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Kyllburg mit
Malberg und Oberkail (VG Kyllburg)
sowie Mürlenbach (VG Gerolstein) und Speicher (VG Speicher) (alle Kreis
Bitburg-Prüm)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In der Kleinstadt Kyllburg bestand eine jüdische
Gemeinde nur wenige Jahrzehnte von etwa 1910 bis 1938. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben sich durch
Zuzug aus Landgemeinden jüdische Personen beziehungsweise Familien in der
Stadt niedergelassen (die beiden Familien Hermann und Isaac Nußbaum dürften
in Kyllburg die
ersten gewesen sein). Zur jüdischen Gemeinde gehörten auch die in Malberg,
Mürlenbach, Oberkail
und Speicher lebenden jüdischen Personen /
Familien. Die in Speicher lebende Familie Levi Salomon (geb. in Speicher)
war wegen seiner in Wittlich geborenen Frau Sara geb. Dublon zur jüdischen
Gemeinde Wittlich orientiert (Quelle: Maria
Wein-Mehs: Juden in Wittlich S. 654-659).
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: in Kyllburg 1895 13 jüdische Einwohner, 1905 22 (von insgesamt
1.129).
1912 gehörten zur jüdischen Gemeinde die folgenden Familienvorsteher (alle mit
der Berufsbezeichnung "Handelsmann"): Josef Simon, Issak
Nußbaum, Jakob Nußbaum (in Malberg), Hermann Nußbaum, Isaak Nußbaum (in
Malberg), Adolf Fränkel, Moritz Fränkel (in Mürlenbach), Simon Ermann, Lion
Ermann (in Oberkail), Adolf Ermann (in Oberkail), David Ermann (in
Speicher).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), ein Raum für den
Unterricht der jüdischen Kinder und ein Friedhof. Zur Besorgung religiöser
Aufgaben der Gemeinde war vermutlich zu keiner Zeit ein eigener Lehrer
angestellt. Der Unterricht der Kinder wurde durch auswärtige Lehrer erteilt,
1932 durch den Lehrer aus Bitburg (s.u.).
Um 1924, als zur Gemeinde 30 jüdische Personen in Kyllburg gehörten (2,5 %
von insgesamt etwa 1.200 Einwohnern), dazu insgesamt 36 in den Orten Malberg,
Mürlenbach, Oberkail und Speicher, waren die Vorsteher der Gemeinde
Adolf Fränkel, A. Duplon und J. Fränkel. 1932 waren die Gemeindevorsteher
Hermann Nußbaum (1. Vors.), Joseph Nußbaum (2. Vors.). Als Religionslehrer der
jüdischen Kinder kam Lehrer David Mandel aus Bitburg regelmäßig nach
Kyllburg. Im Schuljahr 1931/32 erteilte er 8 Kindern der Gemeinde den
Religionsunterricht.
1933 wurden 54 jüdische Einwohner in Kyllburg gezählt. In
den folgenden Jahren ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Beim Novemberpogrom
1938 wurde die Synagoge zerstört (s.u.).
Von den in Kyllburg geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Paula R. Ermann geb.
Kallmann (1884), Margot Fränkel (1923), Klementine Klaber geb. Nussbaum (1883),
Eva Levy (1887), Adelheid (Adele) Emma Nussbaum (1868), Henri Nussbaum
(1903), Hermann Nussbaum (1866), Johanna Nussbaum (1884), Sara
Nussbaum geb. Levy (1883), Simon Nussbaum (1887), Berta Stern geb. Nussbaum
(1890).
Aus Malberg sind umgekommen: Lina Koppel geb. Nussbaum (1896), Adelheid
(Adele) Emma Nussbaum (1868), Johanna Nussbaum (1884), Leon
Nussbaum (1897), Simon Nussbaum (1887).
Aus Speicher sind umgekommen: Rudolf Berg (1925), Walter Berg (1923),
Sanny Lichtenstädter geb. Salomon (1898), Amalie Marcus geb. Abraham (1872),
Simon Salomon (1873).
