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Wallertheim mit
Armsheim (beide VG Wörrstadt,
Landkreis Alzey-Worms)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Wallertheim sind Juden seit Mitte des 16. Jahrhunderts nachweisbar
(1555/56 zwei Juden am Ort genannt). Ende des 17. Jahrhunderts finden
sich unter den Namen der jüdischen Einwohnern auch solche von sefardischen, d.h. aus Spanien stammenden Juden
(Familie Mann, ursprünglich Mannelos; vermutlich auch die Familie Isaac).
Die Zahl
der Juden am Ort blieb zunächst gering (1824 36, 1830 33 Personen). Um die
Mitte des 19. Jahrhunderts gehörten der jüdischen Gemeinde immerhin etwa 70
Personen an. Die jüdischen Familien in Wallertheim lebten in wirtschaftlich guten Verhältnissen und betätigten sich vor allem im
Vieh-, Getreide und Weinhandel.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule, ein rituelles Bad und einen Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Religionslehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl.
Ausschreibungen der Stelle unten). Als Religionslehrer wird um 1901 B. Bravmann
genannt. Er erteilte damals auch den jüdischen Kindern in
Erbes-Büdesheim den
Religionsunterricht. Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Alzey. Nach
dem Ersten Weltkrieg war es laut dem Bericht unten (von 1928) nicht mehr
möglich, einen Lehrer anzustellen. Die Vorbeterdienste wurden ehrenamtlich von
Gemeindegliedern übernommen. Die Gemeinde Wallertheim und die Gemeinde von
Gau-Bickelheim verbanden sich zu einer gemeinsamen Gemeinde (Israelitische
Religionsgemeinde Wallertheim - Gau-Bickelheim)
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Gefreiter Alfred Baum (siehe
Artikel unten; geb. 16.7.1881 in Wallertheim, gef. 28.10.1915) und Insp.Stellv. Berthold
Isaac (geb. 23.1.1885 in Wallertheim, gef. 5.4.1918). Außerdem ist gefallen:
Julius Baum (geb. 13.4.1883 in Wallertheim, vor 1914 in
Biebrich wohnhaft, gef.
2.1.1916).
Mitte der 1920er-Jahre wurden noch 48 jüdische Einwohner gezählt (3,5 %
von insgesamt 1.350 Einwohnern). Zur Wallertheimer Gemeinde gehörten inzwischen
auch die in Gau-Bickelheim und Armsheim lebenden jüdischen Einwohner (12 bzw. 4
Personen, 1932 10 bzw. 4 Personen). Dem jüdischen Gemeindevorstand gehörten damals an:
Emil Isaac, Isaac Oppenheimer (aus Gau-Bickelheim) und August Baum. Abraham Mann
war Rechner der Gemeinde. Rabbiner Dr. Julius Lewit aus Alzey
hielt den Religionsunterricht für zwei jüdische Kinder der Gemeinde, die an
höheren Schulen waren. Anfang der 1930er-Jahre hielt den Religionsunterricht in
Wallertheim Lehrer M. Rosenberg aus Mainz. Inzwischen bildeten den
Gemeindevorstand: Emil Isaac (1. Vorsitzender), August Baum und Moritz Berger.
An jüdischen Vereinen gab es eine Chewra Kadischa (Bestattungs-
und Wohltätigkeitsverein, Vorsitzender
Max Baum) und den Wohltätigkeitsverein Gemilus Chesed (siehe Berichte
unten zum 70-jährigen Bestehen 1922 und Bericht zum 76-jährigen Bestehen 1928).
Nach 1933 (36 jüdische Einwohner) wurde durch die zunehmende
Entrechtung und die Folgen des wirtschaftlichen Boykotts die Situation der jüdischen
Einwohner alsbald schlechter. Beim Novemberpogrom 1938 wurden die
Synagoge und jüdische Geschäfte demoliert; der 94-jährige Abraham Mann kam
bei diesen Aktionen ums Leben. Bis 1940 verließen alle jüdischen Einwohner die
Gemeinde, wurden jedoch teilweise von anderen Orten deportiert.
