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Hagenbach (Kreis
Germersheim)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In der bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts freien Reichsstadt Hagenbach
bestand seit dem 19. Jahrhundert und bis in die Zeit des Nationalsozialismus
eine jüdische Gemeinde. 1743 werden erstmals zwei jüdische Familien genannt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1808 24 jüdische Einwohner (2,4 % der Gesamteinwohnerschaft), 1827 47
(3,7 % der Gesamteinwohnerschaft),
1852 123 (in 25 Familien), Höchstzahl jüdischer Einwohner 1875 mit 151 Personen
erreicht (ca. 8 % der Gesamteinwohnerschaft), 1900 88 Personen. Die jüdischen Familien lebten überwiegend vom Handel mit
Rindern, Pferden, Tuch, Baumwollzeug und Mehl. Es gab zeitweise eine jüdische
Metzgerei, eine Bäckerei und eine Gastwirtschaft.
An Einrichtungen der jüdischen Gemeinde waren eine Synagoge (s.u.), eine Schule
und ein rituelles Bad vorhanden. Von 1839 bis 1924 bestand es
eine Israelitische Konfessionsschule in Hagenbach. Der Lehrer an
der Schule war zugleich Vorbeter an der Synagoge und Schächter der Gemeinde. Die Lehrerstelle musste bei
notwendigen Neubesetzungen immer wieder ausgeschrieben werden. Um 1840 wird als
Lehrer Jos. Abr. Blum genannt (s.u.). Nachdem 1885 der
Lehrer Max Behr nach Regensburg berufen wurde, wurde die Stelle neu
ausgeschrieben (siehe Anzeige unten). Hierauf bewarb sich erfolgreich Lehrer Leo(n) Waldbott (geb. 1867 in Oberlustadt,
gest. 1940 Cincinnati USA), der bis 1890 in Hagenbach blieb und danach bis 1937
als hoch angesehener Lehrer in Speyer wirkte. Einer der letzten jüdischen Volksschullehrer in Hagenbach war Joseph Wolfromm, der 1909 auf
die Stelle ernannt wurde. Die Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat in Landau.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Alwin Vollmer (geb.
1879, gef. 1917).
Um 1924, als in Hagenbach noch 43 jüdische Einwohner gezählt wurden,
waren die Gemeindevorsteher Max Elikann und Max Lämmle. Als Lehrer ist ein Herr
Lamm angegeben. Er unterrichtete damals (im letzten Jahr der Israelitischen
Volksschule) noch vier Kinder. An jüdischen Vereinen gab es den Israelitischen
Frauenverein (1924 unter Leitung der Frau von Heinrich Lämmle mit 10
Mitgliedern). 1932 waren die Vorsitzenden der
Gemeinde Max Elikann (1. Vors., Isaak Lämmle (2. Vors.) und Artur Blum (3.
Vors.). Die Israelitische Volksschule war inzwischen aufgelöst. Im Schuljahr
1931/32 erhielt nur noch ein Kind der Gemeinde Religionsunterricht.
1933 wurden noch etwa 35 jüdische Einwohner gezählt. In den folgenden
Jahren ist ein Teil von ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen
Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien vom Ort verzogen
beziehungsweise ausgewandert. 1936 lebten noch 23
jüdische Einwohner in Hagenbach, 1938 noch 15. Beim Novemberpogrom 1938
wurde die Synagoge zerstört (s.u.).
Von den in Hagenbach geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Bella (Isabella) Blum geb. Elikann (1881), Anna Elikann
(1906), August Elikann (1875), David C. Elikann (1877), Elias Elikann (1857),
Else Elikann (1912), Eugen Elikann (1884), Heinrich Elikann (1909), Juliane Elikann geb. Baer (1877),
Louis Emsheimer (1865, Foto des Grabsteines in Gurs siehe unten), Markus Elikann (1879), Maximilian Elikann (1868), Toni
Fröhlich geb. Elikann (1902), Ida Juliana Gottlieb geb. Wolf (1880), Ida Kullmann geb. Vollmer (1867), Heinrich
Lämmle (1874), Max Lämmle (1870), Joseph Langer (1886), Hilda Levy geb.
