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Auerbach
(Kreis Bergstraße)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Auerbach bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1937. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts
zurück. Bereits im 17. Jahrhundert ließen sich die ersten Juden am Ort nieder:
1628 werden sie erstmals erwähnt. 1684 wird namentlich Aaron zu
Auerbach als Viehhändler genannt. 1770 lebten fünf jüdische Familien
in Auerbach.
In der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm die Zahl der jüdischen Einwohner ständig zu (1829-1830: 79 Personen).
Die meisten Familien lebten damals vom Viehhandel, einer hatte eine Metzgerei.
Die höchste Zahl jüdischer Einwohner wurde 1861 mit 120 Personen
erreicht (8 % der Gesamtbevölkerung). Danach ging die Zahl der jüdischen
Einwohner durch Aus- und Abwanderung langsam zurück (1905 50
Personen von insgesamt 2.071 Einwohnern).
An Einrichtungen waren vorhanden: eine Synagoge (s.u.), eine jüdische
Schule (bis 1874 Elementarschule, danach Religionsschule (zur Geschichte der
Schule siehe unten bei Berichte) und ein rituelles Bad. Die Toten der
Gemeinde wurden auf dem
jüdischen Friedhof in Alsbach beigesetzt.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der
zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (siehe Berichte unten). Die jüdische Gemeinde gehörte zum orthodoxen
Bezirksrabbinat Darmstadt II.
Zu
Beginn des Ersten Weltkrieges hatte die Gemeinde noch 41 Mitglieder.
Sieben der Männer zogen als Soldaten in den Krieg, Sally Rothschild kehrte
nicht zurück (geb. 26.4.1884 in Auerbach, vermisst seit 21.5.1915).
Um 1910 bestanden an jüdischen Gewerbebetrieben und
Handlungen (mit damaliger Anschrift): Immobilienagentur Zodik Hahn (Bachgasse
11), Altmetall- und Lumpenhandlung Moses Rothschild (Bachgasse 8), Zigarren- und
Tabakhandlung sowie Manufakturwaren Rosa Bendheim (Bachgasse 24),
Damenschneiderinnen/ Näherinnen
Geschwister Hahn (Bachgasse 47), Metzgerei Moses Hahn (Bachgasse 47),
Immobilien-Agentur sowie Vieh- und Landesproduktenmakler Moses Bendheim
(Heidelberger Str. 2), Frucht- und Fouragehandlung Jonas Bendheim (Bachgasse
17), dass. von Simon Hahn (Bachgasse 40), Viehhandlungen Moses Rothschild
(Bachgasse 8), Jonas Bendheim (Bachgasse 17), Heyum Bendheim (Bachgasse 27),
Simon Hahn (Bachgasse 40), Kolonialwaren Moses Rothschild (Bachgasse 8).
Um 1925, als noch 45 Personen zur jüdischen Gemeinde gehörten, waren
Mitglieder des Gemeindevorstandes Berthold Frank und Moses Hahn. Die jüdischen Kinder
erhielten Religionsunterricht durch Lehrer Heinrich Müller in Bensheim. 1932
ist als einziger Gemeindevorsteher Moses Hahn eingetragen. Letzter
Gemeindevorsteher war nach 1933 wiederum Berthold Frank.
Nach 1933 ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder (1933: 31 Personen) auf Grund der zunehmenden Entrechtung,
des wirtschaftlichen Boykotts und anderer
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Auf Grund des starken
Rückgangs der jüdischen Einwohner wurde die Gemeinde 1937 aufgelöst. Die hier
noch lebenden jüdischen Einwohner wurden der Gemeinde in Bensheim
zugeteilt.