Von den in Wallertheim geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Flora (Florentine) Andorn geb. Isaac
(1889), Rosalie Aumann geb. Marx (1861), August Baum (1878,
Stolperstein in Offenbach), Elisabeth Baum geb.
Isaac (1887), Emil Baum (1871), Kathinka Baum geb. Andorn (1884,
Stolperstein in Offenbach), Lina Baum geb. Isaak (1889), Richard Baum (1873),
Salomon Baum (1875), Abraham Beckhardt (1854), Caroline Bender
geb. Isaac (1886), Emil Isaak (1855), Julius Isaac (1873), Joseph Rudolph Isaac
(1883),
Martha Koch geb. Beckhardt (1892), Katharina Kohlmann (1887), Johanna Krautkopf geb. Isaac
(1877), Frieda Marum (1892), Paula Marum (1890), Elisabeth (Lisbet) Mayer geb.
Bing (1894), Paula Meyer geb. Mann (1860), Johanna Samuel geb. Isaac (1883),
Adolf Stern (1878), Hedwig Mathilde Stern geb. Mann (1879), Thekla Stern geb. Marum
(1893), Constanze Trum geb. Mann (1887).
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1864 /
1865 / 1894 / 1907 / 1909 / 1920
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Februar 1864:
"Die Gemeinde zu Wallertheim (Großherzogtum Hessen) sucht einen noch
unverheirateten Lehrer sofort anzustellen. Der fixe jährliche Gehalt
beträgt nebst freier Wohnung, Heizung und Emolumenten 220 Gulden.
Bewerbern, die im Französischen unterrichten können, wird außerdem für
ein Nebeneinkommen von 100 Gulden und solchen, welche zur Übernahme der
Schächterfunktionen befähigt sind, für weitere 70 Gulden garantiert.
Der Vorstand: Ludwig Beckhardt." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. März 1865:
"Lehrer gesucht! In der israelitischen Gemeinde zu Wallertheim
(Rheinhessen) ist die Stelle eines Religionslehrers, Vorsängers und
Schochet vakant und soll baldmöglichst besetzt werden. Fixer Gehalt 220
Gulden, Nebeneinkünfte 100 Gulden; außerdem freie Wohnung und Heizung.
Bewerber wollen sich wenden an den Vorsteher Ludwig Beckhardt." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der
Israelit vom 1. Februar 1894: "Die israelitische Gemeinde Wallertheim
sucht einen jungen respektive unverheirateten Lehrer, welcher Schächten
und auch vorbeten kann. Fixes Gehalt Mark 600. Schächten und
Nebenverdienste trägt ca. 400 Mark ein. Offerten unter Nr. 724 befördert
die Expedition dieses Blattes." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. August 1907:
"Wir suchen per sofort einen Religionslehrer, Vorbeter und
Schochet, jährliches fixes Gehalt 700 Mark nebst freier Wohnung.
Nebeneinkommen inklusive Schechito circa 600 Mark. Seminaristisch
gebildete Bewerber wollen sich wenden an den Vorstand der israelitischen
Kultusgemeinde Wallertheim (Rheinhessen).
Auch suchen wir zu den bevorstehenden Feiertagen einen Vorbeter;
Bewerber wollen sich bei dem Vorstand melden." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. März 1909:
"Die Religionslehrer-, Kantoren- und Schachet-Stelle soll in
unserer Gemeinde sofort besetzt werden. Das Gehalt nebst freier Wohnung
beträgt 900 Mark und zirka 800 Mark Nebeneinkommen. Seminaristisch
gebildete Bewerber belieben ihre Zeugnisse einzureichen an den
Vorsteher
Moses Isaak Wallertheim (Rheinland)." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Februar 1920:
"Die Stelle eines Religionslehrers, Vorbeter und Schächter
ist in unserer Gemeinde zu besetzen. Gehalt 2.000 Mark. Nebenverdienst
etwa 1.000 Mark bei freier Wohnung. Außerdem Nebenerwerb vorhanden.
