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Rendsburg (Kreis
Rendsburg-Eckernförde,
Schleswig-Holstein)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Bitte besuchen Sie auch die Website des Jüdischen Museums Rendsburg: www.jmrd.de
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Rendsburg bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938. Ihre Entstehung geht in die Zeit Ende des 17. Jahrhunderts
zurück, als der dänische König Christian V. einige Städte im damals in
Personalunion mit Dänemark verbundenen Herzogtum Holstein, darunter Rendsburg,
Glückstadt, Altona und Friedrichstadt (sog. "Toleranzstädte"), für Juden öffnete, um Neubürger zu
gewinnen. Seit 1692 war eine Niederlassung möglich - das Jahr 1695 gilt als
Jahr der Gründung der jüdischen Gemeinde in der Stadt. Die jüdischen Familien
wohnten im damals neu entstehenden Stadtteil Neuwerk. Bedingung für die Niederlassung
einer jüdischen Familie war der Bau oder Erwerb eines Hauses. Als Gegenleistung
erhielten die Familien kostenloses Bauland, Steuerfreiheit und Freiheit von
Einquartierung. Die Juden der Stadt waren dänische Untertanen. Der städtische
Magistrat und die Zünfte versuchten in der Folgezeit allerdings immer wieder -
teils mit langjährigen und erfolgreichen Rechtsstreiten - die vom König
gewährten Privilegien der Handels- und Religionsfreiheit zu unterminieren.
Dadurch wurde die ökonomische Basis der jüdischen Familien erheblich
geschmälert. Dennoch nahm die Zahl der jüdischen Familien im Laufe des 18.
Jahrhunderts stetig zu.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner in
Rendsburg wie folgt: 1835 292 jüdische Einwohner, 1864 ca. 200, um 1900 ca. 60,
1905 47.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
jüdische Schule (seit 1756 Talmud-Tora-Schule, im 19. Jahrhundert Israelitische Elementarschule,
seit 1830 im neuen jüdischen Schulhaus neben der Synagoge), ein rituelles Bad (nach 1845 im Gebäude der
Synagoge) sowie ein Friedhof. Zur Besorgung
religiöser Aufgaben der Gemeinde waren Mitte des 19. Jahrhunderts zeitweise
zwei Lehrer angestellt, die auch als Vorbeter und Schochetim tätig
waren. So wurde 1843 an der Israelitischen "Gemeinde- und Armenschule"
neben dem an der Schule bereits tätigen Lehrer noch ein zweiter Lehrer gesucht,
der zugleich das Rektorat der Schule übernehmen konnte; er sollte weiterhin in
der Synagoge regelmäßig predigen können (siehe Ausschreibung unten). In der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war jeweils ein israelitischer
Elementarlehrer in der Schule tätig. Neben ihm hatte die Gemeinde einen
Vorbeter angestellt, der auch als Schochet und Gemeindediener tätig war (siehe
Ausschreibungen unten). Nach Auflösung der israelitischen Elementarschule gab
es noch eine Religionsschule, für die ein Religionslehrer angestellt wurde, der
auch als Vorbeter und Schochet tätig war.
Unter den Lehrern / Kultusbeamten werden u.a. genannt (vgl. Berichte unten): bis
1867/72 als Kantor, Lehrer und Schochet A. M. Barasch, ab 1867 Dr.
Samuel Speier (als "Prediger" und "Geistlicher" in
Rendsburg; zuvor an der Talmud-Tora-Schule in Hamburg), ca. 1871 bis 1891 als
Kantor und Schochet Gottschalk Frankfurter, von 1892 bis 1909
Kantor, Lehrer und Schochet ein Herr Löwy, von 1909 bis 1920 als Kantor
und Schochet Gerson Schlumper
aus Stenschewo, um 1924 als letzter eigener Kultusbeamter der Rendsburger
Gemeinde Theodor Rosenberg.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Max Tuchler (geb.
23.2.1889 in Lissewo, gef. 15.8.1915).
1924, als zur Gemeinde noch 34 Personen gehörten (etwa 0,2 % von
insgesamt etwa 18.000 Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher Julius Benjamin,
Eli Simon, J. Magnus und B. David. Als Lehrer war Herr Rosenberg tätig. Er
erteilt zwei Kindern der Gemeinde den Religionsunterricht. An jüdischen Vereinen
gab es noch die Chewra Kadischa (Männer-Beerdigungsverein, 1924
unter Leitung von Eli Simon) und den israelitischen Frauenverein (1924
unter Leitung der Frau von Julius Benjamin). Aufgelöst waren inzwischen mehrere
der noch im 19. Jahrhundert bestehenden Vereine (u.a. Talmud-Tora-Verrein,
Brautausstattungsverein, Bekleidungsverein für Bedürftige und ein
Verein zur Förderung der Israeliten zu Handwerkern). Die jüdische Gemeinde bestand
in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg auf Grund der geringen Zahl ihrer Mitglied wesentlich von
Zuschüssen des Landesverbandes jüdischer Gemeinden Schleswig-Holsteins und des
Preußischen Landesverbandes. 1932 war 1. Gemeindevorsteher Julius
Benjamin; als Schatzmeister wird Julius Magnus genannt. Die religiöse Betreuung
der Gemeinde lag - seit Herbst 1929 - in den Händen von Rabbiner Dr. Benjamin Cohen (Friedrichstadt).
Im Schuljahr 1931/32 erhielten zwei Kinder einmal in der Woche durch den Rabbiner
Religionsunterricht. Die Rendsburger Gemeinde trug monatlich 20 Mark zum Gehalt
des Rabbiners bei.
1933 wurden 36 jüdische Einwohner in Rendsburg gezählt. In
den folgenden Jahren sind die meisten von ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Zu Beginn des Boykotts
gehörten jüdischen Einwohnern noch mindestens sechs Kleingewerbebetriebe. Letzter Gemeindevorsteher war der
Textilkaufmann Julius Magnus, dessen Bekleidungsgeschäft bis spätestens Ende
1938 liquidiert wurde. Im
Herbst 1938 wurden noch 15 Gemeindeangehörige gezählt. Ende Oktober 1938
wurden die Gemeindeglieder mit polnischer Staatsangehörigkeit abgeschoben. Beim Novemberpogrom
1938 wurde die Synagoge im Inneren zerstört (s.u.). Anfang 1939 lebten die nur
noch wenigen jüdischen Einwohner (darunter die nach der Abschiebung nach Polen
befristet wieder zugelassenen Max und Paula Ring) im Vorderhaus der Synagoge in der
Prinzessinstraße 8, nachdem ihre bisherigen Wohnungen beschlagnahmt worden
waren. Mit der Deportation der letzten jüdischen Einwohner nach
Theresienstadt und dem Selbstmord des jüdischen Ehepaares Magnus endete die
fast 250-jährige Geschichte der jüdischen
Gemeinde.
Von den in Rendsburg geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Sallis Bauer (1864),
Martin Benjamin (1890), Else Blumann (1892), Alice Blumenfeld (1895), Jakob
Fordonski (1887), Rosa Fordonski geb. Fränkel (1895), Sophie Franke geb. Israel
(1866), August Israel (1865), Franziska Jessurun geb. Salomon (1868), Regina Kossmayer geb.
Strassburger (1872), Julius Magnus (), Frieda Magnus (), Adolf Hermann Meyer (1883), Ferdinand Nathan (1883), Nachum
Norbert Nathan (1881), Paula Rosenbaum geb. Nathan (1884), Rahel Rothschild geb.
Nathan (1879), Jonas Seelenfreund (1899), Mathilde Seelenfreund geb. Trieger
(1900), Eva Simon geb. Meyer (1878), Bernhard Süss (1886), Rosa Weinberg geb.
Nathan (1877), Irma Weinberger geb. Vage (1883), Stefan Weinberger (1915),
Wilhelm Weinberger (1875), Julius Wolff (1886), Willy Wolff
(1888).
Auf der Gedenkmauer bei der ehemaligen Synagoge (siehe Foto unten) finden
sich unter den Stichworten "Entrechtet - vertrieben - ermordet" die
folgenden Namen: Dr. Ernst K. Bamberger - Mathilde Seelenfreund - Nachum N.
Nathan - Rahel Rothschild - Paula Rosenbaum - Jürgen David - Bernhard Süss -
Bernhard David - Franziska Jessurum - Bella Wolf - Max Ring - Gersch Rusche -
Julius Magnus - Sophie Franke - Dr. Adolph Herm. Meyer - Jakob Fordonski - Rosa
Fordonski - Eva Simon - Irma Meyer - Wilhelm Weinberger - Dr. Henry Gerald -
Ferdinand Nathan - Paula Ring - Jeanette Büddig - Martin Benjamin - Treitel
Weissbart - Hans Joachim David - Erich Rohweder - Else Blumann - Renate Goldhar
- Regina Kader - Bernhard Ingel - Erna David - Walter Gortatowski - Senta Block
- Jonas Seelenfreund - Lise-Lotte Diller - Anna Salomon - Herbert Gortatowski -
Gabriel Weinberger - Heinz Seelenfreund - Rosa Meyer - Harry Kader - Stephan
Weinberger - Irma Weinberger - Rosa Weinberg - Sallis Bauer - Rosa Schlumper -
Frieda Magnus Kurt Magnus - Ida Meyer - Wally Mahrt - Fred Ring - - Willi Wolff
- Moritz Levy - Fanny Meyer - Gerson Schlumper - Artur
Holde.
Seit 2006 wurden in mehrfachen Verlegaktionen (2006, 2007, 2008, 2009,
2013) sog. "Stolpersteine" zur Erinnerung an jüdische und
nichtjüdische Opfer der NS-Zeit verlegt, die ersten Steine am 11. Oktober 2006
für Dr. med. Ernst Carl Bamberger (Moltkestraße 12), Jacob Fordonski und Rosa
Fordonski geb. Fraenkel (Prinzessinstraße 8), Julius Magnus, Kurt Magnus und
Frieda Magnus geb. Nathan (Rosenstraße 5).
Siehe die Wikipedia-Seite
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Rendsburg.
Zur Geschichte der Synagoge
Bereits bei der Aufnahme 1692 wurde den jüdischen Familien in
Rendsburg erlaubt, sich eine Synagoge einzurichten. Nachweisen lassen sich seit
1712 gottesdienstliche Räume im Bereich des Grundstückes Prinzessinstraße
7-8. 1732 sollte eine neuer
Betsaal eingerichtet werden, was zunächst vom Magistrat der Stadt verhindert
wurde. Erst nachdem der Statthalter des dänischen Königs eingriff, fiel die
Blockade.
1844/45 konnte eine neue Synagoge gebaut werden, entsprechend den
damaligen Vorschriften als "Hinterhaus", von der Straße aus nicht
sichtbar (Standort: hinter Prinzessinstraße 7). Die Einweihung der Synagoge war
am 12. November 1845. Zur Synagoge gehörten die jüdische
Schule und ein rituelles Bad im Untergeschoss. Über die mit der Einweihung
verbundenen Feierlichkeiten siehe die nachfolgenden Berichte:
Konkurrenzeröffnung und Grundsteinlegung zur neuen
Synagoge (1844)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Orient" vom 2. Juli 1844: "Synagoge
in Rendsburg. Für den Bau der Synagoge in Rendsburg, dessen Kosten durch
ein Legat des in Hamburg verstorbenen Isaak Hartwig von Essen bestritten
werden, ist eine Konkurrenz eröffnet worden." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Orient" vom 10. September 1844:
"Rendsburg, 22. August. Am 21. August wurde hier der Grundstein zu
der durch ein Legat des in Hamburg verstorbenen, seligen Herrn Isaak
Hartwig von Essen gegründeten Synagoge gelegt. Der Vorsteher Herr
Rheindorff hielt eine Rede und der Gemeindeälteste Herr Elkan vollzog den
Akt der feierlichen Einweihung." |
Die neue Synagoge wird von Maurermeister Bülck (Bülk)
gebaut (1844)
Mitteilung
in der Zeitschrift "Der Orient" vom 6. August 1844: "Der
Bau der Rendsburger Synagoge ist dem dortigen Maurermeister Bülck
übertragen worden." |
Die Einweihung der Synagoge (1845)
Artikel
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 18. November
1845: "Rendsburg, 12. November (1845). Am heutigen Tage fand
hierselbst die Einweihung der neuen Synagoge statt, die ihr
Entstehen zunächst dem frommen Vermächtnisse des seligen Isaac
Hartwig zu verdanken, für deren vollkommene, ja teilweise prächtige
Instandsetzung indes die hiesige Gemeinde ebenfalls nicht geringe Opfer
dargebracht hat. Damit, wie das neue Gotteshaus, einfach, doch heher
ebenso die Einweihungsfeier begangen werde, waren schon seit mehreren
Monaten alle vorhandenen Kräfte in Anspruch genommen und vorbereitet
worden. Und dank dem rastlosen Eifer, den unausgesetzten Bemühungen der
beiden Herren Vorsteher, der Herren Rheindorff und Simon
haben wir eine Feier erlebt, die den unauslöschlichsten Eindruck auf alle
Anwesenden - und deren Zahl, besonders der fremden Gäste aus Hamburg,
Altona, Kiel, Elmshorn, Friedrichstadt und andere mehr, war nicht geringe
- hervorgebracht, einen wahrhaft religiösen Hochgenuss bewirkt, eine
Feier, die keiner ähnlichen in irgendetwas nachgestanden. Ein
ausgegebenes Fest-Programm enthielt die Details der Feierlichkeit. Hier
erblicken wir verschiedene Festgesänge, den Psalmen entnommen, einen in
der Ausführung besonders gelungenen Männergesang, geleitet von dem
seiner Aufgabe vorzüglich gewachsenen Chasan (Kantor), und in
Beleitung einer feierlichen Instrumentalmusik. Die überaus gediegene
Einweihungsrede, von Seiner Hochwürden Herrn Oberrabbiner Ettlinger
abgehalten, übte auf jüdische und christliche Zuhörer einen
unverkennbar tiefen Eindruck aus, der sich alsbald auch dadurch äußerte,
dass von allen Seiten in den Redner gedrungen wurde, diese gediegene
Predigt durch den Druck zu veröffentlichen. Wir schweigen hier von der
musterhaften Ordnung, von der augenscheinlichen Teilnahme der christlichen
Bevölkerung, während der Zug von der alten Synagoge bis zur neuen hin
sich bewegte, schweigen von dem erhebenden Momente der Eröffnung des
neuen Gotteshauses, von dem überraschenden Eindruck beim ersten Eintritt,
dieses alles würde Tendenz und Raum dieser Blätter weit überschreiten.
