentum großenteils entfremdet sind; sie nennen es Pietät,
Liebe zu Heimat, die sie zu ihren dankenswerter Bestrebungen veranlasst hat.
In Wirklichkeit ist es, ohne dass die Initiatoren sich dessen bewusst sind,
ein Stück Psychoanalyse. Ein Seelenfunke beginnt im Gedanken an die
Väterzeit zu glimmen und in kurzer Zeit sind erkleckliche Summen
beieinander, um den geweihten Boden, auf dem die Väter ruhen, durch
Schutzmaßnahmen der Zukunft zu erhalten. So ist seit einem Jahre die vom
Zahn der Zeit zerbröckelte Mauer, die die alte Totenstätte umgibt, durch
eine neue, sturm- und wetterharte ersetzt worden. Die Grabdenkmäler, von
Moos und wildem Gestrüpp bis zur Unkenntlichkeit entstellt, wurden
aufgefrischt und die verblassten und verwitterten Schriftzüge treten in
neuer Vergoldung leichtleserlich zu Tage.
Bei einem dieser neugewandeten Grabsteine bleiben wir stehen, ein Baum hält
davor Wache, weil der, der hier gebettet ist, auch ein Baum gewesen ist,
Blüten und Früchte zu gleicher Zeit tragend. Die Blüten sein reiches Wissen
und edles Leben, die Früchte die Einpflanzung seiner hohen Ideen in Gemeinde
und Schule. Lesen wir einmal die Inschrift dieses schlichten Denkmals: 'Am
heutigen Tage (24. Elul 5575) haben Wolken, den Himmel umdüstert und zu
unserem tiefen Schmerze einen Fürsten aus unserer Mitte hinweggetragen, den
Gaon, Qagen Israels und seinee Reiter, den scharfsinnigen, weit über die
Grenzen unseres Landes berühmten Gelehrten Abraham Isak Lunteschitz. Aw bes
Din .... Trotz aller liebenden Fürsorge, den Stein zu erhalten, (er wird
noch eine Generation sich erhalten vielleicht noch eine), ob am Ende nicht
doch die Schärfe des Zeitenzahnes ihn zermalmen wird.
Aber auch dies schadet nicht. Sowie nach einem Jahrhundert das Andenken
dieses Großen in Israel plötzlich wieder in uns lebendig geworden, so
werden, ohne dass Menschenhände daran sich mühen, die unsterblichen Werke
von Rabbi Lunteschitz uns vor Augen halten, dass die Zaddikim im Tode noch
größer sind als im Leben.
Über den Geburts- und Heimatort des Gelehrten konnten wir einweilen Näheres
nicht erfahren. Wir sind bei den biografischen Daten auf gelegentliche
Notizen und zerstreute Urkunden in den Gemeinden angewiesen. Aber gerade
dieses Fehlen der lebensgeschichtlichen Daten ist im Ruhmeskranze dieser
Männer die feinste Blume. Es ist nichts Seltenes, dass die Persönlichkeit
großer Männer hinter ihren Werken zurücktritt. Man erkennt darin ihre Demut
und Bescheidenheit, sie fühlen sich klein in Anbetracht der Größe ihrer
Lebensaufgabe.
Im Memo Buch der Gemeinde Westhofen (ich verdanke diese Mitteilung
Herrn Rabbiner Guggenheim in Buchsweiler) lesen wir, dass Rabbi Lunteschitz
ein Schüler von Rabbi Wolf in Buchsweiler gewesen ist (er spricht von seinem
Lehrer in den rühmlichsten Worten und führt gelegentlich seine
Entscheidungen an), hervorragend in Tora- und profanem Wissen, dass er
Verfasser einer Anzahl von tiefgründigen Werken ist, zum Beispiel Chiduschim
über die Traktate Babah, Meziah und Brochaus (damals noch im Manuskript
vorhanden) und in Westhofen eine große Jeschiwoh geleitet hat. In
einem anderen Werke des Verfassers gedruckt bei W. Heidenheim, 1813 Uhr ist
in der umfangreichen Vorrede auch manches von den wechselnden
Lebensschicksalen des Verfassers berichtet. Voll Dankbarkeit für Gottes
unerschöpflichen Güte überblickt er die einzelnen Phasen seines Daseins. Die
Rettung von schwerer Krankheit im jugendlichen Alter haben die Änderung
seines ursprünglichen Namens beziehungsweise eine Hinzufügung veranlasst.
Eine Feuersbrunst bringt ihn in Lebensgefahr. Auf ganz wunderbare Weise wird
ihm die göttliche Hilfe zuteil, als er nach Verschlucken einer großen
eisernen Nadel nur noch eine dünne Wand zwischen sich und dem Tode sieht.
Aber noch war das Maß der Prüfungen nicht voll. Rabbi Lunteschitz musste
noch den schrecklichsten der Schrecken erleben, als der Mensch in seinem
Wahn sich ihm näherte. Bis in die stille Klause des Bes Hamidrasch zu
Westhofen drang das Wetterleuchten der französischen Revolution. Unter
ihrem Tosen und Klirren verstummen die Musen der heiligen Tora. Was kümmert
einen Napoleon das Bes Hamidrasch zu Westhofen? Eine Atmosphäre der
Todesangst überall. Unser Lunteschitz, bei dem Tora uGedolah
vereinigt waren (er spricht von dem Reichtum seines Hauses) verliert Hab und
Gut; aber das hindert ihn nicht, seiner heiligen Aufgabe zu leben. Eines
Tages finden wir ihn, wie er selbst sagt, ... in den Mauern des Gefängnis,
weil er selbst im Moment der Gefahr die heilige Tora liebend in seine Arme
geschlossen und als sorgsamer Wächter seiner Gemeinde auf seinem Posten
verharrte. Vom 26. Tamus 5554 bis 9. Aw schmachte er im dunklen Gelasse. Er
fühlte sich nicht allein. 'Wäre nicht deine Tora mein Gespräch, so ruft er
rührend; ich wäre vergangen in meinem Elend. Noch war die Gefahr nicht
beschworen, als er wieder in Freiheit gesetzt wurde. Die Ausübung der
göttlichen Gebote war unmöglich. Toralernen und Gebet, das Anlegen der
Tefillin und Zizzis, die Beobachtung von Schabbos und Festtagen, alles war
unter Androhung von Todesstrafe verboten. Es ist ergreifend, zu vernehmen,
wie Lunteschitz die unfreiwillige Muse verwendet hat. Ohne jedes Hilfsbuch,
lediglich auf sein Gedächtnis angewiesen, denkt er im Gefängnisse nicht nur
über Tora nach, er verarbeitet die schwierigsten Materien und ordnet sie in
ein System, dessen Tiefe und Gehalt wir nachher im Druck bewundernd lesen.
Was ist unser heutiges Gott-dienen, so fragen wir billig, gegenüber diesen
Märtyrer in der heiligen Tora?
Welche Materie war es nun, die Lunteschitz in Gefängnismauern beschäftigt
hat? Sie war durch die Zeit und ihre Schrecken gegeben. In den Wirren der
Revolution waren gar viele gezwungen worden, den heiligen Schabbos zu
entweihen. Sie wurden zu Haus- und Feldarbeiten herangezogen, aber jeder
Schaufelwurf und Spatenstich war eine schmerzhafte Verwundung ihrer
jüdischen Seele. Man wusste damals noch, was der Schabbos bedeutete; er, die
Krone der Schöpfung, Zierde des Judentums, mit dem es steht und fällt.