Wallertheim (Rheinhessen). Der Vorstand Moses Isaac." |
Aus dem jüdischen
Gemeinde- und Vereinsleben
Sechs jüdische Wallertheimer
wurden zu Unteroffizieren befördert (1908)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Dezember 1908:
"Wallertheim, 29. November (1908). Im Zeitraum einiger Jahre dienten
aus unserer Gemeinde sechs jüdische Leute beim Militär, die alle den
Familiennamen Isaac führen. Alle sechs wurden trotz diesem kaum
förderlichen Namen zu Unteroffizieren befördert." |
70-jähriges Bestehen des Wohltätigkeitsvereins Gemilus Chesed
(1922)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. November 1922: "Wallertheim
(Rheinhessen), 3. Oktober (1922). Am Vorabend zum Beginn des Monats Elul
(das war Donnerstag, 24. August 1922), beging der Verein Gemilus Chesed
der vereinigten Gemeinden Wallertheim, Gau-Bickelheim und
Armsheim (statt Arnsheim), die Feier seines 70-jährigen Bestehens. Vor
dem Gottesdienste begaben sich die Mitglieder unter Führung des
Präsidenten, Herrn Moses Isaak, zu dem einzigen noch lebenden
Mitbegründer des Vereins, dem 90-jährigen Ehrenpräsidenten Herrn Martin
Isaak, um ihm die Glückwünsche zu überbringen. In ehrenden Worten
gedachte Herr Moses Isaak der vielen Verdienste des Jubilars, die dieser
sich als ehemaliger Rechner und Präsident erworben habe. Dann begab man
sich zum Gottesdienst. Nach Schluss desselben fanden sich die Mitglieder
im Hause des Herrn Adolf Isaak zur gemütlichen Feier, die angesichts der
heutigen Zeitverhältnisse im engsten Rahmen gehalten wurde, zusammen. Als
erster ergriff Herr Präsident Moses Isaak das Wort und gab einen
Rückblick über die Entstehung und seitherige Tätigkeit des Vereins. Mit
einem kräftigen Appell an die jüngeren Mitglieder, dem Beispiel der
älteren Generation zu folgen in Treue und Pflichtbewusstsein, schloss er
seine interessanten Ausführungen. Herr Karl Isaak II schloss sich diesen
Ausführungen an und Herr Julius Haas, Bingen, gedachte seines Großvaters
als Mitbegründers und und ersten Präsidenten und seines Vaters. Sodann
ermahnte das Vorstandsmitglied Herr Isaak Oppenheimer die Mitglieder in
eindringlichen Worten, Treue dem Glauben zu wahren und stets das Erbe
unserer Väter durchzuhalten. Er gedachte ferner der im Weltkriege
gefallenen Mitglieder Alfred Baum und Bertold Isaak. Der Präsident dankte
allen für das gute Gelingen der schlichten Feier und gab noch bekannte,
dass der Verein noch drei Jubilare habe, nämlich die Herren Karl Isaak 1,
Adolf Isaak und Abraham Beckhard, die heute vor 50 Jahren dem Verein als
Mitglieder beigetreten seien. Auch ihnen sprach er seine Glückwünsche
aus. Herr Adolf Isaak dankte hierfür namens der Jubilare. Herr Karl Isaak
I bat die Versammlung daraufhin, die Feiert nicht vorübergehen zu lassen,
ohne auch heute praktisch Gemilus Chesed (Wohltätigkeit) geübt zu
haben. Eine vorgenommene Tellersammlung ergab eine größere Summe. Mit
Worten des Dankes an alle schloss daraufhin der Präsident, Herr Moses
Isaak, die schön verlaufene Feier." |
Feier des Verfassungstages,
Mitteilungen aus dem Wohltätigkeitsverein "Chevroh Gmiluth Chesed"
und weitere Mitteilungen (1928)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. August 1928: "Wallertheim,
27. August (1928). Am Samstag, den 11. August wurde beim
Frühgottesdienste durch eine feierliche Ansprache des Vorstandsmitgliedes
Oppenheimer, Gau-Bickelheim, des Verfassungstages
gedacht.
