In Speyer bestand eine große und bedeutende jüdische Gemeinde zunächst im
Mittelalter. Sie hatte enge Beziehungen zu den in Worms und Mainz zur selben
Zeit bestehenden Gemeinden. Alle drei Gemeinden werden (nach den
Anfangsbuchstaben der drei Städtenamen) auch "SchUM"-Gemeinden
genannt. Diese hatten ihren eigenen Ritus; die Beschlüsse ihrer
Synagogen (Takkanot Schum) waren maßgebend für die deutschen Juden.
Bereits im Dorf Speyer (Altspeyer) gab es seit dem 11. Jahrhundert eine jüdische Gemeinde.
1084 erklärte Bischof Rüdiger von Speyer, dass er die Ehre des Dorfes
Altspeyer, das er der Stadt einverleibte, durch die Aufnahme von (weiteren?) Juden
tausendfach zu erhöhen glaube. Damals zogen Juden aus Mainz zu und ließen
sich in Speyer nieder. Ihr Wohnviertel (zunächst noch außerhalb der
Stadt) wurde zu ihrem Schutz mit Mauern umgeben. Ab 1096 entstand unweit des
Domes im Bereich der Judengasse/Kleine Pfaffengasse ein jüdisches Wohnviertel
innerhalb der Stadt.
Eine Synagoge war im Dorf Speyer bereits im 11. Jahrhundert vorhanden. Eine
zweite Synagoge (Innenstadtsynagoge) wurde am 21. September 1104 - acht Jahre nach den Verfolgungen des Jahres 1096 (erster
Kreuzzug) - eingeweiht. Wenig später (um 1120) entstand des rituelle Bad.
Dabei handelt es sich um das älteste erhaltene rituelle Bad nördlich der Alpen
(das Bad in Speyer war Vorbild für das 1185(86 erbaute jüdische Bad in
Worms).
Die Juden Speyers hatten Handelsfreiheit, eigene
Gerichtsbarkeit unter dem Rabbiner, das Recht, Grundbesitz zu erwerben, einen
Friedhof anzulegen u.a.m. An der Spitze der etwa 300 bis 400 Personen
umfassenden jüdischen Gemeinde stand der vom
Bischof ernannte Archisynagogus. Die jüdische Gemeinde Speyers wurde durch
mehrere jüdische Schulen ein hochbedeutendes Zentrum jüdischer
Gelehrsamkeit.
Verfolgungen und Ende der mittelalterlichen Gemeinde. Im 1. Kreuzzug
(1096) schützte der Bischof die Juden, dennoch gab damals elf Tote.
Zu weiteren Verfolgungen kam es beim 2. Kreuzzug und im Februar 1195 ("Ritualmord"-Pogrom
mit neun Toten).
Auch 1282 und 1343 kam es zu Verfolgungen. Als den Juden während der Pestzeit
im Januar 1349 der Untergang drohte, verbrannten sich viele in ihren Häusern.
Andere konnten
fliehen und wenige später zurückkehren, wurden jedoch 1353 erneut vertrieben, um im Jahr
darauf wieder zugelassen zu werden. Seit 1435 erfolgten mehrfache Ausweisungen der
Juden aus
Speyer. Spätestens um 1500/1529 lebten keine Juden mehr in der Stadt.
Eine neue Gemeinde konnte - nach einer vorübergehend im 17. Jahrhundert
bestehenden Gemeinde (1621 bis 1688) - erst seit dem Ende des 18. Jahrhunderts entstehen.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 10. Oktober 1902: "Speyer, 16. September (1902).