Nachdem der Sturm der französischen Revolution in seiner furchtbaren
Heftigkeit verrauscht war, war Tag und Nacht Besuch bei den Rabbinern. Nach
Buße schrie die heilige Seele, man suchte Unterweisung, wie die schwere
Sünde der Sabbatentheiligung, obzwar man dazu gezwungen worden war, gwtilgt
werden könne. Unter Heranziehung von Talmud und Decisoren, Rischaunim und
Acharaunim prüfte nun Rabbi Lunteschitz die Frage, wie unter den obwaltenden
Umständen vom Standpunkte des Gesetzes die Sabbatentweihung zu bewerten sei
und die Erörterung dieses Themas in dem Werke ... gehört zu dem
tiefsten des ganzen Buches. Ein Hauch der Tossafisten-Schule ist darin zu
verspüren, unter dessen Nachwirkungen noch heutigen Tages viel gutes
Ackerland für das Judentum und seine Forderungen im Elsass zurückgeblieben
ist, dass nur weiser Anpflanzung bedarf. Jedenfalls sind die besonderen
Umstände, aus denen die Erörterung der Frage erwachsen ist, dem Historiker
ein " |
Gradmesser
für jüdisches und religiöses Leben der Juden in Frankreich um die Mitte des
18. Jahrhunderts. Ein Vergleich mit der Gegenwart, wo skrupellose
Sabbatentweihung leider das alltägliche ist, ist für uns beschämend.
Noch anderes Ziel unterschied es in den Kreis der Besprechung, was schon
wegen seiner ewigen Aktualität nicht unterdrückt werden darf.
Es gibt heute so viele, die die Tora, dass Gottesbuch nur insoweit
anerkennen, als es ihrem persönlichen Geschmack entspricht. Nur den
Edelstein brechen sie aus der Krone der Tora, der mit beruhigendem Glanz
ihnen ins Leben leuchtet. Daran ist die Unwissenheit schuld, die nicht von
Schuld befreit. In überzeugender Beweisführung redet Ihnen Lunteschitz zu
Herzen, sie mögen auch dass ihnen unbedeutend Scheinende als hochwichtig
bewerten und nicht und daran denken dass es die Lehre Gottes ist, die in
allen Teilen ihren Lebensweg zu erhellen geeignet ist. So berichtet der
Talmud in ... Ein Heide, der um Aufnahme ins Judentum bittet, unter der
Voraussetzung, ein einziges Gebot unerfüllt zu lassen, wird zurückgewiesen.
Auf denjenigen, der ausspricht, das ganze Gesetz sei göttlichen Ursprungs,
außer einer einzigen Bestimmung, ist der Schriftvers angewandt: 'das Wort
Gottes hat er verworfen' (Traktat Sanhedrin). Auch die so genannte
Geseraus Hakosuv, derjenige Teil des Gottesgesetzes, der in seiner letzten
Zweckbestimmung dem Sterblichen ein Rätsel bleiben wird, ist in der
praktischen Erfüllung ein Mittel der seelischen Läuterung und Heiligung. Die
Gesetze der Völker wechseln, weil äußere Momente, dass
Utilitätsprinzip für das einzelne Volk und Land, sie geschaffen haben. Im
jüdischen Gesetz hat auch die soziale Abteilung Ewigkeitswert, weil der
himmlische Schöpfer sie mit höheren inneren Motiven ausgestattet hat.
Es gibt für uns keine voraussetzungslose Wissenschaft. Wer den Glauben an
die Tradition aufgegeben hat, soll die Schwelle des Toraheiligtums nicht
betreten. Große Denker mögen eine mathematische Aufgabe spielend lösen, Sinn
und Anmut der Tora wird nur demjenigen bewundernd aufgehen, dem die
Überzeugung von der Wahrheit der Überlieferung tief im Herzen verankert ist,
und er mit einer nie versagenden Mühe und Anstrengung sie täglich sich
erringen muss.
Und hier kommt er mit einem flammenden Appell, mit lohendem Feuer auf einen
Missstand zu sprechen, der heute gewiss nicht minder verderblich ist.
Bequemlichkeit, dass Scheuen von Mühe und Anstrengung im Felde der höchsten
Erdenpflicht, die unselige Absplitterung der Lernenden an Stelle fruchtbarer
Gesamtdiskussion, vor allem aber die Meinung, die süße Torafrucht müsste auf
dem Präsentierteller gerecht werden, alle diese Faktoren sind schuld an der
religiösen Gleichgültigkeit und den mageren Erfolgen. 'Dabei bringen es
manche fertig, in missverstandener Auslegung der Werke von Großen in Israel
dem Pilpul das Todesurteil zu sprechen. Sie verweisen auf das Werk
meines berühmten Großvaters (Ollelos Ephrajim) und auf den Sheloh, die
angeblich den Pilpul verpönt hätten. Nur oberflächliche Leser können dies
behaupten. Die Methoden gewisser Pilpulisten, die von der Fahrstraße des ...
abweichen und deswegen zu falschen Schlüssen gelangen, werden mit Recht
gegeißelt. Sie haben aber nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dass nur
das Toralernen ... Früchte trägt.'
Wer in viele Lernstuben der jüdischen Gegenwart hineinblickt, wo die
schwierigsten Talmudpartien in unverstandener Hast, wie eine Maschine
abgehaspelt werden, als wären es tote Buchstaben und nicht Worte des
lebendigen Gottes, der fühlt die Berechtigung des zornigen Aufflammens, mit
dem Rabbi Lunteschitz unter Hinweis auf Talmud Sabbat, Fol. 31 an unser
Gewissen rührt.
Wir sehen, Abraham Jizchok Lunteschitz hat auch unserer Zeit noch
Manches zu sagen, was Beachtung verdient. Das Komitee für die Erhaltung des
Friedhofs in Endingen-Lengnau hat sich ein Verdienst erworben, dass es den
Grabstein dieses Großen einer Renovation unterzogen hat. Wenn es bewirken
sollte, dass die goldenen Worte von Rabbi Lunteschitz unser Herz zu
jüdischer Tat begeistern, dann dürfen wir an einem Ferientag auch diese
weltvergessene Stelle des Schweizerlandes in Dankbarkeit betreten. Die
Wirkung für unsere Innenleben wäre vielleicht nicht minder bereichernd und
wohltuend wie das Alpenglühen im ewigen Schneegebirge."
|
Zur Ausschreibung der Rabbinatsstelle in Endingen (1852)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 9. August 1852:
"Ober-Endingen, 15. Juli (1852). Die durch Abberufung
erledigte hiesige Rabbinatsstelle wird durch den tit. Kantonsschulrat
nächstens ausgeschrieben. Zu diesem Behufe wurde die hiesige
israelitische Vorsteherschaft von der hohen Regierung aufgefordert, ein
Regulativ über Requisiten, Pflichten und Leistungen des Rabbiners zu
entwerfen, welchem hohen Auftrage Letztere unverzögert nachgekommen ist.