Von den in Auerbach geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Elsa
Goudsmit geb. Hahn (1894), Ida Haas geb. Hahn (1887), Augusta Hahn (1888), Elias
Hahn (1864), Emmy Hahn geb. Mayer (1905), Ella Hahn (1886), Erna Hahn (1925),
Hermann Hahn (1888 oder 1889), Max Hahn (1890), Walter Simon Hahn (1933), Arthur
Israel (1903), Bella Israel geb. Hahn (1902), Renate Israel (1932), Albert
Weinmann (1890), Frieda Zodick geb. Hahn (1889).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Schule und der Lehrer
Als die jüdische Gemeinde in der Mitte des 19. Jahrhunderts ihre Blütezeit
erlebt, war Lehrer und Vorbeter der Gemeinde Abraham Koschland. In den
1850-Jahren unterrichtete er an der damaligen jüdischen Elementarschule 35 Kinder (bei insgesamt etwa 120 jüdischen
Gemeindegliedern). Abraham Koschland war 1801 in Ichenhausen
geboren, lernte in Hürben, Ansbach und an
der Jeschiwa in Fürth sowie am Seminar in Bensheim und
unterrichtete von 1833 an zusammen 45 Jahre die jüdischen Kinder in Auerbach.
Aus dieser Zeit liest man in den überregionalen jüdischen Zeitschriften nur
einmal im Jahr 1859 von ihm. Damals erhielt er eine Gehaltserhöhung, wofür die
jüdische Gemeinde in der Darmstädter Zeitung gelobt wurde:
Artikel
in der "Allgemeinen
Zeitung des Judentums" vom 7. Februar 1859: "Worms, im Januar (1859). Ein
Christ rühmt in der Darmstädter Zeitung das Benehmen der jüdischen
Landgemeinde zu Auerbach (in Hessen-Darmstadt), welche ihrem Lehrer Abraham
Koschland 100 Florin (= Gulden) jährliche Zulage bewilligten." |
Seit 1867 stand Koschland in der Person des
Lehrers Abraham Weinmann ein Schulgehilfe zur Seite. Diese Stelle
war 1866 ausgeschrieben worden; damals besuchten die Elementarschule bereits nur
noch 15 Kinder:
Anzeige
in der Zeitschrift "Israelit" vom 14. November 1866: "An
der nur 15 Schüler zählenden israelitischen Religions- und
Elementarschule dahier wird zum alsbaldigen Eintritt ein Schulgehilfe
gesucht. Nähere Auskunft hierüber erteilt der Unterzeichnete.
Auerbach a.d. Bergstraße, im Oktober 1866. A. Koschland, Lehrer
daselbst." |
Nach der Pensionierung Koschlands zum Ende des
Schuljahres 1874/75 wurde die jüdische Elementarschule in Auerbach
geschlossen; die jüdischen Kinder besuchten seitdem die allgemeine Ortsschule.
Die Stelle eines Religionslehrers für die nur noch vier schulpflichtigen
jüdischen Kinder wurde im Februar 1875 ausgeschrieben:
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Februar 1875:
"Gesucht per 1. April diesen Jahres für unsere Gemeinde einen
Religionslehrer (der aus nur vier Kindern bestehenden Schule), der
zugleich Kantor nebst Schächterdienst versehen kann.
Fixer Gehalt Reichsmark 700, Nebeneinkommen inklusive Logis mindestens
Reichsmark 300. um Ausfüllen seiner Freizeit stehen richtig bezahlte
Privatstunden zu Gebote. Qualifizierte Bewerber wollen sich unter
Anschluss ihrer Zeugnisse franco an uns wenden.
Auerbach a.d. Bergstraße. Der Vorstand der israelitischen Gemeinde." |
Auf die Ausschreibung hin bewarb sich der bisherige
Schulgehilfe Abraham Weinmann, der von 1875 bis zu seinem überraschenden Tod
1892 als Religionslehrer, Kantor und Schochet in Auerbach tätig war.
1878 starb Lehrer Abraham Koschland. Zu seinem Tod erschien nachstehender
Bericht in der Zeitschrift "Der Israelit":
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Januar 1878: "Auerbach
an der Bergstraße. Ein schwerer Verlust hat unsere Gemeinde, ja
unsere ganze Gegend getroffen. Am 28. Kislew (= 5. Dezember 1877)
starb dahier unser Gemeindemitglied Abraham Koschland im Alter von
70 Jahren. Derselbe war in Ichenhausen (Bayern) geboren, widmete sich von
frühester Jugend an dem Torastudium und lernte zu Hürben, Ansbach und
auf der Jeschiwa zu Fürth. 45 Jahre war er Lehrer am hiesigen Platze, 45
Jahre war er tätig in Tora und Awoda (Gottesdienst). Hunderte von
Männern verdanken ihm einen großen Teil ihrer Kenntnisse. Seine Liebe zu
seinem Berufe, seine große Kenntnis in unserer heiligen Tora, sein
liebevolles Wesen gegen Jedermann, besonders gegen seine Kollegen, die an
ihm einen treuen Freund, einen weisen Ratgeber verlieren, verschafften ihm
hohes Ansehen und Achtung in der ganzen Gemeinde und Umgegend. Die
Beerdigung fand Donnerstag, am 1., Rosch Chodesch Tewet (= 7.
Dezember 1877) statt. Die Beteiligung an derselben war eine sehr große, nicht
allein Seitens der jüdischen Einwohner der ganzen Umgegend, auch die
angesehensten christlichen Bürger gaben ihm das letzte Geleite.
Möge der Allgütige die trauernde Familie trösten und ihr seinen Schutz
und Beistand nicht versagen. An dem Dahingeschiedenen möge sich das Wort
unserer heiligen Schrift erfüllen (hebräisch und deutsch aus Jesaja
58,8): "Deine Frömmigkeit wird vor Dir hergehen und die Herrlichkeit
Gottes Dich aufnehmen. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens. A.W. (= Abraham Weinmann)." |
1881, drei Jahre nach dem Tod Abraham Koschland
starb auch seine Frau:
Artikel
in der Zeitschrift
"Der Israelit" vom 3. August 1881: "Auerbach an der
hessischen Bergstraße. Gestatten Sie mir, geehrter Herr Redakteur, dass ich,
wenn auch ziemlich spät, einer heiligen Pflicht nachkomme, einer jüngst
verstorbenen, edlen Frau in diesen vielgelesenen Blättern ein kleines
Ehrendenkmal zu setzen. Frau Lehrer Koschland, eine Eschet Chajal ("tüchtige
Frau") in wahrster Bedeutung, hat nach langem Leiden ihre Laufbahn
vollendet und in unserer Gemeinde leider eine neue Lücke hervorgebracht. In
kurzem Zeitraume haben uns auf Gottes Ruf fromme, edle Menschen verlassen. In
kaum Jahresfrist sind Frau Baruch Bendheim, Herr Baruch Bendheim, Frau Zadock
Bendheim und Frau Meyer Bendheim von uns geschieden, lauter edle, gute,
gottesfürchtige Menschen und schon wieder hat der Tod eine teure Mitschwester
uns entrissen. Groß ist unsere Trauer und unser Schmerz. Frau Koschland, noch
in den besten Jahren stehend und stets in Gottesfurcht lebend, war ihrem
seligen Gatten, Lehrer Koschland, der noch zur alten, guten Schule gehörte, und
ein schöner Sohn der Tora war, eine treue hingebende Gattin, die keine
größere Freude kannte, als ihm in seinem Wirken helfend zur Seite zu stehen.
Wo eine barmherzige Tat zu üben war, Frau Koschland eilte herbei, riet
und half; und wie sie selbst streng, fromm und gut, so erzog sie ihre zahlreiche
Familie im Vertrauen auf Gott zur Übung Seiner heiligen Gebote. Mannigfache
Schicksalsschläge, die sie trafen, ertrug sie in Geduld und mit hingebender
gläubiger Fassung. Wir stehen weinend an ihrem Grabe und rufen...: Halt ein, o
Gott, mit Deiner Strafe und sende uns Trost und Erbarmen. Wir schließen diese
Zeilen mit dem Wunsche, dass Koschlands Kinder diesseits und jenseits des Ozeans
eingedenk ihrer Eltern treu und fest an deren Erziehungsgrundsätzen halten und
stets nach Gottes Wort wandeln mögen. Das wird der schönste Nachruf für die
Eltern bleiben."
|
Lehrer Abraham Weinmann betrieb neben seiner
Tätigkeit als Lehrer