Unsere Stadt besitzt wohl das älteste deutsche Bauwerk jüdischen
Ursprungs, dessen Errichtung in das 12. Jahrhundert zurückdatiert wird,
das alte 'Judenbad'. Die anlässlich des vor wenigen Jahren hier tagenden
Anthropologenkongresse anwesenden Gelehrten, an der Spitze der jüngste
verstorbene Virchow brachten diesem einzig in seiner Art dastehenden
Bauwerk das weitgehendste Interesse entgegen und unternahmen
gemeinschaftliche eine längere Besichtigung desselben. Diesem Umstande
sowie den eingehenden Berichten der Fach- und Tagespresse dürfte es zu
verdanken sein, dass der Ruf dieses Baues in die weitesten Kreise getragen
wurde, und heute wohl kein Fremder unsere Stadt besichtigt, ohne auch das
Judenbad besucht zu haben. Der deutsche Kronprinz, der vor einigen Wochen
auf einer Studienreise begriffen war, sowie in den letzten Tagen die
Königin-Mutter Margherita von Italien mit Gefolge besichtigten neben den
Kaisergräbern im Dom aus das Judenbad und ließen sich über dessen
kulturhistorische und architektonische Eigentümlichkeiten ausführlich
unterrichten. Es dürfte deshalb am Platze sein, auch hier das
Wissenswerte darüber zu berichten und zwar in Anlehnung an Dr. Kohuts
'Geschichte der deutschen Juden' sowie den Bericht des königlichen
Regierungsbaumeisters Weißstein im 'Centralblatt der Bauverwaltung' von
1885: 'Das Judenbad mit Synagoge befand sich inmitten des den Juden
zugeteilten Stadtteiles, und ist durch das vom Bischof Rüdiger
(1073-1090) hierüber ausgestellte Privileg zum ersten Male das sogenannte
'Ghetto' in Deutschland konstatiert. Die Straße sind noch heute
'Judengasse' beziehungsweise 'Judenbadgasse' benannt. Das Judenbad selbst
gehört nach dem Urteil anerkannter Autoritäten zu den besterhaltenen und
bedeutendsten Denkmälern der frühromanischen Periode. Der
Grundwasserspiegel desselben liegt ungefähr 9,5 Meter unter dem jetzigen
Boden, und man muss, da die Eingangsschwelle des Bades infolge
allmählicher Aufhäufungen jetzt 2,4 Meter unter der Erde liegt, eine
Tiefe von 7 Meter durch Treppenanlagen hinabsteigen. Die Längswände
derselben sind mit Nischen versehen, welche durch dreifach geknickte,
scheidrechte Bögen überdeckt werden. An diese Treppen schließt sich ein
Kreuzgewölbe, das auf vier frei in den Winkeln stehenden Säulen ruht;
die Säulen haben teils Kapitäle mit Blättern teils Würfelkapitäle mit
Flechtmustern. Die Kämpferansätze weisen vielgestaltige Profile und
zierliche Schmuckformen auf. Jener Raum, ursprünglich wahrscheinlich zum
Aus- und Ankleiden benützt, ist an den Wänden mit Steinbänken versehen;
östlich schließt sich eine kleine Nische mit einem Steinsitz an,
westlich ist der Eingang zu der abwärts führenden, mit einem
schraubenförmig ansteigenden Tonnengewölbe überdeckten Wendeltreppe. An
die letzte Stufe derselben schließt sich der eigentliche Badeturm an,
