Der mittelalterliche jüdische Friedhof in Speyer lag außerhalb
und nördlich der Stadtmauer gegenüber dem Judenturm westlich des ehemals auch von Juden
besiedelten Dorf Speyer (Altspeyer). Das Grundstück zur Anlage des Friedhofes
wurde von Bischof Rüdiger 1084 der jüdischen Gemeinde geschenkt. Er wurde in
der Folgezeit mehrfach erweitert. Als er nach der Judenverfolgung in der Pestzeit
(1349) umgepflügt worden war, gab die Stadt
einen Teil des Friedhofgeländes 1358 nach ihrer Wiederaufnahme an einzelne Juden in Erbpacht. Bei
der Vertreibung von 1405 fiel das Gelände an einen Christen. 1429 erlangte
die Judenschaft wiederum das Verfügungsrecht über den Friedhof. Nach der Vertreibung
der Juden 1435 wurde der Friedhof vom Rat der Stadt Speyer konfisziert
und an Christen verpachtet. Die Steine wurden abgeräumt.
Im 18. Jahrhundert befand sich im Bereich des alten Friedhofes der
"Elendherbergsacker" (heute ein Bereich zwischen der Bahnhofstraße
und der Wormser Landstraße).
Im 19./20. Jahrhundert wurden bei Ausgrabungen und
Bauarbeiten mehrfach Grabsteine des mittelalterlichen Friedhofes
entdeckt. Etwa 50 Grabsteine, die als Treppenstufen und Fensterbänke in
Privathäusern eingebaut waren (oder in Brücken und Verteidigungsmauern), sind
bislang entdeckt worden.
Mittelalterliche Grabsteine werden entdeckt Entdeckung eines Grabsteines aus dem Jahr 1384
(1840)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. Juni 1840:
"Speyer, 19. Mai (1840). Heute grub man allhier auf einem
Acker, der der Stadt angrenzt, einen Grabstein mit hebräischer Inschrift,
welcher 456 Jahre alt ist, aus. Da der Stein mit der Schrift auf einem
Gewölbe lag, so ist die Schrift außerordentlich gut erhalten. Die
hiesige Gemeinde hat ihn deshalb an sich gekauft, und nach unserm
Kirchhofe gebracht. Die Inschrift lautet: 'Dies ist der Grabstein,
welcher aufgerichtet wurde für eine fromme und angenehme Frau...
usw."
Diese Frau ist demnächst 1384 gestorben; im Jahre 1349 aber fand nach
Lemans Chronik eine Judenverfolgung statt, wie die letzte im Jahre 1435,
sodass in dem Zwischenraume von 86 Jahren die Gemeinde wieder sehr
zahlreich geworden war, und berühmte Rabbinen besaß, wie Buxtorf von R.
Nathan Spira, R. Meier Spira spricht. Die Frau konnte somit die erste
Verfolgung, welche 35 Jahre vor ihrem Ableben statt fand, erlebt
haben."
Vier mittelalterliche Grabsteine werden beim Abbruch
einer alten Brücke gefunden (1850)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 2. September 1850: "Speyer, 18. August. Ich teile Ihnen hier die
Abschrift von vier Grabsteinen mit, welche jüngst beim Abreißen einer
alten Brücke hier gefunden, und vom Bürgermeister an die israelitische
Gemeinde abgegeben wurden...." Es werden die Inschriften von vier Grabsteinen aus den Jahren 1190,
1183, 1317 und 1274 zitiert.
"Mir erscheint es fraglich, ob die beiden ersten aus dem vorigen, die
beiden letzten aus diesem Jahrtausend sind? Wer gibt den Beweis, dass die
ersten zwei aus den Jahren 4993 und 4950 sind, können dieselben nicht aus
3993 und 3950 sich herschreiben. Die Schrift ist auch bei den ersten zwei
etwas anders geformt, als bei den letzten zwei. Es sind dies nur halbe
Grabsteine, nämlich die obere Hälfte, die untere Hälfte war auf dem
Bauplatz nicht zu finden.