Es ist gewiss nicht gleichgültig, was für ein Mann an diese Stelle
kommt. Bis hierher waren unsere Schulen die einzigen Stätten, worin etwas
für Bildung und Aufklärung geschah. Die Synagoge blieb teilnahmslos für
die Bildungsinteressen und stabil in ihrer ganzen Haltung. Mit dem
Austritt aus der Schule war für die Jugend aller Bildungsprozess
abgeschnitten. - Das soll anders werden! - Soll die Einwirkung der Schule
nachhaltig sein und nicht ein Indifferentismus für höhere Interessen und
wahre Religiosität die besseren Elemente verzehren, so muss ein
tüchtiger Rabbi durch Predigt, Lehre und Beispiel Bildung und Religiosität
fördern und heben. Darum wünscht die große Mehrzahl unserer Gemeinde
einen wackern, wissenschaftlich gebildeten, natürlich auch und vor allem
in den jüdischen Fächern bewanderten Prediger und Volkslehrer, der
vorzüglich durch seinen würdigen Charakter der Gemeinde imponieren
könnte. Ein solcher würde der Unterstützung der Gemeinde und der hohen
Regierung gewiss sein und auch bei der christlichen Schweiz zur Achtung
des Judentums beitragen." |
Eingabe der israelitischen Vorsteherschaft Endingen an den
Regierungsrat (1853)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 21.
Februar 1853: "Oberendingen, 8. Februar (1853). Der
'Schweizerbote' bringt folgenden Artikel, den ich in der Allgemeinen
Zeitung des Judentums mitzuteilen bitte.
Bereits zu Mitte des vorigen Jahres überreichte die israelitische
Vorsteherschaft zu Oberendingen namens ihrer Gemeinde dem Regierungsrate
den Entwurf eines besonderen Regulativs für einen jeweiligen Rabbiner mit
dem Gesuche, demselben seine hoheitliche Sanktion erteilen zu wollen. Es
folgten indessen diesem Regulative bald, mit Berufung auf die
vortreffliche Rabbinatsverordnung für das Königreiche Württemberg vom
Jahre 1841, mehrere abweichende Wünsche von gebildeten Israeliten, und
eine nähere Untersuchung des Gegenstandes durch den damaligen
Kantonsschulrat stellte den Entwurf der Vorsteherschaft wirklich auch als
durchaus ungenügend dar, indem derselbe sowohl die wissenschaftliche
Berufsbildung als das Lehramt der Rabbiner in einem viel zu engen und
obsoleten kreise beschrieb. Der Referent des Schulrats - Herr
Seminardirektor Keller - arbeitete hierauf das Ganze an der Hand
hierseitiger Gesetze und Verordnungen für Theologie, sowie in Benutzung
anderwärts bestehender Rabbinatsinstruktionen und in besonderer
Berücksichtigung diesseitiger Verhältnisse vollständig um, und es wurde
das in dieser Weise umgearbeitete Regulativ nun auch der israelitischen
Vorsteherschaft zur beförderlichen Abgabe ihrer Ansichten und weiteren
Wünsche in der Sache mitgeteilt.
Wie man vernimmt, wurde der Gegenstand mit großem Interesse aufgenommen
und namentlich von den Gebildeten beider Gemeinden einlässlich
besprochen, indem man auch in Lengnau das Heilsame, ja Notwendige einer
solchen Rabbinatsverordnung einsah und für sich eine ähnliche
wünschte.
Nachdem nun auch den Wünschen und Ansichten derer, die als billig und
verständig erscheinen, Rechnung getragen worden - ist der Regierungsrat
in die endliche Beratung des Ganzen eingetreten, hat das nach dem Urteile
gebildeter und wohldenkender Israeliten den gegenwärtigen
Zeitverhältnissen Rechnung tragende Regulativ unverändert gut geheißen
und zu einer förmlichen Regierungsverordnung für die beiden
israelitischen Rabbinate von Oberendingen und Lengnau
erhoben.
Gleichzeitig wurde die Erziehungsdirektion ermächtigt, die Ausschreibung
der erledigten Rabbinatsstelle in Oberendingen nach Mitgabe dieser
Verordnung zu formulieren und der Vorsteherschaft daselbst zur
gutfindenden Veröffentlichung zuzustellen. Wir werden demnächst
kurzmöglichst auf die Hauptgrundzüge dieses auch für ein größeres
Publikum Interesse darbietenden Regulativs zurückkommen.
So weit der Schweizerbote.
Sie sehen aus verschiedenen neuesten Verordnungen unserer hohen Regierung,
in welcher Männer sitzen, die auf der Höhe der Zeit stehen, dass
dieselbe gründlich und besonnen die Emanzipation der aargauischen Israeliten
anbahnt. Mehrere öffentliche Blätter besprachen die Verordnung, wonach
die Israeliten Militärdienst leisten müssen, in einem sehr günstigen
Tone für die Israeliten und das Schweizervolk sagt: Wenn sie d'Laste hend,
müend sie au d'Rechte ha." |
Ausschreibung des Rabbinats
in Endingen (1853)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 28. März 1853:
"Ausschreibung der Rabbinatsstelle in Endingen.
Diejenigen Rabbiner, welche sich um das Rabbinat der israelitischen
Gemeinde Endingen, Kantons Aargau in der Schweiz bewerben wollen, haben
sich bis zum 31. Mai nächsthin bei der Tit. Erziehungsdirektion in Aarau
dafür anzumelden und ihrer Anmeldung beizulegen:
a) befriedigende Zeugnisse über einen makellosen, religiösen
Lebenswandel von anerkannten Rabbinern und Behörden;
b) genügende Ausweise über ein mindestens dreijähriges Studium der
mosaischen Theologie auf einer Hochschule;
c) ein ordnungsgemäß erworbenes Rabbinatsdiplom von einem anerkannte gelehrten
Rabbiner.
Außerdem hat jeder Angemeldete entweder durch die gesetzlichen Prüfungen
oder durch sonst genügende Ausweise sich von der Staatsbehörde ein
Maturitäts- und ein förmliches Wahlfähigkeitszeugnis zu erwerben, und,
wenn er gewählt wird, die ihm zu hierseitiger Niederlassung notwendigen
Schriften beizubringen.
Mit der ausgeschriebenen Stelle ist, nebst freier Wohnung und einigen
Akzidenzien, eine fixe, jährliche Besoldung von wenigstens 1.200 Franken
verbunden.
Endingen, am 14. März 1853.
Namens der Vorsteherschaft: Der erste Vorsteher: Gustav Dreyfuß.
Der Gemeindeschreiber: Salomon Wyler." |
Das Bezirksrabbinat
Merchingen wird mit Dr. Julius Fürst, bisher in Endingen besetzt (1858)
Artikel in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. März 1858: "Aus dem
Rabbinatsbezirke Merchingen (Baden), im März (1858). Das Rabbinat
Merchingen ist nun wieder definitiv besetzt. Bei der am 27. Dezember
vorigen Jahres stattgehabten Beratung der 17. Vorsteher des Bezirks wurde
Herr Dr. Julius Fürst, zur Zeit Rabbiner in Endingen in der Schweiz,
einstimmig zum diesseitigen Bezirksrabbiner gewählt, welche Wahl nun auch
bereits Großherzoglicher Oberrat und hohes Ministerium genehmigt hat.
Diese Wahl hat im ganzen Lande Sensation erregt, denn man glaubte
sicher, dass der diesseitige Bezirk einen Mann von altem Schrot und Korn,
d.h. der nur Lamden und Chusid (sc. frommer
Talmudgelehrter) ist, wählen würde. Allein das alte
lateinische Sprichwort: die Zeiten ändern sich und mit ihnen ändern auch
wir uns, hat sich auch hier wieder bewährt. Jede Zeit macht ihre
Anforderungen geltend, und dringt, trotz aller Hindernisse, endlich durch.