eine nahezu quadratische Zisterne, umgeben von massiven Werksteinmauern,
mit Stufen auf dem Fußboden und überdeckt mit einem Kreuzgewölbe, in
dessen vier Schildflächen vier kreisförmige Fenster angebracht sind. Die
ganze Bauanlage ist aus Sandstein ausgeführt und scheint bis zum Jahre
1349 benutzt worden zu sein, zu welchem Zeitpunkt die Juden beim Ausbruche
des 'schwarzen Todes' aus Speyer vertrieben wurden. Damals wurde auch
wahrscheinlich die Zerstörung der nahen ehemaligen Synagoge bewirkt;
diejenige des Bades selbst mag, da es in die Erde hineingebaut ist, zu
schwierig erschienen sein. Trotzdem dieser Bau weder gepflegt noch bis
heute irgendwie restauriert wurde, hat er sich vorzüglich erhalten und
alle Schicksalsschläge, deren unsere Stadt in den Jahrhunderten leider so
viele erfahren, aufs Wunderbarste überdauert. Wäre es nicht Pflicht der
deutschen Judenschaft, dieses uralte Wahrzeichen jüdischer Kultur der
Allgemeinheit und durch eine durchgreifende Antragung des aufgeschütteten
Erdreiches der wissenschaftlichen Forschung zugänglich zu machen, welcher
sich hier gewiss eine reiche Fundstätte eröffnen dürfte? Diese Annahme
erscheint umso berechtigter, als in den 'Judenbadgasse' - ganz dicht in
der Nähe des Bades - 80 Zentimeter unter der jetzigen Straßenkrone ein
wohlerhaltenes Straßenpflaster gefunden wurde (Kohut S.28). In erster
Linie wäre allerdings erforderlich, dass sich die Mittel zusammenfinden
würden, um die Bauanlage wieder in jüdischen Besitz zurückgelangen zu
lassen, und wäre der Zweck dieser Zeilen erreicht, wenn sie zu einer
Diskussion in diesem Blatte über die einzuschlagenden Wege Anlass geben
würden."
Beitrag von Bezirksrabbiner Dr. Ernst Steckelmacher:
"Von den ältesten Synagogen in der Gemeinde Speyer" zum 100-jährigen
Bestehen der jetzigen Synagoge (Beitrag von 1937, ein Jahr vor Zerstörung der
Synagoge beim Novemberpogrom 1938)
Anmerkung: Der Verfasser des Beitrages, Rabbiner Dr. Ernst Steckelmacher war
seit 1910 Bezirksrabbiner von Frankenthal mit Sitz in Bad Dürkheim
(Bezirksrabbinat Dürkheim-Frankenthal). 1935 wurde der Sitz des Rabbinates nach
Ludwigshafen verlegt. Dr. Steckelmacher ist nach der Deportation nach Gurs
(1940) 1943 in Lublin-Majdanek
umgekommen.
Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung"
vom 1. November 1937: "Von den ältesten Synagogen in der Gemeinde
Speyer. Anlässlich des hundertjährigen Bestehens der jetzigen Synagoge.
Von Rabbiner Dr. Ernst Steckelmacher in Ludwigshafen
am Rhein.
Das hundertjährige Bestehen der jetzigen Synagoge in Speyer, das am
ersten Chanukka-Abend von der Gemeinde durch eine gottesdienstliche Feier
begangen werden wird, rechtfertigt gewiss, dass in Folgendem auf die
ältesten Synagogen, die in Speyer errichtet worden sind, hingewiesen
wird.
Zum ersten Male erhalten wir eine beglaubigte Nachricht über eine
jüdische Siedlung auf deutschem Boden aus dem Jahre 321 n.d.