Lämmle (1869), Lucien
Levy (1897), Marthe (Meta) Michel geb. Blum (1894), Lina Prefel geb. Schmidt
(1892), Rosa Reiss geb. Vollmer (1866), Gustav Rosenthal (1885), Louis
Schmidt (1879), Sara Schuster (1867), Anna Vollmer (1903), Emma Vollmer (1898),
Camille (Kamille) Vollmer (1875), Kilian Vollmer (1885), Nelly Vollmer (1901),
Rudolf Vollmer (1871), Louis/Ludwig
Weil (1891), Moritz Weil (1864), Paula Wolf geb. Vollmer (1886).
Anmerkung: Die Recherche in den angegebenen Listen ist durch die Namensgleichheit
und Verwechslungen mit Hagenbach in
Oberfranken teilweise schwierig. Unter diesem Vorbehalt wurde auch die obige
Liste zusammengestellt.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet
1885
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. September 1885: "Israelitische
Schuldienst-Erledigung. Die Stelle eines Lehrers an der israelitischen
Schule zu Hagenbach, königlichen Bezirksamts Germersheim, mit welcher der
Dienst eines Vorsängers in der Synagoge und eines Schächters verbunden
ist, ist durch die Versetzung des bisherigen Lehrers Max Behr nach
Regensburg in Erledigung gekommen und wird mit folgenden Bezügen zur
Bewerbung ausgeschrieben: 1) Gehalt aus der Gemeindekasse 350 Mark, 2)
Gehalt aus der israelitischen Kultuskasse 250 Mark, 3) Beitrag aus
Staatsfonds 180 Mark = Summe 780 Mark; Ferner 4) Gehalt als
Vorsänger 200 Mark, 5) Ständige Teuerungs-Zulage aus der
Kultuskasse 120 Mark, 6) Wohnungsentschädigung, insolange keine
Dienstwohnung für den Lehrer vorhanden ist 100 Mark, 7) Anschlag
der Kasualien, für deren Eingang die Kultusgemeinde Garantie
leistet 200 Mark. Total: 1.400 Mark.
Außerdem hat der anzustellende Lehrer den Garten beim Schulhause ohne
Anschlag in Genuss. Bewerber um diese Stelle haben ihre gehörig belegten
Gesuche längstens bis 3. Oktober laufenden Jahres einschließlich bei dem
unterfertigten Bürgermeisteramte einzureichen. Hagenbach, den 9. September
1885. Das Bürgermeisteramt: Meyrer. Der israelitische Kultusvorstand: Max
Elikann". |
Nennung von Lehrer Jos. Abr. Blum (um 1840)
Artikel in "Israelitische Annalen" vom 15. Januar 1841: "Rabbinatsbezirk Kaiserslautern
1) Winnweiler, J. Strauss 7. März 1830.
2) Alsenz, B. Weinschenk, 28. August 1830.
3) Odenbach, Is. C. Kampe, 16.
Februar 1831.
4) Otterberg, J. Lehmann, 11. Juni 1831
(Nach dessen Versetzung J. Asser, jetzt gestorben, und an dessen Stelle
jetzt Mandel.)
5) Steinbach, S. Frenkel, 11.
August 1831.
6) Münchweiler, J. Strauß, 15.
Januar 1832.
7) Kirchheimbolanden, Adler,
28. Juli 1832 (an dessen Stelle später der ebenfalls wackere Jakob
Sulzbacher).
8) Kaiserslautern, A. Kahn, 23.
Mai 1833 (später Walz).
9) Hochspeyer, H. Rothschild, 4.
August 1833 (später in Niederhochstadt und jene Stelle ist noch unbesetzt).
10) Gauersheim, B. Feistmann, 30.
Dezember 1834 (gestorben)
11) Börrstadt, Jos. Abr. Blum, 20.
Februar 1836 (versetzt nach Hagenbach, und hier B. Alexander).
12) Rockenhausen, M. Eigner, 28.
Oktober 1837.
13) Niederkirchen, M. Salomon, 11.
Oktober 1837.
14) Marienthal, Isaac Lob, 18. März
1838 (später J. Frank, pensioniert unterm 23. August 1838, für ihn S.