Unser Gottesdienst ist seit Einführung der Orgel so schön, dass
unsere ärgsten Widersacher jetzt die größten Verehrer sind, und alle
Opposition dagegen hat aufgehört. Unter Leitung unseres Bezirksrabbinen
ist unser Gottesdienst so beschaffen, dass er der intelligentesten
Gemeinde Ehre machen würde."
Entdeckung von Grabsteinen aus den Jahren 1348-1350
(1911)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3. Februar 1911:
"In Speyer (Pfalz) wurden bei der Reparatur einer Brücke alte
hebräische Grabsteine aus den Jahren 5108, 5109 und 5110 aufgefunden und
in das historische Museum gebracht".
Alter Friedhof. Nachdem seit Anfang des 19. Jahrhunderts Juden wieder in Speyer zuziehen
konnten, wurde zunächst ein jüdischer Friedhof am St.-Klara-Kloster-Weg angelegt.
Dieser Friedhof wurde bis 1888 belegt. Von ihm ist nur noch die ehemalige
Trauerhalle neben dem Haus St.-Klara-Kloster-Weg 10 erhalten.
Neuer Friedhof. 1888 wurde im Bereich der städtischen Friedhofsanlage (bei der
Südmauer) ein neuer Israelitischer Friedhof eingerichtet. Der Friedhof wurde
seit Oktober 1888 belegt. Die Einweihung des Friedhofes - in Verbindung mit der
ersten Beisetzung - war am 5. Oktober 1888 im Beisein des
Bezirksrabbiners Dr. Salvendi aus Bad Dürkheim. Auf dem Friedhof wurden die Mitglieder der israelitischen
Gemeinde bis 1940 beigesetzt.
Auch nach 1945 wurden wieder Beisetzungen
vorgenommen. Der Friedhof ist bis zur Gegenwart Begräbnisstätte der seit 1996
in Speyer wieder begründeten jüdischen Gemeinde. Die Friedhofsfläche umfasst 24,23
ar.
Text zur Geschichte der Friedhöfe des 19./20. Jahrhunderts
Die Schließung des alten und die Einweihung des neuen jüdischen Friedhofes
(1888)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22. November
1888: "Speyer, 12. November (1888). Am 5. Oktober beging die
hiesige israelitische Gemeinde eine Freier, die, wenn auch gerade keine
freudige, doch Zeugnis ablegt von dem hier herrschenden Einigleben der
verschiedenen Konfessionen. Der bisherige, seit 60 Jahren benützte
israelitische Friedhof wurde, da total belegt, geschlossen. Beinahe
die gesamte Gemeinde folgte einer Einladung des Synagogen-Ausschusses und
erschien vormittags 9 Uhr auf dem alten Gottesacker, um dem Schlussakte
beizuwohnen. Der Synagogen-Vorstand und Stadtrat, Herr Sig. Herz, wusste
durch eine tief zu Gemühte gehende Ansprache einen großen Eindruck bei
den Anwesenden zu hinterlassen. Trauernden Herzens verließ Jedermann die
Stätte, welche unsere seit 6 Dezennien verstorbenen Angehörigen
birgt.
Um 1/2 11 Uhr fand die erste Beerdigung auf dem neuen Friedhofe
statt, wozu der Herr Bezirks-Rabbiner Dr. Salvendi erschienen war. Nach
Betreten der neuen Stätte (dicht neben dem neuen christlichen Friedhofe)
und nach Abstellen der Leiche ergreift wiederum Herr Herz das Wort, um in
fließender Rede darzutun, welches Entgegenkommen der israelitischen
Gemeinde seitens der politischen gezeigt wurde. Schon vor elf Jahren habe
die israelitische Gemeinde in einer Versammlung beschlossen, an den
Stadtrat das Ersuchen zu richten, bei Verlegung des christlichen
Friedhofes auch diejenige des israelitischen Gottesackers ins Auge zu
fassen. Diesem Wunsche wurde nicht nur bereitwilligst Folge gegeben, man
stellte sogar, nachdem der Platz bestimmt war, auf Kosten der Stadt eine
solide Umfassungsmauer her und übergab dann das fertige Objekt, auch
innen schön hergerichtet, durch Schenkungs-Urkunde der israelitischen
Gemeinde zu eigenem, unantastbarem Eigentum. Diesen Platz betreten wir
heute zum ersten Male und unser Erstes muss sein, den herzlichsten,
innigsten Dank der Stadtvertretung zu sagen, die hier der israelitischen
Gemeinde ein Opfer brachte, wie es liberaler sich nicht denken lässt. Wie
Christ und Jude hier im Tode ruhig nebeneinander schlafen, so sei auch des
schönen konfessionell-friedlichen Zusammenlebens in unserer Vaterstadt zu
denken, dessen Trübung sich jeder hier lebende Bürger zur Ehre rechnet,
zu hintertreiben.
Tief gerührt vernahm man diese aus dem Herzen gesprochenen
Worte.
Herr Herz bat alsdann den Herr Bezirks-Rabbiner die Weihe vorzunehmen,
welcher Bitte Herr Dr. Salvendi jedoch nur insofern Folge gab, dass er in
einer Grabrede nur des Beerdigenden gedachte.
Keine Silbe widmete er der neuen Stätte. Erst am Schlusse der Beerdigung brachte es Herr Herz durch wiederholtes
Zureden fertig, dass Herr Dr. Salvendi einige kurze Worte des Dankes dem
Stadtrat darbrachte. Hl."
1. Lage des jüdischen Friedhofes
(seit 1888) in Speyer innerhalb des allgemeinen Friedhofes auf dem dortigen Stadtplan: oben anklicken und unter
"Einrichtungen" weiterklicken zu
"Friedhof, Wormser Landstraße". Der jüdische Friedhof ist
nicht gesondert auf dem Plan eingetragen. Direkter Link:
https://www.unser-stadtplan.de/Stadtplan/Speyer/pub/Friedhof.map
2. Zur ungefähren Lage des bis 1888 genutzten Friedhofes: oben
anklicken und im Straßenverzeichnis zum "St.-Klara-Kloster-Weg".
Direkter Link:
https://www.unser-stadtplan.de/Stadtplan/Speyer/str/St-Klara-Kloster-Weg.map
3. Zur ungefähren Lage des mittelalterlichen Friedhofes: oben
anklicken und bei "Einrichtungen" das
"Sozialgericht" eingeben. Im Bereich zwischen
Bahnhofstraße und Wormser Landstraße lag der jüdische Friedhof. Direkter Link:
https://www.unser-stadtplan.de/Stadtplan/Speyer/pub/Sozialgericht.map
Grabsteinsockel
links für Abraham Mager
(Hauptlehrer a.D., 1826-1899),
Grabstein rechts für Abraham
Hildesheimer (1843-1898) und Malwine geb. Ris (1853-1935)
Grabstein für Max
Joseph aus Blieskastel (1829-1909) und Rosalie Joseph geb. Scharff
(1839-1931)
Doppelgrab
für Helene Böttigheimer
(1910-1973) und
Berthold Böttigheimer
(1904-1980)
Germania Judaica I S. 326-366; II,2 S. 775-782; III,2 S. 1384-1401.
Johannes Bruno / Lenelotte Möller: Der Speyerer Judenhof
und die mittelalterliche Gemeinde. Verkehrsverein Speyer (Hg.). Speyer 2001.
Johannes Bruno: Schicksale Speyerer Juden 1800 bis 1980. Schriftenreihe
der Stadt Speyer. Bd. 12. Speyer 2000.
Historischer Verein der Pfalz. Bezirksgruppe Speyer (Hg.):
Die Juden von Speyer. 3., erheblich erweiterte und überarbeitete Auflage Speyer
2004.
Johannes Bruno / Eberhard Dittus: Jüdisches Leben in
Speyer. Einladung zu einem Rundgang. Haigerloch 2004.
Johannes Bruno: Israelitischer Friedhof in Speyer: bestehend seit
1888. Hg. von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Arbeitsgemeinschaft
Pfalz. Speyer 1998 (?).
ders.: Die neuzeitlichen jüdischen Friedhöfe in Speyer. In: Die
Juden von Speyer. Bezirksgruppe Speyer, Historischer Verein der Pfalz. - 3.,
erheblich erweiterte und überarbeitete Auflage. Speyer 2004. (= Beiträge
zur Speyerer Stadtgeschichte Bd. 9). - S. 197-208.
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