gewöhnlichen Zeitrechnung. In diesem Jahre richtete Kaiser Konstantin
seinen Erlass über die Aufhebung der Befreiung der Juden von der
kostspieligen Berufung in das Dekurionat auch nach Köln. Beglaubigte
Nachrichten über jüdische Siedlungen an anderen Orten auf deutschem
Boden in dieser frühen Zeit fehlen uns. Dessen ungeachtet spricht mein
seliger Lehrer am jüdisch-theologischen Seminar in Breslau, M. Brann, in
seinem Beitrag in der Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des
Judentums. Neue Folge, 17. Jahrgang, 1909, Vorarbeiten zur 'Germania
Judaica'. Der Artikel Speyer', die Vermutung aus, dass Juden in Speyer
schon früh mit Vorliebe Aufnahme gesucht haben werden. 'Aus dem
erstaunlich umfangreichen sittlichen und wissenschaftlichen Besitz, den
wir in den Händen der deutschen Juden des 11. Jahrhunderts finden,
dürfen wir auf eine langjährige ungestörte Entwicklung schließen, in
der diese Güter allmählich wachsen und gedeihen konnten' (S. 92). Brann
erwähnt auch in diesem Zusammenhange die Urkunde, die Bischof Rüdiger,
auch Huozmann genannt, am 13. September 1084, der damals auf den Tag nach
dem Versöhnungstage fiel, den Juden Speyers ausgestellt hat. Nach Branns
Darstellung hatte der Bischof, der damals das Dorf Altspeier mit zur Stadt
zog, die Absicht, die von Alters her hier ansässigen und die soeben aus
Mainz neu ankommenden Juden, die aus Furcht vor den Folgen einer
Feuersbrunst, die im Judenviertel ausgebrochen war, und die übrige Stadt
in Mitleidenschaft gezogen, geflohen waren, hier zu konzentrieren. In dem
Artikel 'Speyer' der Germania Judaica (S. 326-266), zu dessen Verfassern
Brann gehört, wird Ähnliches ausgeführt. Wenn dem so wäre, wie Brann
es darstellt, und auch von den Verfassern des Artikels 'Speyer' in der
Germania Judaica angenommen wird, würde kein Zweifel darüber bestehen,
dass Juden schon vor 1084 in Speyer gewohnt haben und auch eine Synagoge
vor diesem Zeitpunkt dort sich befunden hat. Denn größere jüdische
Siedlungen, die längere Zeit hindurch bestehen, sind ohne Synagoge, wenn
äußere Umstände nicht hindernd in den Weg treten, nicht denkbar.
Gegen die Ausführungen in dem Artikel 'Speyer' in der Germania Judaica
wendet sich Richard Krautheimer in seinem Buche 'Mittelalterliche
Synagogen'. Nach dieser Darstellung wäre es erst im Jahre 1084, als die
aus Mainz flüchtenden Familien vom Bischof Rüdiger aufgenommen wurden,
zu einer Gemeindegründung in Speyer gekommen, und daher vor diesem Zeitpunkt
dort keine Synagoge errichtet worden.
Im Jahre 1096 ist uns zum ersten Male eine Synagoge in Speyer urkundlich
bezeugt. In einem der hebräischen Berichte über die Verfolgungen, welche
die Speyerer Juden im Kreuzzugsjahr 1096 erdulden mussten, wird eine
Synagoge der Gemeinde Speyer erwähnt. 'Am 8. Tage im Monat Ijar, am
Sabbat, begannen die Irrenden und die Städter zuerst gegen die heiligen
Männer, die Frommen des Höchsten, in Speyer aufzustehen, und fassten den
Entschluss gegen sie, sie zusammen in der Synagoge zu ergreifen. Das wurde
ihnen (den Juden) gemeldet, und sie standen am (frühen) Morgen auf,
beteten am Sabbat rasch und entfernten sich aus der Synagoge. Als nun (die
Feinde) sagen, dass ihr Plan, sie (die Juden) zusammen zu ergreifen, nicht
gelungen war, erhoben sie sich gegen sie und töteten elf Menschen... Als
aber der Bischof Johann dies erfuhr, kam er mit großer Mannschaft,
leistete mit ganzem Herzen der Gemeinde Hilfe, ließ sie in seine
Gemächer bringen und rettete sie so aus ihrer (der Feinde) Hand...'
