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Speyer (Rheinland-Pfalz)
Jüdische Geschichte vom 17. Jahrhundert bis 1940 / Synagogengeschichte
vgl. die weiteren Seiten zu Speyer bei "Alemannia
Judaica":
Übersicht zu dieser Seite:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
Nach den verschiedenen Ausweisungen am Ende des Mittelalters
lebten zunächst nur wenige jüdische Familien in der Stadt. Während der Zeit
des Dreißigjährigen Krieges nahm die Zahl der jüdischen Familien wieder
zu. So wanderten 1622 14, 1623 sieben, 1624 fünf, 1625 sechs und 1626 zwei
Juden zu, sodass um 1624/25 von einer Gemeinde mit etwa 300 Mitgliedern
ausgegangen werden kann. Im weiteren Verlauf des 17. Jahrhunderts ging die Zahl
jüdischer Einwohner in Speyer wieder zurück: 1685 wurden nur noch neun
jüdische Familien gezählt. 1688 erfolgte eine neue Ausweisung aus der Stadt.
Ein Jahr später wurde die Stadt durch die Franzosen zerstört.
1797 wurde Speyer in das französische Staatsgebiet eingegliedert, wo
jüdischen Personen die Gleichberechtigung zustand. Im Laufe der folgenden
Jahre ließen sich wieder mehrere jüdische Familien in der Stadt nieder.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie
folgt: 1818 80 jüdische Einwohner, 1823 155, 1824 190, 1830 209, 1841 301,
1848 272 (in 51 Familien), 1849 319, 1855 370, 1861 425, 1867 440, 1880
Höchstzahl mit 539 jüdischen Einwohnern (von insgesamt 15.589 Einwohnern), 1890 535, 1895 508, 1900 520,
1905 476. 1848 waren unter den jüdischen Gewerbetreibenden 61 % als
Kaufleute tätig, 25 % waren im Handel tätig (einschließlich Metzgereien). In
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden in der Stadt eine größere Zahl
von Läden und Industriebetrieben eröffnet, u.a. Schuhfabriken, Zigarettenfabriken,
Betriebe der holzverarbeitenden Industrie.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts waren die jüdischen Einwohner im
städtischen Leben weitestgehend integriert, u.a. durch ihr Engagement in den
städtischen Vereinen (bis hin zum Roten Kreuz).
An Einrichtungen bestanden eine insbesondere eine Synagoge (s.u.), eine
Israelitische Volksschule (seit 1831, zunächst mit 42 Schülern), ein rituelles Bad, eine Gemeindebibliothek und ein Friedhof. Zur
Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde waren ein Lehrer, zumeist auch
weitere Personen angestellt (Kantor, Schochet). Im 19. Jahrhundert war über
mehrere Jahrzehnte die prägende Persönlichkeit des jüdischen Gemeindelebens Lehrer
Ludwig Schloß. Er konnte 1883 sein 50-jähriges Amtsjubiläum in der Stadt
begehen und wurde 1887 für seine vielfältigen Verdienste mit der Goldenen
Ehrenmünze des bayerischen Ludwigsordens ausgezeichnet.
1825 wollte die jüdische Gemeinde, dass Speyer zum Sitz eines
Bezirksrabbinates wird. Da jedoch damals noch keine Synagoge in der Stadt
vorhanden war, wurde Neustadt und wenig
später Frankenthal beziehungsweise Bad
Dürkheim zum Sitz des Bezirksrabbinates (erster Bezirksrabbiner Aron Merz;
ab 1935 war der Sitz des Bezirksrabbinates in
Ludwigshafen am Rhein). Das Verhältnis zum Bezirksrabbinat war auf Grund der
liberalen Prägung der jüdischen Gemeinde in Speyer teilweise sehr
konfliktträchtig, vor allem nachdem der streng orthodox geprägte Rabbiner Dr.
Adolph Salvendi 1865 das Bezirksrabbinat übernommen hatte.
Um 1925, als zur Gemeinde 335 Personen gehörten, waren die Vorsteher der Gemeinde Benedikt Cahn,
Leopold Klein, Julius Seligmann und Albert Mühlhauser. Als Kantor und Schochet
war Benno Grünberg (geb. 1885, 1940 nach Gurs deportiert und später in
Auschwitz ermordet) angestellt, als Synagogendiener wird ein Herr Würt, als
Organist ein Herr K. A. Krauß genannt. An der Israelitischen Volksschule
unterrichtete Lehrer Jakob Krämer im Schuljahr 1924/25 21 Kinder.
Außerdem erteilte er den Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen für etwa 30 Kinder
(Gymnasium, Realschule, höheres Mädchenlyzeum). 1932 bildeten den
Gemeindevorstand: Leopold Klein (1. Vors., Hauptstraße 30), Julius Seligmann
(2. Vors., Gilpenstr. 4), Ludwig Gudenberg (Wormser Str. 24) sowie zwei weitere
Herren. Als Lehrer war seit dem Weggang von Jakob Krämer, der am 1. September
1928 eine Lehrerstelle in München angenommen hatte, Lehrer Leopold Schwarz
angestellt. Er unterrichtete an der Israelitischen Volksschule im Schuljahr
1931/32 16 Kinder in vier Klassen. Kantor war 1932 weiterhin Benno Grünberg (wohnt Hartmannstr. 31).
Zur
jüdischen Gemeinde in Speyer gehörten nach Auflösung der Gemeinde Otterstadt auch die in
Otterstadt und
Waldsee lebenden jüdischen Personen.
An jüdischen Vereinen gab es u.a.: den "Vereinigten
Unterstützungsverein" mit der "Central-Kasse" und der
"Spenden-Kasse" (die Vereinigung wurde aus älteren
Wohltätigkeitsvereinen 1911 gegründet, 1924 unter Leitung von Benedikt Cahn mit 70
Mitgliedern; 1932 unter dem Namen "Vereinigte israelitische
Männerwohltätigkeitsvereine" unter der Leitung von Leopold Klein,
Hauptstr. 30; Zweck und Arbeitsgebiet: Unterstützung Hilfsbedürftiger), den Israelitischen Frauenverein
(gegründet 1860, 1924 unter Leitung der
Frau von Leopold Lehmann und 60 Mitgliedern, 1932 unter Leitung von Frau
Landsberger, Gutenbergstr. 18 mit 80 Mitgliedern; Zweck und Arbeitsgebiet: Unterstützung
Hilfsbedürftiger), den "Verein für jüdische
Geschichte und Literatur" (1924 mit 50 Mitgliedern), eine Ortsgruppe
des "Central-Vereins" (1924 mit 50 Mitgliedern), den Synagogenchorverein. Von
überregionaler Bedeutung waren der "Verein für das israelitische
Altersheim für die Pfalz, e.V. Neustadt (Haardt)", dessen Sitz und
Geschäftsstelle in Speyer war, sowie der "Wohlfahrtsfonds des
Rabbinatsbezirks Frankenthal" (1932 unter Leitung von Leopold Klein,
Hauptstr. 30; Zweck und Arbeitsgebiet: Ausbildungsbeihilfen).
1933 lebten 269 jüdische Personen in der Stadt. In
den folgenden Jahren ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Bis 1936 verließen 84
jüdische Personen Speyer, weitere 30 im Jahr 1937. Die jüdischen Vereine waren
weiterhin aktiv, darunter die Jugend- und Sportvereine der Gemeinde. 1938 wurden
noch 139 jüdische Einwohner gezählt. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die
Synagoge niedergebrannt (s.u.), jüdische Häuser und Geschäfte wurden
zerstört, der jüdische Friedhof geschändet. Die jüdischen Männer wurden in
das KZ Dachau verschleppt und dort wochenlang festgehalten. Bis Mai 1939
verließen weitere 60 jüdische Personen die Stadt. Von den im Oktober 1940 noch
60 in Speyer lebenden jüdischen Personen wurden 51 im
Oktober 1940 nach Gurs deportiert. Von ihnen starben 12 in Frankreich, 24
wurden später nach Auschwitz verbracht und ermordet. Nur wenige der
Deportierten haben die grausamen Lagerzeiten überlebt.
Von den in Speyer geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Eduard
Adler (1924), Max Adler (1884), Selma Adler geb. Mayer (1895), Lina Altschüler
(1874), Paulina Arronge geb. Bohrmann (1880), Walter Richard August (1898),
Frieda Beissinger geb. Scharff (1883), Eveline Blüm (1936), Bernhard
Böttigheimer (1886), Selma Böttigheimer
(1890), Dolly Bohrer geb. Blonder-Reiss (1924), Bernhard Bohrmann (1882), Josef
Bohrmann (1876), Mina Bottigheimer geb. Katzauer (1878), Moses Bottigheimer
(1873), Wolf Bottigheimer (1869), Johanna Bruchfeld geb. Rothschild (1871),
Martin Cramer (1880), Franziska Daniel geb. Hahn (1881), Siegmund Dreyfuss
(1859), Hugo Dukas (1899), Albert Elkan (1880), Clara (Klara) Elkan geb. Elkan
(1878), Hugo Elkan (1882), Lucie Elkan (1892), Trude Elkan (1928), Alice
Emsheimer geb. Weil (1879 oder 1909), Wilhelm Feibelmann (1861), Heinrich
Goldschmidt (1897), Mina Grübel geb. Wenk (1882), Benjamin (Benno) Grünberg
(1885), Erna Beate Grünberg geb. Rosenthal (1894), Rebekka Grünewald (1889),
Gerson Grünfeld (1873), Elsa Grünwald geb. Kling (1896), Karoline Gudenberg
geb. Bloch (1892), Ludwig Gudenberg (1878), Sara Haas geb. Herzog (1864), Anna
Haber geb. Kahn (1888), Ludwig Haber (1875), Leo (Leib) Hammer-Hellsinger
(1887), Emma Heilbronner geb. Scharf (1884), Flora Heilbronner geb. Rheinauer
(1896), Julie (Juliane) Herz geb. Durlacher (1879), Margaretha Heumann geb.
Hirsch (1900), Germaine Hinfeld (1918), Franziska Hirsch (1879), Karl Meyer
Hirsch (1879), Melanie Hirsch geb. Roos (1872), Oskar Syha Inger (1888),
Mathilde Jordan (1880), Jenny Jülich geb. Altschüler (1871), Else Kämpf geb.
