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11.03.2008 / Schule

Klare Konturen für zukunftsfähiges Bildungssystem

Bildungsministerin Ahnen stellt Schulgesetznovelle vor /

Innenminister Bruch präsentiert neue Regelungen für Schulträgerschaft

„Die Weiterentwicklung des Schulsystems der Sekundarstufe I in Rheinland-Pfalz zur ,Zweigliedrigkeit mit Plus' ist auf einem guten Weg. Das zeigen die vielen Debatten, Planungen und Beschlüsse in Schulen, Kreisen, Städten und Gemeinden, die seit der Vorstellung der Leitlinien der Landesregierung im vergangenen Herbst in Gang gekommen sind. Der Entwurf des Landesgesetzes zur Änderung der Schulstruktur, der heute im Ministerrat im Grundsatz gebilligt wurde, liefert nun den rechtlichen Rahmen, um im Schulsystem die Chancengleichheit zu verbessern, klare Wege aufzuzeigen und gute Perspektiven zu sichern.“ Das betonte  Bildungsministerin Doris Ahnen auf einer Pressekonferenz heute in Mainz, auf der sie die Eckpunkte des Gesetzentwurfs öffentlich vorstellte. Der Gesetzentwurf geht nun zur Anhörung an die kommunalen Spitzenverbände und Kirchen, an Personalräte, Eltern- und Schülervertretungen, Gewerkschaften und Lehrerverbände sowie weitere gesellschaftliche Institutionen, bevor das Gesetz dann nach Auswertung der Anhörungsergebnisse vom Kabinett beschlossen und voraussichtlich im Sommer an den Landtag weitergeleitet wird. Da die Schulstrukturreform eng mit der Kommunal- und Verwaltungsreform verbunden ist, nahm Innenminister Karl Peter Bruch zur künftigen Schulträgerschaft Stellung.

„Die Gesetzesnovelle setzt die im Oktober 2007 vorgestellten Leitlinien der Landesregierung zur Schulstrukturentwicklung um. Ziel ist, die einzelnen Bildungsangebote weiter zu profilieren, das Schulsystem sowohl im Grundschulbereich als auch bei den weiterführenden Schulen demografiefest zu machen und auf Dauer verschiedene Bildungsabschlüsse in zumutbarer Entfernung zum Wohnort von Schülerinnen und Schülern anzubieten“, sagte Doris Ahnen. Neben Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen entstehe mit der neuen Schulart „Realschule plus“ ein Bildungsangebot, das die individuelle Förderung verstärke, leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler besser unterstütze und zusätzliche Aufstiegschancen eröffne. Die vorgesehenen gesetzlichen und sonstigen Rahmenbedingungen zeigten, dass damit auch ein qualitativer Fortschritt für das Bildungsangebot insgesamt verbunden sei.

Rechtlicher Rahmen der Realschule plus

  • Im Schulgesetz verankert wird die neue Schulart „Realschule plus“ in den Schulformen der Integrativen Realschule und der Kooperativen Realschule. Errichtungen dieser Schulart sollen ab dem Schuljahr 2009/2010 möglich sein. Ab diesem Zeitpunkt werden die bestehenden Regionalen Schulen und die Dualen Oberschulen als Integrative Realschulen beziehungsweise Kooperative Realschulen geführt. Ab dem Schuljahr 2013/2014 wird verbindlich statt der bisherigen Haupt- und Realschulen die Realschule plus eingeführt.
  • Kooperative und Integrative Realschulen unterrichten in den Klassen 5 und 6 ihre Schülerinnen und Schüler in einer gemeinsamen Orientierungsstufe. Das ist auch ein Beitrag zu längerem gemeinsamen Lernen. Die Kooperative Realschule bildet danach ab der Klassenstufe 7 abschlussbezogene Klassen, während die Integrative Realschule ihre Schülerinnen und Schüler zumindest in der Klassenstufe 7 – nach Möglichkeit jedoch auch in den Klassenstufen 8 und 9 – weiter im Klassenverband unterrichtet und in bestimmten Fächern nach unterschiedlichen Lernniveaus differenziert. Beide Schulformen führen zu den bundesweit vereinbarten Schulabschlüssen „Abschluss der Berufsreife“ (nach dem 9. Schuljahr) und zum qualifizierten Sekundarabschluss I (nach dem 10. Schuljahr).
  • Für die verbindliche gemeinsame Orientierungsstufe an neuen Realschulen plus wird der Klassenteiler auf maximal 25 Schülerinnen und Schüler pro Klasse abgesenkt, um die pädagogischen Voraussetzungen zur Förderung zu verbessern. Diese Messzahl gilt im Übrigen auch für schulartübergreifende Orientierungsstufen unter Einschluss von Gymnasien.
  • Verankert wird das Projekt „Keiner ohne Abschluss“, das an ausgewählten Schulstandorten Schülerinnen und Schülern, die die Berufsreife nach neun Schuljahren nicht erreicht haben, in Form eines 10. Schuljahres eine zusätzliche Chance auf diesen Abschluss verschaffen soll.  Dabei soll erprobt werden, ob Schülerinnen und Schüler in ihrer gewohnten schulischen und sozialen Umgebung ihre Defizite besser aufholen können.
  • Für die Realschulen plus gibt es keine festgelegten Schulbezirke (wie bei den bisherigen Hauptschulen), trotzdem werden bei der Schülerbeförderung die bisher für die Hauptschulen und Regionalen Schulen geltenden Regelungen übernommen. Das heißt: Für Fahrten zur nächstgelegenen Realschule plus wird gesetzlich kein Eigenanteil der Schülerinnen und Schüler vorgesehen.
  • Festgeschrieben wird zudem als neue berufsbildende Schulform die Fachoberschule (FOS), die organisatorisch an eine Realschule plus angebunden wird. Sie führt in einem zweijährigen Vollzeitunterricht unter Einschluss eines einschlägigen gelenkten Praktikums zur Fachhochschulreife. Die Errichtung einer FOS ist frühestens zum Schuljahr 2011/2012 möglich, wenn an den neuen Realschulen plus erstmals die gemeinsame Orientierungsstufe durchlaufen ist. Die Arbeit an der inhaltlichen und organisatorischen Konzeption der Fachoberschule ist bereits angelaufen. Selbstverständlich stehen auch in Zukunft nach der 10. Klasse wie bisher alle weiteren Ausbildungswege offen: die Berufsausbildung im dualen System, der Besuch der gymnasialen Oberstufe und der beruflichen Gymnasien sowie die hochqualifizierten vollzeitschulischen Angebote der berufsbildenden Schulen.
     