(zitiert in dem Artikel 'Speyer' der Germania Judaica, S. 330). Im Jahre
1104 wurde im oberen Judenviertel, in dem Dorfe Altspeyer, eine zweite
Synagoge eingeweiht. In einem hebräischen Berichte, der sehr deutlich
dartut, wie unsicher sich die Speyerer Juden nach den Verfolgungen des
Jahres 1096 fühlten, heißt es darüber: 'Nachher (nach den Ereignissen
des Jahres 1096) kehrte ein jeder in die Stadt zurück, in sein Haus und
an seinen Platz, und nicht konnten die in der oberen Nachbarschaft
Wohnenden zu (denen) der unteren des Abends, Morgens und Mittags
(hinunter) gehen, aus Furcht vor der Bedrängnis... und so beteten wir in
der oberen Nachbarschaft im Lehrhaus des R. Jehuda b. R. Kalonymos. Sie
aber in der unteren Nachbarschaft beteten an ihrem Orte, der Synagoge, und
so hielten sie es viele Jahre. Das ganze Werk (des Synagogenbaus) war
vollendet im Monat Elul des Jahres 4684 (1104). Am Vorabend des
Neujahrsfestes kam einer von den Ältesten und sagte zur Gemeinde: Kommet,
lasst uns die heilige Lade hinauftragen in das Haus, das wir gegründet
haben auf
seinem
Grund und Fundament. Darauf zogen die Ältesten der Gemeinde, ihre
Priester und Leviten (hinauf) und trugen die Torarollen in die heilige
Lade, die sich dort im Gotteshause befand, unter großer Freude hinauf.
Dort blieben sie bis auf den heutigen Tag. Am darauffolgenden Tag, am
Neujahrstage, begannen wir in seiner Mitte zu beten, und wir beten dort
bis auf den heutigen Tag.' (zitiert in der Germania Judaica, S.
350).
Bei der Verfolgung im Jahre 1096 waren, wie aus dem bereits angeführten
Berichte hervorgeht, einzelne Personen, elf an der Zahl (nach anderen
Berichten waren es 10 gewesen), in der Speyerer Gemeinde ums Leben
gekommen. Ein Jahrhundert darauf, im Jahre 1195, war die ganze Gemeinde
von dem Pogrom betroffen worden. eine Ritualmordlegende war die
Veranlassung. Der Bericht, der das große Unglück schildert, das damals
über die Gemeinde hereinbrach, erwähnt auch ihre Synagoge, die von den
Verfolgern eingeäschert wurde. '...Die Juden stiegen auf das Obergeschoss
der Synagoge hinauf, darauf zogen sie die Leiter, auf welcher sie
hinaufgestiegen, zu sich empor. Dort retteten sie sich, bis ihnen Hilfe
kam. Dann ließen sie die Leiter hinab und stiegen auf ihr hinunter und
gingen noch während der Nacht aus der Stadt weg. Die Feinde aber
plünderten alles, was sich in den Häusern befand, ihre Bücher und die
Torarollen waren sie ins wasser und die Synagoge äscherten sie ein.'
(zitiert in der Germania Judaica S. 332).
Die in den angeführten Berichten erwähnten Synagogen der Speyerer
Gemeinde bestehen schon längst nicht mehr, (wie Krautheimer in seinem
Buche 'Mittelalterliche Synagogen' ausführt, stammen nur der Grundriss
wie die wesentlichen Teile der Ostwand der jetzigen Synagoge von dem Bau
des zu Ende gehenden 11. Jahrhunderts). Aber dessen ungeachtet werden
diese ältesten urkundlich bezeugten Synagogen der Speyerer Gemeinde nicht
der Vergessenheit anheimfallen, die Geschichte der jüdischen Gemeinschaft
wird von ihnen immer wieder berichten, weil in diesen Synagogen die
überragendsten Lehrer des mittelalterlichen Judentums aus- und eingingen
und in diesen Synagogen gebetet haben, jene 'Weisen von Speyer', wie sie
in den Urkunden genannt werden, die in der scharfsinnigsten Weise den
Talmud erforscht und erklärt, und gerade auf diesem Gebiete wahrhaft
schöpferisch waren, die unser Gebetbuch durch Piutim und Selichot
bereichert haben, die heute noch in Israel gebetet werden. Man kann sich
eine Vorstellung von der Bedeutung dieser 'Weisen von Speyer' machen, wenn
man sich vergegenwärtigt, dass 'nach Vernichtung der Mainzer Gemeinde im
Jahre 1084 die geistige Führung der Juden in Deuschland an die Gemeinde
Speyer überging, die dem Judentum bedeutende Pflege des nationalen und
religiösen Erbgutes geschenkt hat'. Dass diese Männer weit über die
Grenzen Speyers und des deutschen Reiches als repräsentative Vertreter
des Judentums anerkannt wurden, erhellt aus der Tatsache, dass eine im
Jahre 1156 in Troyes abgehaltene Rabbinersynode den Gemeinden Speyer,
Worms und Mainz (SCHUM) das Richteramt über die deutschen Gemeinden
übertrug. Dieser Beschluss wurde auf einer deutschen Rabbinerversammlung
des gleichen Jahres in Mainz bestätigt, 1220 und 1223 erneuert und erweitert'
(Germania Judaica, S. 335).