Hirschfeld (1891), Clothilde (Mathilde) Kahn geb. Süssel (1869), Gertrude Katz
geb. Kling (1903), Sally Katz (1890), Emma Kinsky geb. Landmann (1876), Lothar
Arthur Kirschbaum (1899), Ernestine Klein geb. Reich (), Toni Klein geb. Herz
(1882), Elias Kling (1879), Ernst Kling (1900), Mina Kling geb. Weil (1872),
Ruth Kling geb. Goldschmidt (1906), Johanna Kohlhöfer geb. Werk (1880), Julius
Karl Lehmann (1883), Max Lehmann (1890), Salomon Lehmann (1873), August Levi
(1867), Elisabeth (Elsa) Levi geb. Süssel (1888), Sara Liebmann (1853), Pauline
Löb geb. Lehmann (1866), Klara Mängen geb. Landsmann (1878), Siegmund Marx
(1895), Albert Mayer (1863), Anna Mayer geb. Wolf (1889), August Mayer (1883),
Ernst Mayer (1875), Friedrich (Fritz) Mayer (1881), Hedwig Mayer geb. Adler
(1893), Julius Mayer (1866)., Minna (Mina) Mayer geb. Löb (1903), Otto Mayer
(1884), Sara Mayer geb. Lußheimer (1856), Theodor Mayer (1881), Else
Mendelssohn geb. Mendelssohn (1900), Johanna Metzger geb. Mayer (1874), Lina
Metzger geb. Bottigheimer (1884), Rosa(lie) Metzger (1879), Henriette Meyer
(1876), Gustav Moritz (1877), Hedwig Moritz (1887), Albert Mühlhauer (1878)),
Klara Mühlhauser (1919), Marie Mühlhauser geb. Dreyfuß (1885), Friedrich
Müller (1878), Emilie Neuberger geb. Weil (1861), Irma Oppenheimer geb. Marx
(1878), Betty Preis geb. Dreyfuss (1882), Frieda Rebekka Prochownik geb. Gelbart
(1879), Chaim Rattner (1875), Aron Adolf Reichenberg (1867), Helene (Ellen)
Reichenberg geb. Neuberger (1909), Ernst Reichenberg (1892), Ernst D.
Reichenberg (1896), Friedericke Reichenberg geb. Loeb (1872), Franziska Reis
geb. David (1862), Cäcilie Reiß (1872), Liza (Alice) Roos geb. Mayer (1879),
Josef Rosenhaupt (1876), Amanda Rosenthal geb. Klein (1875), Lina Rosenthal
(1867), Lazarus Scharff (1854), Mathilde Schiff geb. Feudenstein (1885), Wilhelm
Schiff (1875), Elisabeth Schwarz geb. Seligmann (1919), Sophie Schwarzschild
geb. Druckhaimer (1909), Barbara Bertha Seligmann geb. Süssel (1858), Klara
Seligmann geb. Weinstein (1886), Mathilde Eugenie Seligmann geb. Mayer (1874),
Sigmund Seligmann (1879), Werner Seligmann (1909), Sofie Siegel geb. Mayer
(1890), Georg Jehoshuah Steiner (1934), Franziska Steinert geb. David (1865),
Eugenie Stern geb. Moritz (1885), Hedwig Gertrude Teutsch geb. Dreyfuß (1888),
Berta Weil (1866), Eduard Weil (1876), Minna Weil geb. Bohrmann (1873), Emil
Wenk (1879), Karl A. Wolf (1923), Marta Wolff geb. Bärmann
(1879).
Anmerkung: die in einigen Listen als Opfer der NS-Zeit genannte Liselotte
(Lilo) Böttigheimer (1928) hat überlebt. Ihre Geschichte findet sich
http://www.zjc.org.il/showpage.php?pageid=297 (unter Lilo Weber = Liselotte
geb. Böttigheimer, verheiratet seit 1950 in Bulawayo/Simbabwe mit Sigi Weber).
Zur Geschichte der Synagogen
Vom 17. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts war vermutlich ein Betraum
in einem der jüdischen Wohnhäuser vorhanden. Urkundlich liegt jedoch kein
Nachweis vor.
Ein alte Synagoge um 1700 könnte in einem Gebäude in der Webergasse
eingerichtet gewesen sein. Auch hierzu liegen keine schriftlichen Nachweise
vor.
Spätestens seit 1811 war eine Betstube im Haus des Gemeindevorstehers
Simon Adler eingerichtet. Der Raum soll jedoch "mehr einem Speicher zum
Tabakaufhängen als einer Synagoge" geglichen haben. Nachdem 1816
die Gottesdienste in privaten Betstuben durch die bayerische Regierung nicht
mehr erlaubt waren, wurde diese Betstube aufgegeben.
19./20. Jahrhundert
Nach 1816 bemühte sich die jüdische Gemeinde mehrfach um die
Einrichtung beziehungsweise um den Bau einer Synagoge. Ein 1819 dem
königlichen Landkommissariat vorgelegter Plan zum Bau einer Synagoge, den
Maurermeister Johann Friedrich Müller erstellt hatte, wurde wegen der
ungesicherten Finanzierung nicht genehmigt. 1825 sollte ein Haus in der heutigen
Hellergasse zu einem "Bethaus" umgebaut werden. Behördlicherseits
wurde die Auflage erteilt, gleichzeitig ein jüdisches Schulhaus zu errichten.
Doch überstieg dies die finanziellen Möglichkeiten der
Gemeinde.
1832 gab es Pläne zum Umbau einer Kirchenruine an der Ecke
Heydenreichstraße / Stöckergasse (heutige Hellergasse) in eine Synagoge mit
Schule und Frauenbad. Die Pläne hatte der Zivilbauinspektor August Voit
gezeichnet. Zunächst wurden die Pläne behördlicherseits wiederum abgelehnt.
Nachdem Voit unter dem finanziellen Aspekt die Pläne überarbeitet hatte,
wurden sie schließlich von der obersten Baubehörde, dem königlichen
Innenministerium in München am 10. Mai 1836 genehmigt. Im August 1836 konnte
die Kirchenruine abgebrochen werden. Bis Juni 1837 wurde das Schulhaus mit dem
Frauenbad erstellt. Vier Monate später erfolgte die Einweihung der Synagoge am 24.
November 1837. Die Baukosten betrugen 10.687 Gulden, finanziert durch
Beiträge der Gemeindeglieder, Spenden (500 Gulden vom Frankfurter Bankhaus
Rothschild, dazu Spenden aus den jüdischen Gemeinden des Landes, siehe
nachfolgende Artikel zu einer Kollekte) und durch Darlehen.
Kollekte zum Bau von Synagoge und Schulhaus in Speyer in
den Gemeinden des Landes (1837/38)
Artikel
im "Intelligenzblatt von Unterfranken und Aschaffenburg des Königreichs
Bayern vom 21. September 1837: "18. September 1837. An die fürstlich Löwensteinische
Regierungs- und Justizkanzlei Kreuzwertheim und an sämtliche
Distrikts-Polizeibehörden des Unter-Mainkreises.
(Gesuch der Israeliten zu Speyer um eine Kollekte zur Erbauung einer
Synagoge und eines Schulhauses betreffend).
Im Namen Seiner Majestät des Königs.
Nachdem Seine Majestät der König die Bitte der israelitischen Kultusgemeinde
zu Speyer um allergnädigste Bewilligung einer Kollekte bei ihren
Glaubensgenossen im Königreiche zum Zwecke der Erbauung einer Synagoge und
eines Schulhauses zu genehmigen geruht haben, so wird dieses sämtlichen
Polizei-Behörden mit dem Bemerken kundgegeben, dass die beiden Rabbiner des
Kreises, der Oberrabbiner Bing dahier und der Distrikts-Rabbiner Neuburger
zu Aschaffenburg requiriert sind, die Erhebung der Sammlung durch die
Synagogen-Vorsteher anzuordnen, welche das Ergebnis der Sammlung nebst einem
Verzeichnisse, in welchem der Name des Gebers und die Gabe einzureichen ist,
bei der betreffenden Distrikts-Polizei-Behörde zur weiteren Einsendung an
das Expeditions-Amt der unterfertigten Stelle abzuliefern haben.
Würzburg, den 14. September 1837. Königliche Regierung des
Unter-Mainkreises, Kammer des Innern. Graf von Rechberg,
Präsident. coll. Lommel."
|
|
Artikel im "Intelligenzblatt von Unterfranken und Aschaffenburg des
Königreichs Bayern vom 22. Februar 1838: "16. Februar 1838. (Die
Kollekte für eine Synagoge und ein israelitisches Schulhaus zu Speyer betreffend).
Im Namen Seiner Majestät des Königs.
Diejenigen Behörden, welche dem Ausschreiben vom 14. September vorigen
Jahres - Kreis-Intelligenz-Blatt Seite 660 - noch nicht nachgekommen sind,
haben den Vollzug binnen 14 Tagen hierher nachzuweisen, oder Fehlanzeige zu
erstatten.
Würzburg, den 11. Februar 1838. Königliche Regierung von
Unterfranken und Aschaffenburg, Kammer des Innern. Graf von
Lerchenfeld, Präsident. coll. Hübner." |
Auch in der neuen Synagoge wurde der Gottesdienst zunächst
noch traditionell
abgehalten, worüber in der "liberal" eingestellten "Allgemeinen
Zeitung des Judentums" 1840 eine Beschwerde vorliegt:
Über den weiterhin traditionellen Gottesdienst in der
neuen Synagoge (1840)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 12. September 1840: "Über Provinzialzustände in
Deutschland. III. Aus der Pfalz. Speyer, im Juli (1840). Allerdings
gehen die Dinge in kleineren Gemeinden jetzt besser und leichter, als in
größeren, wo im Hangen und Schwanken die beste Zeit versäumt wird, wo
unentschieden, welcher Richtung man folgen soll, man am liebsten gar
keiner folgt. Dieser Charakter trägt auch die unsere (sc. Speyer),
während kleinere Gemeinden sich der Verbesserung des Gottesdienstes und
Religionsunterrichtes mit Eifer annehmen. Es sind bereits drei Jahre, dass
die hiesige Gemeinde eine neue Synagoge erbauten ließ, und wahr ist es,
es ward kein Opfer gescheut, dieselbe im edelsten Geschmacke herzurichten,
in der Pfalz darf sich wohl auch keine Synagoge der unsrigen
gleichstellen. Damals hofften alle Gutgesinnten, dass mit der
Ausschmückung des Äußern, auch ein den Bedürfnissen der Zeit
angemessen geschmückter Gottesdienst eingerichtet werde. Gott, man
verlangt ja davon nur, was sich von selbst versteht! Es ist ja dabei nur
auf Erhaltung der väterlichen Religion gedacht! Und es lag dies noch
obendrein vermöge der Statuten in den Händen der Vorsteher. |
Aber
nein! wir erhielten abermals einen Vorsänger nach altem Schlage, und das
misstönende Jodeln und Trillern schlug an das Gewölbe der neuen, wie der
alten Synagoge. Die Kanzel und die Obsellien sehen zu, und spielen eine
stimme Rolle dabei. Die Jugend aber, die der religiösen Weckung am
benötigsten ist - bleiben weg. Vor einem Monate verließ dieser
Vorsänger seine Stelle. Der Elementar- und Religionslehrer H. Ludwig
trat auf, um die Gemeinde durch eine Probe von geregeltem Vortrag und
Choral-Gesängen der wohlgeübten Schuljugend nach den Münchener
Gesängen an das Bessere zu gewöhnen. Hier war es, wo die Vorsteher die
dargebotene Gelegenheit rüstig ergreifen, und durch ihre wirksame
Protektion langgehegte Wünsche realisieren hätten sollen. Allein sie
blieben müßig, und ließen den Gegnern (und 2wo fänden sich deren
nicht?) freien Spielraum, den Herr Schloss so zu entmutigen, dass er
seinerseits die Sache aufgab. Und so werden wir denn abwarten, bis wieder
ein alter Chasan sich meldet, und da anfängt, wo jener gerade stehen
geblieben.
