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Mutterstadt (Rhein-Pfalz-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Zur jüdischen Geschichte in Mutterstadt siehe
die umfassenden Seiten bei
www.judeninmutterstadt.org
Bei "Alemannia Judaica" finden Sie
nur wenig Ergänzendes zu dieser Seite:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Mutterstadt bestand eine jüdische Gemeinde bis 1940. Ihre Entstehung geht in
die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. Erstmals werden 1719/22 Juden
am Ort genannt (Familie des Nathan zu Mutterstadt; 1743 als Nathan
Dehlheim genannt, der Stammvater der bis nach 1933 ansässigen Familie
Dellheim).
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1801 21 jüdische Einwohner (1,3 % der Gesamteinwohnerschaft), 1825
25 (1,4 %), 1825 82 (3,2 %), 1835 101, 1848 122 (in 29 Familien), 1860 171, 1875
150, 1900 124.
1808/09 werden an jüdischen Familienvorständen genannt (mit
bereits angenommenem Familiennamen und Gewerbe): Nathan
Dellheim, Simon Dellheim (Gebrauchtwarenhändler), Marx Landmann
(Gebrauchtwarenhändler), Jacques Löb (Gebrauchtwarenhändler), Lazarus Löb
(Gebrauchtwarenhändler), Abraham Mayer (Gebrauchtwarenhändler), Abraham Weil,
Jacques Weil, Simon Weil (Gebrauchtwarenhändler), Daniel
Wolff.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
jüdische Schule (Israelitische Volksschule bis 1920, danach Religionsschule),
ein rituelles Bad und einen Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben war ein
Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Unter den Lehrern sind
insbesondere zu nennen: Jakob Ehrlich (1865 bis 1883 am Ort, siehe
Bericht zu seinem Tod unten) und Michael Rosenstiel (seit 1890 Elementarlehrer
an der Israelitischen Volksschule, ab 1920 noch als Religionslehrer tätig,
konnte 1930 sein 40-jähriges Dienstjubiläum in der Gemeinde feiern, siehe
Bericht unten). Die Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat Frankenthal.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: Julius Israel
(geb. 6.4.1897 in Strümpfelbrunn, gef. 4.8.1918), Julius Löb (geb. 8.2.1895,
gef. 3.9.1916), Max Marx (geb. 20.5.1894 in Mutterstadt, gef. 15.9.1916). Die Namen
von Julius Löb und Max Marx stehen auf den Tafeln der Gedenkstätte für die Gefallenen der Weltkriege
vor dem allgemeinen Friedhof der Stadt (Fotos auf der Seite zum jüdischen
Friedhof in Mutterstadt).
Um 1924, als zur Gemeinde etwa 120 Personen gehörten, waren die
Gemeindevorsteher Theodor Marx, Ludwig Leopold Loeb und Max Loeb. Als Lehrer,
Kantor und Schochet war der bereits genannte Michael Rosenstiel tätig. An
jüdischen Vereinen gab es den Israelitischen Unterstützungsverein (1924 unter
Leitung von Ludwig Loeb IV mit 15 Mitgliedern). 1932 waren die
Gemeindevorsteher Ludwig Leopold Loeb (1. Vors.), Bernhard Loeb (2. Vors.) und
Fritz Dellheim (3. Vors.). Weiterhin war Michael Rosenstiel in der Gemeinde (bis
zu seiner Zurruhesetzung 1937/38? siehe Bericht unten). Er
erteilte im Schuljahr 1931/32 noch zehn Kindern der Gemeinde den
Religionsunterricht.
1933 wurden noch 91 jüdische Einwohner in Mutterstadt gezählt. Auf
Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Repressalien und
der Entrechtung sind mehrere von ihnen in den folgenden Jahren vom Ort verzogen
oder ausgewandert (18 in die USA). 1937 wurden noch 80 jüdische Einwohner
gezählt. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge zerstört. Wenig
später mussten die jüdischen Familien immer mehr in sog.
"Judenhäusern" zusammenziehen. Die letzten 52 jüdischen Einwohner
wurden im Oktober 1940 in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich deportiert.
Von den in Mutterstadt geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Paula Berg geb. Dellheim
(1891), Amalie Dellheim geb. Marum (1891), Arthur Dellheim (1890), Arthur Aron
Dellheim (1862), Chana Klara Dellheim geb. Silberberg (1898), Edmund Dellheim
(187), Emil Dellheim (1892), Isabella Dellheim (1887), Julius (Jules) Dellheim
(1885), Karoline (Karola) Dellheim geb. Löb (1897), Mathilde Tilly Dellheim
(1921), Bertha Eppler geb. Neu (1872), Isidor Eppler (1868), Fritz Kahn (1882),
Johanna Kahn (1860), Else (Elsa) Katz geb. Dellheim (1887)), Pauline (Paula)
Levi geb. Dellheim (1891), Adolf (Adolph) Löb (1872), Arthur Löb (1893),
Bernhardt Löb (1870), Blondina (Blandina) Löb (1878), Charlotte Löb (1869),
Else (Elsa) Loeb geb. Oehlbert (1886), Ferdinand Löb (1866), Flora Löb (1878),
Franziska Löb geb. Cahn (1878), Friedrich (Fritz) Löb (1881), Helene Löb geb.