Aus Oberkail und Mürlenbach werden in den genannten Listen keine Personen
genannt.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Ein Kyllburger Katholik spendet für die Synagoge
(1900)
Artikel
in der Schweizer Zeitschrift "Zuger Volksblatt" vom 28. April 1900: "Ein
in Kyllburg (Eifel) verstorbener Katholik hat der dortigen jüdischen
Gemeinde 50.000 Mark zur Errichtung einer Synagoge testiert."
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Nach der Emigration: Verlobungsanzeige für Senta Herz
und Arnold Ermann (1944)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Aufbau"
vom 10. März 1944:
"Senta Herz. Cpl. Arnold Ermann.
Engaged Purim 1944.
515 W. 170th Street New York City (formerly Saarbrücken)
685 Sterling Pl. Brooklyn, N.Y. (formerly Kyllburg)."
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Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war vermutlich ein Betraum in einem der jüdischen Häuser
vorhanden.
1900 vermachte der kinderlose katholische Bürger von Kyllburg Jacob
Schweitzer sein Besitztum im Wert von 50.000 der jüdischen Gemeinde, damit
diese eine Synagoge bauen könnte (vgl. Presseartikel oben, der sogar in einer
Schweizer Zeitung mitgeteilt wurde). 1907 ersteigerte Handelsmann Josef Simon ein Grundstück am
Annenberg, auf dem später die Synagoge erbaut wurde. Mit dem Vermögen des
Jacob Schweitzer konnte die Synagoge großenteils finanziert und 1911/12 erbaut
werden. Das Grundstück ging von Josef Simon an die jüdische Gemeinde über zu je 1/11 der damaligen 11 jüdischen
Haushaltsvorsteher (Aufzählung oben).
Anlässlich der Einweihung schrieb der damalige Kyllburger Pfarrer Rödder:
"Im Jahre 1912 erhielt Kyllburg auch eine Synagoge; sie wurde erbaut
gleich oberhalb des Frieshofs, etwas schräg unter der protestantischen Kirche,
sodass am Meiselter-Berg jetzt katholische, evangelische und jüdische Kirche
friedlich in nächster Nähe beieinander und alle zusammen unter dem Schutz der
Mariensäule stehen. Die Juden luden mich zur Einweihung ein, da ich aber
an der eigentlichen rituellen Feier nicht teilnehmen wollte und da ein
öffentliches Festessen nicht stattfand, so begnügte ich mich mit einem
Glückwunschschreiben an dei 5 Synagogen-Vorsteher, wovon ich hörte, die
jüdische Gemeinde auch ganz befriedigt war."
Bei der Synagoge handelte es sich um einen kleinen, schiefergedeckten Zentralbau
auf quadratischem Grundriss mit oktogonalem Kuppeltambour. Das Gebäude war aus
Bruchsteinmauerwerk erstellt. Der Eingang zur Männersynagoge lag im Westen; die
Frauentreppe erreichte man über eine der Südseite vorgelagerte
Außentreppe.
Nur 26 Jahre war die Synagoge in Kyllburg Mittelpunkt des jüdischen
Gemeindelebens in der Stadt und Umgebung.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge
durch Nationalsozialisten niedergebrannt. Wie und wann die Brandruine beseitigt
wurde, ist nicht bekannt. Das Grundstück wurde nicht wieder bebaut. Ein Gedenkstein
wurde 1988 gegenüber dem Synagogengrundstück auf dem Grundstück der
evangelischen Kirchengemeinde aufgestellt.
