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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Kehl (Ortenaukreis)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Siegel der Israelitischen Kultusgemeinde Kehl
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Kehl bestand eine jüdische Gemeinde von 1881 bis
1938;
seit 1862 konnten sich jüdische Personen in Kehl niederlassen. In den folgenden
vier Jahrzehnten verlegten viele Juden aus den ehemaligen hanauischen
Ortschaften Lichtenau, Bodersweier,
Rheinbischofsheim und Freistett ihre
Wohnsitze nach Kehl. Offiziell bestand die Gemeinde seit dem Beschluss des
Staatsministeriums vom 16. August 1881. Erster Gemeindevorsteher war Lippmann
Wertheimer.
Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich wie folgt: In
Kehl-Stadt (in Klammer dazu Kehl-Dorf) 1864 8 (10) jüdische
Einwohner, 1871 2 (1), 1875 8 (1), 1880 90 (5) (= 4,4 % von
insgesamt 2.067 Einwohnern), 1890 129 (12),
1900 151 (zusammen in Stadt und Dorf, = 2,1 % von insgesamt 7.127 Einwohnern), 1905 Höchstzahl mit 156 Personen
(zusammen in Stadt und Dorf, davon 31 in Kehl-Dorf; = 1,9 % von insgesamt
8.094 Einwohnern),
1910 153 (zus.; = 1,7 % von 8.858), 1925 113 (1,2 % von 9.647 Einwohnern).
Die zugezogenen jüdischen Personen engagierten sich alsbald vielfältig
im öffentlichen Leben der Stadt durch Mitgliedschaft im Bürgerausschuss, in
politischen Parteien und Vereinen.
Sie betrieben eine Anzahl von Handelsgeschäften und Gewerbebetrieben (siehe
Aufstellung unten).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule und (allerdings erst seit 1924, zuvor Beisetzungen in Freistett) einen
eigenen Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (siehe
Ausschreibung unten). Jahrzehntelang prägte Lehrer Samuel Böttigheimer das
Gemeindeleben. Er war seit 1882 in Kehl tätig und konnte 1922 sein 40jähriges
Amtsjubiläum in der Stadt feiern. Wenig später wurde Lazarus Mannheimer
sein Nachfolger. Er blieb in Kehl bis zur Deportation 1940 und wurde in
Auschwitz ermordet).
An jüdischen Vereinen bestanden ein Israelitischer
Frauenverein (gegr. 1902; Ziel: Unterstützung der Mitglieder in
Krankheitsfällen und zur Verrichtung der Bestattungszeremonien, 1925/32 war
Vorsteherin Helene Kaufmann, 1932 40 Mitglieder) sowie die
Wandererfürsorgekasse (gegründet 1925, Ziel: Unterstützung von Aus- und
Rückwanderern, 1932 Vorsitzender Hauptlehrer Mannheimer). Die Gemeinde gehörte
zum Rabbinatsbezirk Bühl.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Gefreiter Jakob
Bodenheimer (geb. 22.8.1893 in Kehl, gef. 15.4.1917),
Artur Kaufmann (geb. 12.8.1896 in Kehl, gef. 8.2.1915; siehe Text unten), Josef
Adolf Liebhold (geb. 7.9.1883 in Neufreistett, gef. 24.3.1918), Jakob Wertheimer
(geb. 20.1.1886 in Kehl, gef. 17.10.1918) und Fritz Blum (geb. 10.3.1894 in
Kippenheim, gestorben an der Kriegsverletzung 27.11.1920. Außerdem sind
aus der Gemeinde gefallen: Robert Kahn (geb. 3.6.1884 in Kehl, vor 1914 in Lahr
wohnhaft, gef. 9.10.1918) sowie Oskar Roos (geb. 9.12.1892 in Kehl, vor 1914 in
Zweibrücken wohnhaft, gef. 10.9.1914).
Um 1925 waren die Vorsteher der Gemeinde Sigmund Kaufmann
(Vorsteher von 1920 bis zu seinem Tod im Mai 1930), Simon
Weil, Lazarus Mannheimer und Leopold Bodenheimer. Als Lehrer und Kantor war
inzwischen der bereits genannte Lazarus Mannheimer tätig (auch 1932). Er unterrichtete an der
Religionsschule der Gemeinde zehn jüdische Kinder (1932 18 Kinder). 1932
waren die Gemeindevorsteher: Leopold Wertheimer (Großherzog-Friedrich-Straße
9, 1. Vors.), Ludwig Bensinger (Rheinstraße 28, 2. Vors.). Vorsteher der
Repräsentanz war Simon Weil (Tullastraße). Vorsitzender des
Friedhofsausschusses der Gemeinde war Leopold Wertheimer.
An ehemaligen, bis nach 1933 bestehenden Handels-, Dienstleistungs- und Gewerbebetrieben sind bekannt: Sack- und Deckenfabrik OHG Karl Baum
(Siegfriedstraße 8), Fahrradgeschäft Bensinger (Spießgasse), Woll- und Weißwarengeschäft Gertrud Bensinger & Co.
(Hauptstraße ), Viehhandlung Louis Bensinger II (Kinzigstraße 48), Leder- und Schuhmacherbedarfsartikel Ludwig Bensinger
(Rheinstraße ), Stoffe und Kurzwaren Karoline und Rosa Blum (Adr. unbek.), Pferdehandlung Heinrich Bodenheimer
(Rheinstraße 7), Feuerzeuge und Rauchartikel Samuel Bodenheimer (Adr. unbek.), Viehhandlung Emil Dreifuss (Adr. unbek.), Herrenkonfektionsgeschäft Julius Durlacher
(Hauptstraße 76), Uhren- und Schmuckgeschäft Bernhard Goldschmidt (Hauptstraße
14), Kurzwarenhandlung Siegmund Gradwohl (Hauptstraße ), Getreide-, Futtermittel- und Mehlhandlung Michael Kaufmann und Söhne, Teilh. Julius Dreifuss und Martin Kaufmann
(Schulstraße 14), Vereinigte Lichtspiele GmbH, Geschäftsführer Otto Rosenberg
(Adresse unbekannt), Facharzt für innere Krankheiten
Dr. Karl Rosenthal (Chefarzt im Kehler Krankenhaus, Wohnhaus Großherzog-Friedrich-Straße
/Ecke Kinzigstraße ), Textilhandel Laja und Pinkas Schwarzkächel (Hauptstraße
/Ecke Gewerbestraße ), Altmaterialiengroßhandlung Fa. Weil und Wertheimer, Teilh. Simon Weil und Paul Wertheimer
(Kasernenstraße 19/Im Hafen), Getreide- und Landesproduktenhandlung Eduard/Rosa Wertheimer (Adr. unbek.), Viehhandlung Jacob Wertheimer I
(Schulstraße 14), Viehhandlung Leopold Wertheimer (Schulstraße 27), Metzger Siegfried Wertheimer
(Hauptstraße /Ecke Kasernenstraße ).
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 (damals 109
jüdische Einwohner = 0,9 % von insgesamt 11.574 Einwohnern) emigrierten einige der
jüdischen Gemeindeglieder nach Straßburg, andere folgten bis 1938 nach. 15
emigrierten in dieser Zeit in die USA, andere nach Argentinien oder Palästina.
Ende Oktober 1938 wurde die polnisch-jüdische Familie Schwarzkachel nach Polen
abgeschoben. Beim Novemberpogrom 1938 trugen sich grausame Szenen in der Stadt
gegen die hier noch lebenden jüdischen Einwohner zu (s.u. bei der Schilderung
der Ereignisse zur Synagoge). Am 22. Oktober 1940 wurden aus Kehl 22 jüdische
Einwohner in das KZ Gurs nach Südfrankreich deportiert. Andere wurden am selben Tag oder in der
Folgezeit von Orten, in die sie verzogen waren (auch aus Frankreich) deportiert.
Am 23. Oktober 1940 zählte Kehl nur noch zwei jüdische Einwohner.