Nur kurz erwähnen wollen wir es, dass der Zug durch einen Sängerchor,
begleitet von Instrumentalmusik eröffnet, dass dann durch einen
ehrwürdigen Kreis auf rotsamtenem Kissen der Schlüssel der Synagoge
getragen wurde; worauf Mädchen folgten, die Blumen streuend vor den
Trägern der Torarollen, an deren Spitze der Oberrabbiner,
einhergingen, dass dann mitten im Zuge die drei höchsten Autoritäten der
Stadt und der Festung: der Stadtpräsident, der allverehrte humane Probst
Callisen, sowie der Herr Festungskommandant, gefolgt von dem
Gesamt-Magistrate, der sämtlichen Geistlichen, der hohen Generalität und
dem Offizierscorps der Festung, worunter auch zwei jüdische
Militär-Ärzte, alle in Gala-Uniform sich freiwillig dem Zuge
anschlossen, und während der ganzen Dauer der fast dreistündigen
Feierlichkeit anwesend blieben. Als ein ferneres Zeichen der Achtung und
Teilnahme von Seiten unserer christlichen Mitbürger, verdient es erwähnt
zu werden, dass am Abend die ganze Straße, in der das neue Gotteshaus
steht, sonder Ausnahme und ohne vorherige Verabredung der Bewohner auf das
Glänzendste erleuchtet, und von Teilnehmenden aller Stände besucht
wurde. Schließen können wir unseren Bericht nicht, ohne zu erwähnen,
wie bei dieser ganzen, erhebenden Feier, die die jüdischen wie
christlichen Zuhörern den unverkennbar tiefsten Eindruck hervorgerufen,
mit Ausnahme der Predigt, nur jüdische Gebete und Gesänge vorgetragen
wurden, der sicherste Beweis, dass den heiligen Klängen der heiligen
Sprache nach wie vor eine Macht innewohnt, geeignet, jegliches fühlende
Herz für das wahrhafte Hohe und Edle zu erheben und zu
begeistern." |
|
|
Extra-Beilage
der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 16. Dezember
1845: "Spezieller Bericht der Vorsteher über die Einweihungsfeier
des israelitischen Gotteshauses zu Rendsburg, den 12. November (12.
Marcheschwan) 1845.
Gleich nachdem der Bau angedungen war, haben mehrere Gemeinde-Mitglieder
sich erboten, gespendete Gegenstände zu geben, welchen dann auch
im Verlauf des Baues angefertigt wurden.
Am 9. November war das Gotteshaus gänzlich vollendet, und war dieser Tag
eine Vorfeier zur Einweihung.
Mittags 1 Uhr brachten die jungen Leute hier (wozu auch Hiesige, welche
auswärts sind, beitrugen) eine silberne schön gearbeitete Ampel zum Ewigen
Licht. Nachdem diese an ihrem Platz befestigt und von einem Kohen
angezündet worden ist, redete der Wortführer die Vorsteher mit folgenden
Worten an: Die jungen Leute von der hiesigen israelitischen Gemeinde haben
durch freiwillige Gaben so viel zusammen gebracht, um ein Ewiges Licht
zum neuen Gotteshause zu schenken, welches sie jetzt darbringen und an die
Vorsteher zu diesem Behufe überliefern. Worauf die Vorsteher erwiderten:
es gereiche ihnen zur Freude dieses Geschenk im Namen Gottes anzunehmen.
Es ist dies die erste Gabe, das Licht, welches auch Gott zuerst der
Welt schenkte, und es einsah, dass das Licht gut sei; auch sie, die
Vorsteher sehen, dass dieses jetzt brennende Licht gut sei; es zeige, dass
die jungen Leute der Rensburger israelitischen Gemeinde im Lichte der
Religion zu wandeln versprechen, die Gesetze Gottes treu zu halten, denn
(hebräisch und deutsch:) das Licht ist das göttliche Gebot. Sie sollten
nur fortfahren, in dem wahren Lichte zu wandeln, wovon es heißt 'und
es wandeln Nationen zu deinem Lichte' (Jesaja 60,3). Sie, die
Vorsteher, vertrauen auf diese jüngere Generation, dass sie ihnen
behilflich sein werde, dieses ewige Licht der Religion in der
Gemeinde zu erhalten, dass die Flamme nciht getrübt werde. Hierauf folgte
die Schuljugend und brachte einen schön gearbeiteten Leuchter mit 3 Armen
von Messing, welcher bestimmt ist, vor dem Vorlesepult am
Wochentage, und sprach die Vorsteher in Versen an, wovon die erste Strophe
lautet:
Ist auch nur gering unsere Habe, So bringen wir doch mit Freuden diese
Gabe. usw.
Die Vorsteher erwiderten: Da nur geringe ist ihre Habe, desto schöner
erscheint die Gabe. Hier sind Alle gleich, Arm oder reich.
Es kommt hier nicht auf den Wert, sondern auf den Willen an. 'Ob man
viel oder wenig tut, wenn man nur sein Herz auf den Himmel richtet'
(Babylonischer Talmud, Berachot
17a). |
Sehr
treffend sei die Gabe gewählt, ein Leuchter; sie erbitten sich dazu Licht
von den Vorstehern, von den älteren Mitgliedern der Gemeinde, damit sie
den rechten Weg nicht verfehlen. Mit Vergnügen ist man erbötig, ihnen
das Licht zu geben, damit sie nicht im Finstern wandeln; sie mögen nur
den Vorleuchtern, ihren Vorfahren folgen. Auf die Jugend setze die
Gemeinde sowohl als ihre Eltern, ihre Hoffnung, von ihnen soll das Heil
ausgehen. Sie, die Jugend, hätten am längsten Nutzen von dem neuen
Gotteshause, indem sie noch jung seien! sie sollen daher mit beitragen zur
Erhaltung des Gotteshauses und selbiges vor Entweihung durch Unordnung
beim Gottesdienst behüten, sie sollen daher den Anordnungen ihrer
Vorgesetzten Folge leisten usw. Hier folgte die Generalprobe des
Männergesanges mit der Musikbegleitung, welche am Einweihungstage beim
Gottesdienst mitwirken sollten.
Nach deren Beendigung kamen die Frauen, welche das Parochet
(Toraschreinvorhang) angefertigt hatten, in Prozession ins Gotteshaus. Die
Vorsteherin des Wohltätigkeitsvereines (der Frauen) brachte
dieses Prachtwerk als Opfer auf Händen getragen, andere Frauen trugen die
Decke des Vorlesepultes, den Toramantel, welcher ebenfalls
von Sammet ist. Die Vorsteherin redete die Gemeinde-Vorsteher etwa
folgendermaßen an: 'Auch sie, die Frauen, wollten nicht zurückstehen bei
der Gelegenheit, wo so viel zu Gott geopfert wird, auch sie wollen nicht
leer erscheinen vor Gott, sie bringen daher ihr Opfer dar, und
überliefern diese heiligen Gewänder den Gemeindevorstehern mit dem
Wunsche, dass diese am Einweihungstage sowohl als in der folgenden Woche
das Heiligtum schmücken mögen, auch dass sie an gewissen Festtagen,
welche näher bezeichnet werden, ebenfalls zum heiligen Gebrauche benutzt
werden möchten. Die Gemeinde-Vorsteher mögen es aufbewahren zu ewigen
Zeiten, damit ihre, der Geberinnen, Kinder und Kindes-Kinder es wissen
sollen, dass ihre Mütter nicht müßige Zuschauer waren, sondern auch ihr
Scherflein beigetragen haben zur Verherrlichung des schonen neuen
Gotteshauses, damit sie im spätesten Alter sich des Segens ihrer Kinder
zu erfreuen haben. Die Gemeinde-Vorsteher nahmen das dargebrachte Opfer
von der Hand der Geberinnen auf ihre Hände und erwiderten: sie finden
sich zwar nicht berufen, für das Opfer für sich, oder namens der
Gemeinde zu danken, indem das Opfer Gott dargebracht
sei.
Da aber der liebe Gott seit mehreren tausend Jahren sich nicht mehr in
Worten, wie ehedem zu den Propheten, Männern kund gegeben hat,
geschweige denn den Frauen; so glauben sie ohne Sünde den edlen Frauen im
Namen Gottes danken zu dürfen. Gern werden sie, die Vorsteher, den
geäußerten Wünschen der geehrten Damen entsprechen, soweit ihr Befugnis
es erlaubt, gern werden sie die heiligen Kleinode für die Ewigkeit
aufzubewahren suchen, insofern der ahn der Zeit, welcher alles Irdische
auflöst, nicht daran nagt. Es gereicht ihnen zur Freude, dass derselbe
religiöse Geist, welchen die Frauen zur Zeit der Erbauung des
Stiftszeltes inne hatten, auch bei den heutigen Frauen der hiesigen
israelitischen Gemeinde sich kund gibt. Möge dieser Geist fortgepflanzt
werden von den Müttern auf ihre Töchter und Söhne bis zur Ewigkeit. Die
Vorsteher übergaben sodann die dargebrachten Opfer den Bringern, dass
diese dieselben an Ort und Stelle befestigten, was denn auch in
feierlicher Zeremonie geschah.
Der ganze Akt war herzerhebend, die Reden wurden vielfältig durch Weinen
und Schluchzen unterbrochen.
Eine Jungfrau brachte einen prächtigen Teppich, welcher vor dem
Allerheiligsten ausgelegt wurde. Diese junge Dame redete die Vorsteher in
passenden Versen an. (Diese wiederzugeben, erlaubt der Raum dieser
Blätter nicht.) Eine edle bemittelte Frau brachte zwei Samtdecken, welche
vor dem Vorlesepult und der Stelle, wo der Herr Oberrabbiner stehen
sollte, ausgelegt werden sollen, sie bemerkte, dass diese Gabe von ihren
beiden Töchtern sei. Zwei Gemeinde-Mitglieder ließen die geschmackvolle Bima
(= Almemor, d.h. Bereich, von wo die Tora verlesen wird bzw. das
Vorlesepult steht, siehe das mittlere historische Foto der ersten
Fotoreihe unten) für ihre
Rechnung anfertigen. Zwei hiesige, jetzt auswärtige junge Leute
verherrlichten den Eingang zum Gotteshaus durch zwei rituelle
Waschbecken, wobei zwei Zedaka-(Spenden-)Büchsen sehr
sinnreich angebracht sind. |
Des
Abends bei mattem Lichtschimmer brachte der Senior der Gemeinde, welcher
früher 40 Jahre als Vorsteher und Ältester der Gemeinde fungierte, zwei
große, schön gearbeitete silberne Leuchter, welche auf der Bima an
Schabbat und Feiertag stehen sollen. Dieser äußerte sich dahin, dass er
diese Gabe aus den Regungen seines Herzens und in gutem Willen
dem lieben Gott als Korban Tora (Opfer, Gabe für die Tora)
darbringe für die große Gnade, dass er es in seinem vorgerückten Alter
erlebe, in diesem herrlichen Gotteshause seine Andacht zu verrichten. Er
freue sich, diese Gabe seinen würdigen Nachfolgern im Amte, die er wie
seine Söhne liebe, zu überreichen; auch sie mögen so lange wie er für
das Wohl der Gemeinde wirken. Es waren nur die nächsten Verwandten des
Gebers bei dieser Handlung zugegen. Das Ewige Licht senkte nur
schwach in den großen menschenleeren Raum seine Strahlen herunter auf den
Geber, als Symbol des Alters, wo das Lebenslicht nur noch schwach
ist.
Eine Todesstille herrschte, die nur durch Schluchzen unterbrochen wurde.
Alle Anwesenden dankten in tiefster Stille Gott, es war keiner vermögend,
ein Wort des Danke zu erwidern, nur mit schwacher Stimme wünschten die
Vorsteher, dass der auf seinem Stuhl geschrieben stehende Spruch in
Erfüllung gehen möge: 'ich kehre zurück in das Haus des Herrn für
die Dauer der Zeiten (Psalm 23,6). Wie beim Stiftzelte, kamen auch
hier die Vorsteher zuletzt, indem sie einen schönen silbernen dreiarmigen
Leuchter brachten, welcher an Schabbat und Feiertag vor dem Amud
(Lesepult) stehen soll.
Drei messingene Kronleuchter schenkte der Wohltätigkeitsverein
(der Männer).
Am 12. November, also am Einweihungstage, sah man schon
früh Morgens alle Israeliten festlich gekleidet, in ihren Wohnungen war
es wie an Schabbat; das Haus festlich, der Tisch gedeckt, um die
ankommenden Fremden zu bewirten.
Um 10 1/2 fuhren die Vorsteher mit dem Senior der Gemeinde nach dem
Bahnhofe; es folgten mehrere leere Kutschen, um Seine Hochwürden den
Herrn Oberrabbiner Ettlinger und sonstige geehrte Gäste würdig zu
empfangen. Mehrere Gemeinde-Mitglieder hatten sich zu diesem Behuf
freiwillig am Bahnhofe eingefunden.
Um 11 Uhr kam der Zug auch im Bahnhof an. Nachdem der Herr Oberrabbiner,
die Repräsentanten der Altonaer israelitischen Gemeinde und sonstige
damit angelangte Fremde kurz aber herzlich begrüßt wurden, fuhren die zu
diesem Behufe gekommenen Gäste zur Stadt, und stiegen bei dem ältesten
Vorsteher, wo der Herr Oberrabbiner logierte, ab; vor der Türe wurde
dieser von zwei Mitgliedern der momentanen Baukommission empfangen, und in
die für ihn bestimmte Wohnung geführt. Beim Hereintreten wurde derselbe
durch eine ausgesuchte aufgestellte hebräische Bibliothek überrascht.
Bad nach der Ankunft wurden demselben die verschiedenen Korporationen der
Gemeinde vorgestellt, auch die Vorsteher der Friedrichstädter und
Elmshorner Gemeinde wurden präsentiert, endlich auch machten mehrere
hiesige und auswärtige Israeliten ihre Aufwartung. Da noch nie ein
Oberrabbiner hier war, so strömte Jung und Alt zusammen, um denselben zu bewillkommnen.
Um 1 1/4 fuhrt der Herr Oberrabbiner in Begleitung der Vorsteher, durch
die mit Zuschauern angefüllten Straßen nach dem israelitischen
Schulhause, ihnen folgten die sonstigen jüdischen Honoratioren, Da
angelangt, und durch die Mitglieder des Sängerchors, welche en Spalier
auf der Hausflur aufgestellt waren, nach der Interims-Synagoge
geführt.
In den übrigen Zimmern waren die eingeladenen Honoratioren der Stadt,
soweit der Raum fasste, versammelt. Die christlichen Nachbarn haben ihre
Häuser freiwillig hierzu sowie zum Logieren für Fremde
angeboten.
(Die Feierlichkeit des Zuges und der Einweihung ist bereits im Rendsburger
Wochenblatt vom 15. November und im Zionswächter vom 18. November
mitgeteilt). Nur verdient noch bemerkt zu werden, dass, als die Träger
der Torarollen en fronte vor dem Eingang des Gotteshauses standen,
und nachdem die Verse usw. 'öffnet mir die Tore der Gerechtigkeit...'
gesungen waren, die Vorsteher, in deren Mitte der Träger des Schlüssels,
die Fronte vorbei passierten und sich zum Ober-Präsidenten der Stadt,
welcher nebst dem Kommandanten gleich nach den Torarollen folgte,
begaben, welchem der Träger des Schlüssels diesen überreichte, indem er
ihn folgendermaßen anredete: 'Von den Herren Vorstehern dieser
israelitischen Gemeinde sei ihm der ehrenwerte Auftrag geworden, an ihn
(den Präsidenten), als Oberhaupt der
Stadt, |
auch
in Anerkennung seiner Gerechtigkeitsliebe sowie seiner Humanität gegen
die Bürger und Einwohner dieser Stadt, diesen Schlüssel zum neu erbauten
Gotteshause zu überreichen, um die Türen desselben zuerst zu eröffnen;
er freue sich diesem Auftrag sich hiermit zu entledigen. Der Herr
Ober-Präsident dankte, nahm den Schlüssel auch und eröffnete das
Gotteshaus.
Die ganze Feierlichkeit, sowie das Imponierende des Gotteshauses, die
feierliche und würdige Eröffnung des Allerheiligsten, welches im Innern
einem Firmament gleich gemalt ist, als Symbol: die heilige Schrift kommt
vom Himmel, der Vortrag des Sch'ma echad Elokeinu in der Melodie
des Jom Kippur, der Schlussgesang Jigdal und Adon Olam,
die besondere Stille und Ruhe, welche während der ganzen Dauer herrschte,
machte einen solchen Eindruck, dass kein Auge tränenleer blieb, das vor
Übermaß von Erregung das Wort au den Lippen gleichsam
erstarb. Nach der Einweihung und nachdem das Mincha und
Maariw in der richtigen Zeit gebetet worden war, war Tafel bei dem
ältesten Vorsteher, woran außer dem Herrn Oberrabbiner, die auswärtigen
eingeladenen Israeliten sowie der zweite Vorsteher und Senior der Gemeinde
teilnahmen. Wenn auch hier keine geräuschvollen Toaste ausgebracht
wurden, so war es doch eine würdige Tafel, eine 'hohe Tafel' oder eine
'Tafel vor Gott'. Nur selten hat man das Glück, eine solche
Tafel-Gesellschaft zu haben.
Am 13. vormittags inspizierte der Oberrabbiner nebst den Repräsentanten
der Altonaer israelitischen Gemeinde, welche als Administratoren des
Legats bestellt sind, das Gotteshaus nebst sämtlichen dazu gehörenden
Gebäuden, und äußerten einstimmig ihre Zufriedenheit mit dem ganzen
Bau, der nichts zu wünschen übrig lässt.
Der Baumeister, Herr J.E. Bülk, wurde dem Herrn
Oberrabbiner vorgestellt, der sich ganz besonders zufrieden über seine
Arbeit aussprach, ihm gebührendes Lob spendete und entließ mit dem
Wunsch, dass dieses Meisterwerk ihn weiter empfehlen und zu seinem
Fortkommen beitragen möge.
Was vorzüglich bei diesem Bau noch zu loben ist, dass alle Arbeiten, mit
sehr unbedeutender Ausnahme, hier am Orte angefertigt sind. Der ganze
Verdienst ist den Handwerkern der hiesigen Stadt zu Gute
gekommen.
Nachdem Mincha gebetet und das Mittagsmahl eingenommen worden,
führen sämtliche hohe Gäste, in Begleitung der Vorsteher und mehrerer
Gemeinde-Mitglieder, zum Bahnhofe, wovon sie um 2 Uhr abfuhren, und um 5
1/2 in Altona anlangten.
Am darauf folgenden Sonnabend war der Gottesdienst nach der
eingeführten Synagogen-Ordnung sehr erhebend, bei verschiedenen Gebets-Stellen
wirkte der Männergesang vortrefflich mit. Nicht minder wurde der
Gottesdienst an den Wochentagen mit gebührender Würde begangen, und ist
zu hoffen, dass er so bleiben wird. Alle Gemeinde-Mitglieder scheinen
diesen Wunsch zu haben; und als am Sonntag Abend die Vorsteher sämtliche
Gemeinde-Mitglieder versammelt hatten, statteten sie ihnen ihren Dank ab
für die Mitwirkung zur Verherrlichung bei der Einweihung usw.
Vom 16. bis zum 21. November war das Gotteshaus in seiner vollen
Pracht wie am Einweihungstage für einen Jeden offen und ist sehr stark
besucht worden.
Der ganze Bau nebst den damit verbundenen Neben-Ausgaben wird circa
20.000 Mark Courant kosten.
Und so schließen wir unseren Bericht mit dem Wunsche, dass unser
Gotteshaus viele hundert Jahre zum Segen bestehen
möge." |
Einbruch in der Synagoge (1923)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Januar 1923: "Rendsburg, 14.
Dezember (1923). Ein Einbruch ist in der letzten Nacht in die hiesigen
Synagoge ausgeführt worden, wobei silberne Synagogengeräte gestohlen
wurden." |
Auf Grund der zurückgegangenen Zahl der jüdischen
Gemeindeglieder war es bereits in den 1920er-Jahren schwierig geworden, die
regelmäßig Zehnzahl der Männer zum Gottesdienst (Minjan) zu erhalten. Dennoch
fanden bis mindestens 1934 Gottesdienste und Gemeindeversammlungen im
synagogengebäude statt.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die
Synagoge im Inneren durch einen von einem Rendsburger Nationalsozialisten
gelegten Sprengsatz zerstört. Da bereits ein Käufer des Hauses feststand,
wurde das Gebäude jedoch - auch auf Einschreiten des damaligen Bürgermeisters
- nicht niedergebrannt. Nach Abwicklung des Zwangsverkauf des Synagogengebäudes
richtete die Firma Meier & Vollstedt 1939 bis Anfang des 1980er-Jahre war eine
Fischräucherei in dem Gebäude ein. 1982 erwarb die Stadt Rendsburg das
im Jahr zuvor unter Denkmalschutz gestellte Gebäudeensemble. Im November 1983
informierte die Stadt die Öffentlichkeit über die Restaurierung der Synagoge
und ihre zukünftige Nutzung für kulturelle Zwecke.
Von 1985 bis 1988 wurde das Gebäude der ehemaligen Synagoge unter
Einbeziehung des daneben befindlichen Gebäudes der früheren jüdischen Schule
mit Zuschüssen von Stadt und Land unter Trägerschaft des Rendsburger
Kulturkreises restauriert. Die Eröffnung des Jüdischen Museums Rendsburg war
am 6. November 1988. Der Gebäudekomplex umfasst heute: die ehemalige
Synagoge (Dr. Bamberger-Haus) als Gedenkstätte, die ehemalige jüdische Schule
mit Ausstellungsräumen und jüdischem Museum sowie Erweiterungsbauten im
Innenhof ("Julius-Magnus-Haus") für wechselnde Ausstellungen und
Veranstaltungen. Träger der Einrichtung ist seit Mitte 2003 die Stiftung
schleswig-holsteinische Landesmuseen.
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Allgemeine Berichte
200-jähriges Bestehen der Israelitischen Gemeinde in
Rendsburg (1895)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. November
1895: "Unter Teilnahme der Bevölkerung feierte am 10. dieses Monats
die israelitische Gemeinde Rendsburg ihr 200-jähriges Bestehen. Am
Festgottesdienst nahmen die Spitzen der Behörden und zahlreiche geladene
Gäste teil. Die Festrede hielt der Oberrabbiner Dr. Lerner -
Altona." |
|
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22. November
1895: "Rendsburg, 10. November (1895). Die hiesige israelitische
Gemeinde zählt zu den ältesten in Schleswig-Holstein und nahm nach der
Muttergemeinde Altona von jeher in der Provinz eine hervorragende Stelle
ein, ja man kann behaupten, dass dieselbe in mancher Beziehung, besonders
in der Vertretung den Behörden gegenüber und wo es galt, die Rechte der
jüdischen Bewohner zu erfechten, die große Gemeinde Altona überragte.
Als die Landstände Neigung zeigten, die Rechte der Juden in Holstein zu
beschränken, da war es die Gemeinde zu Rendsburg, die unerschrocken durch
Wort und Schrift für Wahrung und Erweiterung dieser Rechte eintrat. Herr
Dr. Stern in Kiel hat in gegebener Veranlassung eine Festschrift
herausgegeben: 'Die Geschichte der israelitischen Gemeinde zu Rendsburg',
von der leider zu dem Feste selbst nur das erste Jahrhundert
fertiggestellt werden konnte, die zweite Lieferung wird aber in Kurzem
vollendet und das Ganze durch den Buchhandel zu beziehen sein. - Das Fest
der zweihundertjährigen Bestandes der Gemeinde selbst nahm einen
würdigen Verlauf. In der reich geschmückten Synagoge, welche
gleichzeitig das 50-jährige Jubiläum feierte, fand mittags 11 1/2 Uhr
ein Festgottesdienst statt, zu dem sich von den geladenen Gästen der
königliche Landrat, der Bürgermeister, der Magistrat, das
Stadtverordneten-Kollegium und zahlreiche christliche Mitbürger
eingefunden hatten. Als Vorsänger fungierte der Oberkantor Nathanson aus
Altona. Unterstützt wurde derselbe durch eine Musikkapelle. Die Festrede
hielt Herr Oberrabbiner Dr. Lerner aus Altona, die bei allen Hörern einen
tiefen Eindruck machte. Am Nachmittag fand ein Festmahl, an dem sich 75
Personen beteiligten, statt, bei welchem Herr Oberrabbiner Dr. Lerner in
begeisterter Rede den Toast auf den Kaiser ausbrachte. Dem Diner folgten
von hiesigen Damen aus der Gemeinde musikalische und theatralische
Aufführungen. Besonders ragte der von einer Dame gedichtete und von ihr
gesprochene Prolog hervor. Die hiesigen Tagesblätter betonen besonders
das gute Einvernehmen mit der Bürgerschaft, welches stets hier herrscht.
Möchte es immer so bleiben!" |
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der weiteren Kultusbeamten
Ausschreibung der Stelle eines Rektors, 2. Lehrers und
Predigers (1843)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. Februar 1842: "Anzeige.
Die hiesige israelitische Gemeinde beabsichtigt, zu Ostern oder Johanni
dieses Jahres, an der hiesigen Gemeinde- und Armen-Schule, neben dem
bereits angestellten Lehrer, noch einen jüdischen Lehrer anzustellen, der
zugleich das Rektorat an der Schule übernimmt, auch von Zeit zu Zeit
Predigten in der Synagoge hält und den Unterricht sowohl in der jüdischen
Religion als in allen Elementarwissenschaften zu erteilen hat. Das Salair
ist bei freier Station auf 500 Mark Courant oder 200 Taler Pf. Crt. jährlich
bestimmt. Diejenigen, welche hierauf reflektieren, haben ihre Zeugnisse,
welche ihre Qualifikation beurkunden, spätestens bis Rosch
Chodesch Nissan in portofreien Briefen einzusenden, an den Vorstand
der hiesigen israelitischen Gemeinde.
Rendsburg, im Januar 1843." |
Ausschreibungen der Stelle der Elementarlehrer / Vorbeter / Prediger 1867 / 1870 /
1876 / 1878
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. September 1867:
"In der hiesigen israelitischen Gemeinde ist Ostern 1868 die Stelle
eines Elementarlehrers zu besetzen, welcher zugleich die Funktionen
eines Schochet und Chasan (Kantor) übernehmen kann.
Das Gehalt beträgt 300 Thaler pro Jahr nebst Sporteln. Bewerber wollen
gefälligst ihre Gesuche nebst Qualifikationszeugnissen an den
Unterzeichneten einsenden.
Rendsburg, den 1. September 1867. Dr. S(amuel) Speyer,
Geistlicher." |
|
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 15. Oktober 1867:
Derselbe Text wie in der Zeitschrift "Der Israelit" siehe
oben. |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Juli 1870: "Erledigte
Hauptlehrerstelle an der israelitischen Schule zu Rendsburg. Mit dieser,
durch Berufung des bisherigen Inhabers, vakant gewordene Stelle ist, nebst
freier Dienstwohnung, ein Gehalt von 400 Talern pr. Crt. Verbunden.
Bewerber haben über ihre Kenntnisse in gewöhnlichen Schulwissenschaften,
in der hebräischen Sprache, sowie über ihre Lehrgabe glaubwürdige
Zeugnisse beizubringen und ohne desfällige Reisevergütung hier eine
Probelektion zu bestehen. Da der Hauptlehrer in der Regel zugleich
Geistlicher der Gemeinde sein soll, ist bei der Anstellung desselben auch
das Gutachten des Herrn Oberrabbiners Ettlinger in Altona erforderlich.
Bewerbungsgesuche sind bis zum 16. Juli 1870 portofrei einzusenden an das
Schulkollegium der israelitischen Gemeinde zu Rendsburg." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Juli 1870: "Erledigte
Hauptlehrerstelle an der israelitische Schule zu Rendsburg."
Derselbe
Text wie oben. |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Juni 1876: "Offene
Lehrerstelle.
Bei der hiesigen israelitischen Gemeinde ist die Stelle eines akademisch
respektive seminaristisch gebildeten Religions- und Elementar-Lehrers
durch weitere Verbesserung unseres jetzigen Lehrers nach seiner Heimat am
1. Oktober dieses Jahres vakant. Bewerber wollen unter Anliegen ihrer
Qualifikationszeugnisse ihre Gesuche bis zum 1. August dieses Jahres
einsenden. Das Gehalt beträgt jährlich RM 1.200 nebst freier Wohnung.
Rendsburg, den 20. Juni 1876. Der Vorstand der israelitischen Gemeinde." |
|
Anzeige
in der 25. September 1878: "Vakante Lehrerstelle.
Bei der hiesigen
israelitischen Gemeinde ist die Stelle eines seminaristische gebildeten
Religions- und Elementarlehrers wegen anderweitiger Beförderung des
jetzigen Inhabers zum 1. November dieses Jahres vakant. Bewerber wollen
unter Anlegung ihrer Qualifikationszeugnisse ihre Gesuche baldigst
einsenden. Das Gehalt beträgt jährlich Mk. 1.200 und Mk. 180
Wohnungsentschädigung. Rendsburg, 15. September 1878. Der Vorstand." |
Ausschreibungen der Stelle des Schochet, Vorbeters und
Gemeindedieners 1871 / 1891 / 1892 / 1898 / 1903 / 1907
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. August 1871: "Vakanz.
In der
Israelitischen Gemeinde Rendsburg (Holstein) ist die Stelle eines
Schochet, Chasan (Vorbeters) und
Gemeindedieners zum 1. November dieses Jahres vakant. Gehalt 250 Taler pr.
C., 50 Taler pr. C. Wohnungsgeld oder freie Wohnung nebst Sporteln.
Bewerber wollen ihre Gesuche bis zum 15. September dieses Jahres
einreichen beim Vorstand." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Juni 1891:
"Die Stelle eines Kantors und Schächters
in unserer Gemeinde ist sofort zu besetzen. Festes Gehalt 850 Mark und
freie Wohnung oder 1.000 Mark, ohne freie Wohnung. Bewerber wollen sich an
den unterzeichneten Vorstand wenden.
Der Vorstand der Israelitischen Gemeinde zu
Rendsburg." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. März 1892: "Die Stellung eines
Vorbeters,
Schochet und Baal Tokea ist in unserer Gemeinde vakant. Gehalt 900
Mark nebst freier Wohnung. Offerten an
den Vorstand der israelitischen Gemeinde zu Rendsburg." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. September 1898:
"Kantor und Religionslehrer
(seminaristisch gebildet) gesucht.
Gehalt 1.200 Mark, 180 Mark Wohnungsentschädigung, sowie etwas
Nebeneinnahme. Bewerber müssen der orthodoxen Richtung angehören.
Offerten an den Vorstand der Israelitischen Gemeinde zu Rendsburg
(Holstein)." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. September 1903: "In hiesiger
Gemeinde soll die Stelle eines
Lehrers und Vorbeters
baldmöglichst
besetzt werden. Gehalt 1.200 Mark nebst freier Wohnung oder Zuschuss von
180 Mark, ferner legatierte Nebeneinnahmen von 180 Mark. Deutsche,
seminaristisch gebildete Bewerber, welche stimmbegabt sind, wollen sich an
den Unterzeichneten werden.
Moritz Nathan, Vorsteher, Rendsburg." |
|
Ausschreibung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 2. Oktober 1903:
"Rendsburg (Schleswig-Holstein). Lehrer und Vorbeter, 1.600
Mark Einkommen und freie Wohnung". |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. August 1907: "Wir suchen für
unsere Gemeinde möglichst Anfangs Oktober einen verheirateten Kantor und
Schächter.
Gehalt 1.100 Mark bei freier Wohnung und ca. 300 Mark
legatierte Nebeneinnahme. Geeignete Bewerber wollen ihre Meldungen nebst
Zeugnissen baldmöglichst an den Unterzeichneten einreichen. Der Gewählte
unterliegt der Bestätigung des Oberrabbinats in Altona.
Der Vorstand der
Israelitischen Gemeinde in Rendsburg". |
Dr. Samuel Speier tritt seine Stelle als Prediger in
Rendsburg an (1867)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Januar 1867: "Hamburg. Die
hiesige Talmud-Toraschule verliert an Herrn Dr. Samuel Speier einen ihrer
tüchtigsten Lehrer. Herr Dr. S. folgt einem ehrenvollen Rufe als Prediger
der Synagogengemeinde Rendsburg. Bei einer daselbst gehaltenen Gastpredigt
erregte er durch seine oratorische Begabung allgemeine Bewunderung. Die
schöne Synagoge daselbst war von allen Konfessionen besucht. Herr Dr. S.
zeigte auch bei einer Prüfung, die er mit den dortigen Schulkindern
vornahm, dass seine bisherige Berufstätigkeit in Hamburg ihn zu einem
geistvollen tüchtigen Beamten für Synagoge und Schule herangebildet hat.
Wenn wir sein Scheiden aus den hiesigen Kreisen bedauern, so freuen wir
uns doch, dass er seine reichen Gaben einer so gesinnungstüchtigen
Gemeinde wie der Rendsburger widmet, die bereits durch viele Äußerungen
teils auch auf dem Wege der Presse ihre Freude über die Ankunft dieses
jungen Gelehrten ausgedrückt hat." |
Anzeigen des Lehrers / ehemaligen Lehrers A.M. Barasch
(1867 / 1872)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 17. September
1867: "Amtsbrüder! Es wird Euch vielleicht in diesem Blatte ein
Inserat, betreffend eine offene Kantor-, Schächter- und Lehrerstelle der hiesigen
Gemeinde zu Gesicht kommen; in dieser Gemeinde habe ich seit 15
Jahren tadellos, moralisch wie religiös, in genannten Ämtern gewirkt.
Was ich in dieser Zeit ertragen und gelitten, ist unglaublich; ich habe
Alles über mich ergehen lassen, weil ich Familienvater bin. Jetzt
schreitet diese Gemeinde ohne jede Veranlassung zu der Maßregel, mir
meine Entlassung zu schicken und mich dadurch brotlos zu machen. Das
Urteil über ein solches Verfahren kann ich wohl jedem selbst überlassen.
Rendsburg, 23. Juli 1867. A. M. Barasch, Kultusbeamter und
Lehrer." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Juli 1872: "Ich warne vor
Annahme der Stelle.
Rendsburg (Holstein), 9. Juli 1872. A. M. Barasch,
ehemaliger hiesiger Lehrer und Kantor." |
Erklärung von Gemeindegliedern zu Lehrer und Schochet
A. M. Barasch (1872)
Anmerkung: Auf Grund der obigen Anzeigen und dieser weiteren Anzeige
"mehrerer Gemeindeglieder" ist davon auszugehen, dass Lehrer und
Kantor Barasch auf Grund von Unstimmigkeiten mit dem Gemeindevorstand entlassen
und eine andere Person für ihn engagiert worden war (vermutlich der unten
genannte Gottschalk Frankfurter). Dennoch blieb Barasch offenbar weiter in der
Gemeinde und hatte auch Personen, die zu ihm hielten und das von ihm
geschächtete Fleisch bezogen.
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23. Januar
1872: "Um einem Pflicht- und Rechtsgefühl Ausdruck zu geben,
erklären wir hiermit öffentlich, dass der seit 19 Jahren hier
fungierende Lehrer und Kultusbeamte, Herr A. M. Barasch, bei uns im Amte
geblieben und namentlich nach wie vor für uns schächtet, wenngleich die
Gemeinde zu einem anderweitigen Engagement geschritten. Nebenbei noch die
Bemerkung, dass wir in Folge dessen besseres Fleisch bekommen und nicht
geradezu wie bis jetzt notgedrungen auf zwei bestimmte Schlachter
angewiesen sind.
Rendsburg, im Januar 1872. Mehrere Gemeindeglieder." |
Beitrag zur Geschichte der Juden in den Herzogtümern
Schleswig-Holstein von Prediger H.H. Ksinsky (1872)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 16. November 1872: "Die Juden in den Herzogtümern
Schleswig-Holstein. Von H. H. Ksinsky, Prediger.
Der furchtbare Dreißigjährige Krieg ging endlich seinem Abschlusse
entgegen, und die stete fieberhafte Aufregung, in welcher Europa lebte,
begann allmählich zu schwinden. Matt und schlaff lagen alle Staaten im
Herzen Europas darnieder, und als man zur Besinnung zurückkehrte, sah man
statt blühender Städte und Dörfer Schutthaufen und Ruinen, statt üppiger
Gärten und Äcker Sümpfe und Wüsteneien. Kurz ganz Deutschland befand
sich damals in einer grenzenlose Schwäche und Zerrüttung, die nur durch
besondere weise Gesetze und gemeinnützige Einrichtungen zu beseitigen
waren. Es galt nun vor allen Dingen, die zerstörten Städte wieder
aufzubauen und zu bevölkern. Doch Staatsmittel waren dafür nicht
vorhanden, da fast alle Kassen durch den furchtbaren Krieg erschöpft
worden waren. Da machten es die Fürsten von Schleswig-Holstein, denen das
Wohl ihres Landes sehr am Herzen lag, wie Romulus und Remus, sie öffneten
ihre Städte den Verbannten anderer Länder und trafen dabei die weise
Einrichtung, alle Konfessionen ohne Unterschied aufzunehmen. Ein solcher
Erlass vom Jahre 1617 brachte die ersten Juden nach
Schleswig-Holstein. Zuerst finden wir sie in Glückstadt, und unter
ihnen befand sich der berühmte Joseph
del Medigo, Mathematiker und Kabbalist. Woher sie kamen, lässt
sich nicht mit Bestimmtheit angeben, wahrscheinlich aus dem Königreich
Polen, da hierfür manche Gründe sprechen, zum Beispiel der polnische Minhag,
der überall eingeführt ist. Die Veranlassung zur Auswanderung der |
Juden
aus Polen geschah in Folge der Verarmung und der fortdauernden Leiden, die
sie durch die Verfolgung der Russen und des mit diesen in Verbindung
getretenen Kosakenhetmans
Chmelnicki zu erdulden hatten. Unter den schrecklichsten Grausamkeiten
wurden die Juden hingemordet und eine große Anzahl von Gemeinden
vollständig ausgerottet, sodass derjenige glücklich zu nennen war, dem
es gelang, nur mit dem nackten Leben nach Deutschland oder Holland zu
entkommen.
In Schleswig-Holstein wurde ihnen Gewerbefreiheit und noch manche andere
Begünstigung zuteil, doch beschäftigen sie sich alle nur mit dem Handel
alter Kleidungsstücke, und dieses hat sich sogar bis auf die Jetztzeit fortgeerbt,
sodass man hier selten einen jüdischen Kaufmann vom Fach trifft, Auch
jüdische Handwerker sind hier nicht häufig, wenn sie nicht aus den alten
Provinzen eingewandert sind.
Doch bei alledem waren die ersten Einwanderer ehrliche und rechtschaffene
Leute, und verstanden es, sich bald die Achtung ihrer christlichen
Mitbürger zu erwerben. Sechs Tage wanderten sie mit dem Bündel auf dem
Rücken in den Dörfern umher und fristeten sich mit trockenem Brote das
Leben, doch am Freitag Nachmittag kehrten sie zur heimischen Stätte
zurück, und die Stadt hatte alsdann eine jüdische Gemeinde. Einige Jahre
später 1621 und 1622 finden wir auch in Friedrichstadt
und Altona Juden, welche Städten ebenfalls wie Glückstadt
vor andern durch Zulassung fremder Religionsparteien begünstigt wurden. 1630
erteilte Christian IV. von Dänemark den Juden in Glückstadt
eigene Privilegien, während die Juden in Friedrichstadt und Altona
solche erst 1664 von Herzog Friedrich erhielten. Die vierte jüdische
Gemeinde welche bald darauf entstand, war die zu Rendsburg. Im Jahre 1690
wollte Herzog Friedrich von Schleswig-Holstein die alte Festungsstadt Rendsburg
auf der rechten Seite der Eider erweitern, und nahm hier, wie in Glückstadt,
Friedrichstadt und Altona, verschiedene Religionsparteien
auf. Unter diesen befand sich auch ein Jude namens Lewin Holländer,
der nach der Erwählung ein Baumeister gewesen sein soll. Bald sammelte n
sich noch einige jüdische Familien, und so entstand die Rendsburger
jüdische Gemeinde. Im Jahre 1694 wurde ihnen auf ihr Ansuchen
von dem damaligen Stadt- und Festungskommandanten General Fuchs die
Erlaubnis zur Erbauung einer Synagoge zuteil, jedoch mit der
besonderen Bemerkung, keine gewölbte Decke im Betsaale anzubringen. Diese
Beschränkung wurde jedoch später noch während des Baues
zurückgenommen, was den ärgsten Unwillen der schleswig-holsteinischen
Geistlichkeit erregte. Zugleich wurde ihnen eine Sanddüne in der Nähe
des neuen Stadtviertels, in dem sie allein wohnen durften, zum Begräbnisplatz
angewiesen. Durch mancherlei Umstände begünstigt, wuchs die kleine
Gemeinde zu einer zahlreichen heran, und bildete mit der Zeit einen nicht
geringen Teil der städtischen Bevölkerung. In allen Städten des Landes
in besonderen Ghetti wohnend, blieben sie in diesem Zustande bis zu der
Zeit, wo Preußen 1864 die Herzogtümer in Besitz nahm. In allen
Gemeinden hatten die Juden ihre eigenen Armen- und Schulkommunen, und
standen in Rechtsstreitigkeiten unter dem jüdischen Gerichte in Altona,
dessen Präsident der jeweilige Oberrabbiner oder, besser gesagt, Oberlandesrabbiner
war.
Ihr Gemeindewesen befand sich immer in den besten Verhältnissen, was noch
heute leicht erkennbar ist. In der Gemeinde Rendsburg hatten
Männer wie Rheindorff, S. A. Simon, J. E. Meyer, M. P. Jakob, S.
Joseph und andere stets mit rastlosem Streben auf Gründung von
Legaten hingewirkt. Die Genannten haben sich durch ihre großen Verdienste
um die Gemeinde unsterblich gemacht. Sie haben sich während ihrer
langjährigen Amtsführung als Vorsteher mit Hintansetzung ihrer eigenen
Geschäfte stets nur für das Wohl der Gemeinde interessiert. Ungern
ließen sie einen Fremden in ihren Gemeindeverband, und duldeten ihn nur
dann, wenn er sich in der Stadt ein Grundstück erwarb. So zeigt man noch
heute in Rendsburg ein kleines verlassenes Haus, eher eine Hütte
zu nennen, das die neuen Ankömmlinge einer vom andern erwarben, weil dazu
nur eine kleine Kaufsumme nötig war. Einem ledigen, jungen Manne
gestatteten sie nur dann die Erlaubnis zur Niederlassung, wenn er ein
Mädchen aus der Gemeinde heiratete. Obwohl sie also, wie man hieraus
sieht, von Seiten der Behörden und der Bürger in den Herzogtümern sehr
gut behandelt wurden, so waren sie doch gegeneinander sehr unduldsam, und
des Dichters Worte fanden hier keinen Widerhall:
'Von hinnen will ich schreiten, den Wanderstab zu Hand,
ein Land der Freiheit suchen, nach Holland, Engelland.
Der Druck hat die die Juden Bedrückung auch gelehrt;
Wohl wird er Duldung üben, wo Duldung er erfährt.'
So nur unter sich lebend, von der Außenwelt streng abgeschlossen, machten
ihnen endlich die Ereignisse des 19. Jahrhunderts Aussicht auf die lang
ersehnte bürgerliche Gleichstellung. Doch so schnell ging diese
Angelegenheit der Juden in den Herzogtümern nicht, denn als im Jahre 1840
in den schleswig-holsteinischen Ständen von der Emanzipation der Juden
die Rede war, legte wohl mancher Biedermann einige beherzigenswerte Worte
für die Juden ein, doch der alte Zopf des Junkertums und der blinde Eifer
der Geistlichkeit spieen Gift und Galle gegen die Emanzipation, und
brachten alte Anschuldigungen und verknöcherte Vorurteile gegen die armen
friedliebenden Juden vor. Selbst Männer, wie Graf
von Baudissin, von Holstein, von Reventlow u.a. wetteiferten
miteinander gegen die Ansprüche der Juden, 'da sie nur Geduldete im Lande
seien.' Alles Entgegnen von Seiten der Bessergesinnten blieb fruchtlos,
und die Juden mussten in ihrer alten schmerzlichen Abgeschlossenheit
verharren. |
Dänemark
trifft hierbei keine Schuld, da die Dänen der Emanzipation nicht entgegen
waren und in ihrem eigenen Lande die Juden schon längst emanzipiert
hatten. Die Schuld trifft somit nur die schleswig-holsteinischen Stände,
da diese vom deutschen Bunde die Privilegien dazu hatten, dem Lande
Gesetze vorzuschreiben. Aber alles hat sein Ende, und das Jahr 1864
brachte den Juden endlich die erwünschte Erlösung. Die Stände verloren
ihre Souveränität, der preußische Aar nahm die Juden unter seine
beschätzenden Fittiche und gab ihnen die ihnen gebührend bürgerliche
Stellung. Der Jude brauchte nicht mehr in seinem Ghetto zu bleiben, da die
lokalen Schranken gefallen waren. Ja Preußen verstand es, durch Milde und
weise Einrichtungen sich die Herzen der Juden zu
gewinnen.
Die Gerichtsbarkeit, die bis jetzt in den Händen des Oberrabbinats in Altona
lag, ging in die Hände der preußischen Regierung über, während sie den
Juden bis 1871 eine eigene Armenkommune ließen. Zum Beweis, dass auch in Schleswig-Holstein
Schritte zur vollständigen Emanzipation der Juden geschehen sind, sei nur
erwähnt, dass sich in den schleswig-holsteinischen Ständen ein Jude, der
Justizrat Warburg aus Altona befindet, dass in Schleswig
ein Jude Polizeianwalt geworden, dass in Rendsburg ein Jude, Ludwig
Nathan, von der Firma J. C. Nathans Söhne, zum Stadtverordneten gewählt
worden ist. Schließlich will ich noch bemerken, dass die Juden an allen
Orten, wo sie wohnen, sehr geachtet und geehrt sind, und allenthalben zu
Ehrenämtern und Vertrauensmännern gewählt werden. Im letzten Kriege
haben viele Juden aus den Herzogtümern in den Reihen der Krieger für das
Vaterland gekämpft, und mancher ist freiwillig zu den Fahnen geeilt, um
an dem heiligen Kampfe teilzunehmen.
Da die meisten Aktenstücke der Provinz Schleswig-Holstein 1863 von den
Dänen nach Kopenhagen fortgenommen worden sind, so kann Näheres in
Betreff der Juden nicht mitgeteilt werden. Rendsburg, 5. Dezember
1871." |
Zum Tod des Kantors und Schochet Gottschalk Frankfurter
(1891)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Dezember 1891: "Rendsburg. Am 4.
vorigen Monats starb der langjährige Kantor und Schochet der hiesigen
Gemeinde, Herr Gottschalk Frankfurter, nachdem derselbe wohl über 20
Jahre diesen Ämtern segensreich vorgestanden. Vordem fungierte
Frankfurter viele Jahre in Fridericia und genoss in beiden Gemeinden große
Hochachtung. Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens." |
Spende von Leo Frankfurter - Enkel von Gottschalk
Frankfurter - für die Gemeinde Heusenstamm (1921)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 26. Juli 1921: "Kreis Offenbach. Leo Frankfurter in
Musoogee (Oglahoma; gemeint Muskogee
in Oklahoma), ein Enkel des Predigers Frankfurter seligen
Andenkens in Rendsburg, hat in treuer Anhänglichkeit an seine
Heimat in Heusenstamm in
Gemeinschaft von mehreren Gönnern und Freunden eine hochherzige Spende
von mehreren tausend Mark der israelitischen Gemeinde überwiesen, sodass
dieselbe in den Stand gesetzt ist, ihr Gotteshaus mit elektrischer
Beleuchtung zu verzieren und den Wiederaufbau der verfallenen
Friedhofsmauer herzustellen." |
Kantor Gerson Schlumper aus Stenschewo kommt nach Rendsburg (1909)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. September 1909: "Rendsburg, 6.
September (1909). An die Stelle des von hier nach Berlin übergesiedelten
Kantors Herrn Löwy, der 17 Jahre an der hiesigen israelitischen Gemeinde
amtierte, ist der Kantor, Herr Gerson Schlumper aus Stenschewo in Posten
getreten." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Goldene Hochzeit von Israel Elkan und Esther geb.
Matthies (1847)
Artikel in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 31.
August 1847:
Der Artikel konnte noch nicht abgeschrieben werden, kann aber durch
Anklicken der Textabbildungen gelesen werden. |
|
25-jähriges Amtsjubiläum des Gemeindevorstehers Rheindorff (1861)
Anmerkung es handelt sich um den langjährigen Vorsteher und
Unternehmer David Hirsch Isaak Rheindorff.
Vgl. Literatur: Frauke Dettmer: David Hirsch Isaak Rheindorff -
Rendsburger Bürger, Unternehmer und Stadtverordneter. Artikel im Rendsburger
Jahrbuch 2013. S. 45-53.
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14. Mai 1861: "Rendsburg
(Holstein), 17. April. Vor einigen Tagen feierte der Vorsteher der
hiesigen israelitischen Gemeinde, Herr Rheindorff (statt:
Scheindorff), sein 25-jähriges
Amtsjubiläum. In Anerkennung seines unermüdlichen Strebens und seiner
rastlosen Tätigkeit für das Wohl der Gemeinde, namentlich seiner
Verdienste um den Bau einer Synagoge, beschenkte ihn die Gemeinde mit
einem trefflichen Bilde, welches die Synagoge und die Schule darstellt,
ließ ihm dieses durch eine Deputation mit angemessener Ansprache überreichen
und feierte den Tag festlich. Möge der Jubilar sein Amt noch viele Jahre
mit gewohnter Energie verwalten." |
Zum Tod des Gemeinde- und Schulvorstehers usw. M. Ph.
Jacob (1900)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22. März 1900: "Rendsburg,
15. März (1900). Ein Wehklagen wird aus unserer Stadt vernommen, denn die
Zierde unserer Gemeinde, unser Führer und Vorbild unseres alltäglichen,
wie auch religiösen Lebens, Herr M. Ph. Jacob, gewesener Gemeinde- und
Schulvorsteher, langjähriger Maggid (Vorsteher) der hiesigen Chewra-Kaddischa
(Wohltätigkeitsverein), ein
Mann, der alle Tugenden eines edlen Israeliten besaß, ist am 28. Februar
von uns abberufen worden. Die hiesige Gemeinde betrauert in ihm einen Mann
von seltenen Eigenschaften, einen Mann der jüdischen Pflichttreue. Viele
hat er in den Abrahamsbund aufgenommen (sc. als Beschneider). Wahre,
ungeheuchelte Frömmigkeit, ein mildtätiger Sinn für alles Gute und Edle
bildeten die Grundzüge seines Charakters. Das Wort unserer Weisen: 'Dein Haus sei stets der Mildtätigkeit geöffnet und die Armen sollen
bei dir ein- und ausgehen', erfüllte er im wahren Sinne des Wortes,
denn sein Haus war stets für die Armen geöffnet und seine hilfreiche
Hand war bereit, stets mit Rat und Tat den Bedrängten beizustehen. Da das
Begräbnis gerade am Rosch-Chodesch vor sich ging, musste von einer
eigentlichen Trauerrede Abstand genommen werden. Nur der Schwiegersohn,
Herr L. Tannenwald aus Hamburg, erwähnte in kurzen Worten die Vorzüge
des Verblichenen, die uns als aneiferndes Beispiel dienen mögen. Am Grabe
ergriff noch der Neffe des Verstorbenen, Herrn Herrmann Philipp aus
Hamburg, das Wort und schilderte in schönen Worten seine Glaubenstreue,
seine seltene Vaterliebe, sein Leben und Wirken als Mensch und Bürger
dieser Stadt, der er von Herzen zugetan war und endlich seinen biederen
und bescheidenen Charakter. Die Rede macht auf alle Anwesenden einen
tiefen Eindruck. Von der Beliebtheit, dessen sich der Verstorbene in allen
Kreisen erfreute, zeugte die allgemeine Teilnahme bei seinem Leichenbegängnisse.
Nicht nur eine große Anzahl angesehener Bürger unserer Stadt, sondern
auch aus der Ferne waren viele Freunde und Verehrer des hoch geschätzten
Mannes herbeigeeilt, um ihm die letzte Ehre zu erweisen." |
Tod und Vermächtnis von Samuel Nathan
(1885)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Oktober 1885: "Rendsburg. 23.
September (1885). Sie berichteten unlängst über das Hinscheiden des so
überaus wohltätigen Herrn Samuel Nathan – er
ruhe in Frieden. Am Tage vor dem Versöhnungsfeste wurde der hiesigen
israelitischen Gemeinde ein dreiarmiger silberner Leuchter für die
Synagoge derselben übergeben, welcher nach testamentarischer Verfügung
des Verewigten ist angefertigt worden. Zahlreiche Legate ehren sein
Andenken für alle Zeiten. 1000 Mark bestimmt er zur Feier seines
Jahrzeittages, 1000 Mark zum Besten des hiesigen Friedhofs, 500 Mark zur
Anschaffung von Öfen in unserer Synagoge, 300 Mark der Talmud-Toraschule,
deren Vorsteher er viele Jahre war; ferner erhält diese Schule später,
nach Ableben eines Seitenverwandten, den sechsten Teil eines Kapitals von
20.000 Mark. Wie sehr sich die ganze Familie Nathan durch Wohltätigkeit
auszeichnet, geht auch aus dem Umstande hervor, dass zwei Brüder des
Verewigten, die Herren Mayer und Ludwig Nathan, welche im vorigen Sommer
ihren Wohnsitz nach Kopenhagen verlegten, der hiesigen israelitischen
Gemeinde vor vier Wochen 2.000 Mark zu einer wohltätigen Stiftung zum
Andenken an ihre Eltern, Jakob Carsten Nathan und Röschen Nathan seligen
Andenkens übersandten." |
Silberne Hochzeit von Martin Meyer und der
Dichterin Rosa Meyer (1900)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Januar 1900: "Rendsburg, 15.
Januar (1900). Ein schönes Fest, das sich in unseren Mauern vergangene
Woche abspielte, veranlasst mich, die löbliche Redaktion des
‚Israelit’ aufzusuchen. Am 7. Januar feierten Herr Martin Meyer und
seine Gattin, die rühmlichst bekannte Dichterin, wir erinnern nur an die
Gedichte zu den Oppenheimer’schen Bildern, Frau Rosa Meyer, das Fest
ihrer silbernen Hochzeit. Eine große Menge von Gratulanten war persönlich
erschienen, um ihre Glückwünsche darzubringen, außerdem liefen noch
briefliche Gratulationen und telegraphisch dargebrachte Glückwünsche
nach vielen Hunderten ein. Unter den vielen wertvollen Geschenken, die in
großer Menge aus Nah und Fern eintrafen und für die Hochachtung und
Verehrung des Jubelpaares kräftiges Zeugnis ablegten, ragte besonders das
schöne Geschenk des Oberrabbiners Herrn Dr. Lerner - Altona hervor. Das
in Verleihung des ‚Chower’-Titels dem Jubilar als Überraschung von
Herrn Dr. jur. Lewi – Altona überbracht wurde. Diese Auszeichnung ist
einem Würdigen zuteil geworden, denn Herr Meyer ist Einer derer, deren
Wahlspruch ist: 'Ein Freund bin ich allen, die dich (sc. Gott)
fürchten' (Psalm 119,63). Diese Würde ist wert eines Mannes, der
sich in seiner wahrhaftigen und aufrichtigen Liebe für unsere Emunah
(Wahrheit), für das Fortbestehen unserer Gemeinde unendliche Verdienste
erworben hat. Zur Gratulation hatten sich auch viele Deputationen
eingefunden. So erschienen eine Deputation der israelitischen
Kultusgemeinde und eine Abordnung der Chewra Kadischa, deren Vorsteher der
Jubilar ist und überbrachten nebst ihren wertvollen Geschenken auch die
besten wünsche der Gemeinde. Ein hiesiger Leseverein, der sich aus der
Intelligenz der städtischen Bürgerschaft zusammensetzt, sendete 15
Vorstandsmitglieder und überbrachten dieselben ein sehr wertvolles
Silbergeschenk, dabei hielt der Vorsteher, Herr Rektor Luchs, eine
herzliche Ansprache. Die Verdienste des Jubilars als Vorsteher unserer
Gemeinde wurden besonders von Herrn Gerichtssekretär Holde vollauf gewürdigt.
Er verstand es, in schönen Worten seine, sowie der Gemeinde Wünsche, für
den nimmer rastenden Geist, für die nie schlaff werdende Kraft des
Jubilars, kräftig Ausdruck zu verleihen. Aber auch die edle Gattin darf
an der Seite ihres würdigen Gatten mit Ehre benannt werden. Diese edle
Frau versteht es nicht nur, in ihrem nächsten Kreise Glauben und Treue
zum angestammten Väterglauben aufrecht zu erhalten, sie ist nicht nur das
Musterbild jüdischer Frauentugend, sie versteht es auch, mit der Kraft
ihrer gedankenreichen Poesie die Herzen ihrer Glaubensgenossen in der
Ferne für das Schöne und Erhabene unserer heiligen Religion zu entzünden,
wie wir selbst Gelegenheit hatten aus ihrem Werke ‚Jüdisches Leben’
wahrzunehmen. Uns beseelt aber der Wunsche: möge es diesem Paare gegönnt
sein, dem edlen Werk, das sie bis jetzt so kräftig unterstützten, auch
fernerhin, in den späten Tagen des Greisenalters, kräftig zur Seite
stehen zu können. Mögen sie im Verein ihrer lieblichen Kinderschar
gemeinsam das edle Werk von 'die Ausstrahlung der Tora zu erhöhen und
um sie groß zu machen' in unserem Kreise vollenden. Amen." |
Der Gemeindevorsteher Martin Meyer nimmt eine Stelle in Frankfurt am Main an
(1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. September 1901: "Rendsburg,
im Elul. Unsere kleine Gemeinde, die seit Jahren in Abnahme begriffen,
verliert in den nächsten Tagen wieder eines ihrer eifrigsten und
hingebungsvollsten Mitglieder. Unser Vorsteher, Herr Martin Meyer,
ist nämlich zum Verwalter des israelitischen Hospitals in Frankfurt am
Main erwählt worden und obzwar wir ihm, als auch seiner gesinnungstreuen
und äußerst streng jüdisch-denkenden Gattin keine bessere
Wirkungsstätte als Frankfurt wünschen können, so müssen wir es doch im
Interesse unserer Gemeinde innigst bedauern, dass uns ein solches Mitglied
verloren geht. Die hiesige Chewra-Kadischa, wie auch der Israelitische
Frauen-Verein, dessen Vorsteherin Frau Meyer einige Jahre war,
veranstalteten auch zu Ehren des scheidenden Paares eine große
Abschiedsfeier, wobei fast alle Mitglieder der Gemeinde anwesend waren.
Bei dieser Gelegenheit wurden ihnen auch wertvolle Andenken von den
Vereinsvorständen übermittelt. In rührenden Worten dankten Herr und
Frau Meyer und betonten, dass sie mit schwerem Herzen Rendsburg verlassen,
denn sie werden lange arbeiten müssen, um sich wieder so viele Freunde zu
erwerben. Wir wünschen nun, dass sie in ihrem neuen Wirkungskreise finden
mögen, was sie stets erstrebt haben und ihnen sowohl als auch ihren
Kindern eine Quelle des Heils aus der Stadt und Mutter in Israel
entspringen möge." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeigen von L. M. Salomon (1873)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 2. September
1873: "Vom Unterzeichneten wird eine kinderlose Witwe oder ein
Mädchen in gesetztem Alter, israelitischer Konfession, zur Führung des
Haushalts und zur Stütze zweier älteren Leute gesucht. Reflektierende
tüchtige Personen wollen sich unter Angabe des Honorars sofort
melden.
L.M. Salomon in Rendsburg (Holstein)." |
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Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 30. September
1873: "Ein jüdisches Mädchen gesetzten Alters oder eine kinderlose
Witwe wird zur Leitung und Führung des Haushalts für einen erblindeten
Mann, dessen Frau kürzlich starb, bei gutem Honorar zu engagieren
gewünscht. Offerten unter Anfügung von Zeugnissen und Gehaltsbedingungen
nimmt baldigst entgegen
L.M. Salomon in Rendsburg in
Holstein." |
Fotos
Historische Fotos:
(Quelle: Aufnahmen obere Zeile Mitte und rechts von
Friedrich Schröder 1934; die Abbildungen in den Beiträgen von Frauke Dettmer
s.Lit.; die Aufnahme des Toraschreines befindet sich als Großaufnahme im
restaurierten Betsaal des Museums)
Historische
Aufnahmen der Synagoge |
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Jüdische Schule
und Synagogengebäude
in der Prinzessinstraße
(Foto um 1920) |
Blick auf die Bima
des Betsaales mit
dem Lesepult für die Tora; im
Hintergrund die Frauenempore |
Der
Toraschrein der Rendsburger
Synagoge, rechts geöffnet
mit den Torarollen |
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Die
Fischräucherei im
Synagogengebäude 1939 bis
Anfang der 1980er-Jahre
(Fotos von Ole Harck im Beitrag
von Frauke Dettmer s.Lit.) |
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Blick auf das
Gebäude vom Innenhof
der ehemaligen Synagoge
(1970er-Jahre) |
Lager
der Fischräucherei auf
der Zwischendecke im Synagogensaal
(Foto von 1978) |
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Eröffnung des
Jüdischen Museums
am 6. November 1988 |
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Am Rednerpult die
damalige
Bildungsministerin des Landes
Schleswig-Holstein, Eva Rühmkorf |
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Neuere Fotos:
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 24.8.2003)
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Hinweisschilder am Eingang
der
Prinzessinstraße |
Der Gebäudekomplex
in der
Prinzessinstraße |
Hinweistafel am
"Dr. Bamberger-Haus" |
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Die ehemalige Synagoge
(Hintergebäude) |
Aufgang zur ehemaligen
Frauenempore |
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In der ehemaligen Synagoge -
Blick
von der Frauenempore |
Blick vom Betsaal
zur
Frauenempore |
Blick auf die Nische des
ehemaligen Toraschreines |
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Ausstellung auf der
ehemaligen
Frauenempore |
Ausstellung in der ehemaligen
jüdischen Schule |
Ein Höhepunkte der
Ausstellungen:
Werke von Max Liebermann und
anderer jüdischer Künstler |
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Ausstellung in der ehemaligen
jüdischen Schule |
Der Zugang zur ehemaligen
Mikwe
(von der Prinzessinstraße aus) |
Das restaurierte Tauchbecken
der ehemaligen Mikwe |
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Die Namen der in der NS-Zeit
ermordeten Rendsburger Juden |
Einzelne Namen |
Zum Gedenken an Ignatz Bubis
(1927-1999) |
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Hochauflösendes
Foto im Wikipedia-Artkel zu "Jüdisches Museum Rendsburg" |
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Einzelne Presseberichte
November
1988-2008: 20 Jahre Jüdisches Museum Rendsburg |
Artikel von Esther Geisslinger in der "taz" vom 24. Oktober 2008
(Artikel):
"Jüdisches Museum Rendsburg. Ältestes seiner Art
Vor 20 Jahren gründete sich in Rendsburg das erste Jüdische Museum Deutschlands. In der ehemaligen Synagoge sind jüdisches Leben und Kultur dokumentiert.
Eine Ziegelwand im Innenhof erinnert an die jüdischen Familien, die in den 1930er Jahren in Rendsburg verfolgt und getötet wurden. Nur noch rund 30 Menschen umfasste die Gemeinde, die in ihrer Blütezeit aus gut 300 Personen bestand. 1845 bauten sie eine neue Synagoge. Das Gebäude hat den Holocaust überstanden und beherbergt heute ein Museum - 20 Jahre wird es im November alt und ist damit nicht nur das nördlichste, sondern auch das älteste jüdische Museum in Deutschland.
"Heutzutage scheint es so klar zu sein: Eine ehemalige Synagoge wird ein Kulturhaus oder ein Museum", sagt der heutige Leiter des Hauses, Christian Walda. "Aber vor 20 Jahren gab es keine Vorbilder, kein Konzept." Wie gut die Konzepte jüdischer Museen heute sind, ist durchaus eine Streitfrage. Der Publizist Richard Chaim Schneider schrieb nach der Entscheidung, auch in München ein solches Haus zu eröffnen, im Tagesspiegel: "Tatsache ist, dass Jüdische Museen in Deutschland wenig mit Juden, aber viel mit der Mehrheitsgesellschaft, ihren Vergangenheitsbewältigungsritualen, ihren dumpfen, zum Teil unbewussten Schuldgefühlen, häufig auch mit Vorurteilen zu tun haben." Jüdische Museen, die zumeist von Nichtjuden geleitet und konzipiert werden, würden die "Rückkehr der toten Juden" simulieren.
Christian Walda teilt diese Bedenken, sieht allerdings einen Wandel: "Bei den älteren Museumsleuten gibt es diesen Rattenschwanz aus schlechtem Gewissen, die große Frage, wie mit der negativen Geschichte umgegangen wird. Die jüngere Generation, die sich persönlich nicht mehr haftbar machen lässt, geht sachlicher ran: Im Mittelpunkt einer Ausstellung stehen die Dinge, die gezeigt werden."
So auch in Rendsburg, wo nicht nur "jüdisches Leben in alter Zeit" gezeigt wird, sondern wechselnde Kunstausstellungen einen Überblick über die Werke moderner und älterer jüdischer Künstler geben. Im Programm waren Werkschauen von Max Liebermann oder Felix Nussbaum, hinzu kommen Geschichtsausstellungen zu Einzelthemen, etwa "Diplomaten, die Juden retteten". Daneben gibt es Unerwartetes, etwa "Liz Taylor by Bob Willoughby".
Walda ist durchaus stolz auf sein kleines Haus. Bei einer Tagung der Leiter jüdischer Museen seien die Kollegen "baff" gewesen: "Wir haben ein Vollprogramm mit Dauerausstellung zu jüdischem Leben und Kultur, eine Dokumentation, vier Wechselausstellungen pro Jahr und sonstige Veranstaltungen" - das schafft nicht jedes größere Haus. Konzentrieren will sich Walda in Zukunft vor allem auf die Arbeit mit Jugendlichen.
Die jüdische Gemeinde in Rendsburg entstand im 17. Jahrhundert, als der dänische König Christian V. eine Handvoll Städte in Schleswig-Holstein, darunter Rendsburg, Altona und Friedrichstadt, für Juden öffnete, um Neubürger zu gewinnen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verließen viele Familien die norddeutsche Provinz - daher war hier die Zahl der Todesopfer in den ehemaligen Zentren jüdischer Kultur gering. In der Pogromnacht, die sich in diesem Jahr zum 70. Mal jährt, brannte auch die Rendsburger Synagoge, allerdings nur im Inneren.
Es ist Besonderheit, dass das historische Gebäude, die ehemalige Synagoge mitsamt Frauenempore, dem Ritualbad Mikwe im Keller und benachbarter Talmud-Thora-Schule erhalten blieb. Das geschah allerdings aus eher pragmatischen Gründen: "Man wollte in der engen Straße keinen Brand riskieren, außerdem wollte ein Nachbar das Haus kaufen", sagt Walda. Von 1939 bis in die 80er Jahre hinein wurden im Betsaal Fische geräuchert. Erst bei der Aufarbeitung der Stadtgeschichte wurde das Gebäude in seiner eigentlichen Funktion wiederentdeckt und unter Denkmalschutz gestellt. Seit 2003 gehört das Museum, dessen Name "Dr.-Bamberger-Haus" an einen Rendsburger Arzt und ein Opfer der Nationalsozialisten erinnert, zur Stiftung schleswig-holsteinischer Landesmuseen." |
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November 2013:
25 Jahre Jüdisches Museum Rendsburg |
Artikel von Sabine Sopha in der shz.de vom
3. November 2013 (Link
zum Artikel): "Rendsburg - Jüdisches Museum feiert Jubiläum
Als am 6. November 1988 das Jüdische Museum in der ehemaligen Synagoge in Rendsburg eröffnet, ist es deutschlandweit erst das zweite Haus dieser Art. In Norddeutschland bleibt es das einzige. Heute feiert es Jubiläum mit einem Festakt.
Rendsburg. Das Haus ist äußerlich unscheinbar. Aber als zweifach einzigartig bezeichnet Leiter Christian Walda sein Museum in der Rendsburger Innenstadt. Einzigartig ist der Gebäudekomplex. Denn erhalten sind nicht nur die Synagoge mit Mikwe, dem rituellen Bad, und Betsaal, sondern auch die daneben liegende Talmud-Tora-Schule.
'Und die Ausstellungen in bildender Kunst sind unser
Alleinstellungsmerkmal', hebt der Museumschef stolz hervor. Gerade endete die Schau mit Werken der Surrealistin Meret Oppenheim. Der Grafiker Georg Eisler wurde hier ausgestellt oder mit Fotografien an den Regisseur Billy Wilder erinnert. Was die Protagonisten eint: Sie alle waren Juden.
Natürlich gehört auch die Präsentation von jüdischer Religion und Identität zur Aufgabe des Hauses. Die aktuelle Sonderschau gibt einen guten Einblick in den jüdischen Alltag. Es sind Fotos von Gisela Floto. Sie zeigen Jungen mit Kippas, die sich konzentriert über Texte beugen. Die Kippa, eine kleine kreisförmige Mütze, wird von Männern und Jungen beim Besuch der Synagoge oder auf dem Friedhof getragen. Sie darf auch gerne verziert sein – selbst mit Micky-Maus-Motiven, wie ein Ausstellungsstück im Rendsburger Museum beweist.
Die Rendsburger Talmud-Tora-Schule war schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur noch schwach besucht. Lediglich 30 Mitglieder zählte die Gemeinde in den 1930-er Jahren, weiß Walda. Dass weder Schule noch Synagoge während der Pogrome 1938 brannten, mag daran liegen, dass in dem Wohnviertel Neuwerk die Häuser eng beieinander stehen. Danach wurden die Gebäude zur Fischfabrik umfunktioniert – und in den 1970er Jahren erinnerte sich kaum noch ein Rendsburger daran, dass hier einmal gebetet wurde.
Als am 6. November 1988 das Museum in der ehemaligen Synagoge eröffnet wurde, war es deutschlandweit (nach Augsburg) das zweite Haus dieser Art. In Norddeutschland ist es bis heute das einzige. Rund 8000 Besucher registrieren Christian Walda und sein Team pro Jahr – bei einem Eintrittspreis von nur drei Euro. In der Museumsszene würdigt man die Einzigartigkeit des Rendsburger Kleinods.
'Es ist wohl das wichtigste Museum in der mittleren Kategorie', lautet die Einordnung von Walda. Auch mit seiner Angliederung an die Stiftung Landesmuseen ist sein Stellenwert richtig gewürdigt, so der Leiter.
'Aber die Schleswig-Holsteiner neigen zum Tiefstapeln', bedauert er die landesweit eher mäßige Wahrnehmung. Zwar war hier einst eine Rendsburger Gemeinde beheimatet, doch präsentiert wird die Geschichte der Juden in Schleswig-Holstein und damit ein Stück Landesgeschichte.
Zum 25-jährigen Jubiläum hat das 1844 erbaute Gebäude ein kleines Lifting erhalten und empfängt die Besucher mit einem verjüngten Eingangsbereich. Unter anderem wurden außerdem die Kellerräume mit der Mikwe restauriert. Die 200.000 Euro dafür stammen aus dem Investitionsprogramm Kulturelles Erbe.
Momentan ist ein zweiter Schritt der Modernisierung in Arbeit – die Umgestaltung der Dauerausstellung, die größtenteils auf der ehemaligen Frauenempore gezeigt wird. Die neue Präsentation soll ein Mittel sein, um für mehr landesweite Beachtung zu sorgen. Denn
'neue Besucherschichten erreichen wir nur über neue Formen der
Wissensvermittlung', erklärt Museumsleiter Walda. Ende 2014 könnte es so weit sein.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) hat beim Festakt am Sonntag anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Museums zu couragiertem Handeln gegen Antisemitismus aufgerufen.
'Wir müssen uns überall, wo wir stehen, gegen religiöse, kulturelle und rassistische Diskriminierung
stellen', forderte Albig beim Festakt am Sonntag in Rendsburg. 'Die Vergangenheit darf auf keinen Fall zu einem reinen Kapitel des Geschichtsunterrichts
erstarren', mahnte auch der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan J. Kramer.
'Uns geht es um die Warnung für die Zukunft vor dem Ungeist der
Vergangenheit.'
Jüdisches Museum, Rendsburg, Prinzessinstr. 7-8. Öffnungszeiten: Di.-So. 12-17 Uhr.
www.jmrd.de
" |
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August 2014:
Nach einer Renovierung ist das Jüdische Museum
wieder geöffnet |
Artikel von Heike Linde-Lembke in der
"Jüdischen Allgemeinen" vom 7. August 2014: "RENDSBURG.
Mikwe, Malen, Multimedia
Jüdisches Museum nach Renovierung wieder geöffnet – 2018 ist es auch wissenschaftlich up to date
'Die Kacheln sind nicht original', sagt Christian Walda, Leiter des Jüdischen Museums Rendsburg an der Prinzessinstraße 7. Die Mikwe im Keller ist trotz dieser Zweifel ein Solitär in dem Gebäude der ehemaligen Synagoge.
Eine jüdische Gemeinde gibt es in der Stadt mit ihren knapp 27.500 Einwohnern heute nicht mehr. Einst war die Synagoge ein prächtiger Bau. Auch sie wurde 1938 in der Pogromnacht geschändet. Ein Jahr später musste die Jüdische Gemeinde ihr Zentrum mit der Talmud-Tora-Schule an das NS-Regime abgeben. 1933 lebten noch 30 Jüdinnen und Juden in Rendsburg, 1942 meldeten die Nazis, auch Rendsburg sei
'judenfrei'. Vom Zuzug der Kontingentflüchtlinge nach der Wende der 90er-Jahre konnte Rendsburg nicht profitieren, und so wurde die ehemalige Synagoge mit der Talmud-Tora-Schule ein Museum.
'Und das haben wir jetzt völlig umgestaltet', sagt Walda.
Dem Leiter des Jüdischen Museums ging es bei der Neugestaltung um eine gezielte, didaktisch sich sofort erschließende Information über das Judentum, vor allem im Alltag.
'Dazu haben wir die neuen Medien genutzt', sagt Walda. Die Besucher finden an jeder Station Tablets, mit deren Hilfe sie sich informieren können..."
Link
zum Artikel |
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Februar 2015:
Erinnerung an die Geschichte von
Herbert Gortakowski
Anmerkung: in der Prinzessinstraße 8 wurden "Stolpersteine" verlegt für
Jakob Fordonski (1887) und Rosa Fordonski geb. Fraenkel (1895).
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Artikel von Helma Piper in der
"Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung" vom 4. Februar 2015: "Eine
behütete Jugend in der Hohen Straße. LZ-Serie über die Rensburger Opfer im
Nationalsozialismus.
Die Steine mit den Messingplatten sind klein, nur zehn mal zehn
Zentimeter. Der Künstler Gunter Demnig hämmert unter der stets gleichen
Überschrift 'Hier wohnte' einen Namen, einige Daten und Orte in die
Oberfläche. So wird mit bewusst dürren Worten ein Menschenleben umrissen,
das fast immer in einem Lager der Nazis endete. Die 'Stolpersteine' in
Rendsburgs Gehwegen sollen an die Opfer der NS-Diktatur erinnern. Wer waren
diese Menschen, die einmal zum Rendsburger Leben dazugehörten, ehe sie
'verschwanden'? Die Serie 'Steine gegen das Vergessen' stellt ihre
Lebensgeschichten vor. Heute steht Herbert Gortatowski im Mittelpunkt. Das
Foto ist ein Geschenk an die Verlobte: 'Meinem lieben Friedchen' steht auf
der Rückseite geschrieben. Die Aufnahme, entstanden um 1931, wird im Archiv
des Jüdischen Museums Rendsburg aufbewahrt. Das Bild zeigt Herbert
Gortatowski. Der junge Mann auf dem vergilbten Dokument hatte einen
weitsichtigen Verstand. Der jüdische Kaufmannssohn aus Rendsburg erkannte
klar die Gefahr des NS-Terrors und schaffte es als einziger von drei
Geschwistern, rechtzeitig vor dem Holocaust seine Heimat zu verlassen.
Herbert Gortatowski war zum Zeitpunkt der Aufnahme etwa 26 Jahre alt. Der
Sohn einer jüdischen Familie, die in den 1890-er Jahren nach Rendsburg
gezogen war, wohnte mit Mutter, Bruder und Schwester in der Hohen Straße Nr.
6. In dem Haus mit dem schönen Treppengiebel befand sich seit der
Jahrhundertwende das Bekleidungsgeschäft seiner Eltern. Der Vater starb
früh. Herbert war erst zehn Jahre alt, als Bernhard Gortatowski 1915 auf dem
jüdischen Friedhof in Westerrönfeld beigesetzt wurde. Die Mutter Johanna
wurde 1934 neben ihrem Ehemann beerdigt. Das Familiengrab befindet sich noch
heute dort. Vieles deutet darauf hin, dass Herbert, der 1905 geboren wurde,
eine behütete Jugend erlebte. Eine ehemalige Freundin der Familie, deren
Eltern im Nachbarhaus der Gortatowskis eine Gastwirtschaft betrieben,
erinnert sich: 'Als Wirtstochter lief ich ja zu Hause nur so nebenher, aber
bei den Gortatowskis war ich immer willkommen. Es war eine phantastische
Familie, ich habe da schöne Jahre gehabt.' Herbert ging auf das Gymnasium,
die heutige Herderschule. Er spielte Geige und trat auch in einem
Schülerkonzert auf. Am 17. März 1925 legte der intelligente Schüler sein
Abitur ab. In einer Beurteilung heißt es: 'Herbert Gortatowski ist ein
anspruchsloser, etwas stiller Mensch, der nicht jeden in sich hineinsehen
lässt, ohne dass man ihn deswegen als verschlossen bezeichnen möchte. Bei
genügender Begabung besitzt er einen klaren, nüchternen Verstand, und da
sich mit diesem Fleiß und stete Aufmerksamkeit verbinden, so sind seine
Leistungen, wenn auch zeitweise etwas schwankend, im allgemeinen voll
genügend. Seine Reife erscheint zweifellos.' Der Herderschüler studierte
nach dem Abitur Jura in Hamburg und Frankfurt am Main. 1930 brach er das
Studium ab und folgte einem Freund aus der Heimat nach Venezuela. Nach knapp
einem Jahr kehrte er zurück und verlobte sich in Rendsburg mit einer
Cousine, Frieda Aronsohn aus Berlin. Der junge Mann hatte seine Braut, die
er zärtlich Friedchen nannte, bei einem Verwandtenbesuch kennen gelernt.
Zwei Jahre später, 1932, zog das Paar nach Spanien. Dort heirateten Herbert
und Frieda. Der Ehemann arbeitete für eine Frachtfirma, übersetzte Spanisch,
Französisch, Englisch und Deutsch. Herberts Frau kam 1936 wegen einer
Lungenoperation nach Deutschland zurück. Er selbst flüchtete, noch bevor
Frieda nach Spanien zurückkehren konnte, vor dem spanischen Bürgerkrieg nach
Frankreich. Im Januar 1937 wanderten die beiden nach Argentinien aus. In der
neuen Heimat kamen 1938 ihre Tochter Johanna Kläre und 1943 ihr Sohn Thomas
zur Welt. Gleich nach der Einwanderung versuchte Herbert, seine Geschwister
ebenfalls zur Flucht zu bewegen. In seiner Heimatstadt hatten Bruder Walter
und Schwester Wally 1936 das Geschäft schließen müssen. Es kamen keine
Kunden mehr. In dem benachbarten Gasthaus in der Hohen Straße, das in ein
Wiener Café umgebaut worden war, gab es ein Telefon. Die Wirtstochter
berichtet, dass Herbert immer wieder aus Argentinien angerufen habe. Walter
musste dann rüberkommen an den Apparat. Der Anrufer habe gedrängt: 'Kommt,
kommt so schnell wie möglich.' Auch Herberts Tochter Johanna Kläre
beschreibt in einem Brief die verzweifelten Versuche ihres Vaters, Bruder
und Schwester zu retten: 'Unser lieber Vater war so klug, dass er schon
damals sagte, es würde etwas sehr Schlimmes in Deutschland geschehen und hat
später in Argentinien so gedrängt, dass seine Geschwister herkommen sollten,
hatte natürlich die Einreise für sie. Leider haben sie nicht auf ihn gehört
und als sie sich entschlossen hatten, war es zu spät.' Bruder Walter wurde
1941 als Zwangsarbeiter in Berlin bei Gleisbauarbeiten unter mysteriösen
Umständen von einer Lokomotive erfasst und getötet. Wally überlebte den
Nationalsozialismus in einem Versteck, wanderte 1949 mit ihrem Mann nach
Argentinien aus und nahm sich 1979 als Folge des lebenslangen Traumas in
Rendsburg das Leben. Herbert erlag im Alter von 54 Jahren 1959 in Buenos
Aires einer Krebserkrankung. 1995 besuchten die Kinder Johanna und Thomas
mit ihren Ehepartnern die Heimatstadt ihres Vaters, der 'mit Leib und Seele'
Schleswig-Holsteiner gewesen war. Ermöglicht wurde der Besuch durch eine
Spendenaktion und einen Zuschuss der Stadt Rendsburg. Herberts Frau starb in
Buenos Aires 1978 als 74-Jährige. Das Jugendfoto ihres Mannes mit der
liebevollen Widmung hatte Friedchen ihr Leben lang gehütet.".
Link zum Artikel |
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Juni 2015:
Erinnerung an das Schicksal von
Rosa und Jakob Fordonski |
Artikel von Helma Piper in der
"Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung" vom 23. Juni 2015: "Gegen das
Vergessen. Tauben unter dem Dach der Synagoge.
Viele Juden, die in Rendsburg lebten, wurden von den Nazis ermordet. Mit den
'Stolpersteinen' soll an die Opfer der NS-Diktatur erinnert werden. Auch
Rosa und Jakob Fordonski gehörten einmal zum Rendsburger Leben.
Die Steine mit den Messingplatten sind klein, nur zehn mal zehn Zentimeter.
Der Künstler Gunter Demnig hämmert unter der stets gleichen Überschrift
'Hier wohnte' einen Namen, einige Daten und Orte in die Oberfläche. So wird
mit bewusst dürren Worten ein Menschenleben umrissen, das fast immer in
einem Lager der Nazis endete. Die 'Stolpersteine' in Rendsburgs Gehwegen
sollen an die Opfer der NS-Diktatur erinnern. Wer waren diese Menschen, die
einmal zum Rendsburger Leben dazugehörten, ehe sie 'verschwanden'? Die Serie
'Steine gegen das Vergessen' stellt ihre Lebensgeschichten vor. Heute stehen
Rosa und Jakob Fordonski im Mittelpunkt. In der Nacht zum 10. November 1938
brachen in ganz Deutschland Männer in Braunhemden die Synagogen auf und
legten Feuer. Sie schlugen die Fensterscheiben jüdischer Geschäfte ein,
plünderten die Einrichtungen, und wenn ihnen jemand entgegentrat,
verprügelten sie ihn. Auch in Rendsburg verschafften sich Nazis in der
'Reichskristallnacht' Zugang zur Synagoge und zündeten einen Sprengsatz, der
den Thora-Schrein zerstörte. Allerdings wurde das Gotteshaus nicht in Brand
gesetzt, es wurde wohl ein Übergreifen der Flammen auf andere Häuser
befürchtet. Heute befindet sich in der Prinzessinstraße 8 das Jüdische
Museum und die Besucher 'stolpern' am Eingang über die Gedenksteine für Rosa
und Jakob Fordonski. Der letzte Gemeindediener der Synagoge in Rendsburg
wurde von den Kindern des Stadtviertels 'Onkel Jakob' genannt. Seine Frau
war bei den Kleinen als 'Tante Rosa' bekannt. Die beiden wohnten im
Erdgeschoss im Vorderhaus des Gebetshauses. Unter dem Dachboden gurrten die
Tauben. Jakob Fordonski durfte hier seine Tiere halten. Manchmal kam ein
Nachbarjunge vorbei und besuchte das Ehepaar, das keine eigenen Kinder
hatte. 'Onkel Jakob' stieg dann mit dem Knirps auf den Boden, wo der Kleine
die Tauben füttern durfte. Mit den Nachbarn gegenüber in der
Prinzessinstraße trafen sich Jakob und Rosa manchmal im Garten zum
Kaffeetrinken. Mindestens seit 1923 lebten die beiden in Rendsburg,
möglicherweise, weil es hier Bekannte aus ihrer Heimat gab. Rosa und Jakob
stammten aus dem Landkreis Kolo in Russisch-Polen. Auch Gerson Schlumper,
der ehemalige Schächter der Rendsburger Gemeinde, kam aus Kolo. Am 25. Mai
1923 trat das Ehepaar aus der jüdischen Gemeinde aus. 'Vielleicht hofften
Fordonskis, dass es durch den Austritt leichter sein würde, eine Arbeit für
Jakob zu finden', vermutet Dr. Frauke Dettmer, die die Geschichte der
Rendsburger Juden erforscht hat. Als Beruf hatte er 'Bohrer' angegeben. Der
Haupthinderungsgrund für eine Anstellung, zum Beispiel in der Carlshütte in
Büdelsdorf, wo er sich beworben hatte, war aber nicht seine jüdische
Konfession, sondern seine polnische Staatsangehörigkeit. In den 20-er
Jahren, Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, wurden zunächst deutsche
Staatsangehörige eingestellt, ehe Ausländer berücksichtigt wurden. Zudem war
Jakob lungenkrank. Schließlich beschäftigte ihn die jüdische Gemeinde als
Synagogendiener. Da er durch den Austritt nicht mehr als jüdisch galt, war
er in der Lage, Arbeiten zu verrichten, die etwa am Sabbat Juden nicht
erlaubt sind wie heizen, Licht anzünden und löschen. Viel konnte die kleine
Gemeinde nicht zahlen, so dass sich Jakob Fordonski ein wenig Geld durch
Heimarbeit hinzu verdiente. Das Adressbuch von 1925 verzeichnete ihn als
Stricker. Das Ehepaar sollte im Oktober 1938 in der so genannten
'Polenaktion' nach Polen abgeschoben werden. Doch die Polen hatten ihre
Grenze geschlossen. So kehrten die Fordonskis zunächst wieder nach Rendsburg
zurück, zogen aber noch 1939 nach Lübeck in die St. Annenstraße. Es ist
möglich, dass der Kontakt zur Lübecker Gemeinde durch Verwandte von Rosa
Fordonski zustande gekommen war. Zumindest lebte in Lübeck ein Ehepaar
Fraenkel, das ebenfalls aus Polen stammte, aus Kutno, eineinhalb Autostunden
von Kolo entfernt. Mit Kriegsbeginn galten alle polnischen Juden, die sich
noch in Deutschland aufhielten, als Bürger eines feindlichen Staates. Schon
vor den Massendeportationen wurden vor allem die Männer in die
Konzentrationslager gebracht. Das betraf auch Jakob Fordonski, der am 23.
Dezember 1939 in Lübeck verhaftet wurde. Bis zum 2. September 1940 war er
Häftling des Konzentrationslagers Buchenwald. Von dort wurde 'Onkel Jakob'
in das Konzentrationslager Dachau verschleppt, wo er am 14. Mai 1941 mit 54
Jahren ums Leben gekommen ist. Rosa Fordonski wurde am 6. Dezember 1941 mit
weiteren 91 Juden aus Lübeck in das Lager Riga-Jungfernhof im besetzten
Lettland deportiert. Ein Todesdatum für 'Tante Rosa' existiert nicht. Sie
gehört zu den Opfern, von denen es in der 'Todesfuge' von Paul Celan heißt:
'Sie sind verschollen, ermordet, haben ein Grab in den Lüften.'"
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Links und Literatur
Literatur:
| Moritz Stern: Festschrift zum 200-jährigen Jubiläum
der israelitischen Gemeinde in Rendsburg und zum 50-jährigen Bestehen der
Synagoge daselbst. Rendsburg 1895. |
| Stadt Rendsburg (Hg.), Edward Hoop: Geschichte der Stadt
Rendsburg, Rendsburg 1989. |
| Elke Steiner: Rendsburg Prinzessinstraße.
Die
Geschichte einer jüdischen Kleinstadtgemeinde, Bremen 2001. Buchvorstellung |
| Miriam Gillis-Carlebach (Hg.): Memorbuch zum
Gedenken an die jüdischen, in der Schoa umgekommenen Schleswig-Holsteiner
und Schleswig-Holsteinerinnen. Hamburg, Dölling und Galitz 1996. |
| Gerhard Paul/Miriam Gillis-Carlebach (Hg.):
Menora und Hakenkreuz. Zur Geschichte der Juden in und aus
Schleswig-Holstein, Lübeck und Altona. Neumünster 1998.
Hierin u.a. der Beitrag von Frauke Dettmer: Hinaus aus der Festung!
Der Niedergang der jüdischen Kleingemneinden am Beispiel Rensurg. S.
317-330. sowie dies.: "Warum sind diese Gebäude ein Museum?" Vom
Gemeindezentrum zum Dr. Bamberger-Haus und Jüdischem Museum Rendsburg S.
799-808. |
| Gerhard Paul/Bettina Goldberg: Matrosenanzug
– Davidstern. Bilder jüdischen Lebens aus der Provinz. Neumünster 2002. |
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Frauke Dettmer: "Bei uns war der Juden ebenso ein Mensch wie
jeder andere". Lebenswege Rensburger Juden 1933 bis 1945. Kiel 2016.
Wachholtz. Ca. 160 S. mit 80 Abb. ISBN
9783529062308.
Weitere
Informationen auf Verlagsseite. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Rendsburg Schleswig-Holstein. Incentives
offered by Christian V. of Denmark led to the establishment of a community there
in 1695. By 1835, the community had grown to 292 (3 % of the total) and ten
years later, Jacob Ettlinger, chief rabbi of Schleswig-Holstein, dedicated its
elegant new synagogue. In the last decades of the 19th century and the early
20th century, the community declined sharply, shrinking to just 30 Jews on the
eve of the Nazi takeover in 1933. Its property, including the synagogue, was 'Aryanized'
in 1938 and after Kristallnacht (9-10 November 1938) the community
disbanded. Those who did not manage to emigrate to safety died in Nazi camps and
ghettoes.
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Friedrichstadt,
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