Wolff)." |
Lehrer Joseph Wolframm wird als Lehrer
in Hagenbach ernannt (1909)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. August 1909:
"Unteraltertheim, 30. Juli (1909). Herr Lehrer Joseph Wolframm in
Oberaltertheim wurde zum Volksschullehrer in Hagenbach
bei Germersheim (Rheinpfalz) ernannt. |
Zu einzelnen
Personen aus der jüdischen Gemeinde
Erinnerung an einen Gefallenen des Ersten Weltkrieges aus Hagenbach
Erinnerung an die Deportation in das südfranzösische
Internierungslager Gurs im Oktober 1940: Grabstein für Louis Emsheimer in Gurs
Grabstein im Friedhof des ehemaligen Internierungslagers Gurs für
Louis Emsheimer,
geb. am 12. Juli 1865 in Hagenbach (Germersheim), später wohnhaft in
Karlsruhe,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert, wo er am 19. November 1940
umgekommen ist.
(Foto: Bernhard Kukatzki) |
Zur Geschichte des Betsaals/der Synagoge
Am Anfang des 19.
Jahrhunderts (oder bereits 1772) wurde auf Grund der bis dahin gestiegenen Zahl
der jüdischen Einwohner Hagenbachs wahrscheinlich ein Betsaal, vermutlich etwas
später die erste Synagoge eingerichtet. Sie stand nach mündlicher Überlieferung
im Bereich der Theresienstraße. 1882 befand sich diese Synagoge in einem
baulich sehr schlechten Zustand. Bezirksbauschaffner Willnecker aus Kandel
beurteilte den Zustand des Gebäudes so: "Die Synagoge zu Hagenbach steht
an einer abseits gelegenen Stelle zwischen geringen Anwesen hineingebaut. Es führt
keine Straße hin, sondern nur ein winkeliges Gässchen. In unmittelbarer Nähe
derselben befinden sich vier oder fünf Aborte und Dunggruben. Nur eine Seite
steht über zwei Drittel ihrer Länge ganz frei... Der Sockel des Gebäudes ist
von Stein, die Umfassungswände sind Fachwerk. Das Dach ist mit Ziegeln gedeckt.
Der allgemeine bauliche Zustand ist kein guter. Viel Holzwerk ist bereits
angefault, der Rohrverputz teilweise heruntergefallen".
Da die Reparatur und der Umbau der alten Synagoge 3.000 bis 5.000 Mark gekostet
hätte, beschloss die israelitische Gemeinde, eine neue Synagoge zu
erstellen, für die freilich 9.000 bis 10.000 Mark veranschlagt werden mussten.
So veranstaltete man im gesamten Rabbinat im März 1883 eine Kollekte für den
Synagogeneubau in Hagenbach. Es ist nicht bekannt, wie viel diese erbrachte. Wie
andernorts wird letztlich die Summe aufgebracht worden sein: auf Grund der
Kollekte, des Verkaufs von Synagogenplätzen, einer Umlage unter den
Gemeindegliedern und letztlich wohl auch durch Aufnahme eines Kapitals für die
noch fehlende Summe. Am 8. Mai 1885 konnte die neue Synagoge eingeweiht
werden. In einem Festzug durch den Ort wurden die Torarollen von der alten zur
neuen Synagoge gebracht. In seiner Weiherede führte Bezirksrabbiner Grünewald
u.a. aus: "...und wahrlich meine Freunde, schon durch die Wiederherstellung
dieses Gotteshauses und die Opfer, die Ihr dafür gebracht habt und weiterhin
bringt, habt Ihr ja den Beweis geliefert, dass Ihr Sinn für das Höhere habt.
Aber eben dieses, das Gotteshaus selbst, der Gottesdienst, der in ihm
stattfindet, muss fortwährend Mahnung sein, das Auge von der Erde zum Himmel
empor zu richten, es muss fortwährend die Worte des Erzvaters Euch ins Gedächtnis
rufen: 'Wie heilig ist dieser Ort'; nicht anders, es ist ein Haus Gottes und das
ist die Pforte des Himmels". Die Synagoge hatte 70 Sitzplatze für die Männer
und 50 auf der Empore für die Frauen. Der Gebetsraum hatte eine Fläche von
106,25 qm. Er war acht Meter hoch.