Von den in Kehl geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem): Anne Baer (1883), Erich Bensinger (1923), Friedrich
Bensinger (1925),
Gertrud(e) Bensinger (1889), Karoline Bensinger (1883), Louis Bensinger (1886),
Max Bensinger (1896), Renate
Bensinger (1928), Rosa Bensinger geb. Bloch (1859), Simon Bensinger (1894), Sofie Bensinger
geb. Wertheimer (1893), Rosa
Bergmann geb. Schwarzkächel (1908), Hermann Blank (1875), Fanny Blum (1889), Else
(Elsa) Bodenheimer geb. Wertheimer (1889), Heinrich Bodenheimer (1882), Martha
Nelly Bodenheimer (1922), Sofie Bruchsaler geb. Dreifuss (1900), Berta Brummer
geb. Liebhold (1895), Emil Dreifuss (1870), Rosa Dreifuss geb. Günzburger (1874),
Sofie Goldschmidt geb. Frank (1877), Nellie (Nelly) Grünwald geb. Wertheimer (1888), Friedrich
Hellmann (1888), Irma Hellmann geb. Luchs (1896), Hans Hoffmann (1906), Mina Kahn
geb. Nussbaum (1881),
Ruth Karoline Kaufmann (1930), Meta Kaufmann geb. Oppenheimer (1903), Siegfried
Kaufmann (1894), Margot Lay (1929), Isidor Liebermann (1898), Louis
Liebermann (1901), Eugen Liebhold (1900), Mathilde Löbmann geb. Wertheimer (1899), Lazarus Mannheimer
(1886), Regina Mannheimer geb. Bensinger (1889), Emmy Marx geb. Schönfeld
(1886), Rosa Mayer geb. Murr (1874), Rachel Metzger (1888), Richard Naumberger
(1882), Dr. Karl Oskar Rosenthal (1893), Olga Rosenthal geb. Kuhn (1899), Adolf
Schmerz (1912), Adolf
(Arnold) Schwarzkachel (1912), Laja (Lea) Schwarzkachel geb. Westreich (1877), Pinkas
Schwarzkachel (1874),
Regina Schwarzkachel (1908), Willy Schwarzkachel (1904), Liesel Sternweiler
geb. Wertheimer (1881 oder 1891), Hedwig Weil geb. Rosenthal (1881), Simon Weil
(1870), Berta Wertheimer geb. Kaufmann (1864), David Wertheimer (1899), Ernst
Wertheimer (1885), Hans Wertheimer (1920), Jakob Wertheimer (1884), Josef
Wertheimer (1858), Julius Wertheimer (1884), Klara (Claire) Wertheimer geb. Geismar (1894),
Maria Mina (Minna) Wertheimer geb. Wertheimer (1861), Siegmund Wertheimer
(1873), Sophie Wertheimer geb. Wertheimer (1895), Wilhelm Wertheimer (1890).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet
1882
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. März 1882:
"Religionslehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle in Kehl
bei Straßburg im Elsass sogleich zu besetzen. Fester jährlicher Gehalt
Mark 800, freie Wohnung, Schulgeld und 2-300 Mark betragende
Nebenverdienste
Zu melden bei Vorsteher Lippmann Wertheimer in Kehl am Rhein." |
Auszeichnung des Großherzogs:
Religionslehrer Samuel Böttigheimer erhält die kleine goldene Verdienstmedaille (1910)
Artikel in "Israelitisches Familienblatt" vom 28. Januar 1910: "Karlsruhe.
Der Großherzog hat an nachbenannten Personen in ihrer Eigenschaft als Beamte
der Landessynagoge folgende Orden und Ehrenzeichen verliehen: das
Ritterkreuz II. Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen: dem Mitglied des
Synagogenrats, Kaufmann Josef Zimmern in
Mannheim, dem Vorsteher der
israelitischen Gemeinde, Hoflieferanten Julius Mayer in
(Baden-)Baden, den Mitgliedern der
israelitischen Gemeindevertretung Privatmann Israel Aberle und
Privatmann Wilhelm Nauen in
Mannheim; das Verdienstkreuz vom Zähringer Löwen: den
Synagogenratsvorstehern Isaak Lang in Altdorf, Nathan
Rothschild in Mosbach, Heinrich Weil
in Emmendingen, Elias Heim
in Müllheim und Mayer Dreyfuss
in Nonnenweier; die kleine goldene
Verdienstmedaille: den israelitischen Religionslehrern Samuel
Böttigheimer in Kehl und Alexander
Geismar in Konstanz; Die silberne
Verdienstmedaille: dem Kantor Abraham Schlössinger in
Billigheim." |
Lehrer Lazarus Mannheimer wird zum Hauptlehrer ernannt
und von Bodersweier nach Kehl versetzt (1912)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 11. Oktober 1912: "Bodersweier
(Baden). L. Mannheimer wurde zum Hauptlehrer befördert und nach Kehl
am Rhein versetzt." |
40-jähriges Amtsjubiläum von Lehrer Samuel
Böttigheimer (1922)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Mai 1922: "Kehl,
6. Mai (1922). Die festlichen Veranstaltungen anlässlich des 40jährigen
Amtsjubiläums des Herrn Lehrer Samuel Böttigheimer spiegelten die
dankbare Anerkennung wieder, die sich der Jubilar in der Gemeinde in einer
segensreichen Wirksamkeit von mehr als einem Menschenalter erworben hat.
Am Vormittag fand in der reich geschmückten Synagoge ein Festgottesdienst
statt, wobei der Vorsteher der Gemeinde, Herr Sigmund Kaufmann, die
Verdienste des Jubilars um die israelitische Gemeinde würdigte. Der
Jubilar dankte mit schlichten Worten. Gesänge der Schüler verschönten
die erhebende gottesdienstliche Feier. Abends 6 Uhr versammelte sich eine
ansehnliche Festversammlung im Saale des 'Schiff'. Außer der vollzählig
erschienenen israelitischen Gemeinde waren frühere Schüler aus nah und
fern in großer Zahl herbeigeeilt; ferner hatten sich als Festgäste alle
Vertreter der staatlichen und städtischen Behörden, sowie der
Geistlichkeit und Lehrerschaft eingefunden. Eine Reihe künstlerischer
Veranstaltungen feierte den Anlass. In einer längeren Ansprache
beglückwünschte Herr Siegfried Kaufmann den Jubilar im Namen seiner
früheren Schüler und Schülerinnen zu seinem Ehrentag und dankte ihm
für den Unterricht, die Belehrungen und Ermahnungen, die er ihnen
dereinst mit auf den Weg gegeben. Herr Gemeindevorsteher Siegmund Kaufmann
begrüßte zunächst die zahlreiche Festversammlung, insbesondere die
Ehrengäste und überreichte dem Jubilar im Namen der israelitischen
Gemeinde ein Ehrengeschenk. Herr Oberamtmann Schindele überbrachte die
Glückwünsche der badischen Staatsregierung und der Bezirksverwaltung.
Herr Bürgermeister Dr. Weis überbrachte die Grüße und Glückwünsche
der politischen Gemeinde, er überreichte ein prächtiges Bild von Hans
Thoma. Im Namen der Oberrealschule und der Volksschule sprach Herr
Direktor Mangelsdorf. In seinem Namen und für die Familie dankte der
Schwiegersohn, Herr Hauptlehrer Reis. Es folgte dann ein gemeinsames
Essen. Im Verlaufe desselben erhob sich der Vorsteher der israelitischen
Gemeinde Rheinbischofsheim,
Herr Moritz Kahnmann, um dem Jubilar zu danken für das, was er der
Gemeinde gewesen, und überreichte ihm ein Ehrengeschenk. Frau Sigmund
Kaufmann dankte für den israelitischen Frauenverein für die während 27
Jahren gewährte hervorragende Mitarbeit und überreichte eine
Ehrenurkunde." |
Weitere Berichte
Eröffnung der Lokalbahn Kehl - Bühl unter jüdischer
Beteiligung 1892
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Januar 1892: "Aus
Baden. Die Lokalbahn Kehl - Bühl wurde dieser Tage in Anwesenheit des
Großherzogs von Baden eröffnet. Bei derselben sprach nach dem
Amtsvorstand, Herr Blum - Auscher - Straßburg vortreffliche Worte über
die Bedeutung der Bahn für Handel, Gewerbe und Landwirtschaft und
schloss, indem er den Wunsch aussprach, der neuen Bahn den Namen
Großherzog-Friedrich-Bahn geben zu dürfen, mit einem Hoch auf die
Großherzogin, welche Worte vom Großherzoge sehr freundlich aufgenommen
und herzlich bedankt wurden. Höchst derselbe haben sich bewogen gefunden,
dem Herrn Bankier Blum - Auscher das Ritterkreuz erster Klasse höchsten
Ordens vom Zähringer Löwen zu verleihen. Nicht vergessen wollen wir hier
beizuführen, dass der Bahnbau und die dabei vorkommenden Kunstbauten von
dem Bauunternehmer R. Cahn in Benfeld
übernommen waren." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Januar 1892: "Aus
Baden. Vor 3 Monaten fand in Bühl eine Landwirtschaftliche Gauausstellung
und am 4. Januar dieses Jahres die feierliche Eröffnung der Lokalbahn
Bühl - Kehl statt. Bei beiden Anlässen wurde der Bezirksrabbiner Dr.
