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Heidesheim
am Rhein (VG Heidesheim am Rhein, Kreis Mainz-Bingen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Heidesheim bestand eine kleine jüdische Gemeinde bis um 1900. Ihre
Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. Erstmals wird 1569-75
in einem Kammergerichtsprozess ein jüdischer Einwohner (Jud Aaron zu
Heidesheim) genannt.
Im 18. Jahrhundert nahm die Zahl der jüdischen Familien zu: 1730 zwei
Familien, um 1780 die Familien des Salomon Löwensberg, Adam und Simon
Rosenthal, Adam Ehrenstamm, Moises Benedikt und Franziska Ehrenstamm (Witwe von
Benedikt Ehrenstamm). Die jüdischen Familien betrieben überwiegend Viehhandel. Sie lebten
fast alle in sehr einfachen Verhältnissen.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1815 38 jüdische Einwohner, 1824 31, 1830 35, 1834 28, 1900 15, 1910
7. Offiziell gehörten die für eine selbständige Gemeinde zu wenigen jüdischen
Einwohner in Heidesheim zur jüdischen Gemeinde
in Ober-Ingelheim.
Die wichtigste Persönlichkeit der jüdischen Gemeinde war längere Jahre der
Händler Alexander Ehrenstamm (1859-1932). In seinem Haus war ein Betsaal
eingerichtet (s.u.). Weitere bekannte Heidesheimer Juden waren Leopold
Löwensberg, die Gebrüder Stein (Weinhandlung in der Binger Straße).
Offiziell gehörten die in Heidesheim lebenden jüdischen Personen zur Gemeinde
in Ober-Ingelheim,
doch hatten sie eigene Einrichtungen.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (Betsaal,
s.u.) und einen Friedhof.
Die jüdischen Kinder besuchten die allgemeine christliche Schule am Ort und
erhielten ihren Religionsunterricht durch einen auswärtigen Lehrer (vermutlich
durch den jeweiligen jüdischen Lehrer in Ober-Ingelheim). 1825 wird von sieben
jüdischen Kindern am Ort berichtet (vier Jungen, drei Mädchen); vermutlich
sind es auch in der Folgezeit nicht mehr Kinder gewesen.
Auf Grund des Rückgangs der jüdischen Einwohner wurde die jüdische Gemeinde
am Anfang des 20. Jahrhunderts aufgelöst.
Nach 1933 sind die meisten der damals noch am Ort lebenden jüdischen
Personen (1932: noch fünf Personen) auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen
Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen
beziehungsweise ausgewandert. Beim Novemberpogrom 1938 wurde das Geschäft
und die Wohnung von Rosa Gruner geb. Ehrenstamm (Witwe des 1933 verstorbenen
Benno Gruner; Kurzwarenhandel Binger Straße 2) überfallen, diese misshandelt und ein Teil ihres
Mobiliars demoliert. Der Apotheker Max Holländer und seine Frau Johanna wurden gezwungen, der Gemeinde
ihr Besitztum, die Schlossmühle beziehungsweise das Mühlenschloss zu
"schenken". Sie emigrierten wenig später in die USA, wo Max Holländer 1941 verstarb. Rosa
Gruner floh mit ihrem Neffen Willi Stein nach Stuttgart und wurde 1941 in
Riga-Jungfernhof ermordet. Willi Stein überlebte und konnte nach 1945 nach
Heidesheim zurückkehren.
Von den in Heidesheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen
Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Rosalie Baer geb.
Ehrenstern (1875), Ingeborg Emden (1917), Rosa Gruner geb. Ehrenstamm (1891),
Hermine Hilb geb. Maier (1862), Emil Löwensberg (1863), Berta Sauerbach geb.
Stein (1877), Helene Stein (1873), Fritz Isaak Zeitin (1910).