Der Wohltätigkeitsverein 'Chevroh Gmiluth Chesed', der auf ein
76-jähriges Bestehen zurückblicken kann, hielt anlässlich des Jom
Kippur Koaun Erev Rosch Chaidesch Elul, Gottesdienst mit nachfolgender
General-Versammlung ab. Vor Eintritt in die Tagesordnung ergriff das
Mitglied des Vorstands, Herr Oppenheimer, Gau-Bickelheim, das Wort, um dem
Präsidenten Moses Isaac, anlässlich seines 77-jährigen
Geburtstages im Namen der Brüder die Glückwünsche zu übermitteln. Herr
Moses Isaac steht seit 50 Jahren im Dienste des Vereins. Bis zum Jahre
1922 versah er die Ehrenstelle als Rechner, und von da ab wurde er
einstimmig zum Präsidenten gewählt. Er hat während den langen Jahren
des Bestehens des Wohltätigkeitsvereins fast nie bei den Tagungen
gefehlt. Dem Vorstand gehören seit 1901 an: Isaac Oppenheimer, Gau-Bickelheim, Max Baum
Wallertheim, der derzeitige Rechner ist Josef
Marum in Wallertheim. Seit dem Kriege ist es der Israelitischen
Religionsgemeinde Wallertheim-Gaubickelheim noch nicht möglich
gewesen, wieder einen Lehrer anzustellen. Die Gemeinde ist jedoch
in der glücklichen Lage, dass ehrenamtlich die Vorbeterdienste
seit Jahren durch Herrn Oppenheimer Gau-Bickelheim, im Verhinderungsfalle
durch Herrn Max Baum versehen werden. Seit der Zeit, woselbst die Gemeinde
keinen Lehrer besitzt, wird die Tora-Vorlesung durch Herrn Karl Isaac
besorgt." |
Christlich-jüdisches Miteinander - zum 25jährigen Amtsjubiläum von Pfarrer
Weisel (1931)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Mai 1931:
"Wallertheim, 18. Mai (1931). Am 6. Mai feierte Herr Pfarrer Weisel
in Wallertheim und Gau-Weinheim sein 25jähriges Amtsjubiläum. Dem
beliebten Seelsorger wurden an diesem Tage vielfache Ehrungen zuteil. In
einem Überblicke über seine Amtstätigkeit in der 'Wallertheimer
Heimatzeitung' schreibt nun Herr Pfarrer Weisel u.a.: 'Eine ganz besondere
Freude bereitete dem Jubilar die persönliche und auch schriftliche Teilnahme
der jüdischen Gemeinde und ihrer zahlreichen Glieder. Ich sehe in der
außerordentlichen Teilnahme gerade auch von dieser Seite eine
Anerkenntnis meiner Tätigkeit. Meine lieben jüdischen Mitbürger
zeichnen sich durch soviel hervorstechende Züge in ihrem Charakterbilde
aus, dass es ein großes Unrecht wäre, sie aus dem Volksleben als
unbequeme Elemente ausschalten zu wollen. Sie haben wie die anderen auch
ihre Söhne dem Vaterlande zur Verfügung gestellt. Und ihrer sind nicht
wenige auf dem Felde der Ehre gefallen. Antisemitismus ist eine
Pflanze, die sollte im deutschen Vaterlande, wo immer sie wächst, als
eine Giftpflanze ausgerottet werden." |
Berichte zu einzelnen Gemeindegliedern
Zum Tod von Alfred Baum - gefallen 1915
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. November 1915:
"Wallertheim (Rheinhessen), 1. November 1915. In tiefe Trauer
ist die hiesige jüdische Gemeinde durch den Verlust eines ihrer Besten
versetzt worden. Alfred Baum hat auf dem Felde der Ehre den Heldentod
fürs Vaterland erlitten. Um ihn weinen eine edle Gattin und Kinder,
Verwandte und Freunde in großer Zahl. Die heißesten Wünsche all derer,
die ihn kannten, begleiteten ihn, als er zu Beginn des Krieges hinauszog,
um mit wahrhaft jüdischer Pflichttreue seinem Vaterlande zu dienen. Wie
überall in seinem Leben, so erwarb er sich auch draußen in hohem Maße