Mayer vom Großherzoglichen Bezirksamt zum Empfang des Großherzogs
geladen und von Seiner Königlichen Hoheit mit einer Ansprache beehrt.
Auch wurde demselben von dem Festkomitee die Ehre eine Einladung zur
Festfahrt auf der neuen Bahn zuteil." |
Gerichtsverhandlung vor dem Schöffengericht Kehl wegen
antisemitischer Beleidigung (1894)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16. August 1895:
"Kehl, im August (1895). Ohne Zweifel wird Sie ein ausführlicher
Bericht über die Gerichtsverhandlung interessieren, welche vor dem
hiesigen Schöffengericht wegen Beleidigung der jüdischen Soldaten
jüngst stattgefunden hat. Am 9. September 1894 hielt Thomas Reuther,
damals Redakteur des 'Badischen Volksboten' in Heidelberg, jetzt
Käsehändler in Offenbach a.M., eine antisemitische Versammlung in Scherzheim
bei Lichtenau in Baden ab, in welcher er neben den üblichen Schimpfereien
über die Juden die Behauptung aufstellte: 'Die Juden besitzen keinen
Patriotismus, 1870 sind die jüdischen Soldaten mitgegangen, weil sie
mussten, sie drückten sich aber, wo sie konnten und gingen lediglich
darauf aus, die verwundeten und toten Soldaten auf dem Schlachtfelde zu
berauben und sich durch Aneignung deren Pretiosen zu bereichern.' Reuther,
der nie Soldat gewesen und daher von militärischem Ehrgefühl keinen
begriff haben kann, hatte wohl selbst nicht geahnt, welche furchtbare
Beleidigung er mit dieser Behauptung allen Juden zufügt, welche 1870
mitgekämpft und Gut und Blut für das Vaterland gewagt haben. Mit Recht
hat daher der 'Verein zur Bekämpfung des Antisemitismus' diese
Beschuldigung zum Gegenstand einer Beleidigungsklage gemacht, welche
endlich am 27. vorigen Monats vor dem Schöffengericht in Kehl zum Austrag
kam. Im Laufe der Verhandlung wurden die Aussagen Reuthers durch den die
damalige Versammlung überwachenden Gendarmen und durch den Bürgermeister
des Ortes bestätigt. Reuther, der noch nicht einmal den Versuch machte,
den geringsten Wahrheitsbeweis für seine Behauptung anzutreten, leugnete
seine Aussage, er habe nicht alle jüdischen Soldaten gemeint, er lasse
Ausnahmen gelten und dergleichen. Der Vertreter der klagenden Partei,
Rechtsanwalt Freiherr Schott von Schottenstein aus Straßburg i.E.
entgegnete treffend hierauf, Reuther hätte dies in Scherzheim bei der
Versammlung sagen sollen, dann wäre die Klage wahrscheinlich
unterblieben. Nicht nur als Anwalt habe er diese Vertretung übernommen,
sondern als ehemaliger Soldat, der 1870 mit dabei war. Damals hätte man
keine Christen und Juden gekannt, sondern nur Soldaten, es sei ihm
Bedürfnis, hier für das aufs Schwerste gekränkte Ehrgefühl seiner
Kameraden einzutreten. Das Urteil lautete auf drei Wochen Gefängnis und
Tragung sämtlicher Kosten; in der Begründung führte der Vorsitzende des
Gerichtshofes aus, dass Reuther zwar ein 'bezahlter antisemitischer
Agitator' sei, zu deren Beruf das Hetzen gehöre, aber man müsse doch
darauf achten, dass wenigstens die Armee vor dieser Zeitströmung bewahrt
bleibe. Als Nebenkläger waren Kaufmann Joseph Merklinger von Bodersweier
und Handelsmann Simon Bloch von Rheinbischofsheim
erschienen; der Erstere hat die Feldzüge 1866 und 1870-1871 mitgemacht,
der Letztere hat sich 1870 wegen hervorragender Tapferkeit vor dem Feinde
eine allerhöchste Auszeichnung erworben; ein Vergleich zwischen diesen
beiden Männern, die ihren Patriotismus praktisch auf dem Felde der Ehre
betätigt haben, und dem Angeklagten lag nahe und fiel wahrlich nicht zu
dessen Gunsten aus, sodass einer der Nebenkläger versichert, er hätte
sich nicht an der Klage beteiligt, wenn er Reuther vorher gekannt haben
würde; er meine, solch ein Mensch wäre überhaupt nicht imstande, einen
alten deutschen Soldaten zu beleidigen." |
Aus Briefen des im Ersten Weltkrieg gefallenen Arthur
Kaufmann (1914)
Arthur Kaufmann, Kriegsfreiwilliger, 14. Pionier-Bataillon,
Abiturient; geboren am 8. August 1897 in Kehl, gestorben am 8. Februar 1915
infolge einer schweren Verwundung vom 3. Februar 1915 an der Lorettohöhe bei
Artois, Frankfurt.
Quelle: Kriegsbriefe gefallener deutscher Juden. Stuttgart-Degerloch 1961 S.
65-66 (Neuauflage eines Buches von 1935).
Brief vom 12. Dezember 1914: "Meine Lieben!
Ob ich auch fern von Euch weile, habe ich doch nicht vergessen, dass heute
Abend das Chanukkalicht entzündet wird, und mehr als einmal stieg heute
die Erinnerung in mir auf, wie wir alljährlich in freudiger Erwartung den
lieben Vater umstanden, als er unter feierlichem Gesange das Chanukkalicht
entzündete, und mehr als einmal klangen mir die Klänge des Moaus zur
Jeschuossi ans Ohr. Heute abend wird das Freudenlichtlein wohl nicht
leuchten, das schöne Lied wird nicht erklingen. Aber, liebe Eltern, wie
die Makkabäer für eine heilige große Sache ins Feld zogen, so kämpfen
auch Eure Söhne für Recht und Gerechtigkeit ... und, wenn wir siegreich
aus diesem Kampf zurückkehren, dann dürfen wir mit Recht das Licht der
Weihe in Dankbarkeit gegen Gott entzünden und dann wollen wir heller und
freudiger in das alte Freudenlied einstimmen."
Brief an seinen Freund A. Löw: "Dass ich bei Ausdruck des Krieges
als Kriegsfreiwilliger in das Heer eingetreten bin, hätten Sie sich
eigentlich denken können, ich müsste kein Jünger 'Abraham Löws' sein
und Ihre geistige Anregung müsste auf einen sehr schlechten Boden
gefallen sein, wenn ich in jenen schweren Entscheidungsstunden der letzten
Julitage nicht sofort erkannt und gefühlt hätte, wo in dieser großen
Zeit mein Platz ist, wo ich hingehöre und was meine Pflicht ist. Ich bin
seinerzeit als Kriegsfreiwilliger bei den Pionieren in Tegel eingetreten
und nach viermonatlicher Ausbildung Ende November ins Feld gekommen. Meine
Ausbildung war ziemlich streng, hatte selten eine freie Stunde. Es ist,
wenn man von der Schulbank kommt, keine Kleinigkeit, nun plötzlich in der
Reihe geübter Zimmerleute und Schiffer Behelfsbrücken zu schlagen, zu
pontonieren, Balken und Bretter zu schleppen usw., zumal ich der Jüngste
in unserem Rekrutendepot war. Aber schon in der Bibel steht ja, dass es
nicht auf die Kraft, sondern auf den Geist ankommt. So gelangt es auch mir
allmählich, in all dem die nötige Fertigkeit zu erlangen, was man von
einem badischen Pionier verlangt usw. Durch das Schlafen in der Kaserne
und den ständigen Umgang mit meinen neuen Kameraden wurde ich um viele Erfahrungen
reicher und gelang es mir, den Gedankenkreis von Leuten zu erfassen, deren
Wesen mir sonst vielleicht immer fremd geblieben wäre..." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige der Seifenfabrik Liebhold (1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. August 1901:
"Beste Koscher-Seife,
garantiert reine Ölseife versendet nur an Wiederverkäufer.
Seifenfabrik Liebhold, Kehl am Rhein." |
Zur Geschichte des Betsaales/der Synagoge
Zunächst hatte die jüdische Gemeinde einen
Betsaal eingerichtet. 1889 konnte man an der Ecke Schul-/Kasernenstraße
ein für einen Synagogenbau geeignetes Grundstück kaufen. Am 12. April 1889 fand
die Grundsteinlegung statt. In den folgenden Monaten wurde die Synagoge erbaut.