In der Pogromnacht im November 1938 wurde die Synagoge von
NS-Parteigenossen aus Hagenbach und den Nachbarorten angezündet. Die gesamte
Inneneinrichtung verbrannte oder wurde irreparabel beschädigt. Hilfsbereiten Männern
des Ortes, die zum Löschen herbeigeeilt waren, wurde der Zugang zur Brandstelle
mit der Bemerkung verwehrt, dass es hier nichts zu löschen gäbe. Wenig später
wurde das Gotteshaus abgebrochen. Während des Krieges wurde der Grundbesitz von
der Reichsfinanzverwaltung verwaltet. Am 19. Januar 1950 wurde es an die jüdische
Kultusgemeinde zurückgegeben.
Standort der Synagoge: die Synagoge stand auf derselben Seite wie die
katholische Kirche, einige Häuser weiter weg in westlicher Richtung; das Gebäude
stand etwas zurückgesetzt von der Straße. Der Platz davor war gleichzeitig
Schulhof für das benachbarte jüdische Schulhaus, das auf dem heutigen Grundstück
Ludwigstraße 27 stand.
Fotos
Plan und Historisches Foto:
(Fotos: aus dem Buch von H. Dreizehnter s.Lit. S.
760.766.769)
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Plan des
Synagogengrundstückes in Hagenbach
(in: K. Fücks/M. Jäger s. Lit. S.
93).
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Das bislang einzige Foto der
Synagoge zeigt deren
Hauptfassade und den Eingangsbereich.
Im Vordergrund eine (christliche) Hochzeitsgesellschaft von 1931 |
Fotos nach 1945/Gegenwart:
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Ehemaliges jüdisches
Schulhaus auf dem heutigen
Grundstück Ludwigstraße 27; links daneben lag
der
Vorplatz zur Synagoge |
Ehemalige jüdisches Badhaus
auf dem heutigen
Grundstück Ludwigstraße 24; von 1856 bis 1900 war
hier
die Mikwe eingerichtet |
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Neue Fotos des
Synagogengrundstückes werden noch erstellt;
Über Zusendungen freut sich der Webmaster von "Alemannia
Judaica",
Adresse siehe Eingangsseite.
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Albert Dörr: Ortschronik von Hagenbach; Juden im 19. und 20. Jahrhundert. In: 1907. 50 Jahre. 1957. Gesangverein Frohsinn Hagenbach.
Festschrift zum 50jährigen Stiftungsfest. Hagenbach 1957. S. 11-23. |
| Karl Fücks / Michael Jäger: Synagogen der Pfälzer Juden.
Vom Untergang ihrer Gotteshäuser und Gemeinden. 1988. |
| Hermann Dreizehnter: Hagenbach. Stationen seiner reichen
Geschichte. Hagenbach 1999. Hierin: Hagenbach und seine jüdische Gemeinde
S. 757-772. |
| Otmar Weber: Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis
heute. Hg. Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz in
Landau. Dahn 2005. S. 83-84. |
| "...und dies ist die Pforte des Himmels" Synagogen -
Rheinland-Pfalz. Saarland. Hg. vom Landesamt für Denkmalpflege
Rheinland-Pfalz mit dem Staatlichen Konservatoramt des Saarlandes und dem
Synagogue Memorial Jerusalem. 2005. S. 177 (mit weiterer Lit.) |
Hagenbach Palatinate.
By the second quarter of the 19th century, there was an organized Jewish
community with a synagogue, cemetery, school, and mikve. In 1848, the
Jewish population was 109 (25 fmilies), mostly engaged in trade with just three
working as artisans. The Jewish population reached a peak of 151 (8 % of the
total) in 1875 and then dropped to 137 in 1880; 88 in 1900; and 38 in 1925. In
1878, the elementary school moved to a new building. However, the number of
students dropped from 27 in 1876 to five in 1910 and the school closed after
Worldwar I. In 1933, the Jewish population was 24. All left by November 1938.
Four emigrated and 20 remained in Germany. At least nine perished in the
Holocaust. The synagogue was burned on Kristallnacht (9-10 November 1938)
and the Jewish cemetery was desecrated.
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