Was die Religiosität betrifft, so finden Sie in unserm Bezirke noch viele
Gemeinden, wo gar kein Religionsunterricht erteilt wird; die Kinder
besuchen die christlichen Schulen, und das Judentum können sie - in den Schlafstuben
kennen lernen. Hier täte es doch Not, dass der Bezirksrabbiner
einschreite, der es auch schon so oft versprochen. Die Regierung ist
überall geneigt, zu unterstützen, sie will, dass die Jugend eine
religiöse Erziehung erhalte. Aber man muss sie auffordern, man muss ihr
zeigen, wo es fehlt. - Möchten meine Bemerkungen eine gute Stätte
finden, wie sie aus vollem Herzen gegeben werden. Ich bin ein Privatmann,
aber Jude, und will gern, dass die reichen Mittel, welche die jetzige Zeit
darbietet, zur Erhebung und Läuterung, nicht ungenutzt brach liegen
mögen." |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit des 19. Jahrhunderts"
vom 22. November 1840: "Dagegen lautet's nicht schön, was man den
Speyerern nachsagt: Es seien bereits 3 Jahre, dass die Gemeinde eine neue
Synagoge erbauten ließ. Man hätte damals gehofft, dass mit der
Ausschmückung der Äußern auch ein den Bedürfnissen der Zeit
entsprechender Gottesdienst eingerichtet werde. Aber nein! es ward wieder
ein Vorsänger nach altem Schlage angestellt, und das abgeschmackte Jodeln
und Trillern schlage jetzt an das Gewölbe der neuen, wie ehedem an das
der alten Synagoge. Die Kanzel und Obsellien sehen zu, und spielen eine
stumme Rolle dabei; die Jugend aber, die der religiösen Erweckung am
benötigsten ist, bleibe weg." |
Nachdem seit den 1840er-Jahren die Zahl der Gemeindemitglieder stark zunahm, gab
es um 1850 Veränderungen im Gottesdienst der jüdischen Gemeinde in Speyer. So
wurde im Februar
1850 die Synagoge mit einer Orgel ausgestattet. Im Mai 1851
wurde in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" ganz anders berichtet
als zehn Jahre zuvor:
Über den Synagogengesang (1849)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 25. Juni 1849: "Über Synagogengesang.
Aus Speyer in der Rheinpfalz. Die Einführung des Gesanges bei dem Gottesdienste
hat den sehr schönen Zweck, die Gläubigen immer mehr aufzumuntern, den durch das Beten ermüdeten und erschöpften Geist, welcher oft durch zu lange Gebetformeln zum Mechanischen herabgezogen wird, wieder frisch zu beleben und ihm einen neuen hehern Schwung mitzuteilen, seine Empfindungen reger zu machen; wo er dann durch
Anhören und durch eigenes Mitsingen eine weit erhabenere und dem hohen Gegenstande angemessenere Stimmung erhält.
Wohl hat die magische Bedeutung des Gesanges auf Herz und Gemüt schon das hohe
Altertum erkannt; denn der Choral verdankt den Ursprung den frühesten Zeiten. Die Nachkommen
Seth's, bei denen sich die wahre Gottesverehrung erhalten, waren angeblich die Erfinder der Musik und vermutlich auch des Gesanges.
Moses gedenkt der Gesänge beim Gottesdienst (2. Mose 15,1), wo die
Priester und Leviten der Israeliten ihre Gesänge vor dem Altare des Herrn abgesungen. Unter David und Salomon und später bei den alten Griechen vorzüglich, war der Choralgesang schon zu einer ziemlichen Vollkommenheit herangeblüht.
Alle zu dieser Zeit entstandenen Konfessionen sind in in diesem Gegenstande, mit dem
Herz und Gemüt bildenden Gesange mit der Zeit vorgerückt, nur die Israeliten – gestehen wir es zu unserer eigenen Schande – sind, größere Städte ausgenommen, auf der alten
Stufe stehen geblieben! -
Auch bei uns in Speyer wird es endlich einmal gefühlt, wie nötig es ist, den immer mehr überhandnehmenden Indifferentismus geeignete Schranken zu setzen, und unseren Gottesdienst mit einem Herz und
Gemüt veredelnden Choralgesang zu verherrlichen. Wie schwer es ist, solche bildende Reform vorzunehmen, werden wohl jene, welche schon Hand an dieses edle zeitgemäße Werk legten, mit Wehmut erfahren haben. Doch, sollen wir allein zurückbleiben? Soll bei uns der alte Schlendrian freien Lauf behalten, und unser Gottesdienst nicht auch, wie bei anderen Konfessionen,
veredelt, zeitgemäß fortschreiten? -
Unser verehrlicher Synagogenvorstand hat sich zur Aufgabe gemacht, einen geregelten Choralgesang bei dem
|
Gottesdienste einzuführen; demselben gebührt zuvörderst der Dank des gebildeten Teils unserer Gemeinde, welchen ich hier öffentlich auszusprechen mir erlaube. Er erkennt den hohen Zweck seiner Mission, und bewährt das ihm geschenkte Vertrauen unserer Gemeinde im hohen Grade.
Männer und Jünglinge fanden sich sogleich bei der ersten Aufforderung zur Bildung eines Sängerchors, mit aller Lust und Liebe zur guten Sache im
Schulsaale ein, sie ließen sich durch die notwendigerweise vorangehenden trockenen Schulgesangübungen, zur Bildung des Gehörs und der Stimme, nicht einschüchtern, ebenso wenig durch die rhythmischen und dynamischen Übungen; es wurde nichts übereilt; wohl erwägend, wenn auch die Schale bitter, der Kern doch süß schmecke. Und so brachte es der Chor durch sein regelmäßiges Erscheinen, und seine stete Aufmerksamkeit innerhalb vier Monaten in drei Wochenstunden so weit, dass er mit dem Vorsänger abwechselnd im Gottesdienste am Sabbatvorabend alle Gesänge,
vierstimmig, schön und regelmäßig zur großen Zufriedenheit der Gemeinde vortrug.
Die Gesänge zum Gottesdienste waren alle neu, im strengen Choralstile
von unserem Chordirigenten Herrn H. B. Wiß, königlicher
Gymnasialmusiklehrer, komponiert; sie sind leicht, gefällig und sehr
ansprechend, streng nach dem Sinne und Charakter des Textes.
Als Beispiel diene (mit Noten, siehe Textabbildung: Vorsänger 'borechu
es adônoj' (= preiset den Herrn) Chor 'boruch adonoj, hamevoroch le-ôlom
voed' (= gepriesen sei der Herr, gepriesen auf ewig')
Der Chor studiert eben an den Gesängen des Morgengottesdienstes, welche ebenfalls alle von Herrn Wiß neu komponiert sind. Wir sind nun auf dem Wege der Reform, und gewiss,
wir werden nicht davon abweichen, indem wir uns bereits davon überzeugt, dass unser Gottesdienst schon sehr viel gewonnen und dass wir den Gemeinden größerer Städte in dieser Hinsicht nicht nachstehen werden.
Hauptsächlich fehlt uns für den Gottesdienst eine Sammlung leichter, gefälliger, ansprechender
Chorgesänge, besonders für mittlere und größere Landgemeinden. Es ist zwar eine schwierige, aber auch eine höchst dankbare Arbeit für einen Komponisten. Die Sammlung dürfte ein-, zwei-, drei- und auch mitunter
vierstimmig sein, besonders auch berechnet für die Volksschulen. Natürlich dürfte das Nationale und
Charakteristische in der Melodie nicht unberücksichtigt bleiben, welches besonders in den Melodien an den Festtagen der verschiedenen Jahreszeiten so eigentümlich hervortritt, welchen Typus sogar die christliche Kirche in den Gesängen noch heute aus dem Judentume
rein bewahrt.
Mit Indignation erinnere ich mich der Antwort, welche ich von einem Vorsänger erhielt, als ich ihn fragte, was er für Melodien in der Synagoge benütze; Niemand wird wohl im
Entferntesten diese Antwort ahnen, und nur mit Bedauern solche Missgriffe vernehmen – er antwortete mir: Ich singe die schönsten Melodien aus Bellini's
neuesten Opern!!! - Als es dieses sagte, lächelte er sich selbst Beifall, als sollte ich seine künstlerische Bravour anstaunen.
Nun, solcher Skandal müsste doch bei einer Vorkommnis jeden gefühlvollen Israeliten, dem noch die reine Gottesverehrung innewohnt, mit Empörung aus der Synagoge treiben. Die Gefühle in der Synagoge sind doch gewiss von den Gefühlen des Theaters sehr verschieden. Deshalb muss die schönste Opernarie die ganze Andacht
total stören, während ein einfacher Choralgesang dieselbe erregt und fördert.
Ist das nicht ein Jammer im 19ten Jahrhundert, wo noch solcher Unsinn vorkommt? Doch wen klage ich an? Diese Antwort liegt gewiss auf flacher Hand, wen anders als uns selbst, und aber auch besonders unsere Rabbinen, weil viele, ja ich sage nicht zu viel, wenn ich sage, die meisten, Nichts – gar Nichts für die
gute, höchst nötige Sache tun; denn ich frage:
Was erregt das Gefühl zur Andacht? - Gesang!