Wann sie eingeweiht wurde, konnte
bislang nicht festgestellt werden werden (eventuell weitere Hinweise
zur Synagogengeschichte in Kehl bitte an den Webmaster von "Alemannia
Judaica",
Adresse siehe Eingangsseite). Bislang liegt nur ein
Presseartikel zur Grundsteinlegung vor:
Grundsteinlegung zur Synagoge am 12. April 1889
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. April 1889: "Aus
Baden. Viele israelitischen Gemeinden Badens haben sich seit 20 Jahren
durch Wegzug der Mitglieder sehr vermindert, sind zum Teil ganz
eingegangen. Umso erfreulicher ist es zu hören, dass in Kehl, wo
früher keine Israeliten wohnten, sich eine ansehnliche Gemeinde gebildet,
die jetzt, nachdem sie einen Betsaal zur Abhandlung des Gottesdienstes
benützt, einen Platz angekauft hat, um eine Synagoge zu erbauen. Freitag,
am 12. dieses Monats fand die Feierlichkeit zur Grundsteinlegung des
Synagogenbaues statt. Nachmittags versammelten sich die Mitglieder der
israelitischen Gemeinde in ihrem Betsaale, woselbst einige Psalmen
vorgetragen wurden. Von hier aus begab man sich unter Vorantritt der
Schuljugend in einem Zuge zum Synagogengauplatz, wo sich auf Einladung
auch die höheren Zivilbeamten und andere eingeladene Gäste eingefunden
hatten: Die Feier wurde hier von Herrn Lehrer Böttigheimer durch
ein Gebet und eine passende Ansprache eröffnet. Hierauf erfolgte die
Einlegung der Urkunde in den Grundstein. Nachdem von dem Vorstande der
Gemeinde, H. Lippmann Wertheimer die üblichen Hammerschläge,
begleitet von einigen sinnigen Worten, abgegeben waren, sprach Herr
Böttigheimer das Schlussgebet, wobei namentlich Seiner Majestät des
Kaisers, Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs Friedrich, der
Behörden und aller der gedacht wurde, die sich um die Förderung des
Baues verdient gemacht haben.
Möge das fromme Werk gelingen und mit ihm ein echt religiöser Sinn in
die Herzen einziehen, was bei gar Manchen zu wünschen ist." |
Bereits 1934 oder 1937 soll ein Anschlag auf
die Kehler Synagoge unternommen worden sein. Über die Ereignisse beim Novemberpogrom
1938 liegen die Akten der Staatsanwaltschaft Offenburg von 1949 zum diesbezüglichen
Strafverfahren vor. Demnach drangen am Nachmittag des 10. November 1938
Friedrich Geiler, der verantwortliche Sturmführer der allgemeinen SS und
Gestapo-Inspektor Hödle mit vier bis fünf weiteren SS-Leuten und fünf Männern
von der Gestapo in die Synagoge ein und zerstörten insbesondere die rituellen
Gegenstände. Dass es sich hierbei im Vergleich zu den Vorgängen in anderen Städten
um eine relativ kleine Aktion handelte, geht letztlich auch aus dem Bericht der "Kehler
Zeitung" vom 11. November 1938 hervor: "Nicht einmal die Synagoge in Kehl, einer
dieser Tempel talmudischer Rachsucht und Verschwörung, in denen Hasslehren
gegen alles geschürt und verbreitet werden, was nichtjüdisch ist, wurde
nennenswert in Mitleidenschaft gezogen". Umso schlimmere Brutalitäten fanden in
Kehl außerhalb der Synagoge statt: etwa 70 jüdische Männer aus Kehl und den
umliegenden Ortschaften wurden nach einem "Schandmarsch" durch die Stadt in die Stadthalle gebracht, wo sie von österreichischer
SS und der Gestapo misshandelt und zu unwürdigen Handlungen gezwungen worden.
Sie mussten sich unter anderem gegenseitig so lange ins Gesicht oder auf den
nackten Körper mit nassen Brettern schlagen, bis sie blutüberströmt und mit
vollkommen eingeschwollenen Gesichtern kaum mehr aus den Augen sehen konnten.
Danach wurden sie unter die Wasserleitung gestellt und zur Deportation mit dem
Zug in das
Konzentrationslager Dachau verbracht.
Nach den Ereignissen des Novemberpogroms verkaufte die
israelitische Gemeinde das Synagogengebäude zwangsweise für 3.300 RM an die
Stadt, die es 1939 abbrechen ließ.
Nach 1945 wurde das Synagogengrundstück neu bebaut.
Seit 1983 befindet sich an der evangelischen Friedenskirche eine Gedenktafel für
das Schicksal der jüdischen Gemeinde und der Synagoge. 1991 ließ die Stadt
Kehl ein Denkmal in Form einer Stele an dem Platz aufstellen, wo nach der
Pogromnacht die jüdischen Männer aus Kehl und Umgebung gefangen gehalten und
misshandelt wurden (Platz neben der ehemaligen Stadthalle).
Fotos
Zeichnung der Synagoge/historisches Foto:
(Quelle: Zeichnung aus Kehler Zeitung 7.11.1998, erhalten
über K. Britz; Foto aus Sammlung Hahn)
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Auf Grund umfangreicher
Recherchen von Brigitta Gerloff wurde für die Kehler
Zeitung (7.11.1998)
die Zeichnung der Außenansicht der Synagoge angefertigt
(Ausführung:
Planungsbüro WeberHaus Linx; Armin Birk) |
Innenraum der
Synagoge Kehl |
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Lazarus Mannheimer, letzter Vorsteher und
Kantor der Gemeinde
(1886 - ermordet 1942 in Auschwitz)
(Fotos: Privatbesitz Friedrich Peter) |
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Lazarus Mannheimer am Lesepult
der Synagoge in Kehl |
Lazarus Mannheimer und seine
Frau Regina Mannheimer geb.
Bensinger
(1889 - ermordet 1942 in Auschwitz) |
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Wenige Wochen vor der
Pogromnacht
schrieb Mannheimer dem Schüler
Fritz Wertheimer zur Bar Mizwa
in ein Jugendbuch |
Ehemaliges
Gebäude der Jüdischen Kultusgemeinde Kehl, wo auch die
Familie
Mannheimer ihre Wohnung hatte (Kinzigstraße 20, das Gebäude ist erhalten;
Quelle:
Foto links von ca. 1930, Sammlung Hahn; rechts aus Hornung s.Lit.) |
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Fotos nach 1945/Gegenwart:
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Juni 2010:
Auch in Kehl sollen "Stolpersteine"
verlegt werden |
Artikel von Edgar Bassler in der
"Kehler Zeitung" vom 24. Juni 2010 (Artikel
über Baden-online.de):
"Über die Vergangenheit stolpern. Auch in Kehl sollen Steine an die Opfer des Nazi-Regimes erinnern/Gemeinderat stimmt Projekt zu
In Lahr, Offenburg, Karlsruhe und Freiburg gibt es sie schon; nun sollen sie auch in Kehl öffentlich an eine schlimme Zeit erinnern: die Stolpersteine des Kölner Künstlers Gunter Demnig. Gestern hat der Gemeinderat diesem Projekt zugestimmt..." |
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Juni 2011:
Am 15. Juli 2011 werden die ersten
"Stolpersteine" in Kehl verlegt |
Artikel von Nina Saam in der "Kehler
Zeitung" vom 22. Juni 2011 (Artikel
über baden-online.de): "Den Opfern Namen geben
In rund 600 Orten gibt es sie schon, die Stolpersteine des Aktionskünstlers Gunter Demnig, die an die Opfer der NS-Zeit erinnern sollen. Auf Initiative des Arbeitskreises 27. Januar werden ab Mitte Juli auch in Kehl die ersten Stolpersteine ins Trottoir eingelassen..." |
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Juni 2011:
Die Stellen für die "Stolpersteine"
werden markiert |
Artikel in der "Kehler Zeitung" (baden-online.de) vom 29. Juni
2011 (Artikel):
"Rote Markierungen für Stolpersteine. Gunter Demnig verlegt die Steine in Kehl am 15. Juli
Rote Punkte und Linien markieren seit Anfang der Woche in der Innenstadt die Stellen, an denen Künstler Gunter Demnig am Freitag, 15. Juli, seine Stolpersteine verlegen wird..." |
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Juli 2011:
Der erste "Stolpersteine" werden in
Kehl verlegt - erster Stein für den Lehrer Lazarus
Mannheimer |
Artikel von Robert Ullmann in der "Badischen Zeitung"
vom 18. Juli 2011 (Artikel): "Viertklässler verstehen das System der Ausgrenzung
Schüler der Kehler Falkenhausen-Schule beschäftigen sich mit dem Schicksal Lazarus Mannheimers, dessen jetzt mit einem Stolperstein gedacht wurde..." |
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Artikel von Nina Saam in der "Kehler
Zeitung (bzw. Baden-Online.de) vom 16. Juli 2011 (Artikel):
"'Ein ganz besonderer Moment'" - Aktionskünstler Gunter Demnig
verlegt erste Stolpersteine in Gedenken an ehemalige Kehler Mitbürger". Eingestellt
als pdf-Datei. |
Artikel von Nina Saam in der "Kehler
Zeitung" (bzw. Baden-Online.de) vom 27. Juli 2011 (Artikel):
"'Das ist heute an anderes Deutschland'. Harry Bruchsaler
besuchte am Montagabend die Stolpersteine seiner Familie." Eingestellt
als pdf-Datei. |
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September 2012:
Weitere Verlegung von
"Stolpersteinen" |
Artikel in der "Badischen Zeitung"
vom 11. September 2012: "22 Stolpersteine für Kehl. 23 jüdische Gäste der Stadt sind für bei Verlegung anwesend.