das Vertrauen seiner Vorgesetzten und Kameraden, ohne seine Pflichten als
strenger Jehudi zu vernachlässigen. Kurz vor Rosch Haschana
(Neujahrsfest) wurde er schwer verwundet und nach zwei Monaten hauchte er
seine edle Seele aus, zum tiefsten Schmerze seiner Familie, seiner Freunde
und seiner Gemeinde! Schien er doch dazu berufen, in seiner Heimat Tora
und Gottesfurcht zu erhalten und fortzupflanzen. Im Hause Bondi, Mainz,
hatte er in seiner Jugend Gelegenheit neben seiner kaufmännischen
Ausbildung auch seinen jüdischen Charakter zu befestigen, mit dem er ein
Segen seiner Umgebung wurde. Wie verstand er es, die Gemeinde in seinem
Gebete hinzureißen, als er noch am letzten Pessach, auf Urlaub weilend,
für den abwesenden Chassen (Vorbeter) vor den Omed
(Lesepult) Trat und mit seiner wohlklingenden Stimme die Gebete so
verständnisvoll und innig vortrug. Von seinem echt jüdischen Hause ging
ein warmer Strahl echter Gottesfurcht aus, der Licht und Wärme ringsherum
in seinem kleinen Kreise verbreitete. Das sag man so recht am vergangenen
Rosch Haschana, als bei Anlass der Einweihung des von ihm gestifteten
Toramäntelchens der Vorsteher, Herr Isaak, des Schwerverwundeten in
warmen, rührenden Worten gedachte, und die ganze Gemeinde unter Tränen
um seine Genesung betete. Wer das innige Familienleben kannte, in welchem
sich des Verblichenen leider so kurze Laufbahn bewegte, der wird den
Schmerz der schwer geprüften Gattin und Verwandten ermessen können. Die
ganze Gemeinde3 trauert um ihn und wird ihm ein ewiges, ehrendes Andenken
bewahren. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Anzeige zum Tod von Rosa Isaac geb. Mayer (1923)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. September 1923:
"Statt Karten. Todes-Anzeige. Meine herzensgute, innigstgeliebte
Frau, unsere liebe fürsorgliche Mutter, Schwiegermutter, Schwester,
Schwägerin, Tante und Cousine Frau Rosa Isaac geb. Mayer hat nach
Gottes unerforschlichem Ratschluss nach langem schwerem, mit unendlicher
Geduld ertragenem Leiden heute Abend 8 Uhr im Alter von 58 Jahren das
Zeitliche gesegnet. Wallertheim (Rheinhessen), Ober-Ohn bei Mainz, den 16.
September 1923. In tiefer Trauer: Karl Isaac Emil
Isaac Otto Isaac Alex Abraham und Frau
Johanna geb. Isaac Emma Mayer Rosalie
Isaac. |
Zum 50jährigen Jubiläum das Baal Tokeah (Schofarbläsers)
von Karl Isaac (1926)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. August 1926:
"Wallertheim, 20. August (1926). Am nächsten Rosch Haschonoh begeht
- so Gott will - der 73jährige Herr Karl Isaac, Senior der
Getreidehandlung Karl Isaac und Co., ein seltenes Jubiläum. 50 Jahre sind
es, dass der Jubilar Baal Tokeah (Schofarbläser) der hiesigen
Religionsgemeinde ist. Als Nachfolger seines Onkels, der ebenfalls lange
Jahre Baal Tokeah war, mahnt er nun schon 50 Jahre durch des Schofars
Stimme die Gemeinde zur heiligen Einkehr und Selbstbesinnung. Außerdem
wirkt er bereits ununterbrochen von Beginn des Krieges 1914, seit der
'lehrerlosen' Zeit, als Baal Koreh, immer in dem Bestreben, die Institutionen
der Gemeinde hochzuhalten, die leider auch schon und dem Einfluss des
Zeitgeistes gelitten hat. Dies lässt ihn trotzdem nicht zurückschrecken,
in seinem Bestreben die Heilighaltung der Tora in der Gemeinde zu
vertiefen. Unser Wunsch zu seinem Ehrentage, dem namens des
Wohltätigkeitsvereins Wallertheim - Gau-Bickelheim - Armsheim am