Was fördert die Andacht? - Gesang!
Was erhebt die Seele zum Herrn? - Gesang!
Was bildet das Herz und Gemüt? - Gesang!
Noch viele Fragen könnte ich stellen, und immer wäre die Antwort dieselbe. Und doch, ich muss es zu meinem größten Leidwesen wiederholen, wird für diese heilige Sache nichts getan. Es ist unverantwortlich, die Nachwelt wird uns darüber zürnen.
Unser Chordirigent Herr Wiß wird auf unser Verlangen zu dem Abend- und Morgengottesdienste auch noch die verschieden Festtagsgesänge komponieren. Kenner erklären die Abendgesänge für ausgezeichnet schön, weshalb gewiss die Morgengesänge jenen nicht nachstehen
werden. |
Um die schönen Gesänge zum Gemeingut zu machen, wird sich Herr Wiß auf dringendes Verlangen unsererseits wohl entschließen, dieselben drucken zu lassen, und wir sind gewiss, dass er viele, sehr viele Abnehmer finden werde, indem sie viel leichter und ansprechender sind, als alle bisher erschienenen Gesänge der Art.
Wir werden nicht nachlassen und alle Kräfte aufbieten, um unser Synagogengesang auf eine solche Stufe zu bringen, dass er der heiligen Handlung unseres Gottesdienstes und dem Geiste der Zeit vollkommen entsprechen werde.
'Singet dem Herrn ein neues Lied,
Die Gemeinde der Heiligen soll ihn loben!'
'Israel freue dich desjenigen, der ihn gemacht hat.
Die Kinder Zions seien fröhlich über ihren König!' Psalm 149,
Verse 1 und 2. -
Speyer im Juni 1849. Marc Hildesheimer." |
Die Einweihung einer Orgel in der Synagoge (1850)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 25. Februar 1850: "Speyer, 12. Februar. (Privatmitth.) Gottlob die gute Sache hat den Sieg davon getragen! Unsere Synagogenangelegenheit ist in jeder Beziehung im Lichte der Aufklärung vorwärts geschritten. Verschwunden ist aus unserer Synagoge aller fremdartige Gesang, die unkirchlichen Tonstücke kennt man hier nur noch dem Namen nach, an dessen Stelle ist ein geregelter Chorgesang getreten, der mit großem Eifer, von dem sehr tätigen Professor Wiß eingeübt, und alle Tonstücke von ihm, nach dem Charakter unserer besten Melodien angemessen zur Bedeutung des Tages selbst komponiert werden. Ich muss es zur ehre unserer werten Gemeinde bekennen, dass sie für das Schöne und Gute empfänglich ist; sie sehen es jetzt ein, beinahe sämtliche Gemeindemitglieder, dass nur ein solcher erhebender Gesang die wahre Andacht befördern kann. Der
geistliche Vorstand, Herr Joseph Kramer, Carl David und B. Liebmann, tritt auch mit großer Energie auf, und sein ganzes Bestreben ist dahin gerichtet, den ursprünglichen Gottesdienst, wo man den Herrn mit Pauken und Zimbeln, mit Saitenspiel und Schalmeien verehrte, wieder herzustellen, und wird mit Kraft von Herrn
Bezirksrabbiner A. Merz unterstützt. -
War nur der seit einem Jahr schon bestehende Chorgesang eine wahre Labung des Gemütes, so wurden alle Anwesenden am Samstag
(Schabbat Paraschat Mischpatim) von einem wahren religiösen Geiste durchweht, als zum ersten Mal der Chor von Orgeltönen begleitet wurde.
Die Chewra Gemilut Chassodim (Wohltätigkeitsverein) beschenkte
unsere Synagoge mit einer Orgel, und diese wurde am ebenerwähnten Sabbat
eingeweiht. Es war wahrlich ein herzerhebender Moment, als, nachdem der
Unterzeichnete (dem als ältesten Mitgliede der Chewra der Auftrag
zuteil wurde, dieselbe der Gemeinde zu übergeben) in kurzen Worten den
Vorstehern der Gemeinde durch eine Urkunde das Instrument als Eigentum der
Synagoge übergab, ferner demselben den Dank aussprach, für die
zuvorkommende Bereitwilligkeit die religiöse Sache nach Kräften zu
fördern, Herr Professor Wiß ein kleines |
Vorspiel zum 150ten Psalm,
'Lobet Gott in seinem Heiligtume' anstimmte. Alles, groß und klein, waren ergriffen und wenige Augen tränenleer. Tränen der Freude, der Andacht perlten in Aller Augen, und selbst die frommen Schreier verstummten. Der ganze Tag war wirklich ein heiliger Festtag für unsere Gemeinde, und der Herr Bezirksrabbiner verherrlichte denselben durch sehr erbauliche Reden, sowohl in der Synagoge als bei einem kleinen festlichen Mahle. Wie schon mit dem Beginne des Chorgesanges mehr Feierlichkeit, Ruhe und Stille in unserer Synagoge eingetreten ist, so wird jetzt die dem Gotteshause gebührende Würde, Anständigkeit
etc. sich immer mehr und mehr emporheben, und mit Wahrheit wird jetzt der Eintretende sein
'Ma towu oheleicha Jaakow' (= 'wie schön sind deine Zelte, Jakob') anstimmen.
Mögen rechte viele Gemeinden der Pfalz dem Beispiel der Kreishauptstadt folgen, und zieht sich dann die schon so lange angezeigte Synode noch lange hinaus, die Gemeinden reformieren sich selbst, und bedürfen dann derselben nicht mehr.
Sehr großes Verdienst erwarb sich bei unserem Singvereine Herr Marc Hildesheimer, als Vorstand desselben. Nur seinem unermüdeten Eifer und festen Willen für die gute Sache ist es zu danken, wenn der Keim einer wahren echten Gottesverehrung zu einer so raschen und
schönen Entwicklung emporglüht.
Ludwig Schloß, Lehrer und Vorsänger.. |
Über die Gestaltung des Gottesdienstes in der
Synagoge (Bericht von 1851)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 12. Mai 1851: "Speyer, 1. Mai (1851). Unser Gottesdienst
mit Orgelbegleitung gestaltet sich immer schöner und zieht die Herzen
unserer Andächtigen immer mehr an sich. Jeden Sonnabend vor dem Ausheben
der Tora wird jetzt ein deutscher Psalm gesungen (vom Prof. Wiss in Musik
gesetzt). Vor Pessach fand hier die Trauung dreier Paare (auf einmal) in
der Synagoge statt; vor derselben wurde der 84., nach der Trauung der 113.
Psalm (mit kleinen Wortveränderungen) in deutscher Sprache gesungen. Der
Bezirksrabbiner Herr Merz verrichtete die Trauung und hielt eine
ergreifende Traupredigt. H." |
Über die Reformen im Gottesdienst und das
Zusammenleben zwischen Christen und Juden (1857)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 27. April 1857: "Kaiserslautern, im April (1857). In einer
neu erbauten Synagoge der Vorderpfalz befinden sich die Männer und
Frauenstühle der Art nebeneinander, dass nur ein schmaler Gang beide
trennt, eine scheinbar unbedeutende Reform, die aber wesentlich in kleineren Gemeinden, deren männliche Mitglieder den unteren Raum des
Gotteshauses nur teilweise ausfüllen. Bezüglich der inneren
Kultusreform, so geht die Kreishauptstadt Speyer, bekanntlich neben
Worms und Mainz die älteste Gemeinde Süddeutschlands, mit
nachahmungswertem Beispiele voran. Seit längerer Zeit im Besitze einer
Orgel, hat diese Gemeinde einen trefflichen Männer-Chorgesang
eingeführt, welchem dieser Tage die Ehre zuteil wurde, neben den
vorzüglichen Gesangschören im Dom und in der evangelischen Kirche jener
Stadt öffentlich anerkannt zu werden. Desto unangenehmer mussten die
neulichen Expektorationen des berühmten Kulturhistorikers H.W.R. (Riche)
berühren, welcher, wie bekannt, die Provinzen des Königreichs bereist,
um ethnographische Studien zu machen. In einem 'das kirchliche Volksleben
der Pfalz' überschriebenen größeren Artikel in der A.A. Zeitung,
welcher auch von anderer Seite Reklamationen hervorgerufen hat, nimmt der
geistreiche Schriftsteller schlecht verhohlenen Ärger an dem friedlichen
Zusammenleben der christlichen und jüdischen Bevölkerung, findet es
befremdend, dass so wenige Gemeinden den Juden die Bürgeraufnahme
verweigern, dass die christlichen und jüdischen Friedhöfe
freundnachbarlich nebeneinander liegen, und dass man hierzulande
'Schacherjuden am Sabbat eine Bratwurst' verzehren sehen könne. Das mag
recht pikant sein, aber als Charakteristikum des 'pfälzischen' Judentums
erscheint es gar zu schal." |
Im Mai 1862 beschloss der Synagogenausschuss eine Erweiterung der
Synagoge nach Westen. Der städtische Ingenieur Max von Siebert lebte die Pläne
vor, die durch Bauinspektor Tanera überarbeitet wurden. 1865 konnte mit
den Baumaßnahmen begonnen werden. Anstelle des Schulhauses wurde ein
zweiachsiger Anbau angefügt. Die Frauenempore und eine neue
Orgel
Einweihung der erweiterten Synagoge am 27. April 1866
(1866)
Artikel in der Zeitschrift "Ben Chananja" vom
6. Juni 1866: "Aus der Pfalz, 24. Mai 1866: Mitten in
den kriegerischen Zurüstungen, deren Schauplatz besonders unsere
Grenzprovinz in wahrhaft erschreckender Weise bildet, sind wenigstens bis
jetzt die Werke des Friedens, auch auf dem Gebiete der Judenheit, nicht
ganz zurückgedrängt. Am 4. des vorigen Monats wurde der Grundstein zu
einer neuen schönen Synagoge in Neustadt
a.H. gelegt, am 27. desselben Monats fand die Einweihung einer
prachtvollen neuen Synagoge in Speyer statt, beide Festlichkeiten
unter herzlicher Teilnahme auch der christlichen Bürger und in Gegenwart
sämtlicher Behörden. Besonders in Speyer, der Hauptstadt des Kreises,
war es erfreulich zu sehen, wie die Spitzen sämtlicher Zivil- und
Militärbehören mit dem Regierungspräsidenten, sowie Bürgermeister und
Stadtrat der Einladung folgten und der dreistündigen schönen Feier von
Anfang bis zu Ende mit der größten Teilnahme beiwohnten. Nur der katholische
Bischof gab der Einladung keine Folge. Treffend aber war die Antwort, die
der dortige israelitische Vorstand, Herr Karl David, ein auch sonst für
die Angelegenheiten sich interessierender und namentlich auch um den
Synagogenbau sehr verdienter gebildeter Mann, dem Bischofe gab. Dieser
wich nämlich der Antwort auf die Einladung immer in geschickten
Seitenwendungen aus, bis er endlich sagte: 'Ich freue mich der Vollendung
der Synagoge, obgleich ich der Überzeugung bin, dass auch die Juden einst
zur alleinseligmachenden katholischen Kirche sich bekehren werden.' Herr
David erwiderte ihm: 'Herr Bischof! Über dem Eingang unserer Synagoge
stehen die Worte aus Jesaja 56,7: 'Mein Haus wird ein Bethaus für alle
Volker genannt werden'; ich glaube daher, dass Sie eher zu uns, als wir zu
Ihnen kommen werden', um empfahl sich." |
Gespräch mit dem Bischof von Speyer anlässlich der
Einweihung der erweiterten Synagoge (1866)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 21. August 1866: "Speyer, 6. August (1866). Der
Unterzeichnete hatte bei Gelegenheit, als der hiesige Herr Bischof zur
Einweihung der Synagoge eingeladen wurde, ein Gespräch mit diesem
geistlichen Herrn, welcher durchaus nicht wortgetreu in mehreren Blättern
ohne mein Zutun veröffentlicht worden. Ich konnte dies nicht verhindern,
da noch andere Ausschuss-Mitglieder der Gemeinde zugegen waren. Erlauben
Sie mir daher, das Gespräch ganz wortgetreu in Ihrem Blatt
mitzuteilen.