Auch bei uns ist man zur Überzeugung gelangt, dass ein Rabbiner mehr als
Talmud kennen muss, wenn er seiner hohen Aufgabe zeitgemäß entsprechen
soll.
In dem Gewählten
glauben wir den Mann gefunden zu haben, der mit gediegenen talmudischen
Kenntnissen auch ein anderweitiges gründliches Wissen verbindet, und der
bei seinem sanften Charakter, so Gott will, recht segensreich wirken wird,
wozu ihm ein weites Feld geboten ist." |
1854 bis 1859 war Rabbiner Dr. Julius Fürst Rabbiner in Endingen, vgl. Bericht
zum Tod von Rabbiner Dr. Julius Fürst
(1899)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. September
1899: "Mannheim, 22. September. Am 5. des Monats verstarb
dahier im Alter von 73 Jahren der Rabbiner Dr. Julius Fürst, der über 19
Jahre als Klausrabbiner in hiesiger Stadt gewirkt hatte. Derselbe erfreute
sich des Rufes eines hervorragenden Gelehrten auf dem Gebiete der
orientalischen Sprachwissenschaften, denn er verfügte nicht nur über ein
umfassendes jüdisch-theologisches Wissen, sondern auch über eine Kenntnis
der klassischen und orientalischen Sprachen. Mit Vorliebe beschäftigte er
sich mit der Erforschung der griechischen und lateinischen Fremdwörter, die
sich in den Talmuden und Midraschim in sehr großer Zahl vorfinden.
Zahlreiche Abhandlungen, die er in den angesehensten wissenschaftlichen
Zeitschriften veröffentlicht hat, vor allem sein 'Glossarium graeco-hebraeum',
das er in einer besonderen Audienz dem Großherzog überreichen durfte, zeugen
sowohl von der Meisterschaft, womit er diese Materie beherrschte, als auch
von seinem hervorragenden Wissen und seiner ausgedehnten Belesenheit. Mit
namhaften zeitgenössischen Fachgelehrten fand er in regem Briefwechsel, und
für die fernere Bearbeitung der talmudischen und midraschischen
Lexikographie werden die Leistungen des Entschlafenen stets ein
schätzenswerter Beitrag bilden. Indessen erstreckte sich auf sein
Forscherfleiß auf zahlreiche allgemein literarische und historische Fragen,
und es seien von seinen zahlreichen Abhandlungen aus den verschiedensten
Gebieten nur die über 'Das peinliche Rechtsverfahren im jüdischen Altertum',
über die Lessing'sche Ringparabel und endlich seinen letzten Aufsatz, der
den rastlosen Gelehrten bis in seine letzten Lebenstage beschäftigte, über
'König Saul' erwähnt, in dem er seine Ehrenrettung dieser gewaltigen
biblischen Gestalt unternahm. J. Fürst wurde im Jahr 1826 als Sohn des
dortigen Rabbiners in Heidelberg geboren. 1854 wurde er selbst Rabbiner in Endingen, 1859 in
Bayreuth, später in
Mainz neben Aub. Die Beerdigung
verlief am 7. des Monats unter zahlreicher Beteiligung der
Gemeindemitglieder und des Vorstandes der Gemeinde in der dem edlen
Entschlafenen gebührender Weise. Rabbiner Dr. Steckelmacher sprach am Grabe
unter Zugrundelegung von Jeremiah 31, 12 und hob namentlich hervor den edlen
Forscherdrang des Verewigten, die Idealität seiner Lebensbestrebungen und
wie er in ihnen volles Genügen fand und volle Befriedigung. Er hatte
mannigfache kleine Anfechtungen zu erfahren, aber 'seine Seele war wie ein
getränkter Garten', eben infolge jener inneren Befriedigung wie auch infolge
seines innigen Familienglücks und der warmen Anerkennung der auserlesenen
Schar derer, die den inneren Wert und Gehalt eines Menschen zu würdigen
verstehen. Er war auch während der beiden Tagungen der Synode durch das
Vertrauen der Rabbiner des Landes zum geistigen Synodalmitglied gewählt
worden und beide Male Alterspräsident. Er war ein edel anspruchsloser,
bescheidener und immer heiterer, gemütvoller Mann. Immer und überall war ihm
die Möglichkeit, sich mit der Wissenschaft zu beschäftigen, 'die heilige Zionshöhe, auf der seine Seele in erhabenen Wonnen schwelgte, in den Wonnen
wahrhaft idealen und auch fruchtbaren Thorastudiums, auf der er die
Segensfülle des Ewigen in vollen Strömen genoss, von der aus ihm auch
mancherlei Kümmernisse wie in fernen, tiefen Niederungen sich verloren.'
Möge dem Verstorbenen die Erde leicht sein! " |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Oktober
1899: "Mannheim, 1. Okt. (Verspätet). Am ersten Tage (Hebräisch)
verstarb dahier im Alter von 73 Jahren der Klausrabbiner Dr. Julius Fürst.
Er wurde im Jahre 1826 als Sohn des Heidelberger Rabbiners geboren. 1854
wurde er Rabbiner in Endingen, 1859 in Bayreuth und später Mainz. 1880 wurde
er als Rabbiner an der hiesigen Klaussynagoge angestellt. Mit ihm ist ein
hervorragender Kenner der orientalischen Sprachen, der auf literarischem
Gebiete eine fruchtbare Tätigkeit entfaltete, aus dem Leben geschieden.
Außer zahlreichen Abhandlungen in jüdisch-wissenschaftlichen Zeitschriften,
so besonders in der 'Revue des études juives', veröffentlichte er auch ein 'Glossarium
graeco-hebraicum', das von seinem Wissen und seiner Belesenheit auf diesem
Gebiete beredtes Zeugnis ablegt. – Fürst gehörte zwar in seinen Anschauungen
der Reformrichtung an, war jedoch Andersdenkenden gegenüber von einer
seltenen Toleranz, wie er überhaupt in hervorragender Weise durch
menschlich-schöne Eigenschaften ausgezeichnet war. Seine heitere Gemütsart,
die Bescheidenheit und Liebenswürdigkeit, mit der er jedem entgegenkam,
gewannen ihm alle Herzen und so werden ihm alle, die ihn kannten, ein
freundliches und liebevolles Andenken bewahren." |
In
Endingen ist das Rabbinat nach dem Weggang von Rabbiner Dr. Fürst vakant (1859)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 18. Juli 1859: "Ober-Endingen, 4. Juli (1859).
In Baden im Aargau haben die Juden
nun sich förmlich zu einem Kultusvereine verbunden und hierfür ein
Statut entworfen, das sie von dem hohen Regierungsrate sanktionieren
lassen und ihren Vorstand und Sekretär gewählt. Die
Religionslehrerstelle daselbst, mit welcher auch das Kantoramt verbunden
ist, wird in nächster Zeit im Amtsblatte und in der Zeitung des Judentums
ausgeschrieben werden. Besoldung 800 Fr.
Im eidgenössischen Dienste stehen an der italienischen Grenze 22 Juden
von Endingen und Lengnau.
Darunter ein Divisionsfähnrich, ein Oberleutnant und mehrere Graduierte.
Die israelitische Gemeinde Endingen zahlt den im Felde stehenden Soldaten
aus ihrer Mitte täglich 40 Centimes = 12 Fr.
Soldzulage.