vergangenen Jom-Kippur-Katan anlässlich der General-Versammlung bereits
das Vorstandsmitglied Herr Isaac Oppenheimer Gau-Bickelheim beredten
Ausdruck verlieh, ist der. Mögen seine Bemühungen von Erfolg gekrönt
sein, und seine Kraft noch lange Jahre der Gemeinde erhalten
bleiben." |
Zum 70. Geburtstag von Karl Isaac (1923)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. August 1923: "Wallertheim
(Rheinhessen), 9. August (1923). Am Schabbat Debarim (= Schabbat
mit der Toralesung Debarim = 5. Mose 1,1 - 3,22; 21. Juli 1923)
vollendete der Seniorchef der Getreidefirma Karl Isaac und Co., Herr Karl
Isaac, sein 70. Lebensjahr. Herr Isaac ist seit 1877 ununterbrochen Bal
Toakeah (Schofarbläser) der hiesigen Gemeinde und seit der 'lehrerlosen'
Zeit vollzieht er auch die Funktion des 'leienens' (Vorlesen aus der
Tora). Seine Verdienste um das synagogale Leben der Kehillo (Gemeinde) hob
der Gemeindevorsteher unter gleichzeitiger Danksagung namens der Gemeinde
hervor. Möge ihm ein hohes Alter beschieden sein und er sich der
Segnungen erfreuen, die von ihm ausgehen." |
Zum Tod von Emma Mayer (1938)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. März 1938: "Wallertheim
(Rheinhessen), 2. März (1938). Im Alter von 70 Jahren starb Emma Mayer.
Wenn sich auch ihr Wirken nur auf ihre eigene Familie beschränkte, so
muss man doch ihre aufopfernde Tätigkeit registrieren. Sie bewährte sich
sowohl als treue Tochter ihres der Gattin so früh beraubten Vaters
Salomon Mayer s.A. in Weisenheim am Sand, als auch später im Hause ihrer
Schwester und ihres Schwagers Karl Isaac s.A. in Wallertheim. In frischer Erinnerung
ist es noch bei allen, mit welcher unendlicher Hingabe und Aufopferung sie
ihren Schwager pflegte. Sie lebte und wirkte nur für das Wohl ihrer
Angehörigen. Ihr Andenken sei zum Segen. Ihre Seele sei eingebunden in
den Bund des Lebens." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Einzelpersonen
Anzeige des Metzgermeisters Adolf Isaak (1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. September 1901:
"Suche per sofort einen tüchtigen
Metzgergesellen, aus achtbarer Familie bei dauernder Arbeit.
Adolf Isaak, Wallertheim, Rheinhessen." |
Mitarbeitersuche des Warenhauses J.H. Baum
(1911)
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 28. April 1911:
"Lehrling.
Zum baldigen Eintritt suche ich einen gewandten
Lehrling sowie eine jüngere tüchtige
Verkäuferin.
Kost und Logis
im Hause. Samstag und israelitische Feiertage geschlossen.
Warenhaus J. H. Baum, Wallertheim, Rheinhessen". |
Verlobungsanzeige von Johanna Isaac und Alex Abraham
(1922)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. August 1922: "Gott
sei gepriesen.
Johanna Isaac - Alex Abraham. Verlobte.
Wallertheim (in Rheinhessen) - Ober-Olm (bei Mainz).
Am Schabbat Ekew". (das war Schabbat mit der Toralesung Ekew
= 5. Mose 7,12 - 11,25; 12. August 1922). |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine Synagoge, vermutlich ein Betraum wird in Wallertheim erstmals 1851
genannt. Der Raum kann nicht groß gewesen sein. 1864 wurde eine
Gemeindeversammlung einberufen im Blick auf eine neue Platzverteilung. 1883/84
konnte eine Synagoge neu gebaut werden, möglicherweise handelte es sich auch um
einen umfassenden Umbau des bisherigen Gebäudes. Die Einweihung war am 5.