KEHL (BZ). 23 jüdische Gäste werden dabei sein, wenn Künstler Gunter Demnig am Donnerstag, 13. September, 22 neue Stolpersteine in der Kehler Innenstadt verlegt. So viele Zusagen von ehemaligen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern aus Kehl oder ihren Kindern liegen mittlerweile im Rathaus vor. Sie reisen aus Australien, Argentinien, Israel, aus Großbritannien und Frankreich an.
Zusammen mit Archiv- und Museumsleiterin Ute Scherb haben Mitglieder des Arbeitskreises 27. Januar die genauen Stellen für die Verlegung der Gedenksteine bereits ausgewählt.
Die Verlegung der Stolpersteine beginnt am Donnerstag um 13.30 Uhr in der Hermann-Dietrich-Straße 10. Dort hatten Sophie und Paul Wertheimer einst ihr Zuhause. Pfarrer Braunstein wird für den Arbeitskreis 27. Januar die Gäste sowie alle Bürgerinnen und Bürger begrüßen, die an der Zeremonie teilnehmen möchten. Nach einer kleinen Ansprache von Oberbürgermeister Günther Petry wird Hella Sehava Ben-Seev einen Text verlesen, den ihr Bruder Nathan Kaufmann verfasst hat. Beide Geschwister sind in Kehl aufgewachsen – Nathan Kaufmann kann aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Kehl kommen. Ihn werden bei der Verlegung seine drei Söhne vertreten. Mit Claus Rosenthal und der 92-jährigen Renée Rothschild-Bodenheimer wird OB Petry zwei weitere Gäste empfangen, die in Kehl aufgewachsen sind.
Von der Hermann-Dietrich-Straße geht es weiter in die Hauptstraße 13. Dort werden gegen 14.30 Uhr acht Stolpersteine für die Familie Schwarzkachel ins Pflaster eingelassen. Bei der Verlegung werden die Biographien der Menschen verlesen, derer bhier gedacht wird. Schülerinnen und Schüler des Einstein-Gymnasiums legen rote Rosen nieder.
Gegen 15 Uhr werden vier Gedenksteine an die Familie Bodenheimer im Mittelstreifen der B 28 eingebracht. Auf dem Ortenau-Platz wurde eine Stelle markiert, wo an die vier Mitglieder der Familie Weil erinnert werden soll. Die Gedenksteine können hier nicht am letzten Wohnortes verlegt werden – der befände sich nämlich im Bereich des großen Blumenbeetes auf der Nordseite der
B 28.
Vom Ortenauplatz werden die Gäste, die schlecht zu Fuß sind, mit einem Kleinbus in die Großherzog-Friedrich-Straße gebracht, wo Gunter Demnig vor dem Haus Nummer 7 drei Stolpersteine für die Familie Kaufmann verlegen wird.
" |
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November 2018:
Erinnerungsarbeit mit
Gymnasiast*innen in Kehl |
Artikel von Hans Georg Frank in der
"Südwestpresse" vom 8. November 2018: "Verfolgt vom braunen Mob.
Erinnerungskultur. Für einen Wettbewerb haben sich Schüler mit der
Geschichte der Juden in Kehl befasst. Die Gymnasiasten sprachen mit
Zeitzeugen über den 10. November 1938..."
Link zum Artikel |
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November 2018:
Die "Stolpersteine" werden geputzt |
Artikel von Petra Klingbeil in
badenonline.de vom 9. November 2018: "Holocaust.
Reichspogromnacht: Putzen der Stolpersteine in Kehl.
Die Putz-Zeremonie der 'Stolpersteine' in Kehl stand am Donnerstag unter
besonderen Vorzeichen, denn Oberrabbiner Harold Avraham Weill aus Straßburg
nahm daran teil. Es ist Tradition, die kleinen Gedenktafeln im Boden am 9.
November zu polieren, in Erinnerung an die jüdischen Opfer der
Reichspogromnacht vom 9. November 1938.
Ernst und betroffen gedachten Deutsche und Franzosen am Donnerstag in Kehl
dem Schicksal der Opfer der NS-Zeit.
Ihre Namen zurückgeben. Kehls Oberbürgermeister Toni Vetrano (CDU)
verwies bei der Begrüßung auf den Beschluss des Gemeinderates 2010,
'Stolpersteine' in Kehl zu verlegen. 'Damit wollen wir den ehemaligen
Mitbürgerinnen und Mitbürgern wenigstens posthum ein klein wenig Würde
zurückgeben, in dem wir ihnen ihre Namen zurückgeben', sagte Vetrano mit
spürbarer Emotion in der Stimme. An der "Stolpersteine"-Putzaktion
beteiligten sich mehr als 50 Menschen.
Oberrabbiner aus Straßburg. Aus Straßburg war Oberrabbiner Harold
Avraham Weill gekommen. 'Ich kann kaum in Worte fassen, was ich dabei
empfinde, dass Menschen von der anderen Rheinseite zu uns kommen, um
gemeinsam mit uns der Opfer der deutschen Nazi-Schergen zu gedenken', sagte
Vetrano. Der 35-jährige Oberrabiner reagierte sichtlich berührt. 'Mir wird
warm ums Herz, wenn ich die Worte des Oberbürgermeisters höre und seine
Ergriffenheit spüre. Diese Initiative der Stadt Kehl gibt uns viel
Hoffnung', sagte Weill.
63 Stolpersteine in Kehl. Die 'Stolpersteine' sind ein Projekt des
Berliner Künstlers Gunter Demnig. In Straßburg soll eine ähnliche Aktion im
kommenden Jahr starten. In Kehl wurden 63 dieser Steine verlegt.
Beispielhaft ist das Schicksal der vierköpfigen Familie des Pferdehändlers
Heinrich Bodenheimer. Ihr Leben fand im Konzentrationslager Auschwitz ein
brutales Ende, berichteten die Historiker Ute Scherb und Friedrich Peter –
nur die jüngste Tochter Ruth überlebte wie durch ein Wunder: Sie heiratete
einen Amerikaner und verstarb nach 75 glücklichen Ehejahren im Januar 2018
in den USA. Drei Monate später folgte ihr Ehemann 'der Liebe meines
Lebens'."
Link zum Artikel |
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November 2019:
Bürgerinnen und Bürger aus
Straßburg und Kehl reinigen gemeinsam "Stolpersteine"
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Artikel in baden-online.de vom 11. November
2019: "Erinnerung an Nazi-Verbrechen. Bürger aus Straßburg und Kehl
polieren gemeinsam Stolpersteine
Am Sonntag sind in Kehl und Straßburg die Stolpersteine, die die Erinnerung
an die Nazi-Verbrechen wachhalten sollen, erstmals gemeinsam poliert worden.
Es ist in vielen Städten, in denen Stolpersteine verlegt wurden, gelebte
Tradition, diese am 9./10. November, dem Jahrestag der Reichspogromnacht, zu
polieren, um die Erinnerung an die Opfer der Nazi-Barbarei wachzuhalten. In
Kehl begehen seit 2017 Bürger aus Straßburg und Kehl diese Tradition
gemeinsam, stets begleitet von Historikern, die an den jeweiligen Adressen
die Biografien und Schicksale der Menschen erläutern, an die die
Stolpersteine erinnern. In den sozialen Netzwerken kann man dies unter dem
Hashtag #KeinVerblassen verfolgen.