Zunz umreißt in seinem Buche 'Die gottesdienstlichen Vorträge der Juden'
die Aufgabe der Synagoge folgendermaßen: '...die Juden haben längst
Selbständigkeit und Vaterland verloren, aber bei dem Untergange aller
Institutionen blieb die Synagoge als einziger Träger ihrer Nationalität,
dorthin floh ihr Glauben und von dort her empfingen sie Belehrung für
ihren irdischen Wandel, Kraft zur Ausdauer in unerhörten Leiden...'
(S.1). Die ältesten, urkundlich bezeugten Synagogen in Speyer, auf die
hier hingewiesen wurde, und auch ihre Nachfolgerinnen haben die Aufgabe,
die nach Zunz der Synagoge zufällt, erfüllt. In den Unglückstagen um
die Mitte des 14. Jahrhunderts, als der schwarze Tod Europa heimsuchte und
entsetzliche Leiden über die Juden hereinbrachen, werden auch die
Speyerer Juden vertrieben, ihr Besitz kommt samt der Synagoge an den Rat,
bei der zweiten Ausweisung neuer Ansiedler 1353 wird der Friedhof
umgeackert, die Grabsteine in die Stadtbefestigung verbaut. 1354 werden
die Juden wieder aufgenommen, doch wohnen sie seitdem nur in dem alten
Ghetto im unteren Viertel, um die jetzige Synagoge herum. 1534 werden sie
zum letzten Male und bis zum 18. Jahrhundert endgültig ausgewiesen (Krautheimer.
Mittelalterliche Synagogen S. 146). Auch die jetzt vor einem Jahrhundert
eingeweiht Synagoge hat stets der Aufgabe gedient, die Zunz der Synagoge
zuweist. Möchte das ehrwürdige Gotteshaus auch weiterhin, obwohl jetzt
Tage des Abstiegs und des Niedergangs dafür gekommen sind, dieser Aufgabe
gerecht werden! Das ist mein Glückwunsch für die Gemeinde Speyer, in der
als Rabbiner zu wirken ich als eine große Verpflichtung
ansehe."
Fotos (Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 11.8.2011;
Hinweis: es sind auch Fotos in höherer Auflösung
eingestellt - zum Anschauen bitte den unterstrichenen Link unter der
Beschriftung des Fotos anklicken)
Das mittelalterliche Wohngebiet
Die
Judengasse
Hinweistafel:
"Hier befand sich seit dem
11. Jahrhundert das Speyerer Judenviertel"
2009: 20 Jahre
Judenhof-Betreuung durch den Verkehrsverein
Artikel von Cornelia Kurth in der
Schwetzinger Zeitung vom 5. April 2009 (Artikel):
Offene Türen zum Jubiläum: 20 Jahre Judenhof-Betreuung durch Verkehrsverein / Neue Infotafeln
- "Damals waren Menschen nicht verzärtelt!" Speyer. Ein erster Rundblick über das Gelände des Judenhofs erfasst zunächst nur die eher kargen Ruinen von Synagoge und Frauenbethaus. Das eigentliche Geheimnis aber - das Tauchbecken tief im Keller des Badehauses - erschließt sich erst durch eine Führung, wie sie der städtische
Verkehrsverein seit nun genau 20 Jahren regelmäßig anbietet. Auch am gut besuchten Tag der offenen Tür fanden wieder solche Führungen statt..."