Unlängst machte ein aargauisches Blatt, 'Freie Presse', seine hämische
Bemerkung darüber, dass der Bundesrat eine auswärtige Angelegenheit
durch einen Israeliten in Chaux-de-Fonds
besorgen ließ. Das Aarauer Tageblatt rügt dieses Benehmen der 'Freien
Presse', und bemerkt hierzu, dass der Bundesrat schon noch einmal eine
Angelegenheit im Auslande durch einen aargauischen Juden besorgen ließ
und es nicht zu bereuen habe. - Beim jüngsten Schwurgerichte in Aarau
war ein Jude Mitglied. - Unrichtig wurde unlängst von Genf aus berichtet,
dass es zwei Rabbinate in der Schweiz gebe, sondern wir haben deren drei:
Genf, Lengnau und Endingen.
Letzteres ist noch immer vakant. Und das kommt daher, weil einige Wenige
aus unserer Gemeinde sich bemühten, einen Mann von altem Stile an die
Stelle zu bringen, was ihnen schwerlich gelingen wird, da sowohl Gesetz
als Behörde, sowie die Gemeinde hierfür wenig geneigt sind. Letztere hat
sogar die Absicht, einem Rabbiner, dessen Wirken ihren Beifall erhalten
wird, den Gehalt um ein Bedeutendes zu erhöhen. Unser künftiger Rabbiner
darf nur seinen Obliegenheiten, die keine andern sind als diejenigen, die
ein Seelsorger, der Beruf fühlt, von selber erfüllt, nachkommen, so
erwirbt er sich die Zuneigung der Gemeinde und der Regierung, sowie des
weiteren Publikums und verschafft sich somit eine gute Stellung sowohl in
moralischer als materieller Beziehung, da einem solchen die vielen
zerstreuten Gemeinden der Schweiz zum großen Teile zufallen werden. M.
G. Dreifus, Lehrer." |
Zum Tod des Lengnauer Rabbiners Wolf Dreifuß (1860)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Juni 1860: "Aargau.
Lengnau, 31. Mai (1860). Heute, am letzten Tag des Frühlingsmonats,
trugen wir unsern verewigten Religionsvater, Rabbiner Dreifuß zu Grabe.
Das Leichenbegängnis war Beweis der Liebe und Achtung, in der er
gestanden. Mehr als 500 Menschen nahmen Teil, und von allen
Glaubensgenossen, die außerhalb der Heimatgemeinde wohnen, fehlte
niemand. Der Tote war dessen würdig; 76 Jahre alt geworden, hat er 40
Jahre in voller Pflichttreue der Gemeinde gewidmet. Zu einer Zeit geschult
und gebildet, da noch vieles im Wege und hinter unserer Zeit stand, hat er
sich einen Grad von Menschenkenntnis und wissenschaftlicher Bildung
erworben, der bewundernswert war. Man muss den Talmud kennen, um dies zu
beurteilen; es bedarf hier nicht nur Begabung, scharf und tiefe
Auffassung, sondern auch strenges, wissenschaftliches Studium, und der
Verblichene hat es hierin so weit gebracht, dass er allen denen
Hochachtung einflößte, welche ihn in dieser Beziehung näher kennen
lernten. Mit dieser seiner religiösen Wissenschaft, der er bis zu seinem
Tode gelebt, ist sein tadelloser Lebenswandel Hand in Hand gegangen;
tugendhaft in jeder Beziehung, freundlich gegen jedermann, tolerant für
jede Geistesrichtung im Stillen wohltätig, gewissenhaft und pflichttreu -
das waren die Eigenschaften, die ihm jedes Herz gewannen, sodass niemand
bei uns ist, der sich durch seinen Tod nicht verwaist fühlte. Das
Weltliche hat er nur, soweit immer notwendig, besorgt und seinem ideellen
geistigen Beruf gelebt, zurückgezogen, anspruchslos bei einem Wert und
innern Gehalt, der nicht leicht ersetzt sein wird.
Das Gepräge dieser Gefühle trug auch der Leichenzug ernste und tiefe
Trauer auf allen Gesichtern, starke Männer weinten Tränen kindlichen Schmerzes.
Ergreifend und allen aus der Seele gesprochen waren die Worte, die unser
verehrter Oberlehrer Bernheim beim ersten Ruhepunkt des
Leichenzuges sprach, ebenso der auf dem Gottesacker vom Rabbinatsgelehrten
D. Guggenheim gesprochene Nachklang: die unaufhaltsam rinnenden
Tränen - er war Freund und Gefährte des Verstorbenen, ja dessen rechte
Hand gewesen - erstickten oft seine Rede. Beiden Rednern gebührt
öffentlicher Dank, ihre Worte sind uns unvergesslich. Möge der
Verblichene im Jenseits alle die Ruhe und Glückseligkeit finden, die eine
makellose Tugend in diesem Leben versprochen. (Aargauer
Nachrichten.)." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 17. Juli 1860: "Lengnau, im Juli (1860). Am 29.
vorigen Monats erlitt die hiesige Gemeinde einen herben Verlust durch den
Tod ihres greisen Rabbinen W. Dreifuß. Es sind demnach die
Rabbinate beider Schweizergemeinden Endingen und Lengnau vakant. Man weiß
noch nicht, ob sich diese einander nahe gelegenen Gemeinden zu einem
Rabbinate vereinigen werden oder nicht. Die Orthodoxen in Endingen, resp.
die Würzburgianen, haben wieder einen neuen Anlass, ihre Rabbinerwahl, zu
welcher die Gemeinde von Seiten der Regierung aufgefordert ist,
hinauszuschieben, denn der ihr präsentierte Kandidat, der, wie uns
scheint, ein sehr gelehrter Mann sein muss, will denen, welche sich stets
als die Vormünder der Gemeinde aufwerfen, nicht munden. Herr Rabbiner Dr.
K. in A. in Galizien möge hierdurch wissen, dass er allein von der
zur Wahl präsentiert ist, die aber, wie bemerkt, durch das mittlerweile
eingetretene Hinscheiden des seligen Rabbiners Dreifuß in Lengnau
verzögert werden wird... B." |
1860 beschlossen die Gemeinden Endingen und Lengnau die
Verbindung ihrer beiden Rabbinate zu einem gemeinsamen Rabbinat:
Die Gemeinden Endingen und Lengnau bilden ein
gemeinsames Rabbinat (1860)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. September 1860:
"Endingen, Kanton Aargau. Die Kreierung des Rabbiners beschäftigt
jetzt alles Gemüter. Wir werden mit unserer Nachbargemeinde Lengnau
nunmehr ein Rabbinat bilden. Beide Gemeinden, mit 240 jüdischen Familien,
gehören der streng orthodoxen Richtung (bis auf verschwindend wenige
Ausnahmen) an und da die letzte Entscheidung den Gemeinden zusteht, so
werden wir nur solch einen Rabbinen aufnehmen, auf dessen Gesetzestreue
auch nicht der Schatten eines Verdachts fällt. Dreimal wurden der
Gemeinde Endingen (vor der Vereinigung mit Lengnau) Neologen von der
Regierung vorgeschlagen, und dreimal wurde die Annahme derselben
refüsiert; unsere Schwestergemeinde ist von denselben Gesinnungen
durchdrungen. ...n." |
Ausschreibungen der Rabbinatsstelle
Endingen-Lengnau (1860)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 21. Februar 1860: "Die durch Resignation erledigte Stelle
des Rabbinates in der israelitischen Gemeinde Endingen, Kantons Aargau,
wird hiermit nach Anleitung der Regierungsverordnung vom 4. Hornung
1853 wiederholt zur Wiederbesetzung ausgeschrieben. Die Bewerber haben
ihre Anmeldung bis zum 7. April bei der israelitischen Vorsteherschaft von
Endingen einzureichen, und derselben, nebst einer kurzen Darstellung ihres
Lebens- und Bildungsganges beizulegen:
a. befriedigende Zeugnisse über einen makellosen, religiösen
Lebenswandel von anerkannten Rabbinern und Behörden;
b. ein Maturitätszeugnis, welches sie sich von der Tit.