Im Mai wurden die ersten 20 Stolpersteine in Straßburg verlegt, so dass
dieses Jahr erstmalig diese Tradition in beiden Nachbarstädten gemeinsam und
am gleichen Tag gelebt werden konnte. Ein Parcours durch Straßburg führte an
alle dortigen Adressen, oft waren Familienmitglieder der Opfer anwesend,
Schüler, Menschen aus dem jeweiligen Stadtviertel oder auch eine Gruppe
Pfadfinder. Nach einer Pause in der Villa Schmidt in Kehl ging es weiter
durch die Kehler Hauptstraße, mit einem Ende im Café Rapp, vor dem ein
Stolperstein an die Ermordung des Veteranen Alfred Rapp im Rahmen der
Euthanasie-Aktion 'T4' erinnert. 'Es ist wichtig, ehrlich mit der eigenen
Geschichte umzugehen. Deswegen bin ich froh, dass wir dies hier als Bürger
Kehls und Straßburgs gemeinsam und dieses Jahr erstmals auch in beiden
Städten tun konnten', erklärt der Kehler David Gümbel, der die Organisation
der gemeinsamen Gedenk- und Polieraktion übernommen hatte."
Link zum
Artikel |
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November 2018:
Vortrag zum Novemberpogrom und zur
NS-Zeit in Kehl |
Artikel in baden-online.de vom 9. November
2018: "Gedenken an die Reichspogromnacht vor 80 Jahren
Zu den schlimmste Auswüchsen des Nazi-Terrors in Deutschland gehört die
Reichspogromnacht. Genau 80 Jahre her ist dieses Ereignis am heutigen
Freitag. Ein Vortrag und eine Filmdokumentation haben im Zedernsaal der
Stadthalle das Kehler Geschehen in der Reichspogromnacht auf beklemmende
Weise deutlich gemacht.
Die Juden aus Kehl waren 'in unbeschreiblicher Weise misshandelt und
verletzt', hat ein Polizeibeamter ausgesagt, der am 10. November 1938 in
Appenweier eingesetzt war, als dort Kehler Juden in einen Zug aus Offenburg
nach Dachau 'verfrachtet' wurden. Für sie endete so die Reichspogromnacht,
früher verharmlosend Reichskristallnacht genannt, in Erinnerung an
Kristallsplitter vor zerstörten Synagogen.
Friedrich Peter referierte. Was dem Abtransport nach Dachau in Kehl
vorausgegangen war, darüber referierte Friedrich Peter am Dienstag im
Zedernsaal der Stadthalle auf Einladung des Arbeitskreises '27. Januar', dem
die evangelische und die katholische Kirchengemeinde, der Historische Verein
Kehl und die Stadt Kehl angehören. Friedrich Peter unterscheidet vier Phasen
der Judenverfolgung im 'Dritten Reich': Es begann nach der sogenannten
Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 mit einem Boykott jüdischer
Geschäfte und der Verdrängung der jüdischen Bevölkerung aus dem öffentlichen
Leben. Mit den Nürnberger Rassegesetzen wurden die Juden 1936 rechtlos
gestellt.
Schmerzlicher Höhepunkt. Mit der Reichspogromnacht am 9./10. November
1938 erreichte die Verfolgung für viele Juden, vor allem jüdische Männer,
einen schmerzlichen Höhepunkt. In der vierten und letzten Phase, mit
Kriegsbeginn 1939, wurde Juden fast jede Erwerbstätigkeit untersagt. Wer
nicht mehr in einen sicheren Drittstaat entkommen oder sich verstecken
konnte, wurde Opfer der Massenvernichtung in Konzentrationslagern. Vortrag
und Filmdokumentation machten am Dienstag das Kehler Geschehen in der
Reichspogromnacht beklemmend deutlich. Was offiziell als Folge des
'Volkszorns' ausgegeben wurde (Kehler Zeitung vom 11. November 1938), als
Reaktion auf das Attentat eines polnischen Staatsbürgers jüdischen Glaubens
auf einen deutschen Diplomaten in Paris, war in Wahrheit von oben
angeordnet: Dem Kehler Gestapochef Julius Gehrum wurden am 10. November 1938
um 3 Uhr früh von der übergeordneten Gestapoleitstelle in Karlsruhe
'Maßnahmen gegen Juden' befohlen, darunter die Zerstörung der Geschäfte und
Wohnungen von Juden, die Beschlagnahme von Wertgegenständen und Geld und die
Festnahme aller männlichen Juden von 16 bis 60 Jahren.
Befehl am frühen Morgen. Um 5.30 Uhr war Befehlsausgabe im Rathaus.
Es wurden mehrere Kommandogruppen gebildet, bestehend aus einem Gestapomann,
zwei SS-Männern und einem Polizeibeamten. Sie hatten den Auftrag, die auf
einer Namensliste verzeichneten jüdischen Männer zu verhaften. Eine
Zeitzeugin berichtet in der Filmdokumentation: Ein Mitglied der jüdischen
Gemeinde, Max Bensinger, habe im Haus ihrer Eltern in einem möblierten
Zimmer gewohnt. 'Als die SS kam und den Mann die Treppe heruntergeworfen
hat, war ich daneben gestanden und hab ’s miterlebt. Das vergisst man
nimmer.' Andere erinnern sich daran, dass morgens schulfrei gegeben wurde,
es sei etwas mit den Juden. Auf dem Weg durch die Stadt beobachteten sie,
dass die verhafteten Juden durch die Straßen getrieben und geschlagen
wurden.
Geprügelt und getreten. Ziel war zunächst die Villa Fingado, das Haus
der Gestapo, am Schnittpunkt Hermann-Dietrich-Straße/Ludwig-Trick-Straße.
Nach Einzelverhören dort ging es im Laufschritt zur alten Stadthalle in der
Jahnstraße. Wer nicht mithalten konnte, wurde geprügelt und getreten. Im
Keller der Stadthalle hat man die Juden schreien hören, das war furchtbar,
berichtet eine Zeitzeugin. Gegen Abend wurden die Juden zum Bahnhof
gebracht. 'Wer Nazi war, war auf den Beinen', wird berichtet. Jetzt
begleiteten auch Mitglieder des Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps die
Gefangenen. Unterwegs mussten die Gefangenen Sprechchöre rufen wie 'Wir sind
die Kriegstreiber', erinnert sich ein Zeitzeuge. Am Bahnhof wurden sie in
Güterwagen 'verladen', das Ziel war Dachau. Nach einigen Wochen wurde sie
entlassen, Begüterte mussten sich freikaufen.
Die Schreckensbilanz. Die Bilanz nach zwölf Jahren
nationalsozialistischer Gewaltherrschaft: Hatten 1933 in Kehl noch 109
jüdische Bürger gelebt, so waren es 1940 noch 20. Sie wurden am 22. Oktober
1940 in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich deportiert. Einige
kamen später in Konzentrationslagern um. 38 Kehler Juden überlebten den
Holocaust nicht. Der Referent verwendete in seiner Darstellung Ausschnitte
aus der Filmdokumentation einer Projektgruppe des Einstein-Gymnasiums, die
unter der Leitung von Lehrer Uli Hillenbrand Kehler Zeitzeugen befragt hat.
Die Doku ist im Wettbewerb 'Erinnerung sichtbar machen' mit einem Preis
ausgezeichnet worden (Kehler Zeitung vom 7. November), und die Projektgruppe
ist daraufhin kurzfristig zur Präsentation ihres Projekts nach Berlin
eingeladen worden."
Link zum Artikel |
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November 2019:
Gedenken an den Novemberpogrom
1938 am Volkstrauertag |
Artikel von Ellen Matzat in baden-online.de
vom 17. November 2019: "Nachdenklich stimmende Worte zum Volkstrauertag in
Kehl.
An der Gedenkfeier am Volkstrauertag auf dem Kehler Ehrenfriedhof nahmen 30
Kehler sowie Vertreter von Polizei, Feuerwehr, DRK, Bundeswehr, des
VdK-Ortsvereins Kehl sowie Stadträte teil. Die Gedenkrede hielt der neue
Baubürgermeister Thomas Wuttke.
Lange Jahre glaubte man, dass sich in Deutschland nicht mehr wiederholen
könne, was in der Ausstellung im Hanauer Museum 'Goldene Zwanziger? – Kehl
in der Weimarer Republik' dargestellt werde, sagte Wuttke. Man konnte nicht
ahnen, dass die Morde an den beiden demokratischen Politikern Matthias
Erzberger und Walther Rathenau erschreckende Aktualität gewinnen sollten.