Personelle Rahmenbedingungen für die Realschule plus

  • Für die notwendigen Ressourcen zur Umsetzung der Schulstrukturreform wird in den kommenden Haushalten Vorsorge getroffen. So werden für die Aufbauphase jeweils 180 bis 190 Planstellen pro Jahr zusätzlich vorgesehen. Die Personalzuweisung für die Realschulen plus soll sich an den bisherigen Modellen für Schulen mit zwei Bildungsgängen orientieren. Der Ausbau der individuellen Förderung wird durch erhöhte Stundenzuweisungen abgesichert.  
  • Die Leitungsmitglieder einer Realschule plus können sowohl aus bisherigen Hauptschulen als auch aus Realschulen oder Regionalen Schulen kommen. Die Besoldung entspricht künftig einheitlich der Besoldung von Realschulleitungen. Zur Unterstützung neuer schulischer Angebote und zur Stärkung der Schulleitungen wird für jede Realschule plus eine zusätzliche Funktionsstelle für die pädagogische Koordination eingeführt, jede Realschule plus mit einer Fachoberschule erhält künftig zusätzlich eine FOS-Koordinatorenstelle.

Integrierte Gesamtschule (IGS) wird gleichberechtigte Schulart

  • Neu gefasst werden die Errichtungsvoraussetzungen für die Integrierte Gesamtschule (IGS).  Bislang konnte eine IGS nur dort errichtet werden, wo gleichzeitig ein Angebot an Schulen des gegliederten Schulsystems gegeben war. Diese Bedingung entfällt künftig.

Schulträgerschaft wird Reform und demografischem Wandel angepasst  
„Um auch auf Dauer demografiefeste Strukturen im Schulbereich zu sichern und zugleich die Verantwortung für die Schulentwicklungsplanung mit der Zuständigkeit für die Schulträgerschaft in Übereinstimmung zu bringen, werden Veränderungen an den Regelungen für die Schulträgerschaft unvermeidlich“, hielt Innenminister Karl Peter Bruch fest. Der Regierungsentwurf sehe daher vor, dass sich alle weiterführenden Schulen künftig grundsätzlich in der Trägerschaft von Landkreisen und kreisfreien Städten befinden sollten. Nur unter bestimmten Voraussetzungen – wenn ein Schulentwicklungsplan vorliege, wenn Einvernehmen zwischen dem Landkreis einerseits und der Verbandsgemeinde, verbandsfreien Gemeinde oder großen kreisangehörigen Stadt andererseits herrsche und die Schulbehörde zustimme, solle davon abgewichen werden können. In diesen Fällen könne beantragt werden, eine Realschule plus, deren Vorgängerschulen in der Trägerschaft von Verbandsgemeinden, verbandsfreien Gemeinden oder großen kreisangehörigen Städten waren, auf die jeweilige Kommune zurück zu übertragen. Als Trägerinnen von Grundschulen kämen künftig nur noch Verbandsgemeinden, verbandsfreie Gemeinden, große kreisangehörige Städte und kreisfreie Städte in Frage. Die Option, Grundschulen in einer Trägerschaft von Ortsgemeinden zu belassen, solle gestrichen werden, hielt Innenminister Bruch fest.

Pädagogische Schwerpunkte der Realschule plus
Die Vorbereitung auf die Wirtschafts- und Arbeitswelt, die beruflichen Orientierungsmaßnahmen, der Berufswahlunterricht und die Wahlpflichtbereiche seien zentrale inhaltliche Angebote der Realschulen plus, so die Ministerin. Wesentliche Elemente des Faches Arbeitslehre (aus den bisherigen Hauptschulen), der Konzeptionen für die Wahlpflichtbereiche (aus den Regionalen Schulen und aus den Realschulen) sowie des Faches Praxis in der Schule (aus den Dualen Oberschulen) würden im Zusammenwirken mit den Fachberaterinnen und Fachberatern der betroffenen Schularten noch in diesem Jahr zu einem neuen System von Pflicht- und Wahlelementen zusammengeführt. Selbstverständlich werde die Schulsozialarbeit, die es bislang landesweit an 128 Standorten von Schulen der Sekundarstufe I gebe, auch in künftigen Verbünden unter dem Dach der Realschule plus weitergeführt. „Bei der Stundenzuweisung werden wir sowohl die Pflichtstundenzahl berücksichtigen als auch die individuelle Förderung. Und wir werden zusätzliche Ressourcen für eine gezielte Zuweisung für schulbezogene Förderkonzepte vorsehen“, versicherte Doris Ahnen. Bestandteile solcher Förderkonzepte könnten beispielsweise die Unterstützung von Schülerinnen und Schülern sein, deren Versetzung oder deren Schulabschluss gefährdet sei, aber auch fachbezogene Förderangebote für Schülerinnen und Schüler mit besonderen Lernproblemen oder Hilfestellungen beim Aufstieg in einen höheren Bildungsgang. „Weitestgehend abgesteckt ist zudem der Rahmen für das Projekt ,Keiner ohne Abschluss´“, berichtete Doris Ahnen weiter. Dieses Projekt solle an ausgewählten Standorten zeigen, ob und in welchem Umfang mit dem Angebot eines speziellen 10. Schuljahres für Schülerinnen und Schüler, die nach neun Jahren noch nicht die Berufsreife als Schulabschluss geschafft hatten, der Anteil der Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne Abschluss gesenkt werden kann. An den Projektschulen solle das neue Angebot mit einem verpflichtenden Ganztagsschulangebot, einer Klassenstärke von maximal 16 Schülerinnen und Schülern, mit einem wöchentlichen Praxistag sowie mit einer intensiven Kooperation mit benachbarten Berufsbildenden Schulen verknüpft werden. „Es wird sich inhaltlich und von der pädagogischen Konzeption her insgesamt stark an dem Modell der Arbeitsweltklassen orientieren, die es bereits an 41 Hauptschulen landesweit gibt“, betonte die Bildungsministerin.

Gesamtpaket für zukunftsfähige Bildung
Um die Zukunftsfähigkeit des Bildungssystems insgesamt zu stärken, enthalte der Gesetzentwurf auch Neuregelungen, die über die reine Umsetzung der künftigen „Zweigliedrigkeit mit Plus“ hinausgingen, hielt Doris Ahnen abschließend fest. So würden im Schulgesetz neue, weitergehende Regelungen zur Sicherung kleiner Grundschulen ebenso festgeschrieben wie die Ausweitung der Mitwirkungsrechte der Landeselternvertretung durch die Einbindung bei Regelungen für die Qualitätsentwicklung von Schulen oder die gesetzliche Verankerung der Agentur für Qualitätssicherung, Evaluation und Selbstständigkeit von Schulen (AQS) als eigenständiger Teil der Schulbehörde. Noch Eingang finden solle zudem die von allen Fraktionen im Landtag unterstützte Erweiterung der Vertretungsrechte der Landesschülervertretung (LSV) auf alle Schularten.

„Mit diesem Gesamtpaket wird das Schulsystem in Rheinland-Pfalz auf der rechtlichen Ebene fit für die Zukunft gemacht“, zeigte sich Bildungsministerin Ahnen sicher. „Als hochentwickeltes Industrieland brauchen wir in Zukunft mehr hochqualifizierte Fachkräfte. Wir wollen jetzt Vorsorge treffen, um auch in Zukunft den Fachkräftebedarf decken zu können. Deshalb ist es mir besonders wichtig, dass wir allen Schülerinnen und Schülern einen Abschluss vermitteln und mehr junge Menschen zur Fachhochschulreife sowie zur allgemeinen Hochschulreife führen. Auch das wollen wir mit dieser Schulstrukturreform erreichen. Schon in den vergangenen Monaten hat sich gezeigt, dass es auf Seiten der Schulträger, in den Schulen selbst, aber auch bei den Lehrerverbänden und Lehrergewerkschaften eine große Bereitschaft gibt, an der Weiterentwicklung des Schulsystems mitzuwirken. Ich hoffe sehr, dass sich dies auch in der kommenden Anhörungsphase fortsetzen wird. Dann wird die Schulstrukturreform gelingen und gewinnen werden dabei vor allem die Schülerinnen und Schüler im Land.“


Der Originaltext des Gesetzentwurfs zur Änderung der Schulstruktur sowie weitere Informationen zu dem Thema sind im Internet zu finden unter: www.schulstrukturentwicklung.rlp.de/Aktuelles  

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