Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia Judaica
Die Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und bestehende) Synagogen
Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale
in der Region
Bestehende jüdische Gemeinden
in der Region
Jüdische Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur und Presseartikel
Adressliste
Digitale Postkarten
Links
| |
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"
zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Weinsberg (Kreis
Heilbronn)
Jüdische Geschichte
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Weinsberg lebten einzelne Juden / jüdische Familien
im Mittelalter und im 19./20. Jahrhundert.
Im Mittelalter wird Weinsberg im Zusammenhang mit der "Rintfleisch"-Judenverfolgung
1298 genannt. Demnach wurden damals vermutlich Juden in der Stadt ermordet. In der ersten
Hälfte des 14. Jahrhunderts lebten keine Juden in der Stadt. 1375
wird ein nach Weinsberg benannter Jude (Abraham von Weinsberg) in das
Bürgerrecht der Stadt Rothenburg ob der
Tauber aufgenommen. 1401 lebten nachweislich keine jüdischen Personen in
Weinsberg. Erst 1418 lassen sich Juden in der Stadt wiederum nachweisen
(genannt in der Steuerliste Konrads von Weinsberg). Damals sollten die
Weinsberger Juden zusammen mit denen von Heilbronn 100 Gulden außerordentliche
Reichssteuern bezahlen. 1434 werden zwei Juden in der Stadt
genannt.
Vom 16. bis Mitte des 19. Jahrhunderts war eine Niederlassung jüdischer
Personen in Weinsberg nicht möglich.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: erste Nennung eines jüdischen Einwohners 1858, dann 1864 5, 1871 1, 1880
9, 1885 7, 1890 4, 1900 12, 1905 16, 1910 9. Unter den in Weinsberg in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts jeweils ein
Zeitlang wohnenden jüdischen Personen / Familien waren: der Oberamtswundarzt
Dr. Ignatz Mainzer (seit 1855) und Justizassessor (später Amtsrichter) Dr.
Leopold Löwenstein (seit 1878).
1924 wurden 4, 1933 9 jüdische Einwohner gezählt. Dabei handelte es
sich um die beiden Familien Thalheimer, die ursprünglich aus Lehrensteinsfeld
stammten und Ende des 19. Jahrhunderts nach Weinsberg gezogen waren:
Familie Hirsch Thalheimer (Adressbuch der Stadt Weinsberg)von
1928/29: Kanalstraße 35; Adressbuch 1931: Bahnhofstraße 32; Adressbuch 1936:
gleichfalls Bahnhofstraße 32), Inhaber einer Viehhandlung, geb. 6. November
1867 in Lehrensteinsfeld als Sohn von Marx Thalheimer); verheiratet mit
Bertha (Bella) geb. Hirschheimer (geb. 1. September 1876 als Tochter von
Nathali Hirschheimer und Lena geb. Falk in Lehren). Das Ehepaar hatte drei
Töchter: Gertrud (geb. 18. November 1899 in Weinsberg), Rosa
(geb. 6. Juni 1901 in Weinsberg), Klara (geb. 30. Oktober 1903 in
Weinsberg).
Die Tochter Klara heiratete Rudolf Krakauer (geb. 22. Januar 1896
in Berlin), mit dem sie einen Sohn Kurt Jakob hatte (geb. 20. Mai 1936 in
Hannover). Die Familie lebte in Hannover, 1939 in Weinsberg bei den Eltern von
Klara in der Bahnhofstraße 32, danach wieder in Hannover. Von Hannover aus
wurde die Familie am 15. Dezember 1941 in das Ghetto Riga deportiert. Alle drei
sind umgekommen (für tot erklärt).
Hirsch und Bertha Thalheimer wurden mit der Tochter Gertrud
1941 deportiert. Hirsch und Bertha Thalheimer sind im Ghetto Theresienstadt
(Deportation am 22. August 1942) umgekommen (Hirsch gest. 20. März 1943, Bertha
gest. 2. September 1943); die Tochter Gertrud wurde bereits zuvor in Riga
ermordet (nach Deportation am 1. Dezember 1941 nach Riga verschollen).
Die Tochter Rosa konnte in die USA emigrieren. Sie hatte nach 1945 noch Kontakte zu der Familie, die das Haus der Thalheimers in der Bahnhofstraße 32
kauften.