Denn am 2. Juni wurde mit dem Kasseler Regierungspräsidenten wieder ein
Politiker von einem mutmaßlich rechtsextremen Täter erschossen. Immer mehr
Politiker von der Bundesebene bis hin zu Bürgermeistern kleiner Gemeinden
würden heute im Internet Opfer von Hetzkampagnen, Hassparolen und Drohungen.
Die Sprach- und Debattenkultur habe sich stark verändert. Aus der
Fragmentierung der Gesellschaft sowie der rasant voranschreitenden
Digitalisierung folge eine Verunsicherung, die Ängste begünstige und von
einer apokalyptischen Eskalationsrhetorik befeuert werde, meinte er. In
einer Welt mit immer komplexeren Problemen sei die Versuchung groß, stark zu
vereinfachen, Dinge auf den Punkt zu bringen, zuzuspitzen und sich damit die
Aufmerksamkeit zu erkaufen, für die es keine differenzierte Stellungnahmen
mehr gibt.
Reichspogromnacht in Kehl. Wuttkes Dank galt der von Ulli Hillenbrand
geleiteten Zeitzeugen-AG des 'Einsteins'. Denn aus den mit Zeitzeugen
geführten Interviews habe man erfahren, was 1938 in der Reichspogromnacht in
Kehl passiert ist. Männer jüdischen Glaubens wurden durch die Straßen
getrieben, mit Stöcken geschlagen, getreten, bespuckt, brutal misshandelt.
'Das geschah nicht im Verborgenen, sondern in aller Öffentlichkeit', so
Wuttke. Viele der Täter kamen aus Kehl. Hunderte Einwohner säumten die
Straße. Viele seien nicht nur Zuschauer gewesen, sondern legten selbst Hand
an, beschimpften und bespuckten ihre Nachbarn. Besonders viele Zeitzeugen,
die damals noch Kinder waren, erinnern sich vor allem an die lauten
Schmerzensschreie, die sie damals kaum ertragen und bis heute nicht
vergessen konnten. 'Jeder wusste, was an diesem Tag in der eigenen Stadt
geschehen ist', betonte er.
Der Mord an Walter Lübcke und das Attentat in Halle würden heute in aller
Brutalität vor Augen führen, dass in Deutschland wieder geschehen kann, was
man für immer ausgeschlossen hielt, mahnte Wuttke, und er zitierte
Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert: 'Die Demokratie ist eine besonders
anspruchsvolle politische Versuchsanordnung, die von einem kunstvollen
Verhältnis von Konflikt und Konsens lebt und mit dieser Balance steht und
fällt.' Eine freiheitliche Gesellschaft werde nie eine konfliktfreie
Gesellschaft sein können. Die Demokratie habe sicher ihre Schwächen, doch
gebe es keine bessere Staatsform, die allen ein freies und selbstbestimmtes
Leben ermöglichen könnte, schloss Wuttke. Er trug vor dem Aufstieg des
Ehrengeleits zum Ehrenmal das Totengedenken vor. Für einen würdigen
musikalischen Rahmen sorgte die Stadtkapelle 'Hanauer Musikverein' und die
Männergesangvereine MGV Frohsinn und MGV Liederhalle. Hebelschüler legten
Blumengrüße auf die Grabsteine der gefallenen Soldaten."
Link zum Artikel |
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Januar 2020:
Die "Stolpersteine" in Kehl sind
auch per App zu finden |
Artikel von Rembert Graf Kerssenbrock im "Stadtanzeiger-Ortenau.de"
vom 21. Januar 2020: "Digitales Angebot des Arbeitskreises '27. Januar'.
Stolpersteine in Kehl auch per App finden
Kehl. Der Arbeitskreis '27. Januar' zum Gedenken der Opfer des
Nationalsozialismus hat die insgesamt 64 Kehler Stolpersteine, im Boden
verlegte kleine Gedenktafeln für Opfer des Zweiten Weltkriegs, in die
digitale Welt übertragen. Sie können nun sowohl am Computer als auch per App
aufgefunden werden. Dieses Projekt haben Mitglieder des Arbeitskreises aus
Stadt, Historischem Verein sowie christlichen Kirchen am Dienstag
vorgestellt. Zu den Veranstaltungen Ende Januar soll auch ein Flyer mit den
Standorten herausgegeben werden. Unter dem Suchbegriff 'Stolpersteine Guide'
im Appstore sowie der Internetadresse stolpersteine-guide.de können
Interessierte Städte und Opfernamen suchen. Neben Kehlern sind aus der
Region zudem Offenburger, Lahrer und Straßburger Stolpersteine verzeichnet.
Zu den zentralen Veranstaltungen gehören Aufführungen des 'Theaters der 2
Ufer' am 25. und 26. Januar, ein ökumenischer Gedenkgottesdienst am 27.
Januar um 19 Uhr in der Friedenskirche sowie eine Führung durch das jüdische
Kehl mit OB Toni Vetrano am 31. Januar."
Link zum Artikel
https://stolpersteine-guide.de/
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Juli 2020:
Weitere "Stolpersteine" werden
zur gelegentlichen Verlegung übergeben |
Foto
links: Pressefoto Stadt Kehl. Siehe
https://www.kehl.de/stadt/verwaltung/stadtnachrichten/20200708.php
Artikel in "Baden online.de" vom 10. Juli 2020: "Holocaust. Kehl: Mehr
Stolpersteine gegen das Vergessen
Corona ist es geschuldet, dass am Mittwoch Stolpersteine in Kehl nicht
verlegt, sondern übergeben wurden: In einer Zeremonie im Café Rapp nahm OB
Toni Vetrano aus der Hand von Künstler Gunter Demnig die Stolpersteine in
Empfang, die an Elsa Cheit, Klara Wertheimer und Rosa Mayer erinnern.
Ins Pflaster in der Fußgängerzone und in der Oberländerstraße eingelassen
werden sie im Herbst und im Frühjahr. Allerdings nur, wenn das möglich ist,
was in Kehl zur Verlegung von Stolpersteinen gehört: Dass Jugendliche sich
intensiv mit der Vergangenheit der Opfer der Nazi-Diktatur beschäftigen und
die Gedenkstunde mitgestalten. Und dass nicht in Europa lebende Nachfahren
bei der Verlegung anwesend sein können.
Der Unterricht wird nachgeholt. Weil Corona über Monate normalen
Unterricht verhindert hat, konnte sich die neunte Klasse der
Tulla-Realschule nicht auf die Verlegung der Stolpersteine für Klara
Wertheimer und Elsa Cheit vorbereiten. Das werden die künftigen
Zehntklässler im neuen Schuljahr nachholen; sie sind die Paten für die
beiden Stolpersteine, die ihren Platz in der Fußgängerzone finden werden –
vor dem Kaufhaus Woolworth und der Volksbank. Die beiden Frauen waren
Cousinen und entstammten der jüdischen Familie Bensinger, wie Karl Britz am
Mittwoch berichtet hat. Sie waren verwandt mit der Familie von Rosa
Bensinger, für die Gunter Demnig 2017 gegenüber, vor der Parfümerie Douglas,
fünf Stolpersteine verlegt hat.
Das Leben und Sterben von Elsa Cheit. Elsa Cheit wurde 1881 als
Tochter von Jakob und Pauline Bensinger geboren. Sie wuchs mit 15
Geschwistern auf. 1906 heiratete sie den aus Lemberg stammenden Hersch Cheit.
1912 kam die 31-Jährige wegen einer psychischen Erkrankung in die
Psychiatrie nach Straßburg und von dort in die Heilanstalt Stephansfeld bei
Brumath. Über die Heilanstalt Illenau in Achern gelangte sie in die Heil-
und Pflegeanstalt Emmendingen, wo sie 18 Jahre verbrachte. Von hier aus
wurde sie am 12. August 1940 nach Grafeneck transportiert, wo sie noch am
gleichen Tag in einer zur Gaskammer umgebauten Garage ermordet wurde.