Seine Eminenz empfing die Synagogen-Ausschuss-Mitglieder mit aller
möglich Courtoisie, freute sich, dass man ihn einlade. Nachdem die
Einladung erfolgt war, nahm der Herr Bischof folgende Fragen vor:
Der Herr Bischof: Ist Ihre Synagoge fertig, ist sie recht
hübsch?
C.D.: Ja, Herr.
Der Herr B.: So wünsche ich, dass viele fromme Beter darin
einkehren.
C.D.: Auch unser Wunsch.
Der Herr B.: Ich hoffe aber auch, dass die Bekenner des alten Testamentes
herüber kommen zu den Bekennern des neuen Testamentes.
C.D.: Das glaube und hoffe ich nicht, über der Eingangstüre unseres
Bethauses stehen die Worte aus Jesaias Kap. 56 Ende des Verses 7, die
heißen zu Deutsch: 'denn mein Haus soll ein Bethaus genannt werden für
alle Völker'; und so hoffe ich, dass die Bekenner des neuen Testaments zu
den Bekennern des alten Testaments herüberkommen, ohne Ihrer
Hirtenschaft, Herr, zu nahe zu treten. -
Der Herr B.: Nicht alles was die Propheten uns sagten, ist zur Wahrheit
geworden.
C.D.: Ich glaube es dem Jesaias aufs Wort!
Hier hatte die Unterhaltung ein Ende, der Synagogen-Ausschuss empfahl
sich. Die Behörden erschienen bei der Feier, waren davon sichtlich
erbauet, und dankten feierlichst für die Einladung; wie zu vermuten war,
erschien seine Eminenz nicht; ich war zur Zeit, als die Herren zur
Einladung vorgemerkt worden, nicht der Meinung gewesen, dass der Herr
Bischof eingeladen werden, da nach meinem Dafürhalten, die Vorschriften
seiner Kirche, die Beiwohnung eines Gottesdienstes bei einer anderen
Konfession nicht gestatten. - Carl David." |
Bezirksrabbiner Dr. Salvendi bemüht sich um
Wiedereinführung traditioneller Zustände in Synagoge und Gottesdienst
(1874)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 16. Juni 1874: "Speyer, im Juni (1874). Was
rabbinischer Zelotismus nicht Alles zu leisten in Stande ist, beweist ein
trauriges Vorkommnis in der hiesigen jüdischen Gemeinde.
Seit den vierziger Jahren erfreut sich die hiesige Gemeinde eines mit Chor
und Orgel geführten regelmäßigen Gottesdienste; nach Neubau unserer
Synagoge wurde an Stelle des früheren Männerchors ein gemischter Chor
errichtet, welchem Institute von dem damaligen Vorstande Herrn Carl David
die wärmste Unterstützung wurde. Die Gemeinde war stolz auf ihren
Gottesdienst, und allseitiger Anerkennung erfreute sich Chor und Dirigent.
Da kam das Verhängnis in der Person des Herrn Bezirksrabbiners Dr.
Salvendi.
Bei Neuwahl des Ausschusses wurde das Menschenmöglichste geleistet, um
unsern alten, verdienten Vorstand zu stürzen; es gelang. Dem neuen
Vorstande, dessen Hauptstärke Charakterfestigkeit gerade nicht ist,
wusste Herr Dr. Salvendi durch scheinbare Unterwürfigkeit zu kitzeln, und
siehe da, man schob den unbedeutendsten, lächerlichsten Grund vor und tat
dem Herrn Rabbiner den Gefallen, den Organisten und Dirigenten (derselbe
hat nämlich das Unglück, Jude zu sein) zu entlassen und unsern schönen
Chor, der weit und breit Namen hatte, dadurch aufzulösen; denn Sänger
und Sängerinnen des Chors schlossen sich innig ihrem bisherigen
Dirigenten an.
Die ganze Gemeinde ist in noch nie da gewesener Aufregung.
So geschehen in der freien Pfalz im Wonne-Monat des Jahres 1874. Hildesheimer."
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Stellungnahme des Synagogen-Ausschusses zu dem obigen Bericht
(1874)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 21. Juli 1874: "Speyer, im Juli (1874) (Erwiderung). In
Nr. 25 Ihres geschätzten Blattes befindet sich unter Speyer ein mit dem
Namen Hildesheimer unterschriebenes 'Eingesandt', welches die Entlassung
des Chordirigenten und Organisten an der hiesigen Synagoge in einer, die
Wahrheit entstellenden Weise bespricht, weshalb der Unterfertigte sich
veranlasst findet, Folgendes darauf zu erwidern. Vor Allem bedarf es der Erwähnung,
dass der Unterzeichner jenes Artikels von Speyer der entlassene Organist selbst
ist, welcher sich bereits in arrogantester Weise in hiesigen
Lokalblättern über den hiesigen Synagogen-Ausschuss ausgelassen hat, was
aber deshalb von Letzterem ignoriert wurde, weil man hier die Sachlage
jener Angelegenheit genugsam kennt.
Es wird nicht in Abrede gestellt, dass wir uns schon seit Jahren eines
herrlichen Gottesdienstes erfreuen und nur der Synagogenchor in letzterer
Zeit stets mangelhafter wurde, was unter der sich immer steigernden
Unhöflichkeit des Dirigenten H. nicht zu verwundern war, sodass dieser
voraussichtlich den Chor baldigst vollständig invalid gemacht haben
würde. Deshalb sag der Unterzeichnete sich veranlasst, dem Dirigenten hier wegen
sein Bedenken auszusprechen, was den ohnehin etwas reizbaren,
streitsüchtigen Herrn H. in solchen Harnisch brachte, dass er den
Synagogen-Ausschuss mit den unziemlichsten, dessen Ehre verletzenden
Vorwürfen etc. zu überhäufen sich erlaubte. Dies allein hatte
die Entlassung des beregten Herrn zur Folge und ist in aller Kürze der
wahrheitliche Sachverhalt jenes 'traurigen Vorkommnisses', wie sich
der betreffende Einsender auszudrücken beliebt.
Dass Herr H. ähnliche Konflikte auch schon mit dem früheren Vorstande
gehabt hat, dafür liegen die schriftlichen Bewiese vor.
Was die Zerrüttung unseres Gottesdienstes und die Auflösung des hiesigen
Synagogenchors anbelangt, wovon Herr H. spricht, haben wir nur zu
bemerken, dass seit seiner Entlassung, obwohl er sich für unersetzlich
hielt - nicht die gelindeste Lücke fühlbar wurde, dass der Gottesdienst
in gewohnter Weise seinen Fortgang nahm und der reorganisierte
Synagogenchor unter Leitung des neu angestellten Organisten und unter der
kräftigen Mitwirkung unseres bewährten Kantors lebensfähiger ist, als
er ehedem war und zu den besten Hoffnungen berechtigt, trotz der offenen
und geheimen Intrigen, die von gewisser Seite in Szene gesetzt
werden.
Was ferner der Herr Einsender von einer 'nie da gewesenen Aufregung in der
ganzen Gemeinde' sagt, ist völlig unwahr. Gemeinde und Synagogenausschuss
leben in schönster, ungetrübtester Eintracht und erfreuen wir uns des
tiefsten Friedens.
Auch in diesem Blatte in dieser Sache unser letztes Wort.
Der Synagogen-Ausschuss von Speyer." |
Nach dem Willen des Gemeindevorstandes soll die
Haftara (Prophetenlesung am Schabbat) nur noch teilweise gelesen werden
(1886)
Anmerkung: Beitrag in der othodox-konservativen Zeitschrift "Der
Israelit"
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
15. November 1886: "Speyer (Rheinpfalz), im November (1886).
Die hiesige jüdische Gemeinde, die lange Jahrhunderte hindurch der früher
hier in ganz herrlicher Weise geherrschten innigen und musterhaften
Frömmigkeit halber weithin sich eines ausgezeichneten Rufes zu erfreuen
gehabt, genießt seit einer Reihe von Jahrzehnten bereits in
gesetzestreuen jüdischen Kreises eines ihr mit vollstem Rechte
gebührenden, sehr gelinge ausgedrückt, bitterbösen Renommees. Die in
dieser Beziehung sowohl in der hiesigen, als auch in einem sehr großen
Teile der jüdischen Gemeinden der Rheinpfalz in den letzten Jahrzehnten
leider herrschenden Zustände sich auch in diesen Blättern zu
wiederholten Malen schon in kaum glaublicher, aber trotzdem streng
wahrheitsgetreuer Weise hinlänglich geschildert und beleuchtet worden,
bei allen aufrichtig religiösen Glaubensgenossen hohes Befremden und
tiefstes Bedauern erregend. Zweck unserer heutigen Zeilen ist einer der
jüdischen Gesinnungs- und Denkungsweise des hiesigen Gemeinde-Vorstandes
hinreichend kennzeichnenden allerneuesten Verfügung desselben kurz Erwähnung
zu tun, wonach aus Gründen, auf deren Wiedergabe wir getrost zu
verzichten können glauben, seit einigen Monaten bereits von allen großen
Haphtoras nur noch Bruchstücke vorgetragen werden dürfen. Mit
dieser Verordnung waren denn doch Gott sei Dank noch eine ganz stattliche
Anzahl von Gemeindemitgliedern nicht weniger als einverstanden und wandten
sich deren 30 beschwerdeführend an den Gemeinde-Vorstand, denselben aufs
dringendste ersuchend diese Verfügung sofort wieder zurückzuziehen. Ob
nun diesem gerechten Ersuchen in Güte stattgegeben wird oder erst ein
Einschreiten des vorgesetzten Bezirks-Rabbiners Herrn Dr. A. Salvendi,
Dürkheim, behufs Wieder-Abschaffung dieser, nebenbei bemerkt unendlich
sinnreichen (!) sogenannten 'Verbesserung' veranlasst werden muss, darüber
werden wir demnächst berichten." |
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Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
18. November 1886: "Speyer (Rheinpfalz), 14. November. Das in der jüngsten Nummer ihres geschätzten Blattes bereits erwähnte von circa 30 angesehenen hiesigen Gemeinde-Mitgliedern an den
Gemeindevorstand gerichtete dringende Gesuch, seine Verordnung, wonach von allen größeren Haphtora's in wenig Sinn habender Weise nur noch –
Bruchstücke – vorgetragen werden dürfen, wieder zurück zu ziehen, hat man – abzulehnen beliebt. In welcher, teilweise herausfordernder, Tonart das diesbezügliche ablehnende Schreiben gehalten und mit welcher Sorte von Gründen man die Ablehnung zu motivieren am Platze fand, davon werden sich die geehrten Leser dieser Zeilen leicht sofort einen Begriff machen können, wenn wir nur kurz den einzigen Umstand erwähnen, dass der Vorstand des Synagogen-Ausschusses, der das ablehnende Schreiben unterzeichnet, dem
Judentume bereits derart entfremdet ist, dass er auch nicht mehr den entferntesten Anstand daran nimmt, sich am Sabbate, den er auch sonst in jeder Weise entweihet, auf die denkbar öffentliche Weise seine
Zigarre recht vortrefflich schmecken zu lassen. Allen auch nur entfernt noch religiösen hiesigen Gemeinde-Mitgliedern möchten wir jedoch heute schon den dringenden Rat erteilen, mit allen Kräften dahin zu wirken, dass dieser Mann bei der nächsten Vorstands-Wahl aus dem Vorstands-Collegium wieder entfernt werde, wenn sie nicht
mit voraussichtlich noch ferneren sogenannten 'Verbesserungen', welche angeblich dem Gottesdienste die geziemende Würde (!) und feierliche Weihe (!) nach Möglichkeit
verschaffen (!!??) sollen, gewiss aufs Angenehmste überrascht werden sollen." |
Kritischer Beitrag aus orthodox-jüdischer Sicht zu
den Gemeinde- und Gottesdienstzuständen in Speyer (1886)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. November
1886: "Speyer (Rheinpfalz), 22. Nov. Es gereicht uns zu ganz besonderer Freude, Ihnen heute mitteilen zu können, dass wir in hiesigen Kreisen dieser Tage gelegentlich der Besprechung unserer, vergangene Woche in Ihrem geschätzten Blatte veröffentlichten beiden Artikel, mit welchem wir die leider in der hiesigen jüdischen Gemeinde jetzt herrschenden Zustände und die charakteristische jüdische Gesinnungs- und Deutungsweise des – momentan noch – an der Spitze der hiesigen jüdischen Gemeinde-Vertretung stehenden Mannen in gedrängter Kürze in gebührender abfälliger Weise gekennzeichnet, manches anerkennende und beifällige Wort zu hören bekamen. Nach dieser aufmunternden Wahrnehmung sind wir nunmehr der festen Überzeugung, dass dieser Mann, der bei der jüngstem Wahl schon von den 3 zu wählenden Mitgliedern des, die hiesige jüdische Gemeinde-Vertretung bildenden Synagogen-Ausschusses die wenigsten Stimmen erhielt und überhaupt von Glück sagen konnte, nicht schon damals aus der Gemeinde-Vertretung entfernt worden zu sein, nach der im kommenden Monate Mai stattfindenden Neuwahl
- so Gott will - nicht mehr in der Lage sein wird, uns ferner mit seinen – in
seinen Augen jedenfalls ungemein geistreichen – Reform-Ideen zu beglücken. Darüber jedoch, dass gelegentlich der jüngsten Wahl die beiden übrigen
- Gott sei Dank - noch recht aufrichtig religiösen Mitglieder des Synagogen-Ausschusses es über sich gewinnen konnten, diese ihnen doch genügsame bekannte Persönlichkeit auch noch zum
Vorstande des Ausschusses zu wählen, möchten heute denn doch noch nachträglich unserem peinlichsten Befremden und tiefsten Bedauern ganz besonderen Ausdruck geben. Wir werden
seinerzeit kurz vor der Neuwahl nicht verfehlen, mit der rücksichtslosesten Offenheit die Amtstätigkeit dieses Mannes in verdienter
Weise zu kritisieren und durch unsere freimütigen Auseinandersetzungen
|
noch so manches hiesige Gemeinde-Mitglied
'rechtzeitig' aufklären. Einiges doch allzu Bunte und wirklich kaum Erhörte möchten wir jedoch heute schon kurz erwähnen. Mit welchen treffenden, unzweideutigen Ausdrücken gebührte das Auftreten dieses Mannes gekennzeichnet zu werden, als er vor drei Jahren am Neujahrsfeste, nachdem erst einige Schofar-Töne geblasen worden waren, dem sein Amt zur allgemeinen Zufriedenheit schon eine lange Reihe versehenden
Baal Tokea (Schofar-Bläser) in Folge eines vorgekommenen unbedeutsamen Zwischenfalls plötzlich in kaum erhörter und fast unglaublicher Weise, inmitten des
Schofarblasens, dessen Fortsetzung zu untersagen sich nicht – scheute und in Folge dessen, trotz des erregtesten Protestes des
Baal Tokea, um seiner Meinung über eine solche Handlungsweise kräftigen Ausdruck zu geben – die jüdische Gemeinde Speyer das ganze Neujahrsfeste über
keinen weiteren Schofar-Ton zu hören bekam? Würde jemand vor einem halben Jahrhundert seiner Meinung nach dahin Ausdruck zu geben sich angemaßt haben, dass nach Verlauf von kaum fünf Jahrzehnten es leider bereits hier schon soweit gekommen wäre, dass man eine so unendlich-heilige göttliche Vorschrift, wie die des Schofar-Blasens am Neujahrsfeste, auch schon nicht mehr heilig zu halten sich nicht – gelinde ausgedrückt – scheuen würde –
fürs Tollhaus wäre es reif erklärt worden. Desgleichen, wenn jemand damals zu behaupten gewagt hätte, dass nur nahezu fünf Jahrzehnte später ein junger Mann, der sich aus außerordentlich zu entschuldigenden Gründen keinen Synagogen-Platz gemietet, am Kol-Nidre-Abend aus dem Gotteshause, gleichsam zum Hohne der an dessen Eingangs-Türe prangenden Worte:
'Bethaus für alle Völker', - ausgewiesen würde.
Diese wenigen Auseinandersetzungen beweisen schon genügsam auf die
grellste Art, wie es ungefähr hier zugeht und wie sehr wir im Rechte, wenn wir mit allen Kräften und Mitteln, um eine Spaltung der Gemeinde zu verhüten, danach streben, das demnächst eine nur einigermaßen noch religiöse Persönlichkeit an die Spitze der hiesigen jüdischen Gemeinde-Vertretung kommt, die keineswegs den Heldenmut besitzt, zu befehlen, sich zu – getrauen, dass Jahrtausende hindurch in hiesiger Gemeinde hoch und heilig gehaltene Religions-Vorschriften nicht mehr beachtet werden – dürfen!". |
Die Synagoge wird nach einer umfangreichen Renovierung
wieder eingeweiht (1894)
Anmerkung: der Bericht findet sich in der orthodoxen Zeitschrift "Der
Israelit". Der kritische Unterton erklärt sich durch die dem gegenüber
der Orgel und dem gemischten Chorgesang völlig ablehnende Haltung des
orthodoxen Judentums.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
1. Februar 1894: "Speyer, 19. Januar (1894). Die hiesige
Synagoge, an welcher im letzten Jahre umfangreiche Restaurationen
vorgenommen, wurde wiederum am vergangenen Samstage unter besonderen
Feierlichkeiten eingeweiht. Die hiesige Gemeinde war die erste, welche den
gemischten Chorgesang mit Orgelbegleitung in ihrem Gotteshause einführte!
Speyer, Worms, Mainz, wo ist Euer alter Ruf
geblieben?" |
Über einen Gottesdienst in der Synagoge zu Eingang von
Simchas Tora - Bericht in einem Schulaufsatz (1937)
Artikel in "Jüdisches Gemeindeblatt für das Gebiet
der Rheinpfalz" vom 1. November 1937: "Speyer.
(Aus einem 'korrigierten' Schulaufsatz). Am Schluss des
Maariv-Gottesdienstes zu Eingang von Simchas Tora, feierte die jüdische
Jugend in Speyer ihr Simchas Tora. Mit Fahnen in den Händen besetzte die
Jugend die vorderen Bänke in der gut besuchten Synagoge.
Ein Orgelvorspiel eines 15-jährigen Organisten leitete die Feier ein.
darauf betrat ein 15-jähriger Lehrling - derselbe hat übrigens auch in Iggelheim
als Jom Kippurchassan - die Schacharis und Mincho-Gebete vorgetragen - als
'Kantor' den Vorbeterpult um das Ausheben anzustimmen. Der Jugendchor sang
fröhlich mit. Die sämtlichen Sifre Tora (Torarollen) wurden ausgehoben
und von Mitgliedern des jüdischen Jugendbundes getragen. Die Schulkinder
setzten sich fahnenschwingend vor den 'Chassen' (Kantor) und die
tanzähnliche Weise des traditionellen 'Ono' erklang von Kindermund
gesungen durch den geweihten Raum. Nach 3 Hakkafoth (Umrundungen) wurden 7
Rollen wieder eingestellt und eine Rolle zum Vorlesepult getragen. Nun
wurden die 3 ersten Parschioth von 11-13 Buben in mustergültiger Weise,
natürlich im Tropp, gelesen. Ein 'Kohen' mit allen jungen Kohanim, ein 'Lewi'
mit allen Lewijim und ein 'Jisroel' im 'kol hanorim' wurden aufgerufen;
ein Elfjähriger sprach laut Wort für Wort 'Hamalach hagoel' vor, jedes
Kind bekam seinen 'Mischeberach'. Ein 12-jähriger stimmt 'Ogil Weesmach'
an und die Buben auf dem Almemor singen kräftig mit. Der Chassen stimmt
das 'Einheben' an, der Sefer wird eingestellt. Nach 'Uwe nucho jomar'
hält der Prediger der Kehilla eine herzliche Ansprache an die Jugend. Der
'Chasan' sang dann einen herrlichen Jahrkaddisch und brachte die schweren
Weisen in musikalisch einwandfreier Weise zu Gehör. 'En kelohenu' wurde
von einem 7-jährigen Knirps schön gesungen. Dann kam der Höhepunkt des
Abends: Mit wehendem 'Tallis' betrat ein 12-jähriger Lockenkopf den
Almemor um Jigdal anzustimmen; den er mit dem Jugendchor abwechselnd sang.
Seine glockenreine gewaltige Knabenstimme füllte den großen Raum und
begeisterte alle Andächtigen.
Als nun am Schluss der Vorsitzende des Synagogenrats jedem sein Paket mit
Lebkuchen und Schokolade verteilte, da hatte jedes Kind seine echte
Simchah mit der Tora. Sch. H. (S.M.)" |
100-jähriges Bestehen der Synagoge (1937)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
11. November 1937: "München. Die jetzige Synagoge in Speyer
wird demnächst ihr 100-jähriges Bestehen feiern. Das Vorhandensein einer
Synagoge in Speyer ist zum ersten Mal für das Jahr 1096 urkundlich
bezeugt. Fachgelehrte vertreten die Ansicht, dass die Juden nach Speyer
schon sehr früh gekommen seien." |
Berichte zum
100-jährigen Bestehen der Synagoge (1937)
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Artikel in
"Jüdisches Gemeindeblatt für das Gebiet der Rheinpfalz"
vom 28. November 1937:
"Zum 100jährigen Bestehen der Synagoge in Speyer
1837-1937".
Von Rabbiner Dr. Ernst Steckelmacher, Ludwigshafen am Rhein: "Mein
Glückwunsch für die Gemeinde Speyer".
"Zur Geschichte der Juden in Speyer". I. Entstehung,
Blütezeit und Niedergang. Von Reinhold Herz - Speyer.
"Neugründung, Aufstieg und erneute Abnahme der Gemeinde Speyer im
19. und 20. Jahrhundert". Von Siegmund Marx - Speyer.
Besprechung: "Eine Gedenkschrift zum 100-jährigen Bestehen der
Synagoge zu Speyer". Von Rabbiner Dr. Ernst Steckelmacher.
Hinweis: Die Gedenkschrift ist online einzusehen über http://www.ufdc.ufl.edu/AA00013433/00001
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Artikel in
"Jüdisches Gemeindeblatt für das Gebiet der Rheinpfalz" vom 1.
Januar 1938: "Das hundertjährige Jubiläum der Speyerer
Synagoge". |
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge durch SA- und SS-Leute
geschändet. Ritualien und Einrichtungsgegenstände sowie die Bibliothek wurden
geplündert, vieles gestohlen. Danach wurde Feuer gelegt; das Gebäude ist
völlig ausgebrannt. Schon am 11. November 1938 bekam der Oberbürgermeister die
Abbruchgenehmigung für die Brandruine.
Auf dem Grundstück wurde 1948/49 zunächst eine Grünanlage mit
einem Kinderspielplatz angelegt, später wurde es als Parkplatz verwendet. 1955
wurde ein Kaufhaus auf dem Synagogengrundstück erbaut. Am 9. November 1978 wurde
zunächst an der Wand des Kaufhauses eine Gedenktafel
angebracht. 1992 wurde ein neuer Gedenkstein enthüllt, der an die vernichtete
jüdische Gemeinde und ihre Opfer erinnert.
Adresse/Standort der Synagoge: Heydenreichstraße
/ Ecke Hellergasse (ehem. Stöckergasse
1)
Fotos
(Quelle: SW-Fotos aus Landesamt: Synagoge s. Lit. S. 352-355;
neuere Fotos: Hahn, Aufnahmedatum: 10.8.2011)
Alte Synagoge
(?) |
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Nach
unbestätigten Angaben soll es sich
bei diesem Gebäude um eine alte Synagoge
(um 1800?) handeln |
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Die 1837
eingeweihte und
1866 vergrößerte Synagoge |
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Die Synagoge
(Aufnahme
Mitte der 1930er-Jahre) |
Restaurierung
der Portalinschrift um 1911:
"mein Haus soll ein Bethaus genannt werden
für alle Völker" (hebräisch, Jesaja 56,7) |
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Luftaufnahme:
das Synagogengebäude
(zwischen 1914 und 1938) |
Innenaufnahmen:
Blick zum Toraschrein (Aufnahme rechts von 1937) |
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Die zerstörte
Synagoge |
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Die ausgebrannte
Synagoge am Morgen
des 10. November 1938 |
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Das Denkmal
am
Synagogenstandort |
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Blick
auf das Denkmal |
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"Zum
Gedenken an die Ermordung der
jüdischen Mitbürger in Vernichtungslagern
des Naziregimes" |
Davidstern
mit
abgeknickter Spitze |
Tafel
mit Namen
von aus Speyer ermordeten
jüdischen Personen |
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Foto
oben in hoher Auflösung |
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Film über die Synagoge in Speyer und ihre Zerstörung - eingestellt bei YouTube
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Juli 2010: Besuch
bei ehemaligem Organisten der Speyerer Synagoge in den USA |
Artikel von "pes" in der
"Schwetzinger Zeitung" vom 20. Juli 2010 (Artikel):
"Besuch in den USA: Lehrer Peter Sauter bei Alfred Cahn, der 1939 vor den Nazis fliehen musste
Nach 70 Jahren gut über Speyer informiert
Speyer. Alfred Cahn zeigt sich gut informiert über die aktuellen Entwicklungen in Speyer, besonders, wenn es um den Stand des Baus der neuen Synagoge geht. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn Cahn ist zwar gebürtiger Speyerer, doch er musste 1939 wegen seines Glaubens vor den Nazis fliehen und lebt seit den 40er Jahren in den Vereinigten Staaten. Vergessen ist auch er in seiner Heimatstadt nicht..." |
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Seit März 1998:
Städtepartnerschaft zwischen Speyer und der israelischen Stadt Yavne: am
1. März 1998 wurde die Partnerschaftsurkunde mit Yavne unterzeichnet. Dazu Seite
in der Website von Speyer. Viele Aktivitäten gehen vom Freundeskreis
Speyer-Yavne aus.
Der "Platz der Stadt
Yavne" in Speyer
(Fotos: Stefan Haas) |
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Dezember 2017:
Stolpersteine-Verlegungen alsbald auch in Speyer? |
Artikel von Steffen Heumann im
"Nibelungen-Kurier" vom 23. Dezember 2017: "Wormser CDU-Stadtratsfraktion informiert Speyerer Unions-Fraktion über Stolpersteinverlegung
Dr. Jörg Koch referiert in Wormser Ratssaal über Stolpersteinverlegung / Aktion soll in Speyer im Mai starten / CDU-Fraktionssprecher Dr. Karlin (Worms) und Dr. Wilke (Speyer) loben Austausch
Bei einem Treffen der CDU-Stadtratsfraktionen aus Speyer und Worms hat der Wormser Historiker Dr. Jörg Koch, der auch CDU-Stadtratsmitglied ist, im hiesigen Ratssaal die Delegation aus Speyer über die Praxis der Stolpersteinverlegung in Worms informiert. Die beiden Fraktionssprecher Dr. Klaus Karlin (Worms) und Dr. Axel Wilke (Speyer) bewerteten den Austausch, in dem darüber hinaus auch noch andere gemeinsame Themen behandelt wurden, als sehr positiv und sagten, sie wollten die Zusammenarbeit fortsetzen.
'Man kann immer voneinander lernen', hieß es..."
Bei der Verlegung von Stolpersteinen geht es um kleine, goldglänzende Quader, die an Menschen erinnern sollen, die von den Nationalsozialisten umgebracht wurden. Dabei beschränkt sich das Gedenken nicht nur auf jüdische Mitbürger, die deportiert und ermordet wurden. In Speyer befindet sich die Stolpersteinverlegung noch am Anfang. Anders in Worms: Dort wird diese bereits seit 2006 über den Verein Warmaisa organisiert. Der Termin für die erste Verlegung in Speyer ist für Mai nächsten Jahres vorgesehen.
'Weil es im Detail noch Diskussionsbedarf gibt, wollten die Stadträte die Erfahrungen aus Worms hören', fasste Koch den Hintergrund seines Vortrags zusammen. Anhand einer Power-Point-Präsentation zeigte er verschiedene Verlege-Aktionen der vergangenen Jahre und ging auch kurz darauf ein, wie diese besondere Art des Gedenkens in der Nibelungenstadt beschlossen worden war. So hatte der Wormser Stadtrat der Aktion zuvor ausdrücklich zugestimmt. Auch in Speyer hat der Stadtrat das Vorhaben Ende letzten Jahres einstimmig befürwortet.
Viele Fakten hatte Dr. Koch zusammengestellt und die Infos dicht gebündelt vorgetragen, was von den Speyerern interessiert aufgenommen wurde. Derzeit gibt es europaweit rund 63.000 Stolpersteine, davon in Deutschland rund 53.000 und in Worms 191. Verlegt werden die Steine für alle Opfer des NS-Regimes. Die Verlegung wird von dem Kölner Künstler und Initiator der Aktion, Gunter Demnig, oder dessen Beauftragten vorgenommen. Die Kosten für eine Patenschaft betragen derzeit 120 Euro für einen Stolperstein. Auch in Worms ist diese Form der Geschichts-Aufarbeitung übrigens noch nicht abgeschlossen: Der Verein Warmaisa bittet nach wie vor um Spenden, um weitere Stolpersteine verlegen lassen zu können."