Familie Alfred Thalheimer (Adressbuch der
Stadt Weinsberg von 1928/29: Kanalstraße
37, Adressbuch 1931: gleichfalls Kanalstraße 37; im Adressbuch 1936 nicht mehr
genannt). Alfred Thalheimer (geb. 23. Juni 1897 als Sohn des Aron Thalheimer und
der Mina geb. Henle in Lehrensteinsfeld) war verheiratet mit Martha geb.
Kaufmann (geb. 7. Mai 1903). Sie hatten einen Sohn Fritz (geb. 2. März 1929 in
Weinsberg) und eine Tochter Nelly (geb. 22. Januar 1930). Die Familie konnte 1934 noch rechtzeitig
nach Frankreich (Lyon) auswandern, wo sie überlebte.
Im Haus Kanalstraße 37 wohnten - nach Angaben des Adressbuches Weinsberg 1936 -
nichtjüdische Personen.
Im Zuge des Restitutionsverfahrens nach 1945 verkaufte Alfred Thalheimer sein
Anwesen Kanalstraße 37 (die ehemalige Stadtmühle) an den Wirt vom Gasthof
Ochsen. Alfred Thalheimer lebte mit seiner Familie inzwischen in den USA. Alfred Thalheimer verstarb im April 1975 in Los Angeles,
CA/USA, seine Frau Martha zuvor am 1. Juli 1988 ebd. Der Sohn Fritz (Fred)
Thalheimer ist am 21. Dezember 1999 in Santa Rosa, Sonoma CA/USA gestorben.
Die Angaben u.a. zu den Adressbüchern
nach Auskunft der Stadt Weinsberg (Susanne Schmehl, Weibertreu-Museum vom
1.10.2013.
Biographische Angaben überwiegend nach den Familienregistern
Lehrensteinsfeld sowie den verschiedenen Gedenkbüchern.
Auskunft zur Familie Krakauer-Thalheimer von Peter Landé (United States
Holocaust Memorial Museum) vom 27.9.2013. |
|
Etwas anders die Angaben von Armin Bauer,
der uns am 23.9.2013 schreibt:
"Laut Zeitzeuge wohnte bis ca. 1941 eine jüdische Familie mit einem Kind (Mädchen ca.
1930 +-2 Jahre geboren) in Weinsberg Kanalstraße 37. Eine Verwechslung mit der Familie in
der Bahnhofstraße wird ausgeschlossen. Um 1941 wurde zuerst ein Familienmitglied von Kanalstraße 37 verschleppt, kurze Zeit später die restlichen Familienmitglieder.
Ebenfalls erinnert sich der Zeitzeuge an die Familie in der Bahnhofstraße.
Laut Zeitzeuge wurde die Kanalstraße 37 daher nicht nur bis 1934, sondern deutlich länger von einer jüdischen Familie
bewohnt; diese Familie ist demnach nicht in die USA ausgewandert." |
|
Nach Angaben von Peter Landé (United
States Holocaust Memorial Museum) vom 27.9.2013 wohnte 1939 in der Bahnhofstraße
32 Kurt Jakob Krakauer (geb. 20. Mai 1936 in Hannover); später
wohnte er wieder in Hannover, von wo er am 15. Dezember 1941 in das Ghetto
Riga deportiert wurde. Er ist umgekommen. Zusammen mit der Angabe des
Gedenkbuches (s.u.) lebte auch seine Mutter Kläre Krakauer geb.
Thalheimer (geb. 1903 in Weinsberg) dort gelebt haben. Damit lebte
die Familien Hirsch Thalheimer und Krakauer in Weinsberg in der
Bahnhofstraße 32. |
|
Um 1900 lebte in Weinsberg gleichfalls
nach den Familienregistern Lehrensteinsfeld Familie Joseph Rosenstein
und Sophie geb. Maier, deren Sohn Fritz am 14. März 1900 in
Weinsberg geboren ist. |
In der 1903 erbauten "Königlichen Heilanstalt"
(später Heil- und Pflegeanstalt) auf dem
Weißenhof, heute Psychiatrisches Landeskrankenhaus, wurden alsbald auch
jüdische Patientinnen und Patienten aufgenommen. Es wurden gezählt: 1905 8
Patienten, 1910 22, 1925 18, 1933 16. Die seelsorgerliche Betreuung der
jüdischen Patienten lag in den Händen des Bezirksrabbiners von Heilbronn, der
mehrfach im Jahr in die Anstalt kam. Rabbiner Dr. Beermann hielt seit 1915
regelmäßige Andachten für die Patienten, die auch von nichtjüdischen Kranken
"gerne besucht" wurden.