September 1884.
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Einladung und
Programm zur Einweihungsfeier der Synagoge Wallertheim am 5. September
1884 (Quelle: Arnsberg Bilder S. 195) |
Beim Synagogengebäude handelte es sich um einen Backsteinbau in
der Nähe zur evangelischen Kirche. Fenster und der Eingang zeigten maurische
Formen (Kielbogen). Über dem Eingang befand sich als Portalinschrift ein Zitat
aus Psalm 118,20: "Dies ist das Tor zum Herrn, Gerechte ziehen durch es
hinein".
Aus dem folgenden Jahrzehnten liegen nur wenige Berichte zum gottesdienstlichen
Leben in der Synagoge vor. 1914 wird von der Spende von Toraschmuck durch das
Ehepaar Isaac berichtet:
Spende von Toraschmuck durch das Ehepaar Karl Isaac I. und
Rosa geb. Mayer (1914)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 12. Juni 1914:
"Wallertheim (Rheinhessen). Am Schabbos vor Scheuaus (sc.
Laubhüttenfest) übernahm der Vorstand der hiesigen Gemeinde, den von
Karl Isaac I. und seiner Gemahlin Frau Rosa Isaac geb. Mayer anlässlich
ihrer silbernen Hochzeit gestifteten Toraschmuck. Der Vorstand dankte
namens der Gemeinde. Auch Lehrer Maier nahm ´Veranlassung, in den Herzen
kommenden Worten den Spender als einen Mann zu feiern, bei dem Theorie und
Praxis in schöner Harmonie übereinstimmten. Immer wieder müsse er, wenn
er sich mit Herrn Isaac unterhalte, das große jüdische Wissen, über das
dieser verfüge, bewundern. Er bedauere nur, dass Herr Isaac, der schon so
unendlich viel für das religiöse Leben in der Wallertheimer Gemeinde
geleistet habe, und den leider seine Krankheit infolge des Bahnunglücks
bei Mainz ans Bett fessele, seine Gabe der Gemeinde nicht selber
überreichen konnte." |
Durch die Abwanderung der jüdischen Einwohner wurde es bereits in den
1920er-Jahren immer schwieriger, die zum Gottesdienst notwendige Zehnzahl der
jüdischen Männer überhaupt noch zusammen zu bekommen. Über die damalige,
schwierig gewordene Situation liegt ein Bericht in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 24. März 1927 vor:
Wallertheim,
2. März (1927). Der Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinde Wallertheim
erlässt an die Mitglieder der Gemeinde folgendes Rundschreiben: "Ich habe
Veranlassung als Vorstand unserer Kehilla (= Gemeinde) Ihnen folgendes zu
unterbreiten. Schon verschiedene Male mussten wir an Samstag Vormittagen die
Pforten unserer Synagoge schließen, ohne unsere heiligen Gebete verrichten zu
können. Ganz zu schweigen von den Freitag-Abenden, wo wir schon lange kein
Minjan (Zehnzahl der Männer) mehr bekommen.
Die einst so blühende jüdische Gemeinde Wallertheim, scheint demselben
Schicksal verfassen zu sein, wie ihre Schwestergemeinden in Rheinhessen.
Angesichts dieser betrübenden Tatsache ist es mir Bedürfnis, ein ernstes Wort
in letzter Stunde an Sie zu richte.
Wollt Ihr, dass Eure Kinder unserer heiligen Religion erhalten bleiben, dass die
stolzen Traditionen unseres jüdischen Volkes hochgehalten werden, dann besinnt
Euch auf Eure Pflicht! Legt ab die Gleichgültigkeit und geht Euren Kindern das
Beispiel von Menschen, die sich würdig ihrer Ahnen zeigen. Helft mit das Werk
erhalten, auf das wir Wallertheimer immer stolz waren. Es ist ja nicht viel, was
von Euch verlangt wird. Die paar Minuten, die der Gottesdienst erheischt, kann
jeder opfern im Hinblick darauf, dass er einer großen Sache dient.