Adresse/Standort der Synagoge
Am Südhang des Annenberges, unweit Marienstraße 18, unmittelbar am
Treppenaufgang zur evangelischen Kirche; in der Nähe die katholische Kirche mit
Friedhof
Link
zu den Google-Maps
Fotos
(Quelle: historisches Foto aus Landesamt s.Lit. S. 224;
neuere Fotos von Otmar Frühauf, Breitenthal, Aufnahmedatum:
30.10.2009)
Die Synagoge in
Kyllburg
1912-1938 |
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Synagogengrundstück
und Gedenken an die Synagoge |
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Blick auf das
Synagogengrundstück |
Gegenüber dem
Grundstück: ein Gedenkstein |
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Der Gedenkstein
mit Inschrift: "Gegenüber stand die Synagoge von Kyllburg, erbaut
im
Jahre 1911. Sie wurde am 9.11.1938 von Nationalsozialisten
zerstört." |
"Steine der
Erinnerung"
auf dem Gedenkstein |
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Andernorts entdeckt:
im jüdischen Friedhof in Luxemburg |
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Grabstein für
Fanny Ermann geb. Nussbaum,
geb. in Kyllburg 5.11.1876, gest. in Luxemburg 1.9.1939. |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
November 2008:
Ausstellung zur jüdischen Schicksalsgeschichte
in Malberg |
Artikel in lokalo.de am 20. November 2008 (Artikel):
"Jüdisches Leben in der Kyllburger Waldeifel.
Malberg, Eifel. Ein mittlerweile über 40 Jahre alter Brief veranlasste Alois Keppers dazu, eine Gedenkausstellung ins Leben zu rufen. Sie dokumentiert anschaulich und eindrucksvoll das Schicksal vieler Juden zur Zeit des Nationalsozialismus - auch derer in Kyllburg und Malberg..."
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November 2017:
Verlegung von "Stolpersteinen" in
Malberg und Kyllburg |
Am 6. November 2017 wurden durch Gunter
Demnig vor den Häusern Bahnhofstraße 5 in Kyllburg vier und
Schlossstraße 43 in Malberg drei "Stolpersteine" verlegt. Vor
dem Haus Bahnhofstraße 5 für Hermann, Sara, Joseph und Rebecka Nussbaum,
vor dem Haus Schlossstraße 43 für Adelheid, Johanna und Simon
Nussbaum.
Weitere Informationen siehe https://malberg-eifel.de/verlegung-von-stolpersteinen-in-kyllburg-und-malberg/
sowie https://5524.de/
Artikel von Christina Bents im "Trierischen Volksfreund" vom 6.
November 2017: "Eine sanfte Form der Erinnerung: Stolpersteine in
Kyllburg und Malberg..."
Link
zum Artikel |
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Mai 2020:
Erinnerung an die Synagoge in Kyllburg
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Artikel von Christian Altmayer im "Trierischen
Volksfreund" vom 24. Mai 2020: "Ein Ort und seine Geschichte: Synagoge
von Kyllburg : Die kurze Geschichte eines Gotteshauses
Kyllburg Die Kyllburger Synagoge steht nur 26 Jahre. 1912 am Annenberg
errichtet, brennen die Nazis sie 1938 nieder. Heute erinnert nur eine
Gedenktafel an das jüdische Gebetshaus im Eifelort.
Ein Gedenkstein steht am Straßenrand. Verwittert von 32 Jahren Wind und
Wetter und überwuchert von Flechten, ist die Inschrift kaum noch zu
entziffern. Die Worte und der eingravierte Davidstern erinnern hier seit
1988 an die Gräuel des Nationalsozialismus. Und an die sehr kurze, aber
tragische Geschichte eines Gotteshauses. Dabei beginnt sie so hoffnungsvoll
mit einer außergewöhnlichen Spende. Denn es ist 1900 ein Katholik, der den
Bau der Synagoge ermöglicht. Die Meldung, dass der Kyllburger Christ Jacob
Schweitzer seinen Besitz im Wert von 50.000 Mark der jüdischen Gemeinde
vermacht, schafft es sogar in die Schweizer Presse. Elf Jahre darauf ist
Baubeginn, 1912 wird das achteckige Gotteshaus eingeweiht. Anlässlich des
Festes schreibt Pfarrer Josef Rödder: 'Im Jahre 1912 erhielt Kyllburg auch
eine Synagoge; sie wurde erbaut gleich oberhalb des Friedhofs, etwas schräg
unter der protestantischen Kirche, sodass am Meiselter-Berg jetzt
katholische, evangelische und jüdische Kirche friedlich in nächster Nähe
beieinander und alle zusammen unter dem Schutz der Mariensäule stehen.'