Im Februar 2012 wurden für den Apotheker Max Holländer und seine Frau
Johanna "Stolpersteine" verlegt. Weitere "Stolpersteine"
wurden in den Jahren darauf verlegt (siehe Presseartikel unten).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus dem jüdischen
Gemeindeleben
Unwetter über Heidesheim - auch jüdische Familien
schwer geschädigt (1876)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. April 1876:
"Heidesheim bei Mainz, 17. April 1876. Ihre geehrten Leser werden
schon in den politischen Blättern von dem schrecklichen Unheil gelesen
haben, welches unseren Ort betroffen hat. Sonntag, den 2. April, gegen
Abend, entlud sich auf der Höhe von Wackernheim ein furchtbarer
Wolkenbruch. Die hernieder stürzenden Wassermassen kamen mit
entsetzlichem Tosen zu uns herunter, Alles mit sich fortreißend, Alles
zerstörend. Sechszehn Häuser sind eingestürzt, acht Menschen und viele
Tiere fanden den Tod in den Fluten. Auch zwei jüdische Familien sind hart
betroffen und haben einen großen Teil ihrer Habe verloren; doch haben
sie, Gott sei Dank, an Leben und Gesundheit keinen Schaden gelitten. Mit
knapper Not wurde eine todkranke, jüdische Frau aus dem
zusammenstürzenden Hause getragen; aber trotzdem sie in den hernieder strömenden
Regen hinausgebracht werden musste, befindet sie sich nicht allein seitdem
nicht schlechter, sondern sie sieht ihrer Genesung entgegen." |
Antisemitische Regungen in Heidesheim (1881)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Februar 1881: "Mainz, 20. Februar
(1881). Die Judenhetze in verschiedenen unserer Nachbargemeinden scheint
eher im Zu-, als im Abnehmen begriffen zu sein. So wurden am Mittwochabend
um 11 Uhr an dem Hause eines in Hechtsheim wohnenden Israeliten die
Fenster mit Pflastersteinen derart zertrümmert, dass sogar das
Fensterkreuz in Stücke flog. Auch einem Christen wurden die Fenster
eingeworfen, doch wohl nur aus dem Irrtum, denn bis vor Kurzem war die
Wohnung des Christen von einem Israeliten bewohnt und war dieser
Wohnungswechsel wahrscheinlich noch nicht zur Kenntnis der
Fenstereinwerfer gelangt. – Auch in Heidesheim wurden vorgestern die
Fenster eines dorten wohnenden Israeliten während der Nacht mit Steinen
eingeworfen. – In Nieder-Olm ferner, wo man erst kürzlich die einem
Israeliten gehörigen Obstbäume gewaltsam zerstörte, wurde vorgestern
Nacht ein Zettel an das Haus eines Juden geklebt mit dem Inhalte, dass,
wenn binnen 8 Tagen die Juden nicht ausgewandert seien, man denselben den
Hals abschneiden würde. Das sind die Folgen des zelotischen Wahnwitzes
gewisser Leute und ihres Anhanges, sowie der unter dem Deckmantel des
Christentums verübten Hetzereien in gewissen Blättern! Gott besser’s!
(Mainzer Anzeiger)." |
Zur Geschichte der Synagoge
Ein Betsaal war in Heidesheim im Hause der Familie
Ehrenstamm eingerichtet. 1882 wird er in einer damals ausgestellten
Versicherungspolice mit einem Versicherungswert von 1.060 Mark genannt. In
dieser Versicherungspolice wird auch das Gebäude und das Inventar beschrieben:
"Die Westdeutsche Versicherungs-Actien-Bank versichert [...] folgende
Gegenstände, welche Eigentum der Israelitischen Religionsgemeinde sind, und
sich in dem zu Heidesheim, Kreis Bingen, Oberdorfstraße ohne Nr. gelegenen,
massiv unter Ziegeldach ohne Docken erbauten [...] Gebäude befinden: 1. drei
Gesetzesrollen (= Torarollen), 2. verschiedene Gebetbücher, 3. zehn
Bänke und Stühle 4. ein Altar (= Toraschrein), 5. ein
Bücherschrank 6. ein Gebet inklusive Einrahmung 7. ein
Betstuhl 8. diverse Leuchter 9. Utensilien zur Bekleidung der
Gesetzesrollen".