Löb (1880), Ida Löb geb. Koppel (1868), Jakob Loeb (1900), Julius ERich Löb
(1908), Karoline Lina Löb (1879), Lisa R. Löb geb. Oehlbert (1891), Martha
Löb geb. Marx (1891), Otto Abraham Löb (1901), Richard Löb (1874), Rosalie
Löb geb. Koppel (1867), Selma Löb geb. Schwarz (1893), Thekla Löb geb. Weiler
(1882), Isidor Maas (1876), Klara Klothilde Maas geb. Marx (1877), Liselotte
Esther Maas (1914), Ruth Johanna Maas (1916), Emma Ester (Emmy) Marum geb. Frank
(1857), Emma Marx (1879), Mathilde Michel (1904), August Hermann Hugo Neu
(1888), Edith Oehlbert (1922), Irma Meta Oehlbert (1915), Marianne Oehlbert
(1922), Meta Oehlbert (1896), Thea Thekla Oehlbert (1920), Toni Pfeifer geb.
Dellheim (1896), Heinrich Schwarz (1883), Wally Simon (1882), Arnold Abraham
Sundelowitz (1924), Irmgard Jenny Sundelowitz (1891), Johanna Sundelowitz geb.
Dellheim (1891), Siegbert Elias Hirsch Sundelowitz (1924), David Weiler (1879),
Ernestine (Erna) Weiler geb. Löb (1878), Flora Weiler geb. Löb (1876),
Elisabeth Weissmann geb. Löb
(1861).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der
Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schule
Zum Tod von Lehrer Jakob Ehrlich (1865 bis 1883 Lehrer in
Mutterstadt)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. April 1884: "Mutterstadt.
Unsere jüdische Gemeinde wurde durch das Hinscheiden eines wahren Isch
zaddik (= frommer, gerechter Mann), von einem schmerzlichen Verluste
betroffen, Am 28. Adar (= Dienstag, 25. März 1884) wurde nämlich
nach langem Leiden der seit einem halben Jahre pensionierte Lehrer Jakob
Ehrlich zu Grabe getragen. An dem Leichenbegängnisse beteiligten sich
nicht bloß viele Glaubensgenossen von hier und aus der Umgegend, sondern
auch viele Christen, namentlich viele Kollegen aus den Kantonen Speyer und
Ludwigshafen - ein Zeichen, dass sich der Verblichene des besten Rufes
erfreute. Herr Lehrer Singer von Frankenthal
hob in einer sehr treffenden Rede die Verdienste des Verstorbenen
hervor.
Herr Ehrlich wirkte 18 Jahre in hiesiger Gemeinde, in der er seinen
Pflichten als Volkserzieher und Kantor aufs Getreulichste nachkam. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Lehrer Michael Rosenstiel wird zum Hauptlehrer
ernannt (1917)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 9. Februar
1917: "München. Folgende Ernennungen sind zu berichten: der
bekannte Mathematiker ordentlicher Professor Dr. Max Nöther - Erlangen
zum Geheimen Hofrat, Dr. Paul Arndt, Kunstmaler, Max Obermeyer - München
zu Professoren, Lehrer Jakob Possenheimer - Böchingen, Michael
Rosenstiel - Mutterstadt, Benzion Ellinger - Fürth, Moses Rüll - Nürnberg,
Martin Estenfeld - Mürsbach und Samuel Massenbacher - Niederwerrn zu
Hauptlehrern." |
Schließung der Israelitischen Schule (1920)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. April 1920: "Mutterstadt, 12.
April (1920). Die hiesige israelitische Schule, die in den letzten Jahren
nur wenige Kinder hatte, soll ab 1. Mai nächsthin aufgelöst und der
derzeitige Inhaber der Schulstelle, Herr Lehrer Michael Rosenstiel, der über
die Kriegsjahre an der hiesigen protestantischen Schule eine Schulklasse führte,
pensioniert werden." |
Oberlehrer Michael Rosenstiel feiert mit der Gemeinde sein
40jähriges Ortsjubiläum (1930)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Mai
1930: "Mutterstadt (Rheinplatz). Der Oberlehrer a.D. Herr M. Rosenstiel,
zur Zeit Vorbeter und Religionslehrer der israelitischen Kultusgemeinde
Mutterstadt, konnte am 1. Mai dieses Jahres auf eine vierzigjährige
Tätigkeit innerhalb unserer Kultusgemeinde zurückblicken. Aus diesem
Anlass fand am Samstag, dem 3. Mai, in der hiesigen Synagoge nach dem
allgemeinen Gottesdienste eine kleine Feier statt. Der Bezirksrabbiner,
Herr Dr. Steckelmacher, hielt eine dem Jubilar gewidmete Predigt und
feierte ihn als Lehrer und Erzieher. Der Vorsitzende der israelitischen
Kultusgemeinde, Herr Ludwig Leopold Loeb, begrüßte die Erschienenen,
insbesondere den Herrn Rabbiner, sowie den Bürgermeister der politischen
Gemeinde Mutterstadt und dankte dem Jubilar für seine vierzigjährige
aufopfernde Tätigkeit innerhalb der Kultusgemeinde und überreichte
demselben mit entsprechenden Worten eine goldene Uhr mit Widmung. Der
Bürgermeister der Gemeinde, Herr Weber, überbrachte mit kernigen Worten
die Glückwünsche der Gemeinde und überreichte eine goldene Kette.
Nachdem zwei Schülerinnen noch zwei der Feier entsprechende Gedicht
gesprochen hatten, dankte der Jubilar mit bewegten
Worten." |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Der Antisemitismus macht sich auch in Mutterstadt
bemerkbar (1888)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27. Dezember
1888: "Aus der Pfalz, 14. Dezember (1888) (Frankfurter
Zeitung). Obschon die Saat Stöckers in der Pfalz im Allgemeinen wenig
fruchtbaren Boden findet, kommt doch ein Stückchen Judenhetze zuweilen
vereinzelt vor. Die Israeliten Mutterstadts, eines Dorfes mit 4.000
Seelen, beabsichtigten in der Nähe des christlichen Friedhofes eine
Totenstätte anzulegen. Die Gemeindeverwaltung wie auch die Regierung
hatten dagegen nichts einzuwenden; die erstere stellte sogar ein
Gemeindegrundstück ihren israelitischen Mitbürgern zu diesem Zwecke zur
Verfügung. Das hat nun bei einigen Antisemiten böses Blut gemacht und
große Bewegung hervorgerufen. In einer Massenpetition, der sich leider
viele Ortsbewohner anschlossen, wir die Gemeindevertretung beschworen,
ihren desfallsigen Beschluss zurückzunehmen und die Anlage eines israelitischen
Friedhofes in der Nähe des christlichen nicht zu gestatten. - So
geschehen in der 'toleranten' Pfalz." |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
85. Geburtstag von Jette Dellheim geb. Bodenheimer
(1937)
Artikel in "Jüdisches Gemeindeblatt für das Gebiet der
Rheinpfalz" vom 1. September 1937: "Aus Mutterstadt: Am
10. August beging Frau Jette Dellheim geb. Bodenheimer ihren 85.
Geburtstag. Wir wünschen der Jubilarin noch viele Jahre des Lebens in Gesundheit
und Frische. (Alles Gute) bis 120 Jahre)." |
Mehrere Gemeindeglieder sind ausgewandert - die
Vorbeterstelle wurde ehrenamtlich von Ferdinand Löb I. übernommen (1938)
Artikel in "Jüdisches Gemeindeblatt für das Gebiet der
Rheinpfalz" vom 1. Februar 1938: "Mutterstadt. In unserer
Gemeinde hat nun auch in den letzten Wochen die Auswanderung begonnen. Der
Anfang wurde durch Herrn Ludwig Dellheim gemacht, der mit einer
befreundeten Familie nach Argentinien als Siedler ist.
Herr Emil Löb ging ebenfalls dahin und hat in Buenos Aires eine
befriedigende Stellung in einem Eisengeschäft gefunden.
Der Bäckermeister Hermann Maas und Frau sind dieser Tage erst nach
New York ausgewandert. Fräulein Gerda Neumann ist ebenfalls mit
dieser Familie dorthin.
Seit der Pensionierung unseres hochverehrten Herrn Lehrer Rosenstiel,
wurde die Vorbeterstelle ehrenamtlich von Herrn Ferdinand Löb I.
übernommen, wodurch die Durchführung eines schönen Gottesdienstes auch
künftighin ermöglicht wird." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige der Lotterieannahmestellen Ferdinand Dellheim
(1904)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. März 1904: "Große
Freiburger Geldlotterie
- Ziehung - schon vom 23.-26. März (1904) -
nur bare Geldgewinne ohne Abzug. Hauptgewinn 100.000 Mark.
Lose à Mark 3.30 (Porto und Liste 30 Pfennige her)
versendet gegen Einsendung des Betrages und gegen Nachnahme
Ferdinand Dellheim, Mutterstadt (Pfalz) .
Aufträge werden streng nach Wunsch ausgeführt.
Es empfiehlt sich sofort zu bestellen, das diese Lose rasch vergriffen
sein werden. |
Jüdische Familiengeschichte
Über die Familie Eppstein / Eppler - Beitrag von
Rolf Michael Mayer (2009, E-Mail)
Vom Taunus über Frankfurt und Mannheim nach
Fußgönheim, Ruchheim und Mutterstadt.
HaLevi – Eppstein – Eppler – Mayer. Vier Namen – eine Familie
1335 erteilte Kaiser Ludwig IV. (Ludwig der Bayer) Gottfried von Eppstein die Erlaubnis, im Tal und an seiner Burg Eppinstein im Taunus 10 jüdische Familien anzusiedeln. 1392 zog eine dieser Familien von dort nach Frankfurt am Main. Ihr ursprünglicher Name war HaLevi gewesen, was sie als Angehörige des Stammes der Leviten auswies.
Wie bei vielen Juden wurde dieser Herkunftsort zum späteren Nachnamen - hier Koppelmann (von)
Eppstein. Nathan HaLevi Eppstein war von 1450 - 1470 Oberrabbiner in Frankfurt. Während des Fettmilch-Aufstandes 1612 - 1614 wurden alle Juden aus Frankfurt vertrieben und die inzwischen weit verzweigte Familie Eppstein zerstreute sich in alle Richtungen.
1674 tauchte der Name erstmals in Mannheim auf, als ein Jesaias Eppstein als Mitbegründer
der jüdischen Begräbnisbruderschaft genannt wird. Ab 1730 wird ein Jacob Eppstein mehrmals in den Mannheimer Ratsprotokollen erwähnt. 1743 saß er wegen nicht bezahlter Verbindlichkeiten zeitweise im Arrest.
Die drei Kinder seines Sohnes Mayer Löb Eppstein gingen in die Pfalz: Sara als Dienstmagd nach
Mutterstadt, ebenso ihr Bruder Joseph, der in der dortigen jüdischen Gemeinde Vorsänger wurde. Er nannte sich später
"Eppler" und ist der Ur-Urgroßvater von Heinz Eppler, der mit seinen Eltern vor den Nazis flüchten musste und heute in den USA lebt.
Heinz Epplers Großvater Isidor starb 1941 im Lager Gurs in den Pyrenäen und dessen zweite Frau Bertha 1944 in Marseille.
Joseph Eppler starb 1869 in Mutterstadt und wurde auf dem jüdischen
Friedhof in Fußgönheim begraben.
Der dritte, Jacob Mayer Eppstein arbeitete 1806 als Lehrer in Iggelheim und heiratete 1807 in
Fußgönheim die Tochter des Händlers Moyse Hirsch. 1808 ging er nach
Ruchheim, wo er eine Anstellung als Lehrer der jüdischen Gemeinde gefunden hatte. Hier wurde 1810 der Sohn Jacob geboren, der später ebenfalls Lehrer wurde und im Saarland und Hunsrück tätig war. Aus dieser Linie stammen die
Eppsteins, die heute in Israel, USA und anderen Teilen der Welt leben.
Ebenso Dr. Paul Eppstein (vgl. Wikipedia-Artikel
zu ihm), der 1902 in Ludwigshafen geboren wurde und von 1928 - 1933 Leiter der Volkshochschule Mannheim war, bis die Nazis ihm die weitere Ausübung dieser Tätigkeit untersagten. Er ging daraufhin nach Berlin in die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, von wo er im Januar 1943 mit seiner Frau, Dr. Hedwig Strauss, ins Lager Theresienstadt deportiert wurde. Dort angekommen, wurde er zum
"Ältesten der Juden" bestimmt. In dieser Funktion hatte er die Anordnungen der Lagerleitung umzusetzen. Am 27. September 1944 wurde er von der SS verhaftet und erschossen.
Ein weiterer Nachkomme der Ruchheimer Linie war Eugen Eppstein, der als Mitglied der KPD 1924 Reichstagsabgeordneter der Weimarer Republik war und 1943 im KZ Lublin-Majdanek ermordet wurde. Sein Name findet sich auf einer Liste mit 33 Namen bekannter deutscher Persönlichkeiten wie Albert Einstein, Heinrich Mann oder Kurt Tucholsky, welche die Nationalsozialisten 1933 ausbürgern wollten.
Der offizielle Name der Familie war seit 1807 Mayer, ohne dass der Name Eppstein gänzlich abgelegt wurde und die meisten Familienteile nannten sich später wieder Eppstein.
Nach seiner Tätigkeit als jüdischer Dorfschullehrer von Ruchheim ging Jacob Mayer Eppstein nach
Fußgönheim zurück, wo 1814 Jacob Salomon Mayer (der Ur-Urgroßvater des Verfassers) geboren wurde. Sein Vater Jacob Mayer Eppstein starb
1845 in Worms, wo er von einer Pferdekutsche überfahren wurde.
Jacob Salomon Mayer behielt den Namen Mayer bei. Mit seiner Ehefrau Esther Levi aus
Altdorf bei Edenkoben hatte er acht Kinder. Sohn Emanuel war mit Susanna Joel verheiratet, deren Familie ebenfalls in Fußgönheim wohnte. Emanuels Tochter Bertha wurde mit ihrem Ehemann Alfred Bernstein ins Lager Gurs deportiert. Bertha starb 1944 in Limoges, ihr Mann im gleichen Jahr im Lager
Nexon.
Welche Mitglieder der Familie im ehemaligen "Mayer-Haus" - es war das zweite Haus rechts neben der Kirche – wohnten, ist nicht bekannt. Die Gräber von Emanuel und Susanna Mayer findet man ebenfalls auf dem jüdischen
Friedhof in Fußgönheim.
Moses Mayer, ein weiterer Sohn Jacob Salomons, zog nach Oggersheim, wo 1882 Sohn Albert (der Großvater des Verfassers) geboren wurde. Albert war 1914 nach Mannheim verzogen, wo er eine Fischhandlung betrieb.
Er war mit einer nichtjüdischen Frau verheiratet, die nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten regelmäßig von der Gestapo bedrängt wurde, sich von ihrem jüdischen Mann scheiden zu lassen, was sie jedoch strikt ablehnte. Die Ehe mit einer
"arischen" Frau hat Albert Mayer letztendlich das Leben gerettet, denn er wurde – wie die meisten Juden aus Mischehen – erst spät, im Frühjahr 1945 in das KZ Theresienstadt deportiert. Zu dieser Zeit gingen von dort keine Transporte mehr in die Vernichtungslager im Osten. In Theresienstadt traf er seine Schwester Ella wieder, die bereits 1944
deportiert worden war.
Im Juni 1945 kehrten beide unversehrt nach Deutschland zurück, doch mindestens 18 Mitglieder der Familie Eppstein - Eppler - Mayer verloren im Holocaust ihr Leben." |
Obigen Beitrag mit Abbildungen und
weiteren Informationen:
Rolf Michael Mayer: Eppler.
Eine jüdische Familie aus Mutterstadt. 2013. |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine Synagoge in
Mutterstadt war um 1760 vorhanden, wobei es sich um einen einfachen
Betraum im Dachgeschoss eines jüdischen Wohnhauses handelte (in einem um 1980
abgebrochenen kleinen Haus an der Ecke Obere Kirchstraße/Rheingönheimer Straße).
1838 wurde eine neue Synagoge erstellt, doch konnte dies zunächst nicht
vollendet werden, da der jüdischen Gemeinde die Mittel fehlten. Erst mit
Unterstützung der bürgerlichen Gemeinde wurde die Synagoge fertiggestellt. Bei
der Einweihung wurden am Ort auch die Kirchenglocken geläutet; der katholische
Pfarrer Dibelius hielt eine kleine Ansprache, wofür er jedoch von der Speyerer
Regierung gerügt worden ist.
Nach 1868 musste die Synagoge gründlich erneuert werden, nachdem in
diesem Jahr die Frauenempore eingestürzt war. Im Sommer 1871 erfolgte
die Wiedereinweihung der Synagoge.
Ein nächster völliger Umbau, der einem Neubau der Synagoge gleich kam, fand 1904/05
statt. Dazu gingen von verschiedenen, auch im Ausland lebenden (ehemaligen)
jüdischen Gemeindegliedern Spenden ein:
Spenden zum Umbau der Synagoge (1904)
Artikel im
"Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 11. März 1904: "Mutterstadt. Dem Vorstande der israelitischen Kultusgemeinde
Mutterstadt wurde durch Vermittlung der Frau Adolf Löb Witwe dahier die
Summe von 4.000 Mark zum Umbau der hiesigen Synagoge übersandt und zwar
von Louis Löb, Sohn des dahier verstorbenen Moses Löb, 2.000 Mark, von
dessen Brüder Emil Löb, New York 1.000 Mark und Robert Löb, Sohn des
dahier verstorbenen Adolf Löb, New York 1.000 Mark. Durch diese
Zuwendungen wird er der israelitischen Gemeinde ermöglicht, in diesem Frühjahr
noch mit dem Umbau der Synagoge zu beginnen." |
Die Einweihung fand am 5. Januar 1905 statt. Bei
der Synagoge handelte es sich um einen repräsentativen Putzbau mit fünf
Fensterachsen. Ein Dachreiter mit Kuppel war aufgesetzt. Die Synagoge hatte eine
Orgel. Die Fenster enthielten sieben figürliche Darstellungen berühmter
Gestalten aus der Geschichte Israels wie Abraham und Moses.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge durch ortsansässigen
Parteimitglieder mit Hilfe von 100 Litern Benzin angezündet, während die SA das Gelände so lange absperrte,
bis sie völlig ausgebrannt war. Einige Wochen später wurde die Brandruine
abgebrochen; das Grundstück kam in den Besitz der bürgerlichen Gemeinde, die
während des Zweiten Weltkrieges hier einen 310 qm großen Löschteich anlegte.
Nach Klärung des Restitutionsverfahrens wurde das Grundstück 1956 für
3.850 an einen Landwirt verkauft. Das Grundstück wurde im Anwesen des hier
stehenden Bauernhof integriert und teilweise neu bebaut. Eine kleine Hinweistafel
ist angebracht. Über die Grabungsarbeiten 2020 siehe Presseartikel unten.
Adresse/Standort der Synagoge: Oggersheimer
Straße 24
Fotos
(Historische Bild aus Landesamt s. Lit. S. 279 und O. Weber s.
Lit. S. 126; Neuere Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 22.6.2008)
Die Synagoge in Mutterstadt
(Quelle: historische Postkarte aus Sammlung Hahn,
Historische Fotos übernommen aus
www.synagogen.info) |
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Historische Postkarte
um 1915 mit der Synagoge |
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Winteraufnahme |
Die Synagoge mit
dem
charakteristischen Türmchen |
Die Synagoge rechts
im
Hintergrund |
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Die brennende Synagoge
am 10. November 1938 |
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Das Grundstück der
Synagoge
im Juni 2008 |
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Das Grundstück
der ehemaligen Synagoge; das rote Ziegelsteingebäude ist auf
dem
historischen Foto (oben) rechts der Synagoge zu sehen |
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Hinweistafel |
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Das Grundstück der
Synagoge
Im März 2010
(Foto: Michael Ohmsen) |
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(für Anfragen zur
Verwendung des Fotos: E-Mail des
Fotografen,
Fotoseite: www.panoramio.com/user/2867083/tags/Judaica)
Bei dem eingestellten Foto handelt es sich um ein Foto mit höherer
Auflösung
(bitte anklicken, Dateigröße 0,7 MB) |
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Hinweis auf eine
virtuelle Rekonstruktion der
ehemaligen Synagoge in Mutterstadt |
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Die Firma
Architectura Virtualis hat eine virtuelle Rekonstruktion der
ehemaligen Synagoge in Mutterstadt erstellt: Link
zur virtuellen Rekonstruktion
sowie
pdf-Datei
der Firma Architectura Virtualis |
Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
Februar 2020:
Grabungen auf dem Grundstück der
früheren Synagoge
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Artikel
von Eva Heyder in der "Rheinpfalz" vom 3. April 2020:
" Mutterstadt. Graben auf den Spuren jüdischen Lebens in
Mutterstadt
Sieben Tage lang ist auf dem Gelände an der Oggersheimer Straße in
Mutterstadt sorgsam gegraben worden. Hier sollen neue Wohnungen und
Geschäfte entstehen. Dies bedarf jedoch einer denkmalrechtlichen
Genehmigung, denn schließlich handelt es sich um ein sogenanntes
Grabungsschutzgebiet: Die Funde zeigen Spuren jüdischen Lebens.
'Die Synagoge brennt'! Dieser Ruf seines Onkels Ferdinand am frühen
Morgen des 10. November 1938 war laut Augenzeugenbericht von Ernest Loeb,
veröffentlicht 1988 anlässlich des 50. Jahrestags des Novemberpogroms,
unauslöschlich in seinem Gedächtnis verankert. SA-Leute hatten das jüdische
Gotteshaus mit 100 Litern Benzin angezündet und niedergebrannt. Im Laufe des
Tages wurden jüdische Wohnungen geplündert, wenig später mussten die
jüdischen Familien in sogenannten Judenhäusern zusammenziehen. Die
Synagogenruine wurde abgerissen, schon Anfang 1939 erinnerte nichts mehr an
sie. Im Oktober 1940 wurden die letzten 52 jüdischen Einwohner Mutterstadts
zusammen mit Tausenden anderen pfälzischen und badischen Juden in das
Internierungslager Gurs nach Südfrankreich deportiert. Nur wenige
überlebten. Dank glücklicher Umstände wurde Ernest Loeb von der Gestapo
freigelassen und konnte in die USA fliehen. 1992 starb er im Alter von 84
Jahren in New York.
An Landwirtsfamilie verkauft. Ein Teil des rund 500 Quadratmeter
großen Areals, auf dem 1838 die erste, und später die 1904/05 noch einmal
erweiterte zweite Synagoge mit der Jugendstilfassade stand, wurde im Krieg
als Löschteich genutzt. Nach dem Krieg wurde es, der Rechtsnachfolge
entsprechend, in jüdische Hände zurückgegeben. 'Ende 1955 konnte unsere
Familie sowohl den Synagogenplatz, als auch das nebenliegende Anwesen Berlet
erwerben', erzählt der bisherige Eigentümer Hartmut Kegel (FWG), dritter
Beigeordneter der Gemeinde. Die damalige jüdische Kultusgemeinde in Neustadt
habe das Gelände an seine Familie verkauft. Kurz darauf wurde ein Teil des
Grundstücks an die Gemeinde Mutterstadt abgetreten, um die Oggersheimer
Straße zu erweitern, erläutert Kegel. Die Grundstücke gehörten zum
landwirtschaftlichen Betrieb und waren teilweise bebaut.
Zwei Wochen lang Gelände sondiert. Im Oktober 2019 wandten sich Kegel
und der zukünftige Bauträger wegen des historischen Geländes an die Untere
Denkmalschutzbehörde bei der Kreisverwaltung. Diese hat in Abstimmung mit
der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE), Landesarchäologie, das Gelände
im Februar zum Grabungsschutzgebiet erklärt. Seit Ende Januar liefen die
Abrissarbeiten. Die Speyerer Landesarchäologie hat nun rund zwei Wochen lang
das Gelände sondiert. Vier Suchschnitte wurden getätigt. Den
20-Tonnen-Bagger, der dabei zum Einsatz kam, stellte der Bauträger.
'Natürlich mit einem Baggerlöffel ohne Zähne', erklärt Grabungstechniker Uli
Mayer. Mit diesem sei man äußerst langsam und behutsam 'runter' gegangen in
eine Tiefe bis zu einem Meter. 'Sobald es irgendwo geknirscht hat, wurde
gestoppt und es ging per Hand weiter', beschreibt er die Vorgehensweise.
Werkzeug der Wahl war dabei ein sogenannter Wiedehopf, eine Art Hacke. Zum
Glück hatte Mayer als Vorlage ein Katasterblatt aus dem Jahre 1904, auf dem
der Grundriss des Synagogenneubaus verzeichnet war. Diesen hat er vermessen
und auf die Baustelle übertragen. So hatte er wichtige Anhaltspunkte, wo
Mauerreste wahrscheinlich waren. Und tatsächlich wurde er mit seinem Team
fündig. Trotz des zutage getretenen 'Mauer-Sammelsuriums' kann er mit
Bestimmtheit die Außenmauern des Gotteshauses im gegen Osten gerichteten
hinteren Bereich mit angrenzender Apsis definieren. Eine trapezförmige
Fundamentkonstellation lässt Rückschlüsse auf einen ehemaligen Thoraschrein
zu.
Mauerreste bleiben, wo sie sind. Was passiert nun mit den
freigelegten Relikten? 'Das Beste, das einem Denkmal passieren kann, ist,
wenn es im Boden bleiben kann. Dort, wo es schon die letzten 100 Jahre
sicher konserviert war', erklärt Mayer. Das Ganze wurde kartografiert und
dokumentiert. David Hissnauer, Gebietsreferent bei der Landesarchäologie
Speyer, betont: 'Das, was hier gefunden wurde, genießt denkmalrechtlichen
Schutz.' Boden zu erhalten sei ein gesetzlicher Auftrag. Unter welchen
Auflagen das Bauen ohne Beeinträchtigung der historischen Mauerzüge möglich
sei, werde in einer denkmalrechtlichen Genehmigung geregelt, erläutert
Hissnauer weiter. Durch die Auffindung der Fundamente der Synagoge habe sich
eine neue Situation ergeben, auf die der Bauträger bei seiner Planung
reagieren werde. Es werde ein Vorschlag erarbeitet, der dann von der Unteren
Denkmalschutzbehörde des Rhein-Pfalz-Kreises und der Landesarchäologie
geprüft werde. Diese liefere dazu eine Stellungnahme und fachliche
Bewertung.
Gedenktafel ist geplant. Generell sei die Zusammenarbeit mit dem
Bauträger gut, das bestätigt Michael Pack von der Kreisverwaltung. Trotz
oberflächlicher Bebauung soll die Erinnerung an die im Boden liegenden
Spuren jüdischen Lebens in Mutterstadt nicht verloren gehen. Dafür wird laut
Bürgermeister Hans-Dieter Schneider (SPD) eine Kachel mit passendem Hinweis
sorgen, die an künftigen Gebäuden vor Ort angebracht wird. Unauslöschliche
Erinnerungen bleiben auch der letzten lebenden Zeitzeugin, Ruth Külbs,
geborene Dellheim (97). 'Als kleines Mädchen war ich das ein oder andere Mal
mit meinem Großvater Isaak in der Synagoge', erzählt die Ur-Mutterstadterin
am Telefon. Ihr Vater Fritz konnte sich während der Verfolgung versteckt
halten. Selbst Halbjüdin, floh sie 1944 mit ihrer Familie auf dem Fahrrad
nach Edenkoben, um nach Kriegsende nach Mutterstadt zurück zu kehren. Und
trotz allem, was sie damals erlebt hat, sagt sie heute: 'Ich bin glücklich.'"
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Februar 2022: 27
"Stolpersteine" wurden verlegt |
Artikel
in der "Rheinpfalz" vom 9. Februar 2022: "Kein Name soll vergessen
werden. Opfer des Nationalsozialismus gibt es auch in Mutterstadt und
'sie haben ein Recht auf Erinnerung', sagte Bürgermeister Hans-Dieter
Schneider (SPD) bei Verlegung der Stolpersteine in seiner Gemeinde. 27
Messingplatten sollen nun erinnern. Auch Nachkommen der Opfer waren da..."
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Januar 2023:
Neue Erinnerungstafeln
aufgestellt |
Artikel von Michael Hemberger
im "Wochenblatt-Reporter" (Mutterstadt) vom 6. Februar 2023; "Interessantes
von und mit Volker Schläfer. Gedenktafel am ehemaligen Standort der
Mutterstadter Synagoge. Wie überall in Nazi-Deutschland, wurde auch in
der Landgemeinde Mutterstadt 1938 in der sog. Pogromnacht die Synagoge in
der Oggersheimer Straße 24 zerstört.
Am 10. November, morgens um 5 Uhr, wurde das jüdische Gotteshaus von
Mutterstadter SA-Leuten angezündet und brannte, nach einer gewaltigen
Explosion, vollständig aus. Ein schwerer Schlag für die damals noch 63
Einwohner zählende jüdische Kultusgemeinde. Dabei gab es auch tätliche
Übergriffe auf jüdische Mitbürger*innen, Verhinderung der Löscharbeiten und
Zerstörung von Wohnungen/Häusern.
Die Mutterstadter Synagoge, 1904 wurden an diesem Standort Vorgängerbauten
durch einen Um- und Erweiterungsbau ersetzt, war ein fünf
Fensterachsen-Sakralbau mit Jugendstilfassade mit einem kuppelähnlichen
Dachreiter und Ziertürmchen. Die Fenster schmückten figürliche Glasgemälde.
Im Innenraum hatten 150 Besucher Platz, es gab die Bima (ein erhöhtes Pult),
einen Thoraschrein und 4 Thorarollen, das Ewige Licht, eine Frauenempore und
im Anbau die Mikwe, das Ritualbad.
Nach dem Abriss der Ruine wurde auf einem Teilgelände ein Löschteich
angelegt; 1956 verkaufte die jüd. Kultusgemeinde das Gelände an die Familie
Kegel. 2020, bei Erdarbeiten für die zwischenzeitlich erstellte Wohnanlage,
wurden noch Mauerreste der Synagoge freigelegt, die im Boden bleiben und
überbaut wurden.
Zwischenzeitlich vereinbarten der frühere Besitzer, Hartmut Kegel (mit
Zustimmung des Bauträgers), und die aus fünf Personen bestehende
'Christlich-jüdische Denkmalerhaltungsinitiative Mutterstadt' (Artur
Dellheim, Herbert Metzger, Konrad Heller, Dr. Ursula Wieland und Volker
Schläfer) , eine Informationstafel an dem ehemaligen Synagogen-Standort
anzubringen und die dafür anfallenden Kosten gemeinsam zu übernehmen. Der
Sprecher der Aktion, Ortschronist Volker Schläfer, hat für die Tafel einen
Text erstellt, auf dem neben einem Foto der Synagoge auch ein QR-Code
vermerkt ist, mit dem über Internet weitere Informationen zu der Synagoge
und dem früheren jüdischen Leben in Mutterstadt abgerufen werden können.
Am 27. Januar, dem Internationalen Gedenktag für die Opfer der NS-Zeit,
wurde die Informationstafel nun der Öffentlichkeit vorgestellt. Bei der
kleinen Gedenkveranstaltung waren die Mitinitiatoren Hartmut Kegel, Herbert
Metzger und Konrad Heller anwesend, dazu von der Gemeinde Bürgermeister,
Beigeordnete, Fraktionsvorsitzende, Rats- und Ausschussmitglieder, Vertreter
der prot. Kirchengemeinde und der Evang. Freikirche, Vorstandsmitglieder des
Historischen Vereins, Lehrkräfte und Schüler*innen der IGS Mutterstadt.
Volker Schläfer informierte einleitend über die seit Ende der 1980-er Jahre
laufende deutsch-jüdische Versöhnungskultur, die auch von der Gemeinde, den
Kirchen und dem Historischen Verein unterstützt würde und erinnerte an die
Geschehnisse mit dem Zitat 'Die Synagoge brennt' aus dem Zeitzeugenbericht
von Ernest Löb, 1908 geboren und 1939 in die USA emigriert.
Für eine virtuelle Rekonstruktion der Synagoge fertigte der Mutterstadter
Künstler Michael Kunz nach den Angaben von Werner Dellheim Bilder an vom
Innern der Synagoge, insbesondere die Motive der Glasgemälde, die die
Synagogenfenster schmückten; einige davon waren bei der Veranstaltung
ausgestellt. Werner Dellheim, der 1939 mit einem Kindertransport aus
Deutschland floh, besuchte vor Jahren mehrmals Mutterstadt.
Eberhard Dittus, Beauftragter der jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz
und Gründungsvorstand des Förderkreises KZ-Gedenkstätte Neustadt, lobte in
seinem Grußwort die seit vielen Jahren in Mutterstadt stattfindende
Erinnerungs- und Gedenkarbeit. Er erläuterte die unterschiedliche Nutzung
von Synagogen und den anderen Kirchen und informierte, dass 1938 von
insgesamt 93 pfälzischen Synagogen 51 zerstört worden seien. 'Die Synagoge brennt', dies hörte an diesem Tag auch Irmgard Metzger, damals
11-jährige Schülerin. Sie erzählte jetzt als Zeitzeugin von den
seinerzeitigen Ereignissen bei dem Synagogenbrand und von den Beschädigungen
jüdischer Häuser und Wohnungen.
Hartmut Kegel erläuterte in seinem Grußwort die Verbindung jüdischer
Mitbürger zu seiner Familie und sprach die Hoffnung aus, dass sich solch
unermessliches Leid nicht mehr wiederholen dürfe. Deshalb habe er sich
selbstverständlich an der Umsetzung dieses Projekts beteiligt.
Volker Schläfer erinnerte nochmals an den Zeitzeugenbericht von Ernest Löb,
der mit dem Aufruf an die jüngere Generation 'Vergesst nie die Ereignisse
dieses Tages' endet. Sein Abschlussfazit an diesem Gedenktag: 'Wenn wir
heute diese Zeit des Nationalsozialismus in den Blick genommen haben, stellt
sich immer wieder auch die Frage; was waren die Ursachen, wie konnte es
soweit kommen, warum wurden z.B. 1938 die Synagogenbrände von der
Bevölkerung einfach so hingenommen, und dann natürlich die immer wieder
aufkommende Frage: wie hätten wir uns damals verhalten?'
In seinem Schlusswort dankte Bürgermeister Hans-Dieter Schneider allen
Beteiligten und den Initiatoren für ihr Engagement für eine
christlich-jüdische Versöhnungsarbeit, die gerade aus aktuellen politischen
Ereignissen und antisemitistischen Vorkommnissen wichtig und notwendig seien
für die Zukunft."
Link zum Artikel |
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November 2023:
Die Mutterstadter Synagoge soll
digital rekonstruiert werden |
Artikel
von Doreen Reber in der "Rheinpfalz" (Ludwigshafen) vom 30. November 2023: "Die
Geschichte Mutterstadts digital aufpeppen. Gemeinde will sich für ein
Förderprogramm zur digitalen Erfassung und Präsentation von
Kulturlandschaften bewerben..." (zum Lesen des Artikels Textabbildung
anklicken) |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Wolfgang Bossert: Die jüdische Kultusgemeinde in
Mutterstadt. |
| Hans-Jürgen Becker: Zerstörung der Synagoge in
Mutterstadt. In: SACHOR. Beiträge zur Jüdischen Geschichte
und zur Gedenkstättenarbeit in Rheinland-Pfalz. Hrsg. von Matthias Molitor
und Hans-Eberhard Berkemann in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für
politische Bildung Rheinland-Pfalz. Erschienen im Verlag Matthias Ess in Bad
Kreuznach. 10. Jahrgang, Ausgabe 1/2000, Heft Nr. 18. S. 77-81. Online
zugänglich (als pdf-Datei eingestellt). |
| ders.: Zerstörung der jüdischen Synagoge in Mutterstadt.
Hintergründe - Ereignisse - Zeitzeugenberichte. In: Heimatjahrbuch des
Landkreises Ludwigshafen 10/2000 S. 65-70. |
| Karl Heinz Debus: Die Reichskristallnacht in der
Pfalz. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrhein. Bd. 129 1981 zu
Mutterstadt S. 477. |
| Otmar Weber: Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter
besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südpfalz. Hg. von der
Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz in Landau. 2005.
S. 117-118. |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 278-279 (mit weiteren Literaturangaben).
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Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Mutterstadt Palatinate. Jews are
first mentioned in 1719-22. They reached a peak population of 171 in 1860,
declining steadily to 91 (total 6.024) in 1933. In 1838, the community built a
synagogue. A new one was erected in 1905. In the Weimar period, most Jews were
merchants and about half were livestock dealers. In 1934, under the Nazis, 16
Jewish peddlers lost their licences. By early November 1938, 30 Jews had left
the town. On Kristallnacht (9-10 November 1938), the synagogue was burned,
Jewish homes and stores were destroyed, money and automobiles were stolen, and
Jewish men were sent to the dachau concentration camp. In February 1940, Jews
were mobilized for forced farm labor. Of the 48 who emigrated through 1940, 18
reached the United States. Those remaining were moved to 'Jewish houses' and
on 22 October 1940, 50 were deported to the Gurs concentration camp. In all, 39
perished in the Holocaust.
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