Immerhin rund 50 Juden wohnen in den 30ern in Kyllburg und prägen das
Stadtleben mit. Doch dieses 'friedliche Beieinander' sollte nicht von langer
Dauer sein. Nach der Machtergreifung kippt die Stimmung auch in der Eifel.
Bald müssen Juden neue Konzessionen für ihre Geschäfte beantragen und ihre
Läden letztlich schließen. An den Ortseingängen von umliegenden Dörfern
tauchen Schilder mit Aufschriften wie 'Juden unerwünscht!' oder 'Zutritt für
Juden auf eigene Gefahr!' auf. Der vorläufige, traurige Höhepunkt der Hetze
und Schikane ist aber die Reichspogromnacht 1938. Dazu gibt eine Legende in
Kyllburg: Während die Nationalsozialisten am 9. November 1938 in ganz
Deutschland loszogen, um jüdische Geschäfte und Synagogen zu verwüsten, sei
dies in der Stadt erst tags darauf passiert. Als SS-Männer von Trier über
Bitburg gen Waldeifel marschierten. Denn in der 'Reichspogromnacht' habe
sich kein Bürger gefunden, den jüdischen Friedhof zu schänden und die
Synagoge anzuzünden. Klar ist heute nur, dass sie in jenen Tagen abbrennt.
Und danach eine Spottprozession durch die Stadt zieht. Wer die Synagoge
angesteckt hat und ob dies nun am 9. oder 10. November geschah, bleibt
ungeklärt. Historiker aber ziehen die Kyllburger Erzählung in Zweifel.
Wahrscheinlicher sei, so Geschichtskundige, dass es sich um eine
Schutzbehauptung handelte, die von der Mitschuld der Eifeler ablenken
sollte. Und sie wurde so lange weitererzählt, bis sich niemand mehr daran
erinnern konnte, was sich wirklich zutrug. Was hingegen überliefert ist: Als
in Kyllburg die Deportationen beginnen, sind die meisten Juden bereits nach
Südamerika oder in die USA geflüchtet. 1942 werden die fünf Verbliebenen
verschleppt. Sie sterben im Ghetto oder werden im Vernichtungslager
Treblinka ermordet. Viele Spuren dieser Schicksale gibt es in der Waldeifel
nicht mehr. Seit 2017 erinnern Stolpersteine in der Bahnhofstraße und der
Malberger Schlossstraße an ihre Schicksale. Und jener unscheinbare
Gedenkstein am Südhang des Annenbergs."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 224 (mit weiteren Literaturangaben).
|
| Willi Körtels: Die jüdische Schule in der Region
Trier. Hrsg. Förderverein Synagoge Könen e.V. 2011. Online
zugänglich (pdf-Datei). |
| Michael Meyer: Die Jünkerather jüdische Familie
Lorig. Zusammengestellt von Michael Meyer. 2017 Online
zugänglich.
(mit Informationen über die Beziehungen der Familie zu Speicher). |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Kyllburg Rhineland. Jews
first settled in the 19th century, numbering 22 (total 1.129) in 1905 and rising
to 40 in 1925. A synagogue was consecrated in 1911. In June 1933, four months
after the Nazi rise to power, there were 43 Jews in Kyllburg. On Kristallnacht
(9-10 November 1938), the synagogue was destroyed. In all, 31 Jews emigrated to
the United States and South Amerika; another six left for other German cities
and six were deported in 1942.
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