Um 1900, spätestens um 1910 wurde der Betsaal aufgegeben, da auf Grund
des nicht mehr zustande kommenden Minjan keine regelmäßigen
Gottesdienste mehr in Heidesheim abgehalten werden konnten. Der Betsaal war in einem Nebengebäude des Anwesens
Oberdorfstraße 12 eingerichtet gewesen sein. Hier gab es einen Wandschrank zur
Unterbringung der Torarollen (vgl. Angaben im Buch des Landesamtes S. 181).
Nach Schließung des Betsaales in Heidesheim wurden von den noch am Ort lebenden
jüdischen Personen die Gottesdienste in Oberingelheim
besucht. Das Haus des Betsaales wurde inzwischen abgebrochen.
Adresse/Standort der Synagoge: Oberdorfstraße 12
Fotos
(Fotos: Alexander Rohde, Februar 2021)
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Hinweistafel
am Standort Oberdorfstraße 12: "Hier stand das ehemalige Wohnhaus der jüdischen Familie Löwensberg. Im oberen Stockwerk war ein Betsaal eingerichtet, der bis Anhang
des 20. Jahrhunderts als solcher genutzt wurde." Mitte Fotos des
Hauses, rechts Wandschrank zur Aufbewahrung der Torarollen. |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Februar/März 2012:
Die ersten "Stolpersteine" werden in
Heidesheim verlegt
Anmerkung: es wurden "Stolpersteine" vor der
Schlossmühle verlegt für Max Holländer (geb. 1876) und seine Frau Johanna
geb. Haase (geb. 1881); Informationen siehe unten beim Beitrag zu September
2013. |
Artikel von Sascha Diehl in der
"Allgemeinen Zeitung" vom 24. Februar 2012: "'Vergangenheit
aufarbeiten'.
Gedenken - Heidesheim verlegt erstmals Stolpersteine zur
Erinnerung an Nazi-Opfer..."
'Vergangenheit aufarbeiten' (Allgemeine Zeitung, 24.02.2012) (Artikel
nicht mehr zugänglich) |
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September 2013:
Besuch der Enkelin des Ehepaares
Max und Johanna Holländer
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An 27. September 2013 war Frau Rizza, die
Enkelin von Max und Johanna Holländer zu Besuch in Heidesheim..
Zum Besuch von Frau Rizza erschien eine Broschüre der Ortsgemeinde
Heidesheim: "27. September 2013 - Zur Erinnerung an Ihren Besuch in
Heidesheim am 27. September 2013".
Online
eingestellt - Link zum Download.
Der Apotheker Max Holländer war Apotheker (1907 bis 1936 Besitzer der
Schützenhof-Apotheke in Wiesbaden, Langgasse) und lebte mit seiner Frau
Johanna ab 1920 in der Schlossmühle in Heidesheim. In den folgenden Jahren
haben sie die zuvor abgewirtschaftete Schlossmühle zu einem Juwel gestaltet.
Nach 1933 litt das Ehepaar Holländer in Heidesheim unter den antijüdischen
Maßnahmen (bereits 1933 kam Max Holländer auf Grund einer Denunziation für
zehn Wochen in das KZ Osthofen). Beim Novemberpogrom 1938 wurde Max
Holländer erneut verhaftet; er und seine Frau wurden gezwungen, ihren
gesamten Besitz am Ort der Gemeinde zu schenken. Das Ehepaar konnte 1939
noch in die USA emigrieren, wo Max Holländer am 10. Dezember 1941 an den
Folgen seiner Haftzeiten starb. Johanna Holländer starb in Wiesbaden 1965.
Ausführlich zur Geschichte der Schlossmühle und zur Geschichte des Ehepaares
Holländer (mit Dokumenten und Abbildungen; Beitrag von Karl Urhegyi)
siehe
https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/heidesheim/kulturdenkmaeler/schlossmuehle-in-heidesheim.html
(auch
als pdf-Datei eingestellt)
Zum Besuch von Frau Rizza siehe auch Artikel von Jochen Schmidt in der
"Heidesheimer Zeitung" vom 16. Oktober 2013:
Link zum Artikel |
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November 2013: am
6. November 2013 wurde von Gunter Demnig eine "Stolperstein-Schwelle" vor
dem Eingang des evangelischen Diakoniewerkes Zoar verlegt. von dort aus
wurden aus dem damaligen Landesalters- und Pflegeheim Heidesheim 73
Patienten in die Heilanstalt Hadamar und in das Philippshospital Goddelau
verlegt und ermordet.
Link zum Artikel von Andreas Görner in der "Heidesheimer Zeitung"
("Allgemeine Zeitung") vom 7. November 2013:
"Stolperschwelle vor der Zoar verlegt..." (auch
als
pdf-Datei eingestellt) |
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November 2017:
"Stolperstein" für Rosa Gruner
verlegt
Anmerkung: der Stolperstein wurde am
8. November 2017 verlegt vor dem Haus Binger Straße 2 (ehem. Binger Straße
1) für Rosa Gruner geb. Ehrenstamm. |
Artikel von Sören Heim in der "Allgemeinen"
vom 9. November 2017 (Foto links erhalten von Alexander Rohde): "Stolperstein in Gedenken an Rosa Gruner in
Heidesheim verlegt
HEIDESHEIM - 'Hier wohnte Rosa Gruner geb. Ehrenstamm, Jahrgang
1891, unfreiwillig verzogen 1938 Stuttgart, deportiert 1941 Riga, ermordet'.
Das steht auf dem Stolperstein, den Künstler Gunter Demnig am Mittwoch in
der Binger Straße in Heidesheim in Gedenken an die Jüdin Rosa Gruner verlegt
hat. Einfache Worte, hinter denen ein Leben steht, das der
Nationalsozialismus wie so viele brutal beendet hat. Vom Leben Gruners
erzählte Jochen Schmidt vom Verein Kultur + Politik. Der Verein hatte mit
seinen Recherchen zunächst die Stolpersteinverlegung durch Demnig
angestoßen.
'Gruner war ein echtes Heidesheimer Mädchen', erklärte Schmidt den
Anwesenden. Ihr Vater Alexander Ehrenstamm habe unter anderem den
Gesangsverein Einigkeit, heute unter dem Namen Sängervereinigung bekannt,
mitbegründet. Gemeinsam mit dem Ehemann Benno Gruner hat Gruner dann in
Heidesheim einen kleinen Kurzwarenhandel betrieben. Die Familie sei die
letzte jüdische Familie Heidesheims gewesen. Ein Angriff während der
Reichspogromnacht auf das Geschäft habe Gruner dann in dem Entschluss
bestärkt, Heidesheim zu verlassen. Sie floh zu Geschwistern nach Stuttgart,
wurde 1941 nach Riga deportiert und dort getötet.
Über Stolpersteine stolpere man nicht mit den Füßen, sondern mit Geist und
Herzen, zitierte die Erste Beigeordnete der Ortsgemeinde, Dr. Silvia Klengel,
eine Schülerreaktion zu Demnigs Projekt. In Heidesheim wurden bereits 2012
und 2013 Stolpersteine verlegt, darunter eine Stolperschwelle für die über
70 Opfer des Landesalters- und Pflegeheims, die deportiert und getötet
wurden. Ein Regime wie der Nationalsozialismus könne nicht existieren, ohne
in der Bevölkerung unterstützt zu werden, sagte Klengel. Die Stolpersteine
seien auch ein Projekt, das genau das im öffentlichen Raum sichtbar mache,
indem sie die Opfer zurück in ihre selbst gewählte Nachbarschaft versetzten.
So würden Fragen nach Schuld und Verantwortung gestellt.
Demnig selbst erklärte, es sei natürlich schwierig, angesichts eines solchen
Anlasses von Freude zu sprechen. Aber er freue sich, dass immer mehr
Menschen sich aufmachten und nach den Schicksalen der Opfer recherchierten.
Sechs Millionen Ermordete, das sei eine unvorstellbare Zahl. Die
Stolpersteine trügen dazu bei, dass die Opfer wieder mehr als nur Zahlen
seien. Eine Schulklasse, die aus Hechtsheim angereist war, konnte im
Anschluss noch länger mit dem Künstler ins Gespräch kommen. Zuvor hatte Dr.
Jan E. Peters gemeinsam mit den Anwesenden in Gedenken an Rosa Gruner ein
Kaddisch gebetet."
Link zum Artikel |
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November 2017:
Gedenken an den Novemberpogrom
1938 |
Zur Veranstaltung der Text von Jochen
Schmidt aus der Website des Vereins Kultur + Politik e.V.: "9. November
2017: Seit über 17 Jahren gehen wir den Weg gemeinsam mit Heidesheimer
BürgerInnen: Stationen der Reichskristallnacht in Heidesheim. Beginnend in
der kleinen Kapelle der ZOAR gehen die Teilnehmer den Spuren der
menschenverachtenden Naziherrschaft ab. Im Laufe der Jahre wurden es nicht
weniger, die sich diesen Weg machen, sondern immer mehr. Ein neuer
Stolperstein liegt nun auf dem Gehweg für Rosa Gruner, die am 9. November
aus ihrem Haus, ihrem Geschäft in Heidesheim vertrieben wurde. Die auch im
fernen Stuttgart keine Ruhe finden konnte und schließlich im Ghetto von Riga
ermordet wurde, nur weil sie Jüdin war. Schließlich endet der Weg vor dem
prachtvollen Haus der Schlossmühle, wo auch deren damalige Besitzer aus
Heidesheim vertrieben wurden: Max und Johanna Holländer. Wir werden immer
weiter forschen, bis der letzte Name gefunden wurde und einen Platz in
unserer Gemeinde ehrt." |
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November 2018:
Gedenken an den Novemberpogrom
1938 |
Einladungsplakat
zur Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Reichspogromnacht. Mit einem
ökumenischen Gebet, einem Vortrag von Dr. Helmut Pillau, einem Gedenkgang
durch den Ort (wie 2017 siehe oben) mit Jochen Schmidt und Martina Schott.
Veranstalter waren die beiden Kirchengemeinden und der Verein "kultur +
politik e.V. - Forum Heidesheim". |
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April 2019:
Weitere "Stolpersteine" werden
in Heidesheim verlegt |
Artikel von Gerhard Wieseotte in der
"Allgemeinen Zeitung" vom 13. April 2019: "Stolpersteine in Heidesheim
verlegt.
Der Heidesheimer Verein 'Kultur + Politik' erinnert an das Schicksal der
jüdischen Schwestern Helena Stein und Berta Sauerbach geb. Stein.
HEIDESHEIM - 'Hier wohnte Helena Stein, geb. 08.11.1873 Heidesheim.
Verzogen nach Stuttgart. Deportiert 1941. Riga. Ermordet'. So steht es auf
einem der beiden sogenannten Stolpersteine vor dem Haus Nr. 19 in der
Römerstraße, mit denen der Künstler Gunter Demnig an das furchtbare
Schicksal von Helena Stein und ihrer Schwester Berta Sauerbach in der Zeit
des Nationalsozialismus erinnert.
Stolpersteine: Das sind kleine Gedenktafeln aus Messing, die Demnig jetzt
vor dem ehemaligen Wohnhaus von Helena und Berta ins Trottoir einmauerte.
Ihre Eltern waren Juden: Max und Rosalie Stein. Der Vater besaß Ende des 19.
Jahrhunderts eine gut gehende Weinhandlung. 1871, er war damals 35 Jahre
alt, heiratete er Rosalie Ehrenstamm, die aus einer alten, eingesessenen
jüdischen Heidesheimer Familie stammte. Das Ehepaar Stein bekam fünf Kinder:
Helena, Berta, Flora, Eugen und Arthur.
Rosalie starb 1885. Zwei Jahre später heiratete Max Stein erneut: Regine
Ehrenstamm, die Schwester von Rosalie. Mit ihr bekam er eine weitere
Tochter: Rosalia. Die Ehe des Ehepaars Stein dauerte nicht lang. Max starb
im Jahre 1902. Regine führte nach seinem Tod den Weinhandel in eigener Regie
fort.
Über zehn Jahre lang gelang ihr das, doch dann verließ sie vermutlich
während des Ersten Weltkriegs mit den Kindern Heidesheim. Die Spuren des
Umzugs führen nach Frankfurt, wo die beiden Söhne Eugen und Arthur starben.
'Wir wissen noch nicht, wo und wann Regine starb, aber wir wissen, dass
Helena und Berta nach Stuttgart gingen', sagte Jochen Schmidt vom Verein
'Kultur + Politik' in seiner Rede. Der Verein hatte auch die Initiative zur
Verlegung der Stolpersteine ergriffen, die Ortsgemeinde Heidesheim die
Kosten dafür übernommen. Dr. Silvia Klengel, die Erste Beigeordnete der
Ortsgemeinde und zuständig für den Bereich Kultur, betonte in ihrer
Ansprache vor den rund 60 Zuhörern, darunter auch einer Klasse des
Wirtschaftsgymnasiums Steinhöfel-Schule, das, was passiert sei, könne mit
nichts wieder gut gemacht werden: 'Wir alle können aber eine Verpflichtung
annehmen, uns an den Terror und an die Gewalt der nationalsozialistischen
Diktatur zu erinnern, der Opfer und der Leidtragenden zu gedenken und Sorge
dafür zu tragen, dass Ähnliches nie wieder geschehen darf.'
Helena Stein und Berta Sauerbach wurden 1941 von Stuttgart aus nach Riga ins
dortige Ghetto deportiert und später ermordet. 'Wir verneigen uns mit tiefer
Trauer und Ehrfurcht vor diesen unschuldigen Menschen und empfinden Wut und
Zorn über so viel begangene Unmenschlichkeit und Grausamkeit. Die Namen der
Heidesheimer Mädchen müssen wenigstens durch diese Steine ihren Glanz
erhalten. Sie stehen für die Würde des Menschen über alle inhumanen
Machenschaften und Mord', schloss Jochen Schmidt seine Rede. Dr. Jan E.
Peters sprach zum Abschluss der kleinen Feierstunde das Kaddisch, ein
jüdisches Totengebet."
Link zum Artikel |
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Juli 2020:
Weitere Verlegung von
"Stolpersteinen" in Heidesheim |
Artikel von Gerhard Wieseotte in der
"Allgemeinen Zeitung" vom 7. Juli 2020: "Stolpersteine erinnern an
ermordete Cousinen
Künstler Gunther Demnig verlegt in Heidesheim Stolpersteine für NS-Opfer
Rosalia Heiser und Rosalia Bär.
HEIDESHEIM - 'Hier wohnte Rosalia Heiser, geb. Stein. Jg.1887. Eingewiesen
Heilanstalt Heidesheim. Verlegt 25.6.1941 Hadamar. Ermordet 25.6.1941.
Aktion T 4': Dieser Text steht seit gestern auf einem Stolperstein vor dem
Haus Römerstraße 19 in Heidesheim. Er wurde von dem Verein 'Kultur+Politik'
mit Unterstützung der Stadt Ingelheim finanziert und von Künstler Gunter
Demnig verlegt. Es war an diesem Tag nicht der einzige Stolperstein, mit dem
an ermordete jüdische Mitbürger in der Gemeinde erinnert wurde: Wenige
Schritte von der Römerstraße 19 entfernt, in der Oberdorfstraße 10, hat
Rosalia Bär, geborene Ehrenstamm, geboren 19. Juni 1875, einen Gedenkstein
bekommen.
Rosalia Bär und Rosalia Heiser waren miteinander verwandt. Beide waren
Enkelinnen von Jakob und Amalie Ehrenstamm, also Cousinen. Jakob und Amalie
hatten vier Kinder: Alexander, Rosalie, Regine und Adolf. Rosalie heiratete
den Heidesheimer Weinhändler Max Stein und hatte mit ihm fünf Kinder:
Helena, Berta, Flora, Eugen und Arthur. Nach dem Tod seiner ersten Frau
Rosalie heiratete Max Stein ein zweites Mal: Regine Ehrenstamm, die
Schwester von Rosalie. Mit ihr bekam er noch eine weitere Tochter, Rosalia,
die einen Martin Heiser heiratete.
An die Cousinen Helena Stein, Berta Stein und Rosalia Heiser erinnern jetzt
drei Gedenksteine vor dem Haus Römerstraße 19. Sie alle wurden von den
Nationalsozialisten deportiert und ermordet.
Es ist weitgehend das Verdienst von Jochen Schmidt von 'Kultur+Politik',
dessen Recherchen in Heidesheim, Hadamar und Goddelau die Schicksale der
jüdischen Mitbürger aufdeckten. 'Ich bin dabei immer wieder auf den Namen
Ehrenstamm gestoßen', erklärte Schmidt bei der Verlegung der 'Stolpersteine'
für Rosalia Heiser und Rosalia Bär gestern.
Die Geschichte der alteingesessenen Heidesheimer Familie Ehrenstamm geht bis
ins 18. Jahrhundert zurück. Stammeltern waren Adam und Henriette. Einer
ihrer Söhne war der bereits angesprochene Jakob Ehrenstamm. Auf die Spur von
Rosalia Heiser kam Jochen Schmidt bei Recherchen über das ehemalige
'Landes-Alters- und Pflegeheim', das heutige Zoar in der Binger Straße.
Zwischen 1941 und 1945 wurden von dort 73 Menschen deportiert und
umgebracht. Rosalia Heiser war eine von ihnen. Sie kamen nach Goddelau und
Hadamar, wo sie in einem garagegroßen 'Duschraum' vergast wurden. Rosalia
Bär, die Tochter von Adolf und Sara Ehrenstamm, zog nach ihrer Kindheit, die
sie in Heidesheim verbrachte, später nach Berlin, um dort ihren Mann, über
den nichts Näheres bekannt ist, zu heiraten. Sie wurde erst nach
Theresienstadt in das dortige Ghetto und später nach Auschwitz deportiert,
wo sie 1944 ermordet wurde.
Alle Opfer der Nazis. Jochen Schmidt betonte, es sei wunderbar, dass es
überall Menschen gebe, die sich drum kümmerten, dass die Schicksale der
Ermordeten nicht in Vergessenheit gerieten."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen.
1971 Bd. I S. 342. |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 181 (mit weiteren Literaturangaben).
|
| Karl Urhegyi: '"Kristallnacht in Heidesheim" -
eine Dokumentation hrsg. vom SPD-Ortsverein Heidesheim am Rhein. 1988. 156
S. Als pdf-Datei
eingestellt. |
| Ortsgemeinde Heidesheim - 27. September 2013: Zur
Erinnerung an Ihren Besuch in Heidesheim am 27. September 2013
(Stolperstein-Verlegung vgl. Presseartikel oben). |
| Helmut Pillau: Zum weiterdenken nach dem 9.
November 1938 - "Reichspogromnacht". Heidesheim am Rhein 2019. Book on
demand. ISBN 978-3-96409-191-8 |
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