November 2010:
Das neue jüdische Museum auf dem Gelände des
Judenhofes wurde eröffnet
Artikel im "morgenweb.de" vom 9.
November 2010 (Artikel):
"Geschichte: Das Jüdische Museum auf dem Gelände des Judenhofes wird heute eingeweiht.
UNESCO-Welterbestatus für Ensemble?
Speyer. Die jahrhundertealte Geschichte der Juden in Speyer stellt ein neues Museum dar. Das Jüdische Museum auf dem umgebauten Gelände des mittelalterlichen Judenhofes präsentiere archäologische Exponate, die die drei Säulen der Gemeinde - Synagoge, Ritualbad und Friedhof - verdeutlichten, sagte Werner Transier, der Leiter der jüdischen Sammlung des Historischen Museums der Pfalz, dem Evangelischen Pressedienst. Das kommunale Museum wird am heutigen Jahrestag der Reichspogromnacht
eröffnet..."
Artikel aus swr.de (Artikel
mit Video): "Speyer - Jüdisches Museum eröffnet. Am Jahrestag der Reichspogromnacht 1938 ist in Speyer das neue jüdische Museum eröffnet worden. Es widmet sich dem jüdischen Leben im Mittelalter. Speyer war neben Worms und Mainz im Mittelalter ein Zentrum jüdischen Lebens in Deutschland..."
Januar 2020:
Bewerbung der Schum-Städte Speyer,
Worms und Mainz als Unesco-Weltkulturerbe wird eingereicht
Artikel
von Dagmar Gilcher in der "Rhein-Pfalz" vom 14. Januar 2020: "Auf der
Zielgeraden.
Am 23. Januar ist es so weit: Der Welterbe-Anfrag "SchUM-Stätten Speyer,
Worms und Mainz" wird bei der Unesco in Paris eingereicht. Fristgerecht.
Gestern hat ihn die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer
unterzeichnet. Es sind über 1000 Seiten, die dem Erbe des jüdischen
Mittelalters am Oberrhein im Sommer 2021 die begehrte Auszeichnung bringen
sollen...".
Zum Lesen bitte Textabbildung anklicken.
Informationen zum Besuch des mittelalterlichen
Judenhofes in Speyer - Jüdisches Museum, mittelalterliche Synagoge und Ritualbad
Der Judenhof mit dem Jüdischen Museum ist
geöffnet:
von 1. November bis 31. März dienstags bis sonntags von 10 bis 16 Uhr
Von 1. April bis 31. Oktober dienstags bis sonntags von 10-17 Uhr.
Führungen sind auch außerhalb dieser Zeit möglich, Anmeldung im
Judenhof unter 06232-291971
oder dem Touristbüro der Stadt Speyer unter 06232-142392 E-Mail
bzw. info[et]verkehrsverein-speyer.de
Videofilm der Stadt Speyer: Judenhof und
Museum SchPIRA in Speyer - eingestellt bei YouTube
Weiterer Videofilm (magazin-objektiv.de)
- eingestellt bei YouTube
Weiterer Video-Film zu den SCHUM-Städten
Speyer, Worms und Mainz - eingestellt bei Youtube: Die Eröffnung
der Wormser Synagoge oder der Speyrer Mikwe, die Einweihung der ersten
Frauenschul in Worms und des Denkmalfriedhofs in Mainz ... Ereignisse aus
den vergangenen 900 Jahren, berichtet von Petra Gerster.
Germania Judaica I S. 326-366; II,2 S. 775-782; III,2 S. 1384-1401.