Ich bin sicher, dass es nur dieses Hinweises bedurfte, um eine Änderung der
seitherigen Zustände eintreten zu lassen und ich würde mich freuen, wenn mein
Ruf nicht ungehört verhallt." - (Es ist tieftraurig, dass es so weit
kommen kann, und auf der anderen Seite erfreulich, dass es noch Männer in der
Gemeinde gibt, die so energisch zupacken, bevor noch alles verloren ist. D.
Red.). |
Beim Novemberpogrom 1938 wurde das Gebäude demoliert und in
Brand gesetzt, jedoch scheint das Feuer gelöscht worden zu sein. Zunächst war
der Abbruch geplant. Nach einem Bericht des Kreisamtes vom Mai 1940 wäre
"für die Beseitigung ein Betrag von ungefähr 1000.- erforderlich".
Das Gebäude blieb vermutlich auf Grund dieser relativ hohen Abbruchkosten
stehen. Dokumente über den damals sogenannten "Einsatz der jüdischen
Vermögens" sowie die "Entjudung des Grundbesitzes,
Eigentumsübertragung der Israelitischen Religionsgemeinde Wallertheim an die
Gemeinde Wallertheim" finden sich heute im Landesarchiv Speyer (Bestand H
51).
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Das Finanzamt Wörrstadt
beziffert am
25. März 1030 des Einheitswert der
Grundstücke der jüdischen Gemeinde |
Verkauf des
Synagogengrundstücks durch
Emil Isaac und August Baum, die letzten
Vertreter der Jüdischen Gemeinde an die
bürgerliche Gemeinde
(beide wurden nach Deportation ermordet) |
Oktober 1940:
Bericht an den Landrat,
"dass das Vermögen der israelitischen
Religionsgemeinde (Synagoge u. zwei Hofreite)
von der Civilgemeinde kostenlos
übernommen wurde". |
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Nach Abschluss der
Restitutionsverhandlungen erwarb die Ortsgemeinde Wallertheim das Synagogengebäude
1952 und ließ es zum Rathaus umbauen. 2005/06 werden größere
Renovierungsarbeiten durchgeführt. Das ehemalige Synagogengebäude wird auch
künftig als Rathaus dienen. Eine Gedenktafel ist angebracht.
Adresse/Standort der Synagoge: Neustraße 3.
Fotos
(Historische Aufnahmen aus: Synagogengedenkbuch
Rheinland-Pfalz s. Lit. S. 379; neuere Fotos Hahn, Aufnahmedatum 3.8.2005)
Historische und neue Aufnahmen
der
ehemaligen Synagoge |
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Die ehemalige Synagoge
vor dem
Umbau zum
Rathaus um 1950 |
Gruppenbild vor dem Portal der
Synagoge (1929). Erkennbar ist der Schlussteil der hebräischen
Portalinschrift aus Psalm 118,20: "Dies ist das Tor zum Herrn,
Gerechte ziehen durch es hinein". |
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Die ehemalige
Synagoge, seit 1952 Rathaus im Sommer 2005 |
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Erinnerung an den Umbau
zum
Rathaus 1952 |
Gedenktafel für die ehemalige
Synagoge am Eingang |
Blick in das Gebäude auf
Höhe
der früheren Frauenempore |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen.
Bd. II S. 341-343. |
| ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. 195. |
| "...und dies ist die Pforte des Himmels" Synagogen -
Rheinland-Pfalz. Saarland. Hg. vom Landesamt für Denkmalpflege
Rheinland-Pfalz mit dem Staatlichen Konservatoramt des Saarlandes und dem
Synagogue Memorial Jerusalem. 2005. S. 378-379 (mit weiterer Lit.) |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Wallertheim. Jews lived
there from 1690 and established a community numbering 61 (about 6 % of the
total) in 1861. By 1933 it had declined to 36, the Jews in Gau-Bickelheim and
Armsheim forming part of its membership. ... By 1940 all the Jews had left, 18
emigrating to the U.S.
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