(die 1926 gelaufene historische Ansichtskarte links zeigt die
"Anstaltskirche" der "Heilanstalt Weinsberg"; aus der
Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries)
Im Zuge der "Euthanasie"-Aktion der
NS-Zeit wurden fast alle jüdischen Patientinnen und Patienten ermordet
(überwiegend in Grafeneck).
Von den in Weinsberg geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945", einschließlich der -
kursiv gesetzten - Insassen der Heil- und Pflegeanstalt): Julius
Falk (1882, ermordet in Grafeneck 1940), Alfred Gundelfinger (), Jutta
Haarburger (1875, ermordet in Grafeneck 1940), Irma Heilbrunn geb. Oppenheimer
(1871, ermordet in Grafeneck), Dr. Robert Herzfeld (), Rahel Kaufmann geb. Smus
(1899, ermordet in Grafeneck 1940), Max Kochertaler (1894, ermordet, "Euthanasie"),
Kläre Krakauer geb. Thalheimer (geb. 1903 in Weinsberg, später in Hannover),
Kurt Krakauer (1936), Paul Landauer (), Paul Levi (1904), Julius
Löwengart (), Berta Mändle (1867, ermordet in Grafeneck 1940), Robert
Mainzer (geb. 1864 in Weinsberg, Sohn des Oberamtsarztes Dr. Mainzer, 1942 nach
Theresienstadt verbracht, s.u.), Berta Michaels (1893), Martha Neustädter
(1888, ermordet, "Euthanasie"), Ludwig Öttinger (), Ilse Pick
geb. Cohn (1902), Hedwig Stern (), Bertha Thalheimer (1876 in Lehrensteinsfeld),
Gertrud Thalheimer geb. Hirschheimer (geb. 1899 in Weinsberg), Hirsch Thalheimer
(1867 in Lehrensteinsfeld), Paula Wallenberger (1888, ermordet in Grafeneck
1940).
Berichte
zur jüdischen Geschichte in Weinsberg
Dr. Ignatz Mainzer wird Oberamtswundarzt
in Weinsberg (1855)
Anmerkung: es handelt sich um Dr. med. Ignatz Mainzer (geb. 7. September
1831, Rabbinersohn aus Weikersheim), der nach seiner Zeit in Weinsberg als
praktischer Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer in Stuttgart tätig war (wohnt 1886
Stuttgart, Marienstraße 38). Er starb am 18. September 1903 und wurde im
Israelitischen Teil des Pragfriedhofes in Stuttgart beigesetzt. Er war
verheiratet mit Beate geb. Kaiser.
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 19. Februar 1855:
"In Weinsberg, der Heimat des Justinus Kerner, ist ein
jüdischer Arzt, Dr. Mainzer, Sohn des Rabbinen in
Weikersheim, in Folge
seiner trefflichen Zeugnisse, von der Amtsversammlung zum Oberamtswundarzt
gewählt und von der königlichen Regierung bestätigt worden. Es ist
dieser der zweite Israelit in Württemberg, der mit solchem Amte betraut
worden." |
Dr. Leopold Löwenstein wird Justizassessor in Weinsberg (1878)
Anmerkung: es handelt sich um Dr. Leopold Löwenstein II (geb. 19. Februar
1851), der nach seiner Zeit in Weinsberg in Stuttgart Rechtsanwalt und
Amtsrichter wurde (wohnt 1886 Stuttgart, Werastraße 3). Er starb sehr früh am
13. November 1891 und wurde im Israelitischen Teil des Pragfriedhofes in
Stuttgart beigesetzt. Er war verheiratet mit Emilie geb. Mainzer (zwei Söhne:
Ernst und Fritz).
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 9. April 1878:
"Stuttgart, 21. März (1878). Ein besonderes Interesse
erweckt, wie die "Neue Stuttgarter Zeitung" schreibt, die
heutige Liste der amtlichen Ernennungen, wonach der bisherige
Justizassessoratsverweser Dr. Löwenstein in Tübingen zum Justizassessor
in Weinsberg ernannt worden ist. Es ist dies der erste Fall einer
definitiven Anstellung eines Israeliten als juristischen Staatsbeamten in
Württemberg. Nachdem schon das Gesetz vom 31. Dezember 1871 jedem
Württemberger ein Recht zu einer solchen Anstellung verliehen hat, so
konstatieren wir heute die endliche erstmalige Realisierung jenes
gesetzlichen und wohlbegründeten Rechts und können dem Staat zu einem so
talentvollen und gewissenhaften Beamten wie dem oben genannten nur alles
Glück wünschen." |
"Poetischer Streit": "Liebermann und
Weibertreu" (1892)
Anmerkung: Eingetragen hatte sich mit dem Gedicht in das Fremdenbuch der
antisemitische Reichstagsabgeordnete Max Liebermann von Sonnenberg (1848-1911).
Sein Gedicht ist als Ansage des Sieges der Antisemiten über Juden (für die
nach Liebermanns Gedicht das 'Goldene Kalb' steht) zu deuten.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. März 1892: "Liebermann
und Weibertreu.
Man schreibt der "Fr.Ztg." (Frankfurter Zeitung?) aus Heilbronn
vom 22. dieses Monats. Sie haben im vorigen Herbste einige Verse
abgedruckt, die Herr Liebermann von Sonnenberg in das Fremdenbuch der
sagenreichen Burg Weibertreu geschrieben hat: 'Bald reiten in mächtiger
Schar wir an,
Wir dulden nicht Laues, nichts Halbes,
Erlösen die Herzen von hartem Bann,
Vom Dienste des goldenen Kalbes!'
Nun hat sich an jenem idyllischem Ort ein poetischer Streit entwickelt,
dessen Kämpfer die Reiterschar des Herrn Liebermann nicht zu fürchten
scheinen. Wir lesen neben seiner schrecklichen Drohung:
'Wie oft riefst Du selber, o Liebermann -
Oder hast Du es ganz vergessen? -
Die Priester des goldenen Kalbes an,
Wenn Du in der Patsche gesessen?
So wenig wie sie, die mächtige Schar,
Ihr Geld wird je wieder kriegen,
So wenig wirst Du - 's hat keine Gefahr -
In dem Kampf gegen Windmühlen siegen!
Eine deutsche Frau, die Dich aber nicht von der Weibertreu
heruntergetragen hätte!'
Darunter ein halbes Dutzend 'Ich auch nicht' von ebenso vielen Mathilden,
Paulinen usf." |
Rabbiner Dr. Beermann (Heilbronn) hält
Volkshochschulkurse in Weinsberg (1924)
Artikel in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des Central-Vereins)
vom 20. März 1924: "Trotz einer national-sozialen Strömung
haben die Volkshochschulkurse über Philosophie und Literatur des Herrn
Bezirksrabbiners Dr. Beermann aus Heilbronn in Weinsberg
(Württemberg) einen großen Zuhörerkreis gefunden und hier wie
anderwärts zur Versöhnung und zum Ausgleich beigetragen". |
Über den in Weinsberg geborenen Rechtsanwalt Dr.
Robert Mainzer (1864-1943) und seine Familie
Aus dem Buch "Lebenszeichen" -
Juden aus Württemberg nach 1933, hrsg. von Walter Strauss Gerlingen 1982
S. 184: "Dr. Robert Mainzer, geboren (als Sohn des
Oberamtswundarztes Dr. Ignatz Mainzer s.o.) in Weinsberg, ließ sich,
nachdem er die beiden Examen mit sehr guten Noten bestanden hatte, Ende
1891 in Stuttgart nieder. Schon 1886 erhielt er einen Pres der
juristischen Fakultääöt der Universität Leipzig. Das Notariat, das er
1923 bekommen hatte, wurde ihm 1933 genommen. Von 1912 bis 1933 war er
Mitglied des Vorstandes der württembergischen Anwaltskammer, von 1929 bis
1931 deren stellvertretender Vorsitzender und von 1931bis 1933 ihr
Vorsitzender. Auf 30. November 1938 wurde ihm auch die Anwalts-Zulassung
entzogen.
Seine beiden Kinder konnten noch auswandern. Er und seine Frau Helene,
geb. Heilmann wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert, beide starben
dort 1943." |
Über "Die israelitische Seelsorge in der
königlichen Heil- und Pflegeanstalt Weinsberg (1905-1918) - von Dr. Franz
Andritsch (Beitrag von 1984)
Artikel
in der Beilage der "Heilbronner Stimme" - "Schwaben und
Franken" vom 25. Februar 1984:
zum Lesen bitte Textabbildung anklicken |
Sonstiges
Über eine Parallele zur Geschichte
der "Weiber von Weinsberg" im Talmud (Beitrag von 1932)
Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden
Württembergs"
vom 1. Februar 1932: "Feuilleton. Die Weiber von Weinsberg im
Talmud.
Eine der anmutigsten Erzählungen aus der schwäbischen Vorzeit ist die
Geschichte von der Treue der Weiber zu Weinsberg. Die Kölner Königschronik
berichtet zum Jahr 1140 über die Übergabe der Burg Weinsberg an Herzog
Friedrich von Schwaben, den Bruder König Konrads III: "König Konrad
belagerte Weinsberg eine Stadt des Herzogs Welf von Bayern. Die Festung
Stand vor dem Fall. Da erlaubte der König in königlichem Edelsinn den
Ehefrauen und den sonstigen weiblichen Personen in der Burg, dass jede
forttragen durfte, was sie auf ihren Schultern zu tragen vermochte. Da
nahmen diese, getreu ihren Gatten und auf die Rettung der Männer bedacht,
nicht ihren Hausrat, sondern ihre Männer auf ihre Schultern und trugen sie
aus der Burg. Herzog Friedrich wollte das nicht gelten lassen. Aber der
König erklärte, es schicke sich nicht, ein Königswort zu verdrehen und ehrte
die Treue der Frauen".
Das Beispiel der wackeren Weiber von Weinsberg machte Schule. Dieselbe
Kölner Königschronik berichtet: "...Als 1160 die Stadt Crema in der
Lombardei durch Kaiser Friedrich Rotbart belagert wurde, trug eine Ehefrau
unter Zurücklassung ihres ganzen Eigentums ihren kranken Mann aus der Burg,
als der Kaiser ihren Bewohnern erlaubt hatte, so viel sie auf ihren
Schultern tragen konnten könnten, aus der Burg zu tragen." Allerdings waren
damals die Männer nicht schlechter als die Frauen. So wird von den
Chronisten Burkhard und Konrad von Ursberg berichtet, dass im selben Jahre
bei der Eroberung von Mailand ein Mann seine fiebernde Frau als sein
köstlichstes Eigentum aus der Festung heraus getragen hat.
An der Geschichtlichkeit dieser Berichte ist allerdings gezweifelt worden,
da kein anderer Chronist sie mitteilt. Der erste, der sie nach der
Königschronik wieder erzählt, ist der gelehrte Abt Johannes von Trittenheim
(1495-1506). Der berühmte Melanchthon hat sie dann 1516 in die Tübinger
Chronik des Nauclerus aufgenommen. Von da an gehört sie zum festen Bestand
der schwäbischen Geschichte. Von Treskow hat ihre Glaubwürdigkeit von neuem
1709 bezweifelt. Ihm schloss sich 1847 der württembergische
Geschichtsschreiber Stählin an, bis sie Ernst Bernheim in das Märchenreich
der Sage verwies.
Inzwischen war die Geschichte von den Weibern von Weinsberg seit 1559 zu
einem beliebten dichterischen Stoffe geworden, der sogar dramatisch
verwertet wurde. Besonders Justinus Kerner, der über 40 Jahren als Arzt in
Weinsberg wirkte, hat für die volkstümliche Verbreitung der alten Geschichte
gesorgt. Sie war seitdem wie viele ähnliche Stoffe eine Wandersage geworden,
und heute gibt es in Deutschland fast 50 Burgen, von deren Frauen die
gleiche Geschichte berichtet wird. Sie hat aber in Dr. Karl Weller einen
temperamentvollen Verteidiger ihrer Geschichtlichkeit gefunden, der in den
Württembergischen Vierteljahresheften im Jahr 1903 tapfer für ihre
Historizität eingetreten ist.
Dennoch dürfen die jüdischen Frauen für sich das Lob der Weibertreue als die
ersten in der Geschichte beanspruchen. Enthält doch der Talmud fast ein
Jahrtausend vor der Eroberung der Burg Weinsberg eine Erzählung, die recht
wohl als eine Parallele zu der altschwäbischen Geschichte bezeichnet werden
darf. Nach altjüdischem Gesetze soll ein Ehemann, wenn seine Ehe kinderlos
geblieben, eine andere Frau heiraten und sich von der ersten scheiden, da es
ihm vielleicht vom Schicksal nicht beschieden war, von ihr ein Kind zu
erhalten (Mischna Jebamith VI,6: babylonischer Talmud Jebamoth 64 A). Nun
lebte in Sidon ein Ehepaar in glücklicher Harmonie. Die Ehe war zehn Jahre
kinderlos geblieben und sollte deshalb geschieden werden. Die Eheleute
veranstalteten einen festlichen Abschiedsschmaus vor ihrer Trennung. Als man
beim Mahle guter Dinge war, sprach der Gatte: das Schönste und Beste in
meinem Hause sollst du dir in das Haus deines Vaters mitnehmen dürfen. Die
listige Frau machte den Mann trunken, dass er einschlief. Dann ließ sie ihn
hurtig in das Haus ihres Vaters tragen und, als er am Morgen erwachte,
sprach sie lachend: 'das Liebste in deinem Hause warst du selbst. Ich habe
es mir heimgeholt'. So blieben die beiden verbunden. Rabbi Simeon ben Jochai
aber betete für sie und sie erlebten das Glück des eigenen Kindes (Midrasch
zum Hohen Liede 1,4: Jalkut Genesis § 15)." |
Fotos
Zur jüdischen Geschichte in
Weinsberg sind keine Fotos oder Abbildungen vorhanden. |
|
Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
Februar 2020:
Verlegung von "Stolpersteinen" geplant
|
Artikel
von Simon Gajer in der "Heilbronner Stimme" vom 19. Februar 2020:
"Stadt Weinsberg erhält Stolpersteine
Weinsberg. In Weinsberg soll an die ehemaligen jüdischen Mitbürger erinnert
werden. Auch an die Opfer aus dem Klinikum am Weissenhof wird erinnert.
Die Stadt Weinsberg soll sogenannte Stolpersteine erhalten, die an jüdische
Mitbürger erinnern, die während der Nazidiktatur in Weinsberg gelebt hatten.
Das hat auf Nachfrage der Linken-Fraktion im Gemeinderat die Verwaltung um
Bürgermeister Stefan Thoma betont. Entsprechende Mails hätte die Fraktion
bereits erhalten, sagte Hauptamtsleiter Thomas Siegle. Stefan Thoma sagte:
"Wir sind uns einig, dass wir es begleiten." Nun gehe es darum, den Künstler
Gunter Demnig, der die Aktion ins Leben gerufen hat, für einen
Vor-Ort-Termin zu gewinnen.
Margit Frisch regt an, an weitere Opfer zu erinnern. Spenden für die Steine
sollen über die evangelische Kirchengemeinde gesammelt werden.
FWV-Stadträtin Margit Frisch geht davon aus, dass mehr Geld zusammenkommt,
als benötigt wird. Sie regte deshalb an: Man könne ebenfalls an die Opfer
aus dem Klinikum am Weissenhof erinnern."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,2 S. 871-872; III,2 S.
1565-1566. |
| Paul Sauer: Die jüdischen Gemeinden in Württemberg
und Hohenzollern. 1966. S. 95-100. |
| Hans Franke: Geschichte und Schicksal der Juden in
Heilbronn. 1963. S. 37. |
| Franz Andritsch: Die
israelitische Seelsorge in der königlichen Heil- und Pfleganstalt Weinsberg
(1905-1918). In: Schwaben und Franken. Beilage zur Heilbronner Stimme vom
25.2.1984. |
| Wolfram Angerbauer/Hans Georg Frank: Jüdische
Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn. 1986. S. 237-238. |
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|