Erziehungs-Direktion hierseitigen Kantons entweder durch die gesetzliche
Maturitätsprüfung, oder aber durch genügende Ausweise über eine
gründliche, wissenschaftliche Vorbildung zu erwerben haben;
c. akademische Zeugnisse darüber, dass sie die allgemeinen wie besonderen
Vorbereitungswissenschaften zum Studium der Mosaischen Theologie
wenigstens drei Jahre auf einer Hochschule mit Erfolg und gutem Betragen
studiert haben;
d. ein Rabbinats-Diplom von einem anerkannt gelehrten Rabbiner, womit sie
sich über ihre gründliche wissenschaftliche Bildung in der Mosaischen
Theologie, sowie auch über die ordnungsgemäß erworbene Rabbinatswürde
ausweisen.
Nach Maßgabe dieser Ausweise wird die Behörde den Bewerbern entweder
sofort ein förmliches Kompetenz- oder Wahlfähigkeitszeugnis erteilen und
sie der Gemeinde zur Wahl präsentieren, oder aber mit den nicht gehörig
Ausgewiesenen eine besondere Konkursprüfung anordnen. Der Gewählte hat,
wenn er ein Landesfremder ist, vor der hoheitlichen Bestätigung die ihm
zur hierseitigen Niederlassung notwendigen Schriften beizubringen.
Mit der Stelle ist nebst freier Wohnung und den vorschriftgemäßen
Akzidenzien eine fixe jährliche Besoldung von wenigstens 1400 Franken, in
vierteljährlichen Raten, verbunden.
Endingen, im Aargau, 13. Februar 1860.
Der erste Vorsteher: Moses Sal. Dreifuß." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. September 1860:
"Das vereinigte Rabbinat der eine halbe Stunde voneinander gelegenen
israelitischen Gemeinden Endingen und Lengnau, hierseitigen Kantons, wird
hiermit nach Anleitung der Regierungsverordnung vom 4. Hornung (= Februar)
1853 zur Besetzung ausgeschrieben. Die Bewerbung haben ihre Anmeldung bis
zum 27. Weinmonat (= Oktober) bei der Erziehungsdirektion einzureichen,
und derselben, nebst einer kurzen Darstellung ihres Lebens- und
Bildungsganges, beizulegen:
a. befriedigende Zeugnisse über einen makellosen, religiösen
Lebenswandel von anerkannten Rabbinern und Behörden!
b. ein Maturitätszeugnis, welches sie sich von der Erziehungsdirektion
entweder durch die gesetzliche Maturitätsprüfung oder aber durch
genügende Ausweise über eine gründliche, wissenschaftliche Vorbildung
zu erwerben haben;
c. akademische Zeugnisse darüber, dass sie die allgemeinen wie besonderen
Vorbereitungswissenschaften zum Studium der mosaischen Theologie
wenigstens drei Jahre auf einer Hochschule mit Erfolg und gutem Betragen
studiert haben;
d. ein Rabbinatsdiplom von einem anerkannt gelehrten Rabbiner, womit sie
sich über ihre gründliche wissenschaftliche Bildung in der mosaischen
Theologie, sowie auch über die ordnungsgemäß erworbene Rabbinatswürde
ausweisen.
Nach Maßgabe dieser Ausweise wird die Behörde den Bewerbern entweder
sofort ein förmliches Kompetenz- oder Wahlfähigkeitszeugnis erteilen und
sie der Gemeinde zur Wahl präsentieren, oder aber mit den nicht gehörig
Ausgewiesenen eine besondere Konkursprüfung anordnen. Der Gewählte hat,
wenn er ein Landesfremder ist, vor der hoheitlichen Bestätigung die ihm
zur hierseitigen Niederlassung notwendigen Schriften beizubringen.
Mit der Stelle ist nebst freier Wohnung und den vorschriftsgemäßen
Akzidenzien eine fixe jährliche Besoldung von wenigstens 2.400 Franken,
in vierteljährlichen Raten, verbunden. Die näheren Obliegenheiten sind
bei der unterzeichneten Behörde zu erfahren.
Die Erziehungsdirektion." |
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Dieselbe Anzeige erschien in
der Zeitschrift "Jeschurun" vom Oktober 1860 S. 64-65 (links)
und in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. September
1860 (Mitte). |
Vier Rabbiner werden von der Regierung vorgelegt (1860)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 25.
Dezember 1860: "Aus dem Aargau, 12. Dezember (1860). Die
Regierung unseres Kantons hat den Gemeinden Endingen und Lengnau zum
Behufe ihrer Rabbinerwahl aus der Anzahl der Bewerber vier wahlfähige
vorgelegt, aus deren Mitte sie binnen Monatsfrist ihren Rabbiner zu
wählen haben. Es sind sämtlich Namen von gutem Klange, zum Teil nicht
ohne längere Lebenserfahrung und wissenschaftliche Zelebrität. Wie wir
glauben, ist in diesem Vorschlage sowohl der gemäßigte, aber
entschiedene Fortschritt, als auch die redliche und vernünftige
Orthodoxie vertreten, aber nicht der Zelotismus. Die Vorschriften für die
Funktionen des Rabbiners sind auch nicht für einen Zeloten. Es ist die
Predigt für jeden Sabbat, die Konfirmation, die sabbatliche religiöse
Unterweisung der erwachsenen Jugend bis zum achtzehnten Jahre
vorgeschrieben, lauter Dinge, die bei den Altfrommen 'Stuss' sind. Demnach
ist unser Rabbinat nicht für einen Zeloten geschaffen; denn von jenen
Forderungen wird nicht abgegangen, wenn auch einige Händereiber glauben,
man nehme es nicht so genau. Ob nun jene mittelalterliche Glorie uns
zuteil werden wird, wie sie ein Korrespondent aus Endingen im 'Israelit'
(Nr. 18) sich in seiner Phantasie ausmalt, wird sich zeigen.
Hingegen müssen wir gegen jene lügenhafte Aussage des gleichen
Korrespondenten protestieren, nach welcher die Regierung der Gemeinde
Endingen vor ihrer Vereinigung mit Lengnau nur 'Neologen' zur Wahl
vorgelegt. Jeder Unbefangene hierorts weiß, aus welcher trüben Quelle
jene Angabe kommt. Die Regierung hat der Gemeinde Endingen nur ehrenwerte
Männer präsentiert, von denen einer das Rabbinat beinahe vier Jahre
innehatte, und auch jetzt hätte die Stelle in Endingen durch einen neu
präsentierten ehrenwerten Bewerber besetzt werden müssen, wenn nicht der
plötzliche Tod des Herrn Rabbiners in Lengnau der Sache eine andere
Wendung gegeben hätte, indem nun die beiden Gemeinden zu einem Rabbinate
vereinigt wurden. Der geneigte Leser wolle übrigens selber urteilen,
welch ein Charakter ein so insultierender Angriff gegen eine loyale
Regierung hat, im Augenblick als dieselbe ohne äußere Anregung die
Staatskasse öffnet, um den Israeliten einen Beitrag zur Rabbinerbesoldung
zukommen zu lassen! - Wir ersuchen alle sich hierfür Interessierungen
jene Invektiven nicht als Ausdruck auch nur eines ansehnlichen Teils einer
unserer Gemeinden aufzunehmen." |
Zur Situation um die Besetzung des Rabbinates
(1861)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Januar
1861: "Endingen (Schweiz). Es wurde unlängst in der
allgemeinen Zeitung des Judentums behauptet, Herr Rabbiner Adler aus Aschaffenburg
sei von der Bewerbung um unsere erledigte Rabbinatsstelle zurückgewiesen,
weil er den Protest der oorthodoxen Rabbinen gegen Ph. mit unterzeichnet.
Der Unterzeichnete befindet sich in der Lage, diese Nachricht als eine
tendenziöse Erfindung zu bezeichnen. In den beiden vereinigten Gemeinden
Lengnau und Endingen bildet die sogenannte Reformpartei eine verschwindend
kleine Minorität; wir werden nicht allein keinen Rabbinen im Ph.'schen
Sinne und Geiste, sondern auch keinen nur indifferenten erhalten; der
Wunsch der beiden Gemeinden, fünf oder sechs Glieder derselben
abgerechnet, geht vielmehr dahin, einen Mann an die Spitze ihrer
religiösen Angelegenheiten zu berufen, dem es heiliger Ernst um die
unverkürzte Erhaltung unseres väterlichen Gesetzes ist; ja, es ist mit
Gewissheit vorauszusehen, dass selbst in dem Falle, dass wir getäuscht
werden sollten, ein Neologe oder ein Indifferenter sich weder hier noch in
Lengnau wird halten können. Benedikt Dreifuß." |
Streit um die Berufung von Rabbiner Dr. Wassermann aus Mühringen
(1861)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Mai 1861: "Von der
Limmat, Ende April (1861). Die Berufung des Rabbiners Wassermann aus
Mühringen in Württemberg, der im Geruche der Neologie steht, auf die
vereinigte Rabbinatsstelle Endingen - Lengnau hat diese Gemeinden, wie wir
uns aus eigener Anschauung zu überzeugen Gelegenheit hatten, in eine
wahrhaft schmerzliche Situation versetzt. Es kann dies nicht überraschen.
Wer weiß, wie diese beiden Gemeinden in früheren Jahren, und
insbesondere die Gemeinde Lengnau bis vor kurzer Zeit noch, das Glück
hatten, von streng orthodoxen Rabbinern geleitet zu werden, wer ferner
weiß, wie die konservativ-religiöse Richtung, die heißeste Liebe zur
angestammten väterlichen Religion alle Schichten der jüdischen
Einwohnerschaft beider Gemeinden durchdrungen und von Alt und Jung in Wort
und Tat durchs Leben getragen wird, den kann die angedeutete Unruhe über
die gedachte Besetzung nicht befremden. Diese Berufung geschah natürlich
weder durch mittelbare noch unmittelbare Beteiligung der beiden in Frage
stehenden Gemeinden; im Gegenteil, es ward in dieser Hinsicht unzweideutig
die vorherrschende Meinung in einem offiziellen Akt manifestiert. Es
hatten sich nämlich auf die geschehene Auskündigung der Vakanz
mehrgenannten vereinigten Rabbinats zehn, oder noch mehr, Rabbiner
gemeldet. Von diesen wurden von der Kantonal-Regierung zu Aarau drei
Kompententen den Gemeinden zur Wahl präsentiert. Unter diesen dreien war
ein Dr. F. aus D. und auch der im Eingang erwähnte Rabbiner Wassermann
aus Mühringen. Aus der Wahlurne ging aber Dr. F. fast mit
Stimmeneinhelligkeit hervor und eine freudige Bewegung erfüllte die
Leute, weil einlässliche Ergebungen Herrn Dr. F. als einen Mann ganz nach
Wunsch erscheinen ließen. Die Wahl erhielt aber die Sanktion der
Kantonalregierung nicht, und nach einigen weiteren Manipulationen ward von
dieser Kollegial-Behörde plötzlich Rabbiner Wassermann berufen. Wie wir
schon früher vernommen haben, soll letzterer von allen Bewerbern allein
die Ehre genießen, mit dem vorsitzenden Rat in Aarau zu gleicher Zeit in
Tübingen die Universität frequentiert zu haben. - Der Berufene war
Samstag den 20. dieses Monats Paraschat acharei Keduschim in Endingen
und predigte über den Text: 'und liebe deinen Nächsten wie dich
selbst'. Über den Gehalt der Predigt äußern wir uns nicht, da wir
physisch abgehalten waren, zur Zuhörerschaft zu gehören. - Werden den
Rabbiner Wassermann gewisse äußere Wahrnehmungen vielleicht veranlassen,
die ihm übertragene Stelle abzulehnen. Wir wollen sehen. Nach unserer
Ansicht kann ein Geistlicher nur dann mit Segen wirken, wenn - Vertrauen
seine Rabbinatsbefohlenen zu ihm erfüllt; es dürfen in den
beiderseitigen religiösen Anschauungen keine unversöhnlichen Gegensätze
vorwalten". |
Spannungen zwischen Orthodoxen und Liberalen im Blick auf die
Rabbinerwahl - von der Regierung wird Rabbiner Dr. Wassermann berufen (1861)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 21. Mai
1861: "Ober-Endingen, im Mai (1861). Der Kampf zwischen
der orthodoxen und der Fortschrittspartei hat sich zu Gunsten der
letzteren entschieden. Tatsache ist es, dass trotz allen Winkelzügen und
Machinationen, mit denen die Orthodoxen für ihren Kandidaten, Herrn Dr.
Feilchenfeld zu Felde zogen, wobei die Anschwärzung der liberalen
Kandidaten (wir wollen nicht sagen Verleumdung) einen Hauptfaktor bildete,
es nun am Ende so weit gekommen ist, dass Herr Dr. Wassermann,
Rabbiner in Mühringen, von der
hohen Regierung berufen wurde. Wir glauben, dass diese Wahl eine
glückliche sei, und wenn Herr Dr. Wassermann dieselbe annimmt, so sind
wir berechtigt zu hoffen, dass dadurch ein bedeutender Schritt geschehen
ist zur Hebung nicht nur der aargauischen, sondern sämtlicher Israeliten
in der Schweiz." |
Wahl von Rabbiner Dr. Meyer Kayserling (1861)
Anmerkungen: Weiteres zur Person von Rabbiner Dr. Meyer Kayserling
(1829 Gleidingen - 1905 Budapest) siehe Wikipedia-Artikel
"Mayer Kayerling"
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 17. September
1861: "Aarau, 28. August (1861). Der 'Schweizerbote', das
Organ der hiesigen Regierung, bringt unter dem 27. August folgende
Mitteilung: 'Nachdem die israelitischen Gemeinden Endingen-Lengnau die
Wahl eines Rabbiners für dieses Mal dem Regierungsrate überlassen und
abgetreten, so hat die Behörde auf den Vorschlag der Erziehungsdirektion
den Herrn Rabbiner Dr. M. Kayserling aus Gredingen in Hannover, wohnhaft
gegenwärtig in Berlin, zum Rabbiner der gedachten Gemeinden gewählt. Da
der Gewählte sich nicht nur als Gelehrter durch treffliche Schriften
über die Geschichte und Literatur seines Volkes bekannt gemacht hat,
sondern auch, auf vielseitig eingezogene Erkundigungen bei anerkannten
Gewährsmännern, von Seite seines Charakters und seiner übrigen
Persönlichkeit einstimmig bestens empfohlen worden ist, so darf die Wahl
eine glückliche und der Wohlfahrt der beiden Gemeinden, wie wir hoffen,
segensreiche genannt werden.'
Wie wir hören, hat Herr Dr. Kayserling die Wahl angenommen. Das Rabbinat
ist bekanntlich durch die Vereinigung der beiden früher geteilten
Rabbinate Endingen und Lengnau zu einem ansehnlichen gewachsen. Die
Annahme der Wahl hat hier im Kanton umso mehr Freude gemacht, als Herr Dr.
Kayserling auch von der Gemeinderepräsentanz in Frankfurt an der Oder
gewählt worden war, dort aber abgelehnt hat." |
Amtseinführung von Rabbiner Dr. Meyer Kayserling (1862)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. Januar 1862:
"Endingen, im Dezember (1861). Der 7. Dezember, Schabbat
Paraschat Wajigasch (= Sabbat mit der Toralesung Wajigasch = 1.
Mose 44,18-47,27) war für die israelitische Gemeinde Endingen ein
freudiger und erhebender Tag. Trotz der schlechten Witterung und der seit
dem Krawall vom 28. Oktober hier herrschenden Missstimmung brachte dieser
Tag der Amtseinführung unseres vielverehrten Herrn Rabbiners Dr.
Kayserling Heiterkeit in die Gemüter. - Morgens 10 Uhr, eine halbe Stunde
nach dem Gottesdienste, wurde Herr Dr. Kayserling in einem festlichen Zuge
von seiner Wohnung nach der Synagoge geführt. Das Bezirksamt mit
Schreiber und Weibel, die Vorsteherschaften zu Endingen und Lengnau, die
Schulpflege, die Lomdim, die Schuljugend, von ihren drei Lehrern geführt.
Die Mädchen waren mit Kränzen geschmückt. Am Portal der Synagoge und an
der Kanzel waren schöne Kränze mit passenden Inschriften angebracht. In
der Synagoge nahmen Bezirksamt, Rabbinat und die ersten Vorsteher ihren
Platz auf der Tribüne. Der gemischte Sängerchor, zum größten Teil aus
der Schuljugend bestehend, stellte sich auf die Terrasse beim Tabernakel.
Feierliche Eröffnung durch einen deutschen Choral. Der Amtsschreiber
verlas den regierungsrätlichen Erlass über die Wahl des Herrn Dr.
Kayserling. In einer gut gehaltenen Rede empfahl der Bezirksamtmann dem
Rabbiner die nun seiner Leitung unterstellten Gemeinden. Der Chor sang ein
sehr passendes Weihelied. Der Rabbiner bestieg die Kanzel. Tief ergriffen
setzte er in einer dreiviertelstündigen Rede die ihm gewordene Aufgabe
auseinander und in welchem Sinne und Geiste er sie zu lösen sich
vornehme. Die ebenso klare und bündige als tief gefühlte Rede verfehlte
ihren Eindruck nicht und wirkte erhebend und begeisternd auf die Zuhörer.
Nach der Predigt wurde abermals ein Choral und Le Keelohenu gesungen.
Nachmittags ein Festessen, das auch die Frau Rabbiner, Tochter des Herrn
Dr. Philippson, mit ihrer Gegenwart beehrte, wo es sehr gemütlich
herging. Die Trinksprüche der Heiterkeit verliehen den Gemütern
Ausdruck. Lehrer Dreifus sprach von Nacht und Licht, wie die
Rabbinatswirren die Gemeinde in ein dunkles Labyrinth geführt und wie der
Regierungsrat den Ariadnefaden zum Ausgang gefunden, wie der Name
Kayserling gleich einem Zauberworte die beunruhigten Geister
beschwichtigt. die bisherigen Vorgänge deuten auf ein segensreiches
Wirken des neu eingeführten Rabbiners. Oberlehrer Bollag sprach von der
Vereinigung der Gemeinden, die es möglich gemacht, einen würdigen
Rabbiner zu erwerben, und empfahl fernere Vereinigung zur Erreichung so
edlen Zweckes. Das Mahl wurde gewürzt durch die Toaste der Herren
Bezirksamtmann, Rabbinat, Vorster etc. -
Der Tag ist als ein heiter, ernster, wohltuender würdig, in die Annalen
von Endingen-Lengnau eingetragen zu werden mit dem Schlusssatze, der den
Wunsch unserer Gemeinde ausspricht: Möge der Herr unsern würdigen
Rabbiner Dr. Kayserling zum segensreichen Wirken inmitten unserer Gemeinde
erhalten!" |
Zum
Abschied von Rabbiner Dr. Kayserling (1870)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4.
Oktober 1870: "Endingen, 5. September (1870). Das Scheiden
unseres bisherigen Rabbinen, Herrn Dr. Kayserling, hat hier, in Lengnau
und den anderen Orten seiner Wirksamkeit ein sehr schmerzliches Bedauern
erregt. Die ungewöhnliche Pflichttreue, die Besonnenheit, Sicherheit und
Bescheidenheit, welche diesen Mann auszeichnen, und die ihm eine
bedeutende Wirksamkeit erleichtern, sind uns erst recht ins Bewusstsein
getreten, da wir ihn nach neunjähriger Funktion verlieren sollten. Es ist
nicht meine Absicht, die wesentlichen Verdienste zu besprechen, welche
sich Herr Dr. Kayserling in der Schweiz erworben, und die sich ebenso nach
Innen und nach Außen erstrecken, die ebenso eifrig für die bürgerliche
Gleichstellung und den Schutz des jüdischen Kultus gegen jeden Angriff,
wie für die Hebung aller geistigen Interessen der Juden sich geltend
machten, und sehr wahrnehmbare Veränderungen bewirkten, ohne dass Kämpfe
und Stürme zu Tage traten. Die Teilnahme bei seinem Abschiede neigte sich
denn auch in mannigfachen Äußerungen der Einzelnen, aber auch seitens
der Gesamtheit. Donnerstag Abend fand ein großes Festessen statt, bei
welchem von der Vorsteherschaft namens der Gemeinde ein sehr schön
gearbeiteter Pokal mit passender Inschrift überreicht wurde. Samstags
Nacht wurde ein Fackelzug gebracht, dem sich die Gesangvereine,
Israelitische und Christliche anschlossen. Die Kantonalregierung hat dem
Scheidenden in der Antwort auf sein Entlassungsgesuch die ehrendste
Anerkennung und das Bedauern über seinen Abgang ausgesprochen. Bei der
Abreise drängte sich Alles heran, um dem Scheidenden noch einmal die Hand
zu drücken. Wir hegen hier keinen andern Wunsch, als dass Herr Dr.
Kayserling in seinem neuen Wirkungskreise ebensoviel Liebe und
Anhänglichkeit sich zu verschaffen das Glück habe, wie er hier
hinterlassen
hat." |
Artikel
von Rabbiner Dr. Meyer Kayserling über "Die freien Schweizer" (1889)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 15. August 1889: |
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Zum
Tod von Rabbiner Dr. Meyer Kaiserling (1905)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 28. April 1905: |
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