Link
zum Artikel
Ähnliche Artikel in echo-online.de vom 23. Dezember 2017: "Von
Worms lernen..." und in der "Wormser Zeitung" vom
23. Dezember 2017: "Von
Worms lernen..." |
Weitere Informationen siehe in der
Website https://www.stolpersteine-speyer.com |
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Mai 2018:
Erste Stolpersteine-Verlegung
in Speyer
Anmerkung: Die Stolpersteine wurden verlegt in der Schraudolphstraße 26 für
Albert Mühlhauser (1878), Marie Mühlhauser geb. Dreyfuß (1885), Stephanie
Mühlhäuser (1909), Franz Mühlhäuser (1912), Ernst Mühlhäuser (1913) und
Klara Mühlhäuser (1913); Schraudolphstraße 31 (Kantorenfamilie Benno
Grünberg (1885), Beate Erna (gen. Irene) Grünberg geb. Rosenthal (1894),
Heinrich (genannt Heini) Grünberg (1929), Margarete (genannt Margit)
Grünberg, Lina Rosenthal geb. Kahn (1867); Im Lenhart 35 (fünf Stolpersteine
für Mitglieder der nichtjüdischen Familie Matuszewski-Schultheis).
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Artikel im "Wochenblatt Speyer" vom 14. Mai
2018: "'Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist'.
Erste Stolpersteinverlegung in Speyer
Speyer. Nach jahrelangen Diskussionen und monatelanger Recherche wurden
am Freitag, 11. Mai 2018, in Anwesenheit von Enkeln und Urenkeln aus
Jerusalem und Speyer in Erinnerung an die Familien Mühlhauser, Grünberg und
Schultheis insgesamt 16 Stolpersteine verlegt. Die handgefertigten
Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, der diese am
Freitag in Speyer auch selbst verlegt hat. 'Ein Mensch ist erst vergessen,
wenn sein Name vergessen ist', zitiert Gunter Demnig den Talmud. Die
Stolpersteine sollen an Menschen erinnern, die während der NS-Zeit verfolgt,
inhaftiert, deportiert, vertrieben, zum Selbstmord gezwungen oder ermordet
wurden. Jeder Stein steht für einen Namen. Für einen Menschen. Jedes Opfer
erhält seinen eigenen Stein. Gedacht wird mit diesem Projekt aller
verfolgten oder ermordeten Opfer des Nationalsozialismus: Jude, Sinti und
Roma, politisch Verfolgten, religiös Verfolgten, Zeugen Jehovas, Menschen
mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung, Menschen, die aufgrund
ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Hautfarbe verfolgt wurden, als
'asozial' verfolgte Menschen, wie Obdachlose oder Prostituierte,
Zwangsarbeiter und Deserteure - letztlich aller Menschen, die unter diesem
Regime leiden mussten. Sie werden vor dem letzten selbstgewählten Wohnort
der Verfolgten in den Bürgersteig eingelassen. Die Initiative 'Stolpersteine
für Speyer', die aus Sabrina Albers, Cornelia Benz, Katrin Hopstock, Jutta
Hornung, Ingrid Kolbinger und Kerstin Scholl besteht, möchte die Erinnerung
an die vom NS-Regime verfolgten Speyrer Bürger aufrechterhalten. Ihre Namen
und Schicksale sollen wieder sichtbar zurück in das Gedächtnis der Stadt
gebracht werden. Um Stolpersteine in Speyer realisieren zu können, benötigen
die Initiatoren Hilfe, denn die Steine werden allein durch Spenden und
Patenschaften finanziert. Die Realisierung eines Stolpersteins kostet 120
Euro, jede noch so kleine Unterstützung hilft, das Projekt weiterzubringen.
Patenschaften können von Privatpersonen, Institutionen, Ausbildungsstätten,
Firmen und Vereinen oder Parteien übernommen werden. Mit mittlerweile rund
60.000 verlegten Steinen in über 20 europäischen Ländern, bilden die
Stolpersteine das größte dezentrale Mahnmal der Welt.
Spendenkonto: Konto: Stadt Speyer IBAN: DE20 5455 0010 0000 0015 86
BIC: LUHSDE6AXXX Kennwort: Stolpersteine".
Link zum Artikel |
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Artikel
von Ellen Korelus-Bruder in der "Speyerer Rundschau" (Rheinpfalz Speyer) vom
12. Mai 2018: "Ein Anfang..."
Zum Lesen des Artikels bitte Textabbildung anklicken. |
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April 2019:
Zweite Verlegung von Stolpersteinen |
Siehe Informationen in der Seite
https://www.stolpersteine-speyer.com/biographien
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Mai 2020:
Eine weitere Verlegung von
Stolpersteinen kann wegen der Corona-Krise nicht stattfinden und wird
verschoben |
Artikel von "mey" in der "Schwetzinger
Zeitung" vom 22. Mai 2020: "Speyer. Erinnerung Künstler überlässt
Organisatoren die Entscheidung. Stolpersteine könnten in Eigenregie gesetzt
werden.
Speyer. Für fünf weitere Familien sollten am 9. Mai 15 Stolpersteine in
Speyer verlegt werden. Dazu kam es wegen den Corona-Kontaktbeschränkungen
nicht. Aufgrund der aktuellen Situation hatte der Künstler Gunter Demnig
sämtliche Verlegungen bis einschließlich 16. Mai abgesagt. Da bis Mitte
nächsten Jahres alle Termine mit anderen Verlegungen verplant sind, ließ der
Künstler durchblicken, dass die Speyerer Initiative die Steine unabhängig
von ihm in Eigenregie setzen könne. Dazu hat er den Vor-Ort-Organisatoren
die fertig geformten und mit den Namen der Opfer versehenen Steine zukommen
lassen. Diese kleinen Mahnmale befinden sich derzeit in der Obhut von
Aktionsmitglied Ingrid Kolbinger. Diese erklärte auf Anfrage unserer
Zeitung, dass die Initiative in Absprache mit der Stadt und abhängig von der
Entwicklung der aktuellen Situation an eine Verlegung im Herbst denke."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur (kleine Auswahl der verwendeten Literatur):
| Johannes Bruno: Schicksale Speyerer Juden 1800 bis 1980. Schriftenreihe
der Stadt Speyer. Bd. 12. Speyer 2000.
ders.: Schicksale
Speyerer Juden II. 2011. ISBN 978-3-939512-31-8.
Buchvorstellung im "morgenweb" (Schwetzinger Zeitung) vom 7.
November 2011: Link
zum Artikel - auch als
pdf-Datei eingestellt. |
| Historischer Verein der Pfalz. Bezirksgruppe Speyer (Hg.): Geschichte der
Juden in Speyer. 3., erheblich erweiterte und überarbeitete Auflage Speyer
2004. |
| Johannes Bruno / Eberhard Dittus: Jüdisches Leben in
Speyer. Einladung zu einem Rundgang. Haigerloch 2004. |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. (mit weiteren Literaturangaben).
|
| Im "Speyer-Kurier - Kurpfälzer Allgemeine
Zeitung" sind 2011 mehrere Artikel zur jüdischen Geschichte der
Stadt erschienen, darunter
- Erinnerungen
an einen bedeutsamen Teil Speyerer Bürgerschaft - "Jüdische
Lebensbilder": ausführliche Artikel zu Esajas Kuhn, Henriette
Mayer, Theodor David, Dr. med. Adolf David, Sigmund Mayer, Marx Mayer,
Leopold Süssel, Isidor Roos, Theodor Altschul, Dr. med. Siegmund Reis
usw.
- Weitere Artikel unter den Stichworten: Jüdisches
Leben - früher - Jüdisches
Leben - heute |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Speyer Palatinate. After the 1534 expulsion, Jews were not present again
until 1621. In 1622, 47 were living under the protection of the municipality.
However, new restrictions followed and in 1688 they were again expelled. Jewish
settlement was only renewed under the French after the institution of equal
rights. In 1808, Jews numbered 80. Their population grew steadily throughout the
century, reaching 539 (total 15.589) in 1880. In 1848, 61 % of Jews were
merchants and 25 % practiced trades (including butchers). Later Jews opened shoe,
cigarette, and woodworking factories. In trade, livestock dealers were
prominent. Between 1863 and 1907, Jews were regularly elected to the municipal
coucil and the jurist Karl Adler, a native of Speyer, became one of the first
two Jews to be elected in the Bavarian Landtag in 1869. Jews were also active in
local organizations like the Red Cross and glee club. A Jewish elementary school
was started in 1831 with 42 pupils and a new synagogue was consecrated in 1837,
also housing the school and a mikve. Ludwig Schloss taught in the school
52 years, also becoming chairman of the community and one of its leading figures.
Because of its Liberal tencendies, manifested in the introduction of an organ
onto the synagogue in 1850 and confirmation exercised in the Protestant style
for both boys and girls, the community was in constant conflict with the
regional rabbinate, particularly from 1865 when the Orthodox Dr. Adolf Salvendi
was at its helm. The Jewish population dropped to 403 in 1910 and the downward
trend continued in the Weimar period owing to a declining birthrate and
emigration to bigger cities like Mannheim and Frankfurt. Jews continued to be
involved in local life.
In 1933, the Jewish population was 269. With the rise to power of the Nazi
regime, Jewish stores were burned and the economic and social isolation of the
Jews commenced. The situation worsened in late 1934 and by September 1936, ten
Jewish businesses had been closed or sold. Only 50 Jewish wage earners now
remained in the city. In the 1933-36 period, 84 Jews left Speyer, another 30
left in 1937. Of these, 33 moved to other German cities and 81 emigrated,
inluding 45 to the United States. Fifteen more left by October 1938. Jewish
youth and sports clubs remained active and Hebrew and English courses were
offered in the community. The Zionists also became more active. On Kristallnacht
(9-10 November), the synagogue was burned. Jews homes and stores were vandalized,
and the Jewish cemetery was desecrated. Jewish men were sent to the Dacau
concentration camp and detained for weeks and months. Another 60 Jews left by
May 1939. Sixty remained in October 1940. On 21-22 October, 51 were deported to
the Gurs concentration camp in southern France in the general expulsion of Jews
from the Palatinate and Baden. Of these, ten managed to emigrate. Of the others,
12 perished in France and 24 were murdered in Auschwitz; five survided. In all,
at least 42 Jews perished in the Holocaust.
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