Günter Stein: Speyer - Judenhof und Judenbad. Große Baudenkmäler
Heft 238. München/Berlin. 9. Auflage 1996 (hier: Literatur bis um 1990).
Johannes Bruno / Lenelotte Möller: Der Speyerer Judenhof
und die mittelalterliche Gemeinde. Verkehrsverein Speyer (Hg.). Speyer 2001.
Johannes Bruno: Schicksale Speyerer Juden 1800 bis 1980. Schriftenreihe
der Stadt Speyer. Bd. 12. Speyer 2000.
Historischer Verein der Pfalz. Bezirksgruppe Speyer (Hg.): Geschichte der
Juden von Speyer. 3., erheblich erweiterte und überarbeitete Auflage Speyer
2004.
Johannes Bruno / Eberhard Dittus: Jüdisches Leben in
Speyer. Einladung zu einem Rundgang. Haigerloch 2004.
Speyer Palatinate. Members of
the illustrious Italian Kalonymus family from Mainz arrived in the 1070s, joined
by others fleeing the Mainz riots of 1084. They were invited to live in
Altspeyer under the protection of Bishop Ruediger Hutzman, who claimed he wished
"to magnify the dignity of the place." They were allowed to build a
wall around their settlement in the village, given land for a cemetery, and
accorded the privilege of unrestricted trade and moneylending activities.
Emperor Henry IV confirmed and expanded their rights in 1090. They were also
accorded civil rights (Buergerrecht) in the city as permament residents
with the right to acquire land. The Jews lived both in the walled village
settlement and in the city center near the market and cathedral where most of
their community institutions were located, including a synagogue in existence
from before 1096 and what was perhaps the oldest mikve in Central Europe,
dating from before 1128. A synagogue was also consecrated in Altspeyer in 1104
to enable the Jews there to pray near their homes following the massacre of ten
Jews in Speyer by Crusaders on the Sabbath in 1096 during the First Crusade.
Yehuda ben Kalonymus headed a beit midrash. The community was one of the
leading religious centers of Germany, ranking with Worms and Mainz and with them
constituting the supreme rabbinical court in Germany. Among its outstanding
scholars were R. Yizhak ben Asher ha-Levi and R. Kalonymus ben Yitzhak (d.
1128-29), known respectiveliy as founders of the tosafist and mystic schools of
Speyer. The mystical doctrines of Kalonymus were passed down to his son Shemuel
he-Hasid, founder of Hasidei Ashkenaz, by his student Elazar Hazan ben Meshullam.
Other well-known rabbis and halakhists were Yekutiel ben Moshe and his son
Moshe, David ben Shemuel ben David ha-Levi, and Eliakim ben Meshullam ha-Levi.
The energetic response of the bishop in the wake of the Crusader depredations of
1096 saved the community from the fate of the Worms and Mainz communities, but
in 1195 ten more Jews were murdered and all Jewish homes burned in the wake of a
blood libel. From the early 12th century, authority over the Jews passed
gradually from the bishop to the municipality. A 12-member council (Judenrat)
governed the community but despite its stability it began to lose its status as
a spiritual center. In 1286, a number of Jews joined a large group that
emigrated to Eretz Israel under the influence of Meir of Rothenburg. Jews were
active as wine merchants and also dealit in dyes and medicinal drugs. From the
mid-12th century, their moneylending activities gained increasing importance, as
in all the Rhineland. The community ended in 1349 in the Black Death massacres
with a few fleeing and a few converting to save themselves. Jews were formally
readmitted to the city in 1352, again under the protection of the municipality,
mainly because of tehir importance as moneylenders. But restrictions imposed on
the profession in 1387 and the city's defeat in 1389 at the hands of the
palatinate led to economic decline, exacerbated by a series of expulsions in the
15th and 16th centuries. After the 1534 expulsion, Jews were not present again
until 1621.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge