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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Weikersheim
(Main-Tauber-Kreis)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In der bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zur Grafschaft
Hohenlohe gehörenden Residenzstadt Weikersheim bestand eine jüdische Gemeinde
zunächst im Mittelalter, die mehrmals im Zusammenhang mit Judenverfolgungen
(1298, 1336/37 und 1349) vernichtet wurde. Im 15. Jahrhundert gab es vereinzelte
Ansiedlungen (1437 Seligmann Löw genannt). 1455 wurde die Niederlassung von
Juden in der Stadt verboten.
Die Entstehung der neuzeitlichen Gemeinde geht in die Zeit
des Dreißigjährigen Krieges zurück. 1637 wurden Schutzbriefe für die Juden
Mosche und Maunaß erteilt, die als Stammväter der neuzeitlichen Gemeinde
gelten. Seit Ende des 17. Jahrhunderts war Weikersheim Sitz eines Rabbiners.
Seit 1697 wirkte Rabbi Jakob, später Rabbi Ischah in der Stadt. 1748 wurde
Rabbiner Moses Feis nach Weikersheim berufen (gest. 1788). Er war Verfasser des
1785 in Fürth gedruckten Talmudtraktats Schekalim (Darbone Sahab). 1819 bis
1825 war Moses Lazarus (= Moses ben Elieser Schach) Rabbiner in Weikersheim
(geb. 1773 in Glogau, gest. 1840 als Rabbiner in Trier).
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: die höchste Zahl jüdischer Einwohner wurde um 1807 mit 158 Personen
erreicht. 1845 waren es noch 131
Personen in 32 Familien, 1887 90, 1892 95 (in 15 Familien), 1896 90 (in 17
Familien), 1899 85 (in 17 Haushaltungen), 1901 79 (von insgesamt 1787
Einwohnern; in 17 Haushaltungen), 1903 76 (in 20 Haushaltungen).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
jüdische Schule (seit 1835 israelitische Konfessionsschule), ein rituelles Bad und einen Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war (neben dem Rabbiner, der
Aufgaben im ganzen Bezirk hatte) ein Lehrer angestellt, der zugleich als
Vorbeter und Schochet tätig war. Die Schule war seit ihrer Gründung 1835
im Vorderhaus des Gebäudekomplexes Wilhelmstraße 16 untergebracht. Hier
befanden sich bis 1914 auch das Rabbinat und die Lehrerwohnung.
Von den Lehrern der Gemeinde sind bekannt: 1835 bis 1852 Jakob Adler,
1852 bis 1856 Jakob Löwenstein, 1856 bis 1864 Hirsch Levy (aus
Rexingen), 1871 bis 1909 Leopold Frank (aus
Edelfingen). 1892 waren an der
israelitischen Volksschule 25 Kinder zu unterrichten, 1894 18 Kinder, 1895 22,
1896 24, 1899 18, 1901 und 1903 11 Kinder. Um 1917/1919 wird als Lehrer L. Rakow
genannt.
Bei der
Neueinteilung der württembergischen Rabbinate wurde 1832 Weikersheim Sitz eines
Bezirksrabbinates. Inhaber des Bezirksrabbinates waren - nach Moses
Lazarus (siehe oben) Mayer Mainzer
(1825 bis 1861), Dr. Israel Heilbronn (1862 bis 1903) und Dr. Abraham Schweizer
(1904 bis 1914). 1914 wurde das Bezirksrabbinat in Weikersheim aufgelöst, Rabbiner Dr. Schweizer wechselte nach
Horb.
Von den Gemeindevorstehern sind bekannt: um 1887/1894 neben Rabbiner Dr.
Heilbronn und Lehrer Frank die Herren M. Rosenfeld, J. Kahn und J. Ascher,
1895/1896 neben Rabbiner Dr. Heilbronn und Lehrer Frank die Herren J. Kahn, C.
Adler und E. Levi, 1903 neben Dr. Heilbronn und Lehrer Frank die Herren R.
Adler, J. Ascher und B. Königsberger.
Synagogendiener war um 1887/1895 ein H. Braungardt, um 1896 ein Herr
Gerstner, um 1903 ein Herr Mohr (alle waren nichtjüdisch).
An jüdischen Vereinen bestand eine Chewra Kadischa (Wohltätigkeits- und
Bestattungsverein, um 1889/1896 unter Leitung von L. Jacobsohn, um 1903 unter
Leitung von J. Ascher), eine Chewrat naschim (Frauenverein, um 1889 unter
Leitung der Frau von Dr. Sontheimer, um 1896 unter Leitung der Frau von L.
Jacobsohn, 1903 unter Leitung der Frau von R. Jacobsohn). Es gab um 1889 25
Stiftungen in der Gemeinde, 1892 30 Stiftungen, 1903 34 Stiftungen für Ortsarme.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Gefreiter Arnold
(Aron) Adler (geb. 18.11.1886 in Weikersheim, gef. 19.8.1914). Sein Name findet sich
auf den Gefallenendenkmalen der Stadt für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges
(siehe Fotos unten).
Die Familien lebten vom Handel (beziehungsweise von
Einzel- und Großhandlungen) mit Landesprodukten, Textilien und anderen Waren.
Bis nach 1933 gab es an jüdischen Gewerbebetrieben: Textilgeschäft Jakob Ascher
(Hauptstraße 45), Landesproduktenhandlung Sigmund Emrich (Marktplatz 6), Textilgeschäft Sara Königsberger
(Hauptstraße 26). Weitere Wohn- und Geschäftshäuser waren in den Gebäuden
Friedrichstraße 5, Hauptstraße 5 und 27, Hohenloher Straße 2 und 5,
Marktplatz 2 und 4 (im 19./Anfang 20. Jahrhundert).
1933 wurden noch 16 jüdische
Einwohner in Weikersheim gezählt. 1935 wurde die Gemeinde
aufgelöst. Das bislang überwiegend gute Verhältnis zwischen jüdischen
und christlichen Einwohnern Weikersheim änderte sich nach 1933, seitdem einige fanatische
Nationalsozialisten den Ton angaben. Mehrere der jüdischen Einwohner konnten
zwischen 1933 und 1941 noch auswandern, zwei starben am Wohnort. Beim Novemberpogrom
1938 wurde die Synagoge demoliert (siehe unten). Die letzten jüdischen
Einwohner wurden 1941 deportiert. Wolf und Ida Emrich starben im
"Altersheim" Eschenau auf dem Weg in die Deportation. Jakob Ascher und
Sigmund Emrich wurden am 1. Dezember 1941 nach Riga deportiert und
ermordet.
Von den in Weikersheim geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Jakob Ascher
(1888), Meta Ascher geb. Grünewald (1888), Ida Emrich geb. Königsberger
(1858), Siegbert Emrich (1898), Sigmund Emrich (1893), Wolf Emrich (1855), Recha
Gern geb. Kahn (1885), Theodor Heilbronn (1869), Elsa Heinsfurter geb. Adler
(1888), Isaak Krautkopf (1877), Mina Ledermann geb. Ascher (1879), Arthur
Leopold (1882), Lina Marx
geb. Kahn (1877), Anna Mayer geb. Sontheimer (1876), Rosa Moritz geb.
Königsberger (1892), Rosalie Ottenheimer geb. Ascher (1877), Nathan Rakow
(1815), Betty Rothstein geb. Kahn (1871), Recha Rotschild geb.
Emrich (1892), Simon Gabriel Saemann (1878), Sophie Scharff geb. Rosenfeld (1879), Aron
Schweizer (1909), Karoline Wolf geb.Rosenfeld (1877), Ferdinand Wolfsheimer (1874), Moritz Wolfsheimer (1888).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Allgemeine Berichte
Zur Geschichte der Juden in Weikersheim (Beitrag von
Bezirksrabbiner Dr. Abraham Schweizer von 1924)
Artikel in der "Gemeinde-Zeitung für die israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 16. Mai 1924: "Die Geschichte der Juden in
Weikersheim.
Weikersheim, die alte Residenz der Fürsten von Hohenlohe, liegt in der
Talebene der Tauber zwischen Rothenburg
und Mergentheim nicht allzu weit von
Würzburg. Es war also natürlich, dass
ein reger Verkehr zwischen Weikersheim und
Mergentheim,
Würzburg und
Rothenburg stattfand. Am 16. Januar
1637 Uhr schenkte der Kaiser die Grafschaft Hohenlohe dem Deutschorden. Der
Deutschordenskomtur Hans Joachim von Eyb, der als Oberamtmann in Weikersheim
residierte, nahm in Weikersheim,
Hollenbach, Hohebach und Elpersheim
die ersten Juden auf. Die Juden Mosche und Mannaß erhielten am 11. November
1637 einen Schutzbrief auf drei Jahren. Sie sind die eigentlichen Stammväter
der israelitischen Gemeinde zu Weikersheim. |
1648
kam die Stadt wieder in die Hände der Grafen von Hohenlohe. Unter ihnen
wurde dem Juden Liebmann am 3. Dezember 1649 der Schutzbrief ausgestellt.
Neben ihm werden Veit, Mayer, Nathan und Seligmann als Weikersheimer Juden
genannt. Sie scheinen durch ihre Gottesdienste das Missfallen ihrer
christlichen Umgebung erregt zu haben. Es wurde 1653 der Herrschaft
angezeigt, dass sie bei ihren 'sabatischen Zusammenkünften' so laut gesungen
hätten, dass es Ärgernis erregt hatte. Die Juden verteidigten sich gegen
diese Anschuldigungen und wurden von ihrer Schutzherrschaft gegen ihre nicht
immer liebevollen Mitbürger in Schutz genommen. Sie erwarben sich als
Viehhändler und vor allem als Weinlieferanten ihr Brot. Liebmann hatte eine
Branntweinbrennerei eingerichtet, die sein Sohn Hirsch fortsetzte. Nathan, 'Burgere
und Schutzverwandter allda', betrieb ein Bankgeschäft und zog den Zoll im
Amts- und Stadtgebiet Weikersheim ein. Von 1673 an übernahmen Seligman und
Mäntel diesen Zolleinzug.
Zum ersten Mal wurden im Jahr 1688 in der Gemeinde Vorsteher gewählt.
Es waren die beiden angesehensten Juden der Stadt Seeligmann und Simon. Im
gleichen Jahre wurde die Synagoge erbaut. Bis zum Winter 1697
walteten Seeligman und Simon ihres Amtes. Ihre letzte Diensthandlung war die
Wahl des Rabbi Jakob zum Gemeinderabbiner. Er empfing eine jährliche
Besoldung von zwei Reichstalern. Außerdem bezog er Gebühren für bestimmte
Amtshandlungen.
1697 wurden Hohne (Elchanan) und Lämmlein zu Vorstehern gewählt. Sie
regelten das Armenunterstützungswesen der Gemeinde. Sie waren auch bei der
feierlichen Huldigung des neuen Grafen Karl Ludwig am 6. Januar 1709 die
Vertreter der Gemeinde. Karl Ludwigs Regierung brachte aber den Juden der
Stadt allerlei Erschwerungen und neue Steuern.
Eine Vermögensliste vom Jahre 1739 nennt als die reichsten Männer der
Gemeinde Lämmlein (Vorsteher) mit 2300 fl., Hohne mit 1775 fl., Moses mit
1050 fl. und Seligman (Vorsteher) mit 900 fl.
Im Jahre 1730 wurde der israelitische
Friedhof unter den Vorstehern Lämmle und Mayer in Weikersheim angelegt.
Bis dahin hatte die Gemeinde ihre Toten in
Ballbach (sc. Unterbalbach), im
Deutschordensgebiet bestattet. Die Begräbnisstätte wurde den Juden auf dem
Kappelberg bewilligt. Bei ihrem Ankauf beteiligten sich auch die Gemeinden
von Laudenbach und
Niederstetten. Von 1741 an wurden
auch die Juden von
Tauberrettersheim hier begraben. Etwa gleichzeitig (1740) wurde der
Verein Chebra Kaddischa (Heilige Bruderschaft) begründet, der sich
die Krankenpflege und Leichenbestattung zur Aufgabe machten.
Eine bevorzugte Stellung in der Gemeinde nahmen die Hofjuden ein, die unter
dem Titel Hoffaktoren Hofagenten der Fürsten von Hohenlohe waren. Sie waren
alle Mitglieder der Familie Marx, die später den Namen Pfeiffer annahm und
schließlich nach Stuttgart übersiedelte. Ihr Stammvater Marx Anschel war
seit 1743 in Weikersheim am Hofe tätig. Er wurde aber erst 1761 zum Hofjuden
ernannt. Das 1724 angefangene Gedenkbuch (Memorbuch) der Gemeinde rühmt
seine Frömmigkeit und Bescheidenheit. Er veranlasste 1768 den Bau der neuen
Synagoge, die er selbst reich ausstattete. 1780 starb er hochbetagt. Sein
zweiter Sohn, der 1835 verstorbenen Marx Aaron wurde sein Nachfolger als
Hofjude.
Schon vorher war (1748) das Gemeindehaus erbaut worden, für das Abraham
Maier Levy 50 fl. gestiftet hatte.
Berühmter als Marx Aaron wurde Marx Anschels dritter Sohn Marx Ezechiel
Pfeiffer (1766 bis 1827). Als Hofagent und Vorsteher seiner Gemeinde
bewies er die gleiche Tüchtigkeit. Er ist der Erbauer des Rabbinatshauses
(1824) und Erneuerer des Gotteshauses. Rabbiner Mainzer hielt ihm die
Trauerrede, in der er die Tugenden des Verstorbenen ergreifend zu schildern
verstand. Pfeiffers ältester Sohn Marx (1768 bis 1842) siedelte nach seiner
Verheiratung mit der Tochter des Hofrats Kaulla nach Stuttgart über. Sein
zweiter Sohn Aaron (1792 bis sie bis 1837) war dann in Weikersheim als
fürstliche Hofagent und Vorsteher der Gemeinde tätig. Nach seinem Tode
verließ seine Familie Weikersheim.
Der Anfang des 19. Jahrhunderts war die Blütezeit der Gemeinde, deren
Vorsteher Hayum Adler und Hona Strauss, später Manasse Igersheimer, Rafael
Rosenfeld und Anschel Marx waren. Neben der Familie Pfeiffer war die Familie
Sontheimer, deren Stammvater Markus Mayer Sontheimer um 1730 dorthin
gekommen war, die angesehenste. Ihr entstammte der allgemein beliebte Arzt
Dr. Sontheimer, der 1896 in Mergentheim verstarb. Sein Bruder war der
Bankier Gottlieb Sontheimer, der sich als Vorsteher um die
Stuttgarter Gemeinde verdient gemacht hat.
Von den Weikersheimer Rabbinern nun ist der 1748 dorthin berufenen
Moses Feis, der Verfasser der 1785 in Fürth gedruckten Kommentars zum
Talmudtraktat Schekalim (Darbone Sahab), zu nennen, der 1788 verstorben ist.
1819 wurde Moses Lazarus aus
Mainbernheim zum 'Landrewiner' berufen, der 1825 das Rabbinat Trier
übernahm, wo er 1840 starb. Am 9. Mai 1825 wurde Mayer Mainzer aus
Gaukönigshofen in Bayern mit
einem Gehalt von 600 fl. zum Rabbiner bestellt. Er hatte auf der Universität
Würzburg studiert, galt als tüchtiger Theologe und war der besondere
Schützling des Hofagenten mit Ezechiel Pfeiffer und seiner Familie. Rabbiner |
Mainzer
genoss die ungeteilte Liebe seiner Gemeinde und die höchste Wertschätzung
der Behörden. Nach fast 40-jähriger Wirksamkeit schied er am 31. August 1861
aus dem Leben. Sein ältester Sohn August Mainzer war später als
Rechtskonsulent in Neckarsulm, ein
jüngerer Sohn Ignaz Mainzer als Oberamtswundarzt in
Weinsberg tätig.
Rabbiner Mainzers Nachfolger wurde Dr. Isaak Heilbronn, der 1862 aus
Erfurt nach Weikersheim übersiedelt hat,
wo er 1902 in den Ruhestand eintrat. Dr. Schweizer übernahm im Herbst 1902
die Leitung des Rabbinates, das er bis zu diesen Auflösung führte.
Am 20. Januar 1835 wurde die israelitische Volksschule
(Konfessionsschule) eröffnet, deren erster Lehrer Jakob Adler dort
bis 1852 wirkte. Sein Nachfolger war bis 1856 Jakob Löwenstein. Nach ihm
übernahm Hirsch Levy aus Rexingen und
1864 Leopold Frank aus Edelfingen die
Leitung der Schule. Die israelitische Gemeinde Weikersheim kann mit
berechtigten Stolz auf ein zweieinhalbhundertjähriges Alter zurückschauen.
Sie hat ihre religiösen und bürgerlichen Aufgaben stets vorbildlich erfüllt.
Bezirksrabbiner Dr. Schweizer - Horb." |
Über das seit 1688 geführte Protokollbuch (Kahalbuch)
der jüdischen Gemeinde Weikersheim (Beitrag von 1934)
Artikel in der "Gemeinde-Zeitung für die israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 1. Dezember 1934: "Über das Kahalbuch der
Gemeinde Weikersheim von stud.phil. Hermann Dicker.
Zuerst eine sprachliche Erklärung: 'Kahalbuch' ist das Protokollbuch der
Gemeinde, in dem all die für die Gemeinschaft wichtigen Anordnungen und
Vorkommnisse eingeschrieben werden. Finden sich solche Protokolle und
Gemeindestatuten, so geben Sie immer einen interessanten Aufschluss über das
innere Leben einer Gemeinde, ihre Entwicklung und ihre Geschichte. Das uns
vorliegende Buch entstammt dem Archiv des Israelitischen Oberrats
und soll nach seiner vollständigen Bearbeitung veröffentlicht werden.
Die erste Eintragung stammt aus dem Jahre 1688. Das heißt nun nicht, dass
sich die Gemeinde Weikersheim erst in diesem Jahr gebildet hat; denn wir
wissen, dass die Gemeinde schon viel länger bestand (siehe Artikel
Schweizer, Gemeinde-Zeitung I,2, siehe oben). Die Sprache des
Kahalbuches ist hebräisch, jedoch sehr stark im Geiste des jiddischen
gehalten. Die ersten Blätter sind noch ganz hebräisch, aber bald drängt sich
auch das jiddische aufs Papier. Wer die Eintragungen in den ersten Jahren
vorgenommen hat, ist nicht ersichtlich. Wahrscheinlich einer der Vorstände
der Gemeinde, denn der Vorspruch zur Gemeinde Ordnung hat fast poetischen
Schwung und lässt auf einen gelehrten Schreiber schließen.
Der Vorspruch enthält den Beschluss 'in dieser aufgeregten Zeit des Raubes
und der Missetat, in der nicht einmal eine Aussicht auf Hilfe vorhanden ist,
rechtschaffene Statuten (Takkanot) zu erlassen. Alles sei zum Glück, Segen
und zu Frieden - und es folgt der schöne Spruch: 'Ki en keli machsik
bracha lijisrael ela schalom', den kein Gefäß erhält den Segen für
Israel als der Frieden. Parness oder der archisynagogus des Mittelalters,
hatte für seine Amtszeit die Gewalt über die Gemeinde. Im Jahre 1688 waren
es zwei: Reb Seeligmann und Herr Schimon. Sie wechselten halbjährlich in
ihrer Amtsführung ab und hatten das Recht, alle Gemeindemitglieder, 'die da
gehen außer der Reihe und sich nicht richtig benehmen' mit einer Strafe von
einem Reichstaler zu belegen. Eine hohe Summe für die damalige Zeit! Jedoch
- und das beleuchtet das Verhältnis zwischen der Landesherrschaft und der
Gemeinde - mussten sie einen halben Reichstaler an das Fürstentum abliefern.
Der Finanzgewaltige der Gemeinde scheint der Parness Schimon gewesen zu
sein. Denn bei der später angeführten Aufteilung der Synagogenplätze fehlt
der Titel Parness bei dem anderen Vorstand Seligmann. Dieser Reb Seligmann
führt den Titel 'Ha Raw Rabbi', während Schimon nur mit 'Kewod mar' erwähnt
wird, was soviel wie 'geehrter Herr' bedeutet.
Die erste Amtshandlung der beiden Parnassim war der Bau des Gotteshauses für
Männer und Frauen auf dem Platz, den der Parness Schimon gestiftet hatte.
Dieser Platz war nun von nun an ein dauernder Besitz der Gemeinde, wofür dem
Parness Schimon und seiner Frau Hannah jeden Schabbos ein 'Mi scheberach'
gemacht wurde.
In der Männerabteilung der Synagoge waren 15 feste Plätze, deren Inhaber
namentlich im Buche aufgeführt werden: in der Frauenabteilung waren es nur
13 feste Plätze. Auch hier liegt uns eine namentliche Aufzählung der Frauen
vor. Es ist hier nicht der Ort, diese für die Familiengeschichte so
wichtigen Namen aufzuführen, jedoch wird dieses Material später noch
verwertet werden.
Wie in den meisten Gemeinden des Mittelalters standen neben den Parnassim 'Gabbae
Zedakah' (Armenkassenverwalter). Sie waren die Zentralwohlfahrtsstellen für
die zahlreichen Armen, und ihre Betreuung und Verpflegung war eine der
vornehmsten Pflichten der Gemeinde. Diese Armenpfleger, die einen Monat zu
amtieren hatten, waren die Herren Elchanan und Lemlen; sie wurden 1693
wiedergewählt und 1697 an die Spitze der Gemeinde als Parnassim berufen. Wir
finden ferner einen Aufschrieb, wonach die Witwe Jetle einen Beitrag von
zweieinhalb Reichstalern jährlich an die Armenkasse abliefert.
Eine interessante Bemerkung verdient festgehalten zu werden, und zwar, dass
nicht mehr als zwei Stück Großvieh in der Woche geschächtet werden durften.
Dies wird als ein Tikkun Kadmonim (eine Anordnung der früheren Zeit)
bezeichnet und so begründet, 'damit nicht die Schechitah verringert werde'.
Der hebräische Ausdruck im Buche ist: 'schelo jitkalkel haschechitah'. Bei
dem späteren Wachstum der Gemeinde wurde die Anzahl des Schlachtviehs auf
drei pro Woche erhöht.
Wollte jemand neu in die Gemeinde zuziehen, so musste ihm die Gemeinde nach
Gutdünken einen bestimmten Betrag als Einstands- und Aufnahmegeld bestimmen.
Wir finden sehr viele solcher Berichte über die Feststellung der sogenannten
'Hakdamah'. Ein Zeichen, dass sich die Gemeinde rasch entwickelt hat.
Die Entwicklung der Gemeinde Weikersheim zeigt sich noch deutlicher an
folgenden Ereignissen:
Wie schon oben erwähnt, wurden 1697 die Gabbae Zedakah Elchanan und
Lämmle an zu Parnassim gewählt. Jedoch haben diese nicht mehr die absolute Gewalt
wie ihre Vorgänger, sondern sie unterstehen beide einem Roch Cheschbon, was
wir einen Buchprüfer nennen würden. Der Roch Cheschbon ist Rabbi Eisig. Es
ist nicht ersichtlich, ob er für sein Amt eine Besoldung erhalten hat. Die
beiden Vorstände Elchanan und Lemlen waren verpflichtet, alle vier Wochen
ihm die Rechnungen vorzulegen, 'damit in Erfüllung gehe und ihr sollt rein
sein vor Gott und vor Josrael'. Solche Rechnungsprüfer finden wir auch in
anderen Gemeinden, und oft sind es ganze Rechnungskommissionen, denen die
Pflicht oblag, die Finanzverwaltung der Gemeinde zu überwachen.
Das zweite sichtbare Zeichen der Aufwärtsentwicklung war die Wahl des
Rabbiners Jakob zum Dajan |
(Richter)
der Gemeinde. Sein Gehalt betrug zwei Reichsthaler im Jahr. Daneben hatte er
für jeden Prozess Pesakgeld (Prozessgebühren) zu bekommen: desgleichen
erhielt er Gebühren für Vollziehung von Trauungen.
Auch ist einmal die Unterschrift eines Schliach Zibur (Vorbeter) Jehudah der
Gemeinde unter einer Eintragung zu sehen.
All dies sind Symptome für eine blühende Entfaltung und ein reges jüdisches
Leben.
In unserem Bericht sind verschiedene Fragen überhaupt nicht behandelt, so
vor allem die über das Vermögen der Gemeinde und ihrer Mitglieder, ferner
ihre Beziehungen zum Fürstentum. Auf jeden Fall kann schon heute gesagt
werden, dass hier noch wertvolle Einzelergebnisse zu erwarten sind." |
Einzelne Mitteilungen zur Geschichte der Juden in
Hohenlohe (Artikel von 1932)
Anmerkung: Berichtet wird über die Aufnahme der Juden Mosche (Moses) und
Manaß (Manus) in Weikersheim 1637; über Juden in Hollenbach, Hohebach
und Ernsbach im 17. Jahrhundert; über zwei 1705 und 1748 in Pfedelbach getaufte
Juden (aus Neckarbischofsheim bzw. aus Polen); über einen 1743 in Langenburg
getauften Juden aus Weikersheim
Artikel in der "Gemeinde-Zeitung für die israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 16. März 1932: "Zur Geschichte der Juden in
Hohenlohe. Von Oberlehrer M. Kulb, Öhringen.
In seinem 14. Kapitel der 'Hohenlohischen Kirchen- und Reformationshistorie'
lässt uns der hochgräfliche Hohenlohische Langenburgische Hof- und
Stadtprediger Konsistorialrat Johann Christian Wibel im Jahre 1752
einen interessanten Einblick in die Verhältnisse der Juden der damaligen
Zeit tun.
Nach den alten hohenlohischen Erbverträgen sollte kein Graf der Hohenlohe in
seinem Gebiet ohne Erlaubnis der anderen Grafen Ungläubige, insbesondere
Juden, dulden. Trotzdem richteten zwei Juden, namens Moses und
Manus, im Jahre 1637 an den Hoch- und Deutschmeister das Ansuchen, in
Weikersheim wohnen und Krämerhandel betreiben zu dürfen. Mit Rücksicht
auf die damalige schwere Zeit hatte sich unter den Bürgern der Stadt niemand
getraut, die Stadt mit derart nützlichen Waren zu versehen, und so durften
sich also diese beiden Juden ansässig machen, allerdings unter der
Bedingung: den Bürgern und anderen Krämern der Stadt nicht nachteilig zu
werden.
Es wurde ihnen auf drei Jahre einen Schutzbrief ausgestellt. Darin hieß es
unter anderem, dass vom christlichen Glauben nicht in ungebührlicher |
Weise
gesprochen werden dürfe: ferner sollten sie während des Gottesdienstes an
Sonn- und Feiertagen, insbesondere am Palmsonntag bis nach Ostern, sich zu
Hause still und eingezogen aufhalten, von wucherischen Kontrakten abstehen
und in einem erkauften oder erstandenen Haus allein beisammen wohnen.
Endlich war es ihnen verboten, eine christliche Amme zu halten.
Nach der gesetzlichen Zeit wurde der Schutz verlängert. Auf Fürbitte des
Deutschen Ordens wurde Ihnen 1649 fernere Duldung zugestanden, von welcher
Zeit an sie sich so vermehrten, dass sie bald auf 19 Familien anwuchsen.
In den Jahren 1644, 1649,1655 wurden drei Bedenken abgefasst, ob Juden in
der Grafschaft Hohenlohe in Schutz zu nehmen und zu dulden seien.
Gleichwohl sind zu Hollenbach zwei, zu
Hohebach acht bis zehn, zu
Ernsbach aber, woselbst sich im Jahre
1680 nur einige wenige Juden niedergelassen hatten, zwölf oder noch mehr
Haushaltungen entstanden. Nachdem sie kein eigenes Begräbnis hatten, mussten
sie ihre Toten außer Landes beerdigen und in
Ernsbach zudem noch ihren Pfarrbeitrag abliefern.
Interessant sind auch die folgenden geschichtlichen Tatsachen: am 3. Mai
1705 wurde zu Pfedelbach ein Jude namens Joseph von
Bischofsheim am Neckar
gebürtig, nach erhaltenem christlichen Unterricht und abgelegtem
Glaubensbekenntnis von dem Hofprediger Joachim Albrecht Wagner getauft und
Ludwig Christian genannt. Die anwesenden hohen Taufzeugen waren neun
hochgräfliche Personen. Ebenso hat am 6. Januar 1713 eben daselbst ein Jude
namens Joseph von Creglingen ledigen
Standes die Taufe empfangen. Er hatte ebenfalls die regierenden Herrschaften
zu Taufpaten. Auch im Jahr zuvor war in der Kirche zu Frankenau durch den
Hofprediger Glaser ein geborener Jude getauft worden.
Am 5. April 1743 kam nach Langenburg Seligmann Löw, ein bisheriger
Schutzjude zu Weikersheim, 23 Jahre alt und bereits mit einer Jüdin
aus Kitzingen verheiratet. Er selber
meldete sich, nachdem er einige Tage zuvor beschlossen hatte, die
christliche Religion anzunehmen, und bat um hochherrschaftlichen Schutz, der
ihm auch bewilligt wurde. Er wurde im Christentum gründlich unterwiesen, und
es war umso leichter, ihm diese Kenntnisse beizubringen, als er ja in der
Christenschule zu Weikersheim Deutsch schreiben und lesen gelernt
hatte. Am 29. Juli 1743 wurde er nach einer auf solche Handlung besonders
gerichteten Predigt getauft und ihm der Name Karl Ludwig Seelig verliehen. -
Und endlich wurde am 6. Oktober 1748 zu Pfedelbach ein polnischer
Buchdrucker namens Aaron Moses, ledigen Standes, getauft. Ihm wurde der Name
Christian Gottlieb Pfedelbacher gegeben." |
Aus der Geschichte des Rabbinates
Zum Tod von Moses Lazarus (Rabbiner in Weikersheim bis
1827, gest. in Trier 1840)
Anmerkung: Moses Lazarus (bzw. Moses ben Elieser Schach) ist
1773 in Glogau (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Głogów) geboren. Er war ein Sohn des Eliser ben Aron, später Dajan in Mainbernheim.
Er war der letzte fürstlich-hohenlohische Landesrabbiner in Weikersheim. 1827
wurde er zum Oberrabbiner in Trier gewählt. Hier blieb er bis zu seinem Tod im
April 1840.
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 2. Mai 1840:
"Trier, 12. April (1840). Am
9. dieses Monats segnete unser Konsistorial-Oberrabbine, Moses Lazarus,
das Zeitliche. In einem Alter von 67 Jahren, war er noch wenige
Stunden vor seinem Tode mit seinen gewöhnlichen Arbeiten beschäftigt,
als ein Schlagfluss seinem Leben ein Ende machte. Die Gemeinde betrauert
in ihm nicht bloß den treuen Geistlichen, sondern auch einen Wohltäter
der Armen, einen Vater der Witwen und Waisen. Seine Richtung war
allerdings nicht der Zeit angemessen, ohne dass er jedoch intolerant
gewesen. Vor 13 Jahren war er von Weikersheim hierher berufen.
Eigen ist es, dass seine Leiche die erste war, die mit dem nunmehr auch
hier eingeführten Leichenwagen, den wir dem Eifer des Vorstehers H.S.
Allweyer verdanken, nach dem Beerdigungsplatze geschafft
wurde.
Wir erwarten nun von der Loyalität unserer ehrenwerten Vorsteher, durch
anderer und eigene Erfahrung belehrt, dass sie einen geeigneten Mann an
unsere Spitze stellen werden, unter dessen Förderung das aufkeimende Gute
mit Gottes Hilfe zur Reife kommen
wird." |
Zum Tod von Rabbiner Mayer Mainzer in Weikersheim
(1861, Rabbiner in Weikersheim von 1825 bis 1861)
Anmerkung: Rabbiner Dr. Maier (Mayer) Mainzer (geb. 1798 vermutlich in
Unterfranken als Sohn des seit 1808 in Gaukönigshofen
tätigen Händlers Aron Moses, gest. 31. August 1861 in Weikersheim): studierte
an der Jeschiwa von Oberrabbiner Abraham Bing in
Würzburg, danach an der
Universität ebd. 1825 beantragt der königlich-württembergische Hofagent
Ezechiel Pfeiffer (1766-1827), ihn als Rabbiner in Weikersheim anzustellen. Am
14. August 1825 hat er die Stelle als der erste akademisch gebildete Rabbiner
Württembergs angetreten. Ab 1832 war er Bezirksrabbiner für den damals
geschaffenen württembergischen Rabbinatsbezirk Weikersheim.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 19. November 1861: "Von 12 Rabbinaten (sc. in Württemberg) sind
jetzt 'vier' mit Ausländern (sc. Nicht-Württemberger) besetzt und zwei
weitere erledigt. Kurz vor dem Neujahrsfeste starb Rabbiner Mainzer
in Weikersheim, ein Mann von tüchtigem rabbinischen
Wissen." |
Rabbiner Dr. Isaak Heilbronn wird durch den württembergischen König empfangen
(1867, Rabbiner in Weikersheim von 1861 bis 1903)
Anmerkung: Rabbiner Dr. Isaak Heilbronn (geb. 1828 in
Fulda, gest. 1909 in Nürnberg): studierte in
Würzburg, später in Berlin und
Frankfurt am Main; war seit 1854 Prediger und Religionslehrer in
Stavenhagen
(Mecklenburg-Schwerin); seit 1860 Rabbiner in Erfurt, seit November 1861
Bezirksrabbiner in Weikersheim; trat Anfang 1903 in den Ruhestand.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Oktober 1867: "Aus
Württemberg. (Durch Zufall verspätet). Als Seine Majestät der
König Anfangs Sommers bei einer Rundreise durch das nördliche
Württemberg einige Zeit in Weikersheim verweilte, versammelten
sich zu Allerhöchstdessen Empfang auch die Geistlichen der verschiedenen
Konfessionen. Seine Majestät geruhten außer dem Denken und dem ältesten
Pfarrer auch den Rabbiner, Herrn Dr. Heilbronn, zu sich zu befehlen. Der
König unterhielt sich angelegentlich mit demselben und erkundigte sich aufs Wohlwollendste nach dem Zustande der Israeliten des betreffenden
Bezirks." |
25-jähriges Amtsjubiläum von Rabbiner Dr. Isaak Heilbronn (1887)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. März 1887:
"Aus Württemberg schreibt man uns vom 8. dieses Monats. Heute
feierte Rabbiner Dr. Heilbronn in Weikersheim sein 25-jähriges
Amtsjubiläum unter große Beteiligung der dortigen und auswärtigen
Israeliten sowie der Spitzen der geistlichen und weltlichen Behörden,
wobei in zahlreichen Toasten der Jubilar gefeiert
wurde." |
Rabbiner Dr. Isaak Heilbronn wurde in den Ruhestand versetzt
(1902)
Mitteilung in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 8. Dezember 1902: "Rabbiner Dr. Heilbronn in Weikersheim
wurde in den Ruhestand versetzt." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 5. Dezember 1902: "Der Rabbiner Dr. Heilbronn in Weikersheim,
Oberamt Mergentheim, ist seinem Ansuchen gemäß in den Ruhestand versetzt
worden." |
Rabbiner Dr. Isaak Heilbronn verlässt die Gemeinde (1903)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 1. Mai 1903:
"Weikersheim. Nach 41-jähriger Tätigkeit hat der Rabbiner
unserer Gemeinde, Herr Dr. Heilbronn, unsere Stadt verlassen, um seinen
Lebensabend im Kreise seiner Kinder in Nürnberg zu beschließen. Welcher
Beliebtheit sich Herr Dr. Heilbronn in allen Kreisen der hiesigen Stadt
erfreute zeigte das Bankett, das die israelitische Gemeinde ihrem
scheidenden Rabbiner gab und an dem sich auch die gesamte christliche
Haute volée beteiligt. Es würde zu weit gehen, all' die Ansprachen
anzuführen; nur wollen wir erwähnen, dass u.a. Herr Stadtschultheiß Hammel,
Herr Dekan Dr. Blind, Herr Stadtpfarrer Dürr, Herr Wundarzt Faistenauer
warme, zu Herzen gehende Worte sprachen." |
Das Rabbinat wurde Dr. Abraham Schweizer übertragen
(1904, Rabbiner in Weikersheim von 1904 bis zur Auflösung des Rabbinates 1914)
Anmerkung: Rabbiner Dr. Abraham Schweizer (geb. 1875
in Schopfloch, umgekommen 1942 KZ Maly
Trostinec): 1900-1913 Rabbiner in Weikersheim
(Rabbinat 1914 aufgelöst), 1913 bis 1936 Rabbiner in Horb, 1936
Ruhestand, nach Stuttgart übergesiedelt, 1938 KZ Dachau, 1941 nach Oberdorf
eingewiesen, von hier 1942 in das Ghetto Theresienstadt, später nach Maly Trostinec (vgl.
Wikipedia-Artikel).
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 28. April 1904: Weikersheim, 23. April 1904. Das hiesige
Rabbinat wurde von der Israelitischen Oberkirchenbehörde dem
Rabbinatsverweser Dr. A. Schweizer hier definitiv übertragen. Dr.
Schweizer ist ein Schüler des Berliner
Rabbinerseminars". |
Kritik an der Auflösung des
Rabbinates aus ökonomischen Gründen (1913)
Anmerkung: der mit einer Portion Ironie geschriebene Artikel - und noch mehr
der danach geschriebene Artikel vom Juli 1913 - äußert sich kritisch über die
"Zentralkirchenkasse" der Israelitischen Oberkirchenbehörde, bei der ökonomische
Argumente im Blick auf die Schließung eines Rabbinates wie in Weikersheim die
zentrale Rolle spielen.
Artikel in "Das jüdische Blatt" vom 23. Mai 1913:
"Württemberg. Ein Stammbuchblatt für die Zentralkasseschwärmer.
Man meint doch täglich
oder man sagt wenigstens so, dass in einem Lande, dass mit einer Zentralkasse gesegnet ist, alles in bester Ordnung ist; da gibt es natürlich keine
Not der Landgemeinden und alles geht wie am Schnürchen. Stimmt, wie das
folgende Beispiel lehrt.
Wir haben jetzt in Württemberg einen engeren und
einen weiteren Rat und natürlich große Geldknappheit. Und da müssen halt
die Rabbinate daran glauben. Also war beschlossen, das Rabbinat Weikersheim mehr oder minder sanft der Auflösung anheimzugeben (der
derzeitige Inhaber Herr Dr. Schweizer wird nach
Horb versetzt) und das
Rabbinat Oberdorf auf den Aussterbeetat zu setzen.
[Uns erscheint das
als eine ganz natürliche Konsequenz. Eine Zentralkasse muss ökonomisch
arbeiten. Und so wird es allenthalben erfolgen, wo man sich nach den Segnungen einer Zentralkasse sehnt. Das dabei Gemeinden wie
Olnhausen und
Berlichingen einem Rabbinate zugeteilt werden, welches zwar bisher einen
konservativen Inhaber hat, aber vielleicht doch einmal einen Richtlinienherrn zufällt, was verschlägt's? Wenn man nur eine
Zentralkasse hat? Wir
sind zwar felsenfest überzeugt, dass auch unsere orthodoxen Zentralkassenschwärmer die glänzendsten Kautelen auf dem Papier finden werden]." |
Weiterer kritischer Beitrag zur Auflösung
des Rabbinates (1913)
Artikel in "Das jüdische Blatt" vom 11. Juli 1913: "Änderungen in Württemberg.
Kurz nach der Einführung der neuen
Kirchenverfassung, aber ganz unabhängig davon, sind sehr einschneidende
Veränderungen in der Einteilung der Rabbinatbezirke vorgenommen worden.
Das Rabbinat Weikersheim ist nach mehr als 100-jährigen Bestände
aufgehoben worden und die demselben zugeteilten Gemeinden Weikersheim,
Archshofen,
Creglingen,
Hohebach,
Laudenbach und
Niederstetten dem Bezirksrabbinat
Mergentheim zugewiesen worden. Die Ursache der Auflösung eines
Rabbinates von diesem Alter liegt einerseits in der immer mehr zunehmenden
Abnahme der Sitz- und Bezirksgemeinden, andererseits in der Unlust der
Gemeinden gegen die Bezahlung einer hohen Landesumlage. Die finanziellen
Bedenken haben vor allem die Oberkirchenbehörde veranlasst, das Rabbinat
eingehen zu lassen. Die Oberkirchenbehörde folgte dabei nur der im ganzen
Staatswesen gegenwärtig herrschenden Tendenz zum Sparen und zum Vereinfachen
des Apparates. Wir bedauern aufs tiefste diese Tatsache, dass wieder ein
Rabbinat verschwindet. Dies Gefühl entspringt nicht aus der sentimentalen
Anhänglichkeit an das Altgewohnte, sondern einer recht realen Betrachtung.
Es schwindet mit der Aufhebung des Rabbinates eine Stelle, wo in
gesetzestreuem Sinne für das Judentum gewirkt werden konnte. Es
verschwindet der Platz, wo ein talmudisch gebildeter Mann die jüdische
Wissenschaft pflegte, eine Quelle der Belehrung in jüdischen und religiösen
Dingen, welche nicht allein für Gemeinde, für Bezirk und Umgebung, sondern
auch für die gesamte Judenheit zum Segen werden kann. Und wir haben in
Deutschland und in der engeren Heimat keinen Überfluss an talmudisch
gebildeten Männern, welche für ihren Kreis diese so notwendige Nahrung aus den
Urquellen des jüdischen Schrifttums schöpfen und dem Publikum zugänglich
machen könnten, dass uns der Verzicht auf ein Rabbinat so leicht fiele.
Der Bezirk, insbesondere die Gemeinde Weikersheim, sieht mit großem Bedenken
sowohl das Scheiden ihres derzeitigen Rabbiners, Dr. Schweizer,
als das Eingehen des Rabbinats. Den Vernünftigen und Ernsten im ganzen Land
tut es leid, ein Rabbinat aufgehoben zu sehen." |
Zum viel zu frühen Tod der Frau von Rabbiner Dr. Schweizer
geb. Bamberger (1913)
Anmerkung: Es handelt sich um Zerline geb. Bamberger (geb. 1880), die sich
1906 mit Rabbiner Dr. Abraham Schweizer verheiratet hatte. Sie war eine Tochter von Rabbiner
Nathan Bamberger (1842-1919) in Würzburg und seiner Frau Hanna geb. Perlstein
(1850-1943). Der 1909 geborene Sohn Aron Schweizer wurde in Auschwitz ermordet.
Vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Abraham_Schweizer
Zerline Schweizer wurde im jüdischen Friedhof
in Höchberg beigesetzt.
Artikel in "Das jüdische Blatt" vom 1. August 1913: "Würzburg.
In der Familie unseres hochverehrten Herren Rabbiners ist tiefe Trauer
eingekehrt, da dessen Tochter, die Gattin des Herrn Rabbiners Dr.
Schweizer in Weikersheim im blühenden Lebensalter einem tückischen Leiden
erlegen ist. Das Angedenken der Verklärten gereiche zum Segen, der
Allmächtige tröste die Hinterbliebenen." |
|
Links
Grab von Zerline Schweizer geb. Bamberger im
jüdischen Friedhof in Höchberg. |
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Lehrer Jakob Löwenstein wechselt
nach Oberdorf (1857)
Anmerkung: Lehrer Jakob Löwenstein (geb. 26.12.1819 in Bonfeld,
gest. 1884 in Heilbronn): studierte 1835 bis 1838 am Lehrerseminar
in Esslingen; 1839 bis 1841 Lehrer in Gerabronn,
1841 bis 1844 Lehrer in Korb, danach in
Oedheim,
Weikersheim, Hohebach; 1857 bis 1862 Lehrer in
Oberdorf, 1862 bis 1882
Lehrer in Sontheim und
Heilbronn.
Artikel in "Der israelitische Volksschullehrer" vom März 1857 S. 102: "
An die Stelle des in diesen Blättern oft rühmlich erwähnten Schullehrers und
Vorsängers Maison seligen Andenkens zu
Oberdorf ist der frühere Lehrer zu Weikersheim, Herr
Jakob
Löwenstein, berufen worden. Es ist dies für den Berufenen, seinem verhältnismäßigen geringeren Lebens- und Dienstalters, umso
rühmlicher, als die erwähnte
jüdische Gemeinde eine der größten in Württemberg ist. Der Unterlehrer an
der dortigen Schule ist ein christlicher, weil es an jüdischen Kandidaten
mangelt und hat der Oberlehrer den Religionsunterricht an beiden
Schulabteilungen zu geben. Bei der feierlichen Einführung des neuen
Oberlehrers in Schule und Synagoge durch Schulinspektorat und Rabbinat
hatten sowohl der Rabbiner, Herr G. Adler, wie der Lehrer den Text zu ihren
resp. Reden aus dem Wochenabschnitte (wajeschew) gewählt. Ersterer sprach über
1. Buch Moses 37,13-16. Letzterer über 1. Mose 37,1 und 39,2-6, indem er
hinwies auf die unermüdliche Tätigkeit des im Dienste der Religion
wirkenden Mannes, durch Anwendung des Ausspruches... Besonders schön war auch
die treffliche Anwendung des Schriftwortes, das der greise Rabbiner dem Religions-
und Jugendlehrer zu rief (hebräisch und deutsch): ('So gehe denn! sieh'
nach dem Wohle deiner Brüder und nach dem Wohle der Herde und bringe mir
Antwort'. 1. Mose 37,16)." |
25-jähriges Dienstjubiläum von Lehrer
Leopold Frank (1889)
Anmerkung: Lehrer Leopold (Löw) Frank ist am 16. Mai 1845 in
Edelfingen als Sohn des Mehlhändlers Eisik Frank und seiner Frau Helene
geb. Schloß geboren. Er studierte von 1862 bis 1864
am Lehrerseminar in Esslingen. Von 1871 bis 1909 war er als Lehrer in
Weikersheim tätig; auch 1914 wohnte er noch in Weikersheim.
Seit dem 8. Mai 1872 war Leopold Frank verheiratet mit Karoline geb. Sicherer,
die am 9. April 1848 in Oberdorf als Tochter
von Nathan Sicherer und seiner Frau Henriette geb. Landauer geboren ist. Die
beiden hatten fünf in Weikersheim geborene Kinder: Jette (geb. 1. März 1873),
Bertha (Beile, geb. 6. Juni 1894, gest. 24. April 1877), Isak (geb. 14. Februar
1877), Nathan (geb. 6. Mai 1882, heiratete 1909 in Frankfurt am Main), Salomo
(geb. 8. Mai 1883). Karoline Frank starb am 15. Februar 1913 in
Weikersheim.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Dezember 1889: "Aus
dem Taubertale. Von einem erhebenden Feste habe ich Ihnen heute zu
berichten. Am 4. dieses Monats feierte der israelitische Lehrer und
Vorsänger der Gemeinde Weikersheim, Herr L. Frank, sein
25-jähriges Dienstjubiläum, wozu alle Freunde und Gönner desselben
eingeladen waren. welcher Beliebtheit sich der Jubilar erfreut, das zeigte
so recht die Feier. Der evangelische Lehrergesangverein des Bezirks
Weikersheim ehrte den Jubilar durch vollzähliges Erscheinen, prächtige
Liedervorträge und passende Ansprachen, welch letztere von dem
aufrichtigen Toleranzgefühl der Versammlung Zeugnis anlegten. Auch aus
dem Bezirk Creglingen hatten sich evangelische und israelitische Kollegen
eingefunden, um den Jubilar an seinem Ehrentage persönlich zu beglückwünschen
und an dem Feste teilzunehmen.
Während des Tages liefen zahlreiche Gratulationen ein, unter anderem von
dem Vorstand des württembergischen evangelischen Volksschullehrervereins
in Stuttgart, dem sehr verdienten Vorstand des Unterstützungsvereins für
israelitische Lehrerwitwen und -Waisen, verbunden mit einem herrlichen
Gebetbuch, vielen weiteren Kollegen und Freunden aus der Nähe und Ferne.
Reichlich bedacht wurde auch der Jubilar durch Geschenke seitens der
israelitischen Gemeinde Weikersheim, des israelitischen
Frauenvereins, der Schuljugend, und früherer Schüler, etc. Den
Glanzpunkt erreichte die Feier am Abend, wo sich eine distinguierte
Gesellschaft im Gasthof zur Krone zu Ehren des Jubilars vereinigte. Hier
begrüßte der Rabbiner, Herr Dr. Heilbronn - Weikersheim, in seinem und
seiner Gemeinde Namen den Jubilar, die Verdienste desselben würdigend.
Von dem genannten Herrn wurde ein Schreiben der israelitischen
Oberkirchenbehörde Stuttgart verlesen, welches dem gewissenhaften Lehrer
Glückwünsche und Anerkennung seiner Leistungen
zollte." |
Der
evangelische Lehrer, Dekan und Bezirksschulinspektor, feierte sodann Herrn
Frank, als friedfertigen, milden Lehrer, welche Eigenschaften der Herr
Stadtschultheiß auch in seiner Rede von dem 'Bürger' Frank lobend
hervorhob. Herr Organist Brazel, Weikersheim, rühmte die Kollegialität
und den Patriotismus des Jubilars; ein anderer evangelischer Ortskollege
des Gefeierten, Herr Kantor Mayer trug mit dem von ihm dirigierten
Gesangverein 'Harmonie' wesentlich zur fröhlichen Unterhaltung bei. Herr
Dr. med. Sontheimer, Mitglied der jüdischen Gemeinde Weikersheim,
erfreute durch den Vortrag eines humoristischen Gedichtes alle
Anwesenden.
Von den weiteren Reden, in gebundener und ungebundener Form wollen wir
noch des herrlichen Gedichtes erwähnen, das Herr Kantor Abelein,
Creglingen, dem Jubilar widmete. Nachdem der Verfasser die anerkannte
Tüchtigkeit und persönliche Liebenswürdigkeit Herrn Franks geschildert,
gibt er seiner Freude über das harmonische Leben zwischen den
verschiedenen Konfessionen in Weikersheim und Umgegend Ausdruck, wünscht
überall im Interesse der Gesellschaft ein solches friedliches Verhältnis
und fordert alle auf, dem Antisemitismus gehörig zu Leibe zu rücken.
Doch wir lassen am besten hier die diesbezüglichen Worte des Redners
folgen:
'Er (Jubilar) wandelt hier im Licht, Hepp Hepp-Schreier gibt es
nicht,
Kein Rassenhass die Zähne blöckt, Kein Antisemitismus schreckt.
So sollt' es allerwärts sein, Dann könnte wohl gedeih'n.
Das Juden- und das Christentum Und beiden brächte es nur Ruhm,
Drum setzt die Kräfte ein, Ihr Menschen groß und klein,
Dem Klassen- und dem Rassenhass Gebt ungesäumt den
Abschiedspass.'
Den Schluss der von Auswärtigen gehaltenen Ansprachen bildete die des
israelitischen Herrn Lehrers Preßburger aus Creglingen. Derselbe
gab in der sehr schönen Ansprache seiner Freude über die dem Kollegen
erzeigte Ehre, ganz besonders über den toleranten Hauch, der die ganze
Versammlung durchwehte, Ausdruck. Erst in später Nachtstunde trennten
sich die Teilnehmer, mit dem Bewusststein, ein schönes Fest mitgefeiert
zu haben, einstimmend in des Dichters Wort:
'So sollt' es allerwärts sein.' O." |
|
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 26. Dezember
1889: "Bonn, 22. Dezember (1889). Man schreibt uns aus Württemberg:
In Weikersheim beging der israelitische Lehrer Frank sein
25-jähriges Dienstjubiläum. An der Feier beteiligten sich außer der
israelitischen Gemeinde alle evangelischen Lehrer des Bezirks, in deren
Namen Dekan Kühn dem Jubilar gratulierte. In Poesie und Gesang wurde der
Jubilar gefeiert; die israelitische Gemeinde ehrte ihn durch ein
wertvolles Geschenk." |
Aus dem
jüdischen Gemeindeleben
Die Gemeinde erhält aus der Staatskasse
einen Zuschuss für das neue Schulhaus (1846)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 26. Januar
1846: "Aus dem Württembergischen, 15. Januar. Die israelitische
Kirchengemeinde Weikersheim, hat zur Anschaffung und baulichen Einrichtung
eines Schulhauses aus dem allgemeinen Reservefonds der Staatshauptkasse
einen Beitrag von 300 Fl. erhalten." |
Auflösung der jüdischen Gemeinde (1935)
Artikel in der "Gemeinde-Zeitung für die israelitischen Gemeinden
Württembergs"
vom 16. Februar 1935:
"Mit Zustimmung der Israelitischen Landesversammlung vom 3. Februar
1935 sind durch Anordnung des Oberrats der Israelitischen
Religionsgemeinschaft Württembergs die israelitischen
Religionsgemeinden
Wachbach und Weikersheim,
beide Oberamts Bad Mergentheim aufgelöst worden.
Stuttgart, den 8. Februar 1935. Israelitischer Oberrat Dr. Gumbel."
|
Berichte
zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Anekdote aus dem Leben von Ezechiel
Pfeifer (Pfeiffer; Artikel von 1861)
Anmerkung: der Hofjude Pfeiffer Marx (geb. 28. April 1766, gest. 14. Februar
1827 in Weikersheim) hat seinen Namen in Ezechiel Pfeiffer verändert. Er war
verheiratet mit Gela (Eva) geb. Neckarsulmer (1824 in Weikersheim
gestorben). Genealogische Informationen siehe https://www.geni.com/people/Ezechiel-Pfeiffer/6000000013966280510
und Familienblatt
"Pfeiffer + Marx Family in Weikersheim", erstellt von Rolf Hofmann
(eingestellt als pfd-Datei). Ezechiel Pfeiffer war zeitweise Vorsteher der
jüdischen Gemeinde und war als solcher Erbauer des Rabbinatshauses (1824) und
Erneuerer der Synagoge (siehe unten). Bei seinem Tod 1827 hielt Rabbiner Mainzer
die Trauerrede.
Artikel in "Jüdisches Volksblatt" vom August 1861 S. 164: "Anekdote.
Der verstorbene Ezechiel Pfeiffer in Weikersheim (Württemberg)
war im ganzen Land als ein edler Mann, als Wohltäter, als Meliz und
Schtadlan bekannt. Wirklich hat er bis in sein hohes Alter sehr viel
Gutes gestiftet, wohltätige Anstalten unterstützt und teils ins Leben
gerufen. Da kam einmal ein Jude aus der Umgegend zu ihm und sagte: 'Mein
Sohn hat es bei der Rekrutierung verloren, ich bin ein alter bresthafter
Mann, mein Sohn muss die ganze Familie ernähren, und wenn er Soldat werden
muss, so muss meine Familie zu Grunde gehen! Er wusste seine Angelegenheit
durch Tränen und Gebärden so eindringlich zu empfehlen, dass Pfeifer ihm
versprach, seinen Sohn frei zu machen. Derselbe solle daher diesen Sohn in
acht Tagen nach Stuttgart senden, wohin er in wenigen Tagen auch reisen
werde, und er werde ihn dort einer nochmaligen Visitation unterwerfen, ob er
vielleicht einen Fehler habe. Als derselbe bei der nochmaligen Visitation
für tauglich erklärt worden war, kaufte ihn der edle Pfeifers mit 400 fl.
frei, da er einmal dem Vater desselben das Wort gegeben hatte, dass er den
Sohn frei machen werde. Als jener Landmann nach einiger Zeit nach
Weikersheim gekommen war, um sich für diese schöne Handlung zu bedanken,
sagte er zu Pfeifer: 'ich will Chelek (Teil) haben an eurer Mizwah
(Wohltat)'. Er wusste nämlich nicht, auf welche Weise sein Sohn frei
geworden. Da fuhr Pfeifer in gutmütiger Aufwallung jenen Mann an und sagte:
'So, ich habe aus meiner Tasche 400 fl. für euren Sohn bezahlt, und jetzt
wollt ihr auch noch Chelek haben an meiner so teuren Mizwah!'." |
|
|
Links: Abbildung von Ezechiel Pfeifer
(1766-1827) in Weikersheim (aus der Sammlung von Rolf Hofmann, Stuttgart,
erhalten von Tom Marx, USA).
Familienblatt von Rolf Hofmann:
"Pfeiffer + Marx Family in Weikersheim" (pdf-Datei)
Grabinschriften von Hofagent Ezechiel Pfeiffer und seiner Frau Haye (Eva)
geb. Neckarsulmer im jüdischen Friedhof Weikersheim (erstellt von David
Birnbaum; eingestellt als pdf-Datei)
vgl. Dokumentation des Landesarchives:
http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=2-2421981 und
http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=2-2421982 |
Über Raphael Levi (Artikel von
1846)
Anmerkung: Zu Rafael Levi (1685 in Weikersheim - 1779 Hannover) siehe
https://de.wikipedia.org/wiki/Rafael_Levi.
Dem nachfolgenden Abschnitt sind Informationen zu Rafael Levis Leben, nicht zur
jüdischen Geschichte in Weikersheim zu entnehmen.
Artikel in "Der Orient" vom 13. August 1846: "Raphael
Levi. Eine jüdisches Lebensbild.
Rafael Levi geboren 1685 zu Weikersheim, einer fürstlich
Hohenlohischen kleinen Stadt an der Tauber in Franken. Von Jugend auf hatte
er nicht nur eine ungewöhnliche Wissbegier, sondern auch vorzüglich die Art
des Nachdenkens, die bei den bekanntesten Gegenständen neue Seiten entdeckt
und hundert Fragen aufwirft, welche sich der Verstand lieber selbst auflöst,
als von anderen beantworten lässt. In kurzer Zeit ward Rafael daher
seinem Hauslehrer in allem was er mit ihm vornehmen konnte, überlegen, und
einer von seinen Verwandten, der das Genie des Knaben bemerkte, riet daher
seinen Eltern, den Knaben nach Frankfurt zu schicken. Hier ging er den
ganzen Kreis jüdisch-rabbinischer Erkenntnisse, so weit es seine Jahre
erlaubten, durch; zugleich aber machte er die Erlernung des Buchhaltens zu
seinem Hauptgeschäfte. Er ward auch darin bald so geschickt, dass man ihn
einem reichen Juden in Hannover Herrn Oppenheimer als Buchhalter empfehlen
konnte. Er kam also dahin, und erwarb sich die ganz vorzügliche Gunst seines
Herren, durch die Geschicklichkeit, Tätigkeit und Treue, welche er bei
diesem Geschäfte bewies. Bis dahin hatte er sich indessen bloß mit
Arithmetik beschäftigt: jetzt zogen ihn andere mathematische Kenntnisse an,
und benutzte er jede Gelegenheit, um darin durch eigenen Fleiß Fortschritte
zu tun. So erlernte er, um die mathematischen Schriften, die er aus dem
damaligen Försterischen Buchladen geliehen bekam, besser nutzen zu können,
Lateinisch und Französisch. Unermüdet forschte er in dem Umgange mit
Christen, die dergleichen Kenntnisse besaßen, nach Aufklärung über das, was
im dunkel geblieben war, und ließ sich's nicht verdrießen, oft einen Weg
zwanzigmal zurück zu gehen, um nur sein Ziel zu erreichen.
Man erbaute damals den Marstall in Hannover. Rafael Levi sah den Arbeitern
zu und bemerkte, dass sie eben in Gefahr standen, bei der Grundlegung einen
großen Fehler zu begehen. Er trat hinzu und zeigte, wie sie leichter ihren
Zweck erreichen könnten. Seine Unterredung hörte der Ingenieur-Major Mölling
und fand die Bemerkung dieses Juden gegründet; jener war aufrichtig genug zu
gestehen, dass er zwar wohl würde den Fehler, aber nicht dies vorgeschlagene
Mittel, demselben abzuhelfen, entdeckt haben. Bei dem Gespräch, in welches
sich der Major mit Rafael einließ, fand er so viele Kenntnisse bei
ihm, dass er voll Bewunderung fragte: wo er diese Kenntnisse her habe? - Ich
gebe mir Mühe etwas zu wissen, wo ich Gelegenheit sehe, versetzte Rafael. -
Hat er denn wohl Lust es noch weit zu bringen? - Mit Freuden! - war die
Antwort - allein das kostet zu viel. Diese Unterredung gründete indessen das
ganze Glück unseres jungen Mathematikers, das er wenigstens immer für so
groß hielt, dass nichts in der Welt ihm mehr hätte befriedigen können. Der
Major bestellte ihn nämlich bald darauf nach seinem Hause und gab ihm ein
Bilett an Leibniz. Es war ein Vergnügen zu hören, wie der alte 80-jährige
Greis die Empfindungen beschrieb, mit welchen er damals in das leibnizsche
Haus und in das Zimmer trat, worin er gewürdigt werden sollte, mit einem
Manne zu sprechen, denn jeder andere Jude damals mit dem geringen und
vornehmen christlichen Pöbel für einen Zauberer hielt; dessen Geistesgröße
aber Rafael lange mit Ehrfurcht empfunden hatte. Leibniz tat einige
wenige Fragen an ihn über eine Sonnenuhr, welche gerade da stand, und gab
ihm sodann, ohne dass sich das Geringste weder von Beifall noch Tadel aus
seinem Bezeigen schließen ließ, den Auftrag an Oppenheimer: |
er
möge ihn besuchen, er habe ein Geschäft mit ihm. Oppenheimer erschien; nach
einiger Erkundigung über die Aufführung des jungen Menschen, fragte ihn
Leibnitz endlich, wie viel er denn, als ein reicher Mann wohl anlegen wolle,
um seinen Buchhalter weiter zu bringen? Er weiß, setzte er hinzu, wohlfeil
bin ich nicht: unter 300 Taler nehme ich ihn nicht in Unterricht.
Oppenheimer entschloss sich ohne Bedenken dazu. Nun sagte Leibnitz, ich
sehe, er hält viel auf den jungen Menschen, er ist ein rechtlicher Mann: ich
verlange nichts: schicke er ihn her. Jetzt ging Rafael täglich zu
Leibniz, zog in sein Haus, und wohnte endlich sechs Jahre beständig bei ihm.
Man kann sich leicht vorstellen, mit welchem Eifer ein Jüngling von dieser
Denkart die Winke seines Lehrers benutzte und wie weit er es bei seinen
Anlagen in den mathematischen Wissenschaften bringen musste. Es fand sich,
dass Rafael dem Vortrage mit ziemlichem Glück folgen konnte. Einer
seiner Mitschüler hingegen, ein Hofmeister in der gräflich
Kielsmanneggischen Familie, ward in Leibnizens Unterrichte ein finsterer
Grübler, und ist endlich verrückt gestorben. Ob sich nun gleich die
eigentliche Unterweisung auf Mathematik bezog, so erweckte doch diese in dem
Schüler eine große Begierde, die übrigen Schriften des großen Philosophen
kennen zu lernen und zu verstehen. Hier gelang es aber dem Rafael
nicht so gut als in der Größenlehre. Er bemerkte bald, dass es ihm an
philosophischen Vorkenntnissen fehle, und sicher war es verständiger, sich
darum innerhalb gewisser Grenzen zu halten, als dem Beispiele seines
Mitschülers zu folgen, und ein Narr zu werden. Leibnizens
praktisch-philosophische Grundsätze und die ganze Art über die Verhältnisse
des menschlichen Lebens zu denken, nahm er indessen mehr an, und machte sie
sich zu eigen. Der Rabbinische Jude verschwand, je mehr er nach seines
Lehrers Rat seine Begriffe deutlicher und vollkommener zu machen suchte, je
mehr er selbst dachte und die Aussprüche des gesunden Menschenverstandes
mehr schätzte als die Einfälle und Trugschlüsse anderer Menschen, die
unbedingte Unterwerfung verlangten.
Ohne dass ihn indessen seine Philosophie gehindert hätte, das Gesetz seiner
Väter zu beobachten, leistete sie ihm die wesentlichsten Dienste. Er war
genügsam, lebte mäßig, tat sehr viel Gutes, und besaß die Kunst überall zu
lernen und überall Kenntnisse mitzuteilen. Als er anfing junge Leute im
Buchhalten, in arithmetischen Kenntnissen, in der Physik und Astronomie zu
unterrichten, so erfand er sich, besonders in den beiden ersten Stücken,
einige Erleichterungen, über deren Wert das genug gesagt ist, dass sie
Kästner billigte. Die Heiterkeit mit der er lehrte, und die Leichtigkeit mit
der er die schwersten Sachen fasslich machte, waren gleich
bewunderungswürdig, und beide dauerten bis an den letzten Augenblick seines
Lebens fort. Eben so liebenswürdig war er in seinem häuslichen Leben. Mit
einer Gattin, die er sehr liebte, erzeugte er sieben Kinder, aber zugleich
teilte er mit ihr viele Leiden, unter denen die härtesten die waren, dass
von seinen sieben Kindern nur eine Tochter am Leben blieb. So mancher Unfall
ihn inzwischen auch traf, so schlug ihn doch kein einziger ganz nieder. Er
hatte die Gewohnheit bei großen wieder Widerwärtigkeiten etwa eine halbe
Stunde in die Einsamkeit zu gehen und nachzudenken. Kam er dann wieder zu
den Seinigen, so war er ganz beruhigt. Aus diesen Entfernungen konnte man
denn auch abnehmen, in welchem Grade ein Vorfall auf ihn wirkte. Vornehmlich
bemerkte man bei der letzten Krankheit seiner Frau, die seine ganze
Zärtlichkeit besaß, dass er tief gerührt sei. Aber durch die Überzeugung von
einer alles leitenden Vorsehung, die er sich oft in stillen Betrachtungen
erneuerte, und worauf er seine Verwandten hinwies, erhielt er sich seinen
Gleichmut. Üble Laune, aufbrausender Affekt, oder Übermaß in Freude, waren
ihm gleich fremd.
Zum Nachdenken und zur Auflösung schwerer Probleme war er beständig
aufgelegt, und es schienen ihn die längsten Meditationen nicht zu ermüden.
Nach Gewinn verlangte ihn in keinem Geschäfte. Für seinen Unterricht
verlangte er nur von denen, welche es bezahlen konnten. Seine ganze
treffliche Denkungsart in Ansehung seiner Schüler zeigt sich in folgender
Geschichte: Der Sohn eines Handwerkers in Hannover, zeichnet sich bei
Rafaels Unterweisung ganz vorzüglich aus: daher wandte er denn an diesen
Kopf außerordentlichen Fleiß. Der Jüngling durfte in jeder Stunde des Tages
die Studien des alten wackern Mannes unterbrechen, ohne ihn je darüber
unzufrieden zu sehen. Endlich fand Rafael, dass dieser Schüler, den er als
Vater liebte, nichts weiter bei ihm lernen könne. Dies sagte er dem großen,
auf jedes Talent, wo er sich auch hervortat, so aufmerksamen Minister
Gerlach Adolph von Münchhausen, und empfahl seinen jungen Freund als einen
solchen, dem man künftig, wenn er sich mehr ausgebildet hätte, Dinge von
Wichtigkeit anvertrauen könne. Der Minister gab dem Jüngling sogleich
Stipendien, und da kleine Beihilfen für arme Studierende mehr Schaden
stiften als Nutzen, auch eine außerordentliche Pension dazu, damit es ihm in
Göttingen an nichts fehle. Auf der Akademie erwarb sich Rafaels Schüler so
viel Vertrauen, dass man ihm nach Verlauf eines Jahres schon vorschlug, ein
Reisegefährte von Niebuhr zu werden*. Die Sache ward auch vorläufig in
Richtigkeit gebracht und der sich glücklich preisende Jüngling reiste nach
Hannover. Sein erster Weg ging zu seinem Lehrer, dem er mit Freuden in die
Arme eilte,
*Anmerkung: In der Berichtigung: 'der Jüngling sollte nicht Niebuhrs
Reisegefährte werden, sondern Niebuhr kam an seine Stelle.'
|
da
er ihm so gute Nachrichten zu bringen glaubte.
Mein Freund dazu gebe ich meine Einwilligung nicht. Der König von England
gebraucht geschickte Leute. Sie haben eine schwache Gesundheit: Sie müssen
auch dem Vaterlande dienen, welches sie bisher unterstützt hat. Dies waren
die Gegenvorstellungen des guten Alten, und nun eilte er zu Münchhausen, und
überzeugte den Minister, dass der junge Gelehrte dem Staate sehr brauchbar
werden könne. Münchhausen nahm diesen Rat des einsichtsvollen Mannes an und
verhinderte die Mitreise nach Arabien. Noch ein Jahr, hieß es, solle er auf
Kosten des Königs studieren und alsdann wolle man ihn sogleich befördern,
dies ward auch erfüllt. Der junge Mann leistete besonders während des
Krieges in mancher wichtigen Angelegenheit große Dienste, welche ihm eine
Belohnung nach der anderen verschaffte. Endlich rief man ihn nach London. So
oft er nachher Hannover sah, ging er mit dem tiefsten Gefühl der Hochachtung
und Dankbarkeit zu Rafael. Er starb in London, auch da dachte er noch an
seinen Wohltäter, und vermachte demselben oder seinen Erben 1200 Taler als
geringen Beweis seiner unauslöschlichen Erkenntlichkeit. Die Nachricht davon
kam etwa ein halb Jahr vor dem Tode des Rafael an, und man bemerkte
deutlich, wie sehr der Gedanke für seinen Freund Nutzen gestiftet zu haben,
den dieser auch in seinen letzten Augenblicken nicht vergessen konnte, sein
Herz rührte. Solch eine Probe der Dankbarkeit empfing der Mann mit Recht,
der sie selbst in höchsten Grade gegen seinen Lehrer Leibniz ausübte. Er
pflegte jedesmal wenn der Name dieses Weltweisen genannt wurde aufzustehen,
und an dem Todestag desselben herrschte eine feierliche Stille in seiner
Seele, die er nicht gerne unterbrechen ließ. Ein Gemälde von Leibniz, dem
Rafael wenigstens eine sehr große Ähnlichkeit zuschrieb, betrachtete er oft
mit innigster Freude, und zeugte es, so wie die Neustädter Kirche, die
Leibniz' Asche verwahrt, manchmal mit Tränen im Auge. Hundert Taler bot ihm
einst der Fürst von Waldeck für jenes Bildnis, aber er ließ es für keinen
Preis aus seinen Händen. Ein in edler, gemeinnütziger Stille und zuletzt in
philosophischer Abgeschiedenheit geführtes Leben, beschloss Rafael wie man
es ihm wünschen wird, ohne Schmerzen und Angst 1789 am 17. Mai, im 94.
Jahre. Noch eine halbe Stunde vor seinem Entschlummern löste er eine
Aufgabe; 24 Stunden vorher bemerkte er, dass sein Ende nahe sei. Er ließ
alle seine Freunde und Verwandte vor sein Lager treten und gab einem nach
dem andern väterliche Ermahnungen, die auf eines jeden besonderen Zustand
passten und zeigte an, dass er morgen unfehlbar sterben werde. So verschied
ein Mann, dem seine Kenntnisse und Verdienste allgemeine Hochachtung und
sein vortreffliches Herz die Liebe und Ehrfurcht aller derer verschaffte,
die näher damit bekannt waren.
Einige arithmetische kleine Arbeiten sind gedruckt worden, mehrere
Manuskripte von ihm verwahrt seine Tochter in Hannover, und nach dem
Rafael-Leibniz-schen Gemälde wird jetzt in Leipzig eine Büste verfertigt,
mit welcher ein dasiger wahrer Beförderer und geschickter Kenner der Kunst
ein in Leipzig öffentliches Gebäude zu schmücken vorhaben soll.
(Hannoversche Morgenzeitung)."
|
Über Raphael Levi (Artikel von
1848)
Anmerkung: der Artikel beschäftigt sich nur mit der Geschichte von Rafael
Levi; außer zur Herkunft aus Weikersheim gibt es keine Informationen zur
Weikersheimer jüdischen Geschichte.
Artikel in "Der Orient" vom 26. Februar 1848: "R.
Rafael Hannover auch Rabbi Rafael Baal Cheschbon genannt. Rafael
Levy ist Verfasser von tekunat ha-Schamajim, Amsterdam, 1755,
astronomischen Inhalts, und in hebräischer Sprache geschrieben. Der Wilnaer
Gaon (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Gaon_von_Wilna) lernte in seinem
neunten Jahre das ganze Buch auswendig. In der Heiman Michaelischen
Bibliothek - die jetzt nach London wandert - sah ich ein sehr schön
geschriebenes Manuskript davon mit sehr vielen dazugekommenen Anmerkungen.
Das ganze ist von des Verfassers eigener Hand.
Rafael Levy war geboren 1685 (statt 1625) in Weikersheim in
Franken. Von Jugend auf zeigte er eine ungewöhnliche Wissbegierde, und ward
seinem Lehrer in allem überlegen. Es wurde daher beschlossen, den Knaben
nach Frankfurt zu schicken. Hier ging er den ganzen Kreis
jüdisch-rabbinischer Kenntnisse durch, wurde Talmudist, machte aber die
Erlernung des Buchhaltens zu seinem Hauptgeschäfte, worauf er bei dem
reichen Oppenheimer in Hannover als Buchhalter kam, dessen Gunst er bald
erwarb. Nun zog ihn, außer Arithmetik, auch die Mathematik an. Er las sehr
viele Bücher in deutscher, französischer und lateinischer Sprache, die über
diese Wissenschaft handelten und forschte unermüdet darüber nach. Eines
Tages sah er, wie bei der Grundlegung eines neuen Gebäudes, man in Begriff
stand, einen großen Fehler zu begehen, er trat hinzu und zeigte wie dieser
auszuweichen sei. Der Bauherr gab ihm Beifall, und als er mit voller
Bewunderung Rafael's Geist und seine Lernbegierde bemerkte, gab er ihm ein
Billet an den weltberühmten Leibniz. Nachdem dieser einige Fragen an ihn
gerichtet, ließ er den Herrn Oppenheim zu sich kommen, und sagte ihm, dass
wenn er ihm 300 Taler geben wolle, so will er seinen treuen geschickten
Buchhalter auch in die höheren Wissenschaften unterrichten. Als Oppenheim
dies mit Freuden einging, da sagte Leibniz 'er ist ein rechtlicher Mann, ich
verlange nichts, schicke er ihn nur her'. Rafael kam zu Leibniz, zog in sein
Haus und wohnte endlich sechs Jahre beständig bei ihm. Man kann sich leicht
vorstellen, mit welchem Eifer er dieses Glück benutzt, und wie weit er es in
der Mathematik bringen musste. Auch mit den andern ausgebreiteten
Kenntnissen seines großen Meisters beschäftigte er sich, er merkte aber
bald, dass er darin keine großen Fortschritte machen konnte, weil es ihm,
dem Talmudisten an philosophischen Vorkenntnissen fehle. Indessen nahm er
doch Leibniz' praktisch-philosophische Grundsätze an, ohne ein Haarbreit von
der Lehre und Religion seiner Väter abzuweichen. Als er anfing in der
Arithmetik, Physik und Astronomie Unterricht zu erteilen, da erfand er
einige neue Regeln zur Erleichterung der Lehre, die auch Kästner billigte.
Die Leichtigkeit, mit der er die schwersten Sachen fasslich machte, waren
bewunderungswürdig. Von den sieben Kindern, die er mit seiner Gattin
erzeugte, blieb nur eine Tochter am Leben; der Verlust der anderen, so wie
viele andere Unfälle trug er mit philosophischer und religiöser Ergebung.
Beständig und unermüdend zur Auflösung schwerer Probleme aufgelegt, achtete
er wenig auf pekuniären Gewinn. Wer seinen Unterricht nicht bezahlen konnte,
der erhielt ihn gratis. Der Sohn eines armen Handwerkers, der sich beim
Unterricht besonders auszeichnete, ward sein Lieblingsschüler, und durfte zu
jeder Stunde des Tages zu ihm kommen. Durch seine Empfehlung, ließ in der
König von England studieren, und gebrauchte ihn nachher in sehr wichtigen
Angelegenheiten. Der dankbare Schüler, der bald starb, vermachte seinem
Lehrer 1200 Taler. Auch ein englischer Lord, der lange bei ihm Unterricht
genoss, bedachte ihn in seinem Testamente mit einigen 1000 Talern.
Rafael starb den 13. Mai 1779. Er hinterließ viele Schriften, aber noch mehr
sehr ausgezeichnete Schüler. Sein wohlgetroffenes Bild, wird noch jetzt im
Leibnizhause, in Hannover aufbewahrt. " |
Dr. Ignatz Mainzer wird Oberamtswundarzt
in Weinsberg (1855)
Anmerkung: es handelt sich um Dr. med. Ignatz Mainzer (geb. 7. September
1831, Rabbinersohn aus Weikersheim), der nach seiner Zeit in
Weinsberg als
praktischer Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer in Stuttgart tätig war (wohnt 1886
Stuttgart, Marienstraße 38). Er starb am 18. September 1903 und wurde im
Israelitischen Teil des Pragfriedhofes in Stuttgart beigesetzt. Er war
verheiratet mit Beate geb. Kaiser.
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 19. Februar 1855:
"In Weinsberg, der Heimat des Justinus Kerner, ist ein
jüdischer Arzt, Dr. Mainzer, Sohn des Rabbinen in Weikersheim, in Folge
seiner trefflichen Zeugnisse, von der Amtsversammlung zum Oberamtswundarzt
gewählt und von der königlichen Regierung bestätigt worden. Es ist
dieser der zweite Israelit in Württemberg, der mit solchem Amte betraut
worden." |
Zum Tod von Manuel Adler
(1876)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Juni
1876: "Weikersheim, 8. Juni (1876). Heute wurde hier ein Mann,
Herr Manuel Adler - er ruhe in Frieden -, zu Grabe getragen,
der es verdient, dass seiner in Ihrem geschätzten Blatte Erwähnung
geschieht. Ein Zögling der alten Fürther Talmudschule, war er bestrebt,
die daselbst gewonnenen Eindrucke und Lehren praktisch zu bewährend,
nämlich zu lernen und zu lehren um (die Gebote) zu beachten und zu
tun. Die Hauptinteressen seines Lebens galten ausschließlich unserer
heiligen Religion, und sowie er keine innigere Freude empfand als die: das
wahrhaft orthodoxe Judentum gehoben zu sehen, ebenso schmerzerfüllt war
er, sobald eine Missachtung desselben sich seinem Auge darbot. In letztem
Falle brachte er schonungslos das Gebot 3. Mose 19,17 'Zur Rede stellen
sollst Du deinen Nächsten..." zur Geltung. Einen namhaften Teil
seines übrigens nur bescheidenen Vermögens wendete er in seiner letztwilligen
Verfügung frommen Stiftungen zu, darunter besonders hervorgehoben zu
werden verdienen ein Kapital von 500 Gulden, dessen Zinsen die Bestimmung
haben, der jüdischen Gemeinde hier die Kultlasten zu erleichtern; ein
solches von 100 Gulden, welches der hiesigen Armenkasse zur Unterstützung
durchreisender jüdischer Armen zugewiesen wurde, ferner 50 Gulden für Kiddusch-Wein,
falls solches keinen Käufer finden sollte; und endlich 80 Mark zu einer
in der Synagoge anzubringenden Gedenktafel, worauf die Namen der
zahlreichen edlen Stifter verzeichnet werden sollen, welche sich um das
Wohl der hiesigen jüdischen Gemeinde verdient gemacht haben. Der Bezirksrabbiner
Dr. Heilbronn, der testamentarisch mit dem Vortrage der Leichenrede
und dem üblichen Schiur beauftragt wurde, gab in ersterer den Verdiensten
des Verblichenen einen entsprechenden Ausdruck mit dem Refrain: 'Wehe
um die, die dahinschwinden, und nicht mehr aufzufinden sind'."
|
Zum Tod des aus Weikersheim stammenden Prof. Dr. jur. Leopold Pfeiffer (gest. in
Tübingen 1881; beigesetzt in Stuttgart)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 29. November 1881: "Aus Württemberg, 12. November
(1881). Am 4. dieses Monats starb in Tübingen
im Lesezimmer des Museums unerwartet schnell, vom Schlage gerührt, Prof.
Dr. jur. Pfeiffer, der einzige akademische Lehrer jüdischen Glaubens in
Württemberg,
der mehrere Jahrzehnte lang an dieser Hochschule gewirkt hat. Seiner
Majestät unser König ließ sogleich nach der Todesnachricht der Fakultät
sowohl als der Familie seine Teilnahme bezeigen.
Am 7. November fand die Überführung der Leiche nach Stuttgart statt. Ein
fast endloser Zug von Leidtragenden, darunter sämtliche Professoren der
Universität und sämtliche studentische Korporationen, gab dem
Dahingeschiedenen das Ehrengeleite bis zum Bahnhofe. Die Militärkapelle
spiele den 'Wal'schen Trauermarsch
und den Choral: 'Süß und ruhig ist der Schlummer.' Der Verstorbene,
welcher sich neben seiner erfolgreichen Wirksamkeit als akademischer
Lehrer in seinem privaten Leben namentlich durch einen seltenen Grad von
Mildtätigkeit, auszeichnete, war in Tübingen eine sehr populäre Persönlichkeit.
Die Beerdigung fand in Stuttgart statt. Die Leiche wurde vom Bahnhof aus
mit einer langen Wagenreihe nach dem israelitischen Kirchhofe gebracht und
auf Wunsch des Verstorbenen ohne größere Feier zur Erde bestattet.
Rabbiner Dr. Wassermann hielt die Grabrede. Unter der Versammlung
bemerkte man Ministerialdirektor Dr. Silcher, Oberlandesgerichtsdirektor Firnhaber, viele Juristen und Beamte, die Mitglieder der Israelitischen
Oberkirchenbehörde, die Mitglieder der Familie Kaulla und anderer
hervorragender israelitischer Familien. Pfeifer war am 21. Oktober 1821 in
Weikersheim geboren und erreichte somit das 60. Lebensjahr. Der 4. und 7.
November, sein Todes und Begräbnistag, waren längst Trauertage in seiner
Familie, denn am 4. November vor 41 Jahren starb sein Vater, am 7.
November vor 47 Jahren wurde seine Mutter begraben. Seine Ausbildung
erhielt Dr. Pfeiffer auf den Gymnasien in Mannheim, in Stuttgart und auf
den Universitäten in Tübingen und Berlin. Für seine Glaubensgenossen
zeigte Dr. Pfeiffer stets das regeste Interesse und beteiligte sich bei
allen Angelegenheiten der sich erst neu gebildeten israelitischen Gemeinde
Tübingen." |
Zum 100. Geburtstag von Gottlieb Sontheimer (geb.
1831 in Weikersheim, gest. 1897 in Stuttgart)
Artikel in der "Gemeinde-Zeitung für die israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 1. Mai
1931: "Gottlieb Sontheimer. Zu seinem 100. Geburtstag am 12. Mai 1931.
Von Felix Sontheimer, Stuttgart.
Nur wenigen unsere Zeitgenossen wird der 1760 erbaute kleine Arkadenbau der
Hauptwache auf der Königstraße in Stuttgart noch in Erinnerung sein, zu
deren beiden Seiten weit in die Straße hinein zwei Kanonenrohre ragt hin.
Die Wache wurde 1866 abgebrochen, um dem Haus Nummer 29 Platz zu machen.
Käufer der Wache und Erbauer des Neubaus, des lange Zeit schönsten Hauses
der Königstraße neben dem 1834 erbauten 'Großen Basar' war der am 12. Mai
1831 als Sohn des Handelsmannes Max Sontheimer und seiner Ehefrau
Ella geb. Rothwelsch in Weikersheim geborene Gottlieb Sontheimer.
Er war mehrere Jahre im Bankgeschäft des Baron von Hirsch in
Würzburg tätig und gründete in
Stuttgart, nachdem er im Jahre 1856 vom Oberamt Mergentheim den Meisterbrief
der Kaufmannschaft ausgestellt erhalten hatte, ein Bankgeschäft, das nach
seinem im Jahre 1897 erfolgten Tode in Liquidation getreten ist.
Frühzeitig schon nahm Sontheimer an den Angelegenheiten der damals noch
kleinen israelitischen Gemeinde Stuttgart teil. Erstmals wurde er im Jahre
1866 in das Kirchenvorsteheramt gewählt, dem er ununterbrochen bis zu seinem
Tode angehörte. Große Ehrungen durfte er anlässlich seines 25-jährigen
Kirchenvorsteher-Jubiläums erfahren, bei welcher Gelegenheit insbesondere
auf seine Verdienste um die Einführung eines geordneten
Religionsunterrichtes an den höheren Lehranstalten unserer Stadt hingewiesen
wurde. Hauptsächlich auf sein Vorgehen ist nach langjährigen Vorarbeiten und
vielerlei Schwierigkeiten die Eröffnung des Religionsunterrichtes an den
höheren Schulen Stuttgart im Jahre 1880 zurückzuführen. Gottlieb Sontheimer
fehlte, solange er noch die Kraft dazu hatte, bei keiner Sitzung des
Kollegiums.
Der fortschrittlichen Richtung angehörend, war er ein ständiger Besucher des
Gottesdienstes, dessen weihevolle und schöne Gestaltung ihm sehr am Herzen
lag. Besondere Liebe und Hingebung widmete er dem würdigen Gesang in der
Synagoge. Die Leistungsfähigkeit der Finanzkraft der Gemeinde zu heben, war
sein ständiges Bestreben. Ebenso wie in der Gemeindeverwaltung leistete
Gottlieb Sontheimer Hervorragendes im Wohlfahrtswesen: auch hier vollbrachte
er unermüdliche Arbeit und stellte seinen praktischen Sinn und sein
bewährtes Organisationstalent uneigennützig in den Dienst der Sache. Dem
Kranken-Unterstützungsverein, dessen Kasse er führte, stand er besonders
nahe. Er lebte für die Gemeinde und ihre Angelegenheiten. Mit zäher
Hartnäckigkeit hielt er an seinen Entschlüssen fest und verteidigte sie so
lange, bis er seine Kollegen von der Richtigkeit und Ausführbarkeit seiner
Gedanken überzeugen konnte. Auf seinen täglichen Spaziergänge nach dem
Bopserbrunnen, die er mit gleichgesinnten Freunden |
ausführte
und bei denen er den Mittelpunkt bildete, wurde mancher Plan entworfen, der
später im Kollegium oder in Ausschüssen zur Ausführung gelangte. Auch die
Förderung der Geselligkeit unter den Israeliten der Stadt war für ihn ein
Herzensbedürfnis. Gottlieb Sontheimer war im Jahre 1874 einer der Gründer
des Familienvereins: schon in der ersten Generalversammlung wurde er
in den Ausschuss berufen, dem er ununterbrochen angehört hat, darunter
sieben Jahre hindurch als dessen erster Vorstand. Das Vertrauen und die
Achtung seiner Mitbürger genoss Sontheimer in reichem Maße und mancherlei
Ehrenstellungen begleitete er im bürgerlichen Leben.
Von direkten Nachkommen des stattlichen Mannes, der mit seiner Frau Berta
geb. Edenfeld ein ideales Eheleben führte, leben in München und in London
noch eine Enkelin und zwei Urenkel. Sein Grab ist auf dem
Pragfriedhof, für dessen Ausstattung
und Erweiterung er in besonderem Maße eingetreten ist." |
Hinweis auf Markus Hirsch Weikersheim (geb. 1790 in
Weikersheim, gest. 1863 in Wien)
Markus Hirsch Weikersheim ist am 25.
Dezember 1790 in Weikersheim geboren. Er führte seit 1819 auf Grund eine
"Großhandlungsbefugnis" in Wien eine private Bankfirma ("Markus Hirsch
Weikersheim und Kompagnie") und ein Großhandelshaus ("k.k. privilegierter
Großhändler"). Von der Bankfirma aus wurden vor allem Handelsunternehmungen
der Textil- und Landwirtschaftsprodukte mit Finanzierungsmodellen gefördert.
Er war im englischen Sinne des Wortes ein Banker, also ein Bankier der
Kaufleute und Industriellen. Von Zeitgenossen wird er als altmodisch
geschildert, aber von freundlichem und heiterem Wesen. Weikersheim starb am
6. Januar 1863 in Wien. Die Grabdenkmäler seiner Angehörigen bilden eines
der schönsten Biedermeier-Ensembles auf dem jüdischen Friedhof in Währing
bei Wien.
Genealogische Informationen sowie Foto des Grabsteines
https://www.geni.com/people/Markus-Weikersheim/6000000017993157608. |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige von Nathan Jacobsohn
(1867)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 2. Juli 1867:
"Ich suche sämtliche 'Schriften des Instituts zur Förderung der israelitischen
Literatur' für einen entsprechenden Preis.
Frankierte Offerten zu adressieren an Nathan Jacobsohn.
Weikersheim, Württemberg." |
Bäcker Kahn bietet eine
Mazzos-Maschine an (1872)
Anzeige
in "Der Israelit" vom 8. Januar 1872:
"Eine im besten Gange sich befindliche Mazzos- Maschine mit
sämtlichem Zubehör ist wegen Geschäftsaufgabe billig zu verkaufen.
Bäcker Kahn in Weikersheim, Württemberg. "" |
Anzeige von Emil Emrich (1896)
Anzeige in "Der Israelit" vom 6. Januar 1896:
"Zur Stütze der Hausfrau suche ich eine erfahrene ältere Person.
Emil Emrich,
Weikersheim Württemberg." |
Anzeige des Manufaktur- und Konfektionsgeschäftes
Ferdinand Selz (1902)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 10.November 1902:
"Suche für mein Samstags und israelitische Feiertage streng
geschlossenes Manufaktur- und Konfektions-Geschäft einen Lehrling
bei freier Kost und Logis.
Ferdinand Selz, Weikersheim (Württemberg)." |
Zur Geschichte des Betsaales / der Synagoge
Von Einrichtungen der
mittelalterlichen Gemeinde ist wenig bekannt. Im 16. Jahrhundert wird als
Ortsbezeichnung eine "Judengerch" bzw. "Judenkirch"
genannt, vermutlich als Erinnerung an die mittelalterlichen Synagoge
(Standort unbekannt; im Bereich der Wilhelmstraße gab es jedoch [vermutlich
bereits im 17. Jahrhundert] die Straßenbezeichnung "In der
Judenschulgasse", was sich auf den Synagogenstandort im Mittelalter
oder im 17. Jahrhundert beziehen könnte).
Die seit 1637 aufgenommenen Juden haben, nachdem sich ihre Zahl im Laufe der
folgenden Jahre mehrte, einen Betsaal eingerichtet. 1653 erregten die jüdischen
Gottesdienste freilich das Missfallen der christlichen Umgebung. Der Herrschaft
wurde angezeigt, dass die Juden bei ihren "Schabbatischen Zusammenkünften"
so laut gesungen haben, dass es Ärgernis erregte.
1688 wurde eine erste Synagoge gebaut. Damals waren Seligmann und Simon
die angesehensten Juden der Stadt. Sie waren gleichzeitig die Vorsteher (Parnassim)
der Gemeinde. Simon hatte ein Grundstück gestiftet, das zum dauernden Besitz
der Gemeinde werden sollte. Auch spendete er unter anderem eine Torarolle, die
in Weikersheim bleiben sollte, solange die israelitische Gemeinde fortbesteht.
Noch im 20. Jahrhundert war dieses "Prachtstück von Pergamentschrift"
nach dem Bericht von Rabbiner Abraham Schweizer (1917) in der Synagoge
vorhanden. Für seine Wohltaten wurden dem Vorsteher Simon und seiner Frau Hanna
jeden Schabbat ein Segenswort gesprochen ("Mi scheberach"). In dieser
ersten Synagoge gab es nach dem in den 1930er-Jahren noch erhaltenen Kahalbuch
der Gemeinde Weikersheim 15 feste Plätze im Männerabteil, 13 feste Plätze im
Frauenabteil. Die Namen der Inhaber wurden festgehalten. Vorsteher Simon bekam
den Ehrensitz ganz vorne an der rechten Seite vom Toraschrein. Seit 1697 war ein
Gemeinderabbiner angestellt, der jährlich eine Besoldung von zwei Reichstalern
erhielt.
Eine besondere Stellung nahmen die Weikersheimer Hofjuden ein, die im Dienst der
Fürsten von Hohenlohe standen. Seit 1743 war Marx Anschel am Hof tätig, der
Stammvater der Familie Marx, die später den Namen Pfeiffer annahm und schließlich
nach Stuttgart übersiedelte. Das Memorbuch der Weikersheim Gemeinde rühmt die
Frömmigkeit und Bescheidenheit von Marx Anschel. Er veranlasste 1768 den Bau
einer neuen Synagoge, die er selbst reich ausstattete. Er starb 1780.
1748 wurde das Gemeindehaus gebaut, für das Abraham Maier Levi 50 Gulden
gestiftet hatte.
Marx Anschels dritter Sohn (Marx) Ezechiel Pfeiffer (1766-1827) war gleichfalls
als Hofagent tätig. Als Vorsteher der Weikersheimer Gemeinde ließ er mit einem
Aufwand von 3.000 Gulden 1824/25 den Gebäudekomplex der Synagoge samt
dem späteren Rabbinatshaus neu bauen (heute Wilhelmstraße 16, früher Haus Nr.
185: späteres Rabbiner-Wohnhaus und Haus Nr. 185a: die Synagoge sowie ein
Waschhaus von Stein an der Stadtmauer). Auch stiftete Pfeiffer ein Kapital in Höhe
von 5.000 Gulden für den Zweck der Anstellung eines wissenschaftlich gebildeten
Rabbiners in Weikersheim. In der Weikersheimer Synagoge wurden von der im Laufe
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer kleiner werdenden jüdischen
Gemeinde bis 1928 Gottesdienste abgehalten. Schon 1917 hatte Rabbiner
Schweizer angesichts der Auflösung der Gemeinde über die Gebäude in der
Wilhelmstraße 16 geschrieben: "Das Rabbinatshaus in Weikersheim... ist verödet,
der Rabbinatssitz in der Synagoge verlassen, die Synagoge selbst, nur wenig mehr
aufgesucht von der arg dezimierten jüdischen Bevölkerung in Weikersheim, hat
ihren Glanz verloren".
In der Pogromnacht im November 1938 wurde die Synagoge der Innenraum der
Synagoge durch auswärtige SA-Leute demoliert. Das Gebäude ist erhalten und
dient als Schreinerei (Hintergebäude zu Wilhelmstraße 16). In den 1950er
Jahren wurde in die Schreinerei eine Zwischendecke eingezogen. Darüber ist bis
heute die flach verputzte Decke mit stukkierten Rosetten erhalten. Die Decke
weist eine mehrfarbige Bemalung mit einem Sternenhimmel auf. Die Arkadenbrüstung
der ehemaligen Frauenempore ist ebenfalls teilweise erhalten. 1981 wurde eine
Gedenktafel angebracht. Die Erhaltung des Gebäudes für die Zukunft wurde
gesichert. Das Dach ist teilweise erneuert worden. Der auf Teilflächen lose
Deckenputz wurde im Inneren durch Restaurator Michael Helget durch Injektionen
stabilisiert sowie die Anstriche an Decke und Wänden mit einem Bindemittel
gefestigt.
Fotos / Plan
Historische Fotos
(Quelle: Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe in Württemberg. 1932.
S.134-135):
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Blick über den Almemor zum Eingang in den
Betsaal und die
Frauenempore |
Im Mittelpunkt des Betsaales:
Toraschrein (links) und
Almemor |
Plan:
Standort der Synagoge am Rand der Altstadt (Quelle: Stadt
Weikersheim s.u.)
Fotos nach 1945/Gegenwart:
(Quelle: Hahn; Aufnahmedatum der Fotos: Juni 2003)
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Blick auf den Gebäudekomplex
Wilhelmstr. 16: vorne
ehemalige
Judenschule und Rabbinat; die
Synagoge war im Hintergebäude |
Seitenansicht der ehemaligen
Synagoge (Nordseite) |
Seitenansicht der ehemaligen
Synagoge (Südseite) |
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Gedenktafel von 1981 |
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Die bis heute erhaltene, farbig
bemalte Decke der Weikersheimer Synagoge
(Fotos: Restaurator Michael Helget, Bad Mergentheim) |
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Charakteristischer
Sternenhimmel |
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Details der
Deckenbemalung |
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Bemalung der Seitenwand |
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Gefallenendenkmale mit
den
Namen der jüdischen Gefallenen
(Fotos von Christoph Bittel) |
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Auf den
Gefallenengedenktafeln für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges ist auch
der Name von Arnold Adler zu lesen. Allerdings steht er trotz des
ihm in alphabetischer Reihenfolge zustehendem 1. Platzes erst nach Karl
Bauer. Nach dem
Zweiten Weltkrieg hat man dies in den neueren Tafeln (siehe unten)
korrigiert.
Die alten Tafeln (siehe Fotos oben) befinden sich an der
Außenseite der Südmauer des Friedhofes links vom Südeingang (an der
August-Laukhuff-Straße) |
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Die neuen
Gefallenengedenktafeln (siehe Fotos oben) mit vier Metalltafeln für
beide Weltkriege befinden sich an der Innenseite der Nordmauer des
Friedhofs links von der Aussegnungshalle. |
Links und Literatur
Links:
Family Charts -
erarbeitet von Rolf Hofmann (harburgproject)
Quellen:
Literatur:
| Paul Sauer: Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern.
1966, S. 188-191. |
| Germania Judaica II,2 S. 867. |
| H. Hermann: Zur Geschichte der Juden in Weikersheim. Vier Teile, in:
Weikersheimer Wochenspiegel September 1987. |
Meyers Konversationslexikon, Eine Encyklopädie des allgemeinen
Wissens, vierte Auflage, Leipzig, 1888-1889:
Weikersheim, Stadt im württemberg. Jagstkreis, Oberamt Mergentheim, an
der Tauber und der Linie Krailsheim-Mergentheim der Württembergischen
Staatsbahn, 234 m ü. M., hat eine evang. Kirche, eine Synagoge, ein Schloss des
Fürsten Hohenlohe-Langenburg mit schönem Rittersaal, Orgelbau,
Zinnpfeifenfabrikation und (1885) 1821 Einw. Dabei das Jagdschloss Karlsberg mit
Wildpark.
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Weikersheim Wuerttemberg. Jews were
victimized in the Rindfleisch (1298) and Armleder (1336) massacres and the
community was destroyed in the Black Death persecutions of 1348-49. Subsequently
Jewish settlement was banned for three centuries. The renewed community
developed in the 18th century and numbered 158 (total 1,871) in 1807, thereafter
declining through emigration. Most prominent in this period was the Pfeiffer
family of Court Jews serving the kings of Wuerttemberg. The first synagogue was
dedicated in 1678 and a Jewish school was opened in 1835. Jews numbered 82 in
1900 and just 16 in 1933; ten managed to emigrate.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|