Das Leben und Sterben von Klara Wertheimer. Ihre Cousine Klara
Wertheimer, 1888 geborene Tochter von Simon und Theresia Bensinger, war mit
Adolf Wertheimer verheiratet und lebte in Karlsruhe. 1931 wurde sie aufgrund
einer akuten Psychose in die Heilanstalt Illenau eingeliefert. Von dort
wurde sie 1938 auf die Insel Reichenau verlegt. Am 27. Juni 1940 wurde sie
nach Grafeneck gebracht und wie ihre Cousine noch am selben Tag ins Gas
geschickt. Dank der unermüdlichen Nachforschungen der Archiv- und
Museumsleiterin Dr. Ute Scherb wisse man heute von 25 Menschen aus der
Kernstadt und 16 aus den Ortschaften, die mit ihrem Leben nicht mehr
zurechtgekommen und daher einer Pflegeanstalt anvertraut worden seien, so
Vetrano. Sie alle seien in Grafeneck auf die gleiche Weise umgebracht
worden. Die Suche nach Informationen gestalte sich äußert schwierig, weil
die Morde oft selbst in den Familien verschwiegen würden. Mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit lasse sich daher sagen, 'dass es in unserer
Stadt noch viel mehr Menschen gab, die den grausamen Tod in der Gaskammer
von Grafeneck sterben mussten'. 2019 wurde vor dem Café Rapp der erste
Stolperstein für ein 'Euthanasie-Opfer' verlegt: für Alfred Rapp, ermordet
am 31. Mai 1940 in Grafeneck. Dies sei auch der Grund dafür, warum sich die
Gruppe zur Stolpersteinübergabe hier zusammengefunden habe, so der OB.
Das Leben und Sterben von Rosa Mayer. Rosa Mayer kam 1874 als erste
Tochter von Heinrich und Mathilde Murr in Ulm
zur Welt. Sie heiratete den Kehler Bankbeamten Max Mayer und wohnte mit ihm
in der heutigen Oberländerstraße. Rosa Mayer nutzte die Evakuierung von Kehl
1939, um nach Ulm zurückzukehren. Ende Juli 1940 wurde sie jedoch wieder
nach Kehl zurückgeschickt. Am 22. Oktober erfolgte ihre Deportation nach
Südfrankreich ins Lager Gurs. Sie überlebte den Zweiten Weltkrieg um wenige
Monate und starb am 14. Juli 1945 im ehemaligen Internierungslager in
Masseube. Von Zeitzeugin Regina Müll haben die Schülerinnen erfahren, dass
die 'liebenswürdige ältere Dame' Rosa Mayer für sie wie eine Oma war. Rosa
Mayer, die im gleichen Haus wohnte wie Regina Müll, habe diese oft zu sich
eingeladen.
Link zum Artikel
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Oktober 2020:
Gedenkstele am Standort der
ehemaligen Synagoge wird aufgestellt |
Pressemitteilung der Stadt Kehl vom 21. Oktober
2020
(Quelle):
"Synagogen-Stele erinnert an jüdische Holocaust-Opfer aus Kehl und
Bodersweier
Das Schicksal von 54 jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern aus der
heutigen Kernstadt und Bodersweier
wird auf der Gedenkstele beschrieben, die anlässlich des 80. Jahrestags der
Deportation nach Gurs am Donnerstag, 22. Oktober, an der Stelle aufgestellt
wurde, wo einst die jüdische Synagoge stand. Bei der Einweihung gedachte
Oberbürgermeister Toni Vetrano der jüdischen Opfer des NS-Terrors.
Oberbürgermeister Toni Vetrano und die Leiterin des Stadtarchivs sowie des
Hanauer Museums, Dr. Ute Scherb, weihen die neue Gedenkstele an der
Schulstraße ein. Hier stand bis 1939 noch die jüdischen Synagoge.zoom.
Die Idee für das Erinnerungsmal an der Ecke Schulstraße und Kasernenstraße
entstand im Arbeitskreis 27. Januar. Die Stele soll neben der Erinnerung an
die Synagoge ins Gedächtnis rufen, was sich am Morgen des 22. Oktobers 1940
auch in Kehl abgespielt hat, als das jüdische Leben ausgelöscht wurde:
Insgesamt 6500 jüdische Bürgerinnen und Bürger aus Baden und der Saarpfalz
wurden nach Gurs in Südfrankreich deportiert. Ohne jede Vorwarnung klingelte
die Gestapo frühmorgens an ihren Türen und ließ den Betroffenen nur wenig
Zeit, ihre Habseligkeiten zu packen – höchstens 50 Kilogramm Gepäck und 100
Reichsmark durften sie mitnehmen. Bis heute ist ungeklärt, wie die
Deportation in Kehl genau ablief. Es ist davon auszugehen, dass die Menschen
hier ebenso wie in Bodersweier auf Lastwagen geladen und nach Offenburg
gebracht wurden, wo sie in einen Zug mit Fahrtziel Pyrenäen umsteigen
mussten. Erst nach vier Tagen kamen sie völlig entkräftet in Gurs an. Die
Zustände in diesem überfüllten Lager waren unbeschreiblich – aufgrund der
unzureichenden Ernährung und der katastrophalen hygienischen Bedingungen
brachen Krankheiten aus, und bereits im ersten Winter starben über 1000
Deportierte. Für viele Jüdinnen und Juden endete die Tortur jedoch nicht in
Gurs, sie wurden zwangsweise in das Konzentrationslager nach Ausschwitz
gebracht und systematisch ermordet.
Die Synagogen-Stele berichtet über das Schicksal der 54 deportierten
jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Kehl.zoom.
Das jüdische Gotteshaus in Kehl war nach den Ausschreitungen während des
Novemberpogroms an die Stadt verkauft und anschließend abgebrochen worden.
An seinem ehemaligen Standort an der Schulstraße 45, steht die Gedenkstele.
Die Inschrift in deutscher und französischer Sprache berichtet von den
Verwüstungen der Synagoge am 10. November 1938 sowie von den schweren
Misshandlungen jüdischer Männer und junger Erwachsener unter den Augen der
Öffentlichkeit. Sie wurden von SS-Männern, Gestapo-Beamten, Grenzpolizisten
sowie von Kehler Bürgern beschimpft, bespuckt, gedemütigt und schwer
misshandelt. Seit 1991 erinnert das Mahnmal in der Jahnstraße an diese
Gräuel. Bei der Einweihung der neuen Stele sagte Oberbürgermeiste Toni
Vetrano: 'In einer Zeit, in der vieles in Frage gestellt wird und
Fremdenfeindlichkeit um sich greift, ist es wichtiger denn je, sich der
Vergangenheit zu erinnern. Die Erinnerung gehört zur Gegenwart und ist für
die Gestaltung unserer Zukunft unerlässlich.'" |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 151-152. |
| Jüdische Mitbürger in Kehl zwischen 1930 und 1950. Versuch einer
Dokumentation. Erarbeitet durch Schüler der Klasse 10b der Tulla-Realschule
Kehl, Oktober/November 1982. |
| 8. Mai 1945 - 8. Mai 1985. Veröffentlichung Nr.1 der
Tulla-Realschule Kehl. 1985. |
| Friedrich Peter: Kehl 1933-45. Dokumentation. Eine
Veröffentlichung der Tulla-Realschule Kehl 1988. |
| ders.: Das Schicksal der Juden in Kehl und im Hanauerland unter
der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. 1990. |
| Klaus Hornung: Kehl 1840-1940 (Bildband). |
| Hartmut Stüwe: Kehl im Dritten Reich. Stadtgeschichte 1933-1945.
Stadt Kehl am Rhein. Kultur- und Verkehrsamt 1997 (hierin besonders: Boykott
jüdischer Geschäfte S. 36ff und Verbrechen gegen die Menschlichkeit S.
110ff). |
| Nicolas Rosenthal: Hagada des 20. Jahrhunderts - ein Vermächtnis.
Mit Beiträgen von Rolf Kruse jun. und Friedrich Peter. Historischer Verein
Kehl 2000. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Kehl am
Rhein. Jews first settled in 1862 after emancipation accorded them
freedom of residence in Baden. A community was officially formed in 1881 and a
synagogue was consecrated in 1889. The community maintained a population of
around 150 in der early 20th century (2 % of total), with the majority trading
in cattle. Despite anti-Jewish agitation, the Jews participated fully in local
life. After world war I, the Jewish population dropped through emigration and a
declining birthrate, numbering 109 in 1933. Under the Nazis, persecution
commenced immediately in 1933 and most Jewish business were soon liquidated. In
1934-39, 49 emigrated, 12 to Palestine and 26 to nearby France. On Kristallnacht
(9-10 Nov. 1938), the synagogue was vandalized and Jewish men were sent to the
Dachau concentration camp after being beaten and tormented. Eight more Jewish
subsequently emigrated, while in the whole period 39 left for other German
cities. On 22 October 1940, 18 were deported to the Gurs concentration camp.
Another 21 were deported to the camps in Eastern Europe from their places of
refugee in France and other German cities. Only seven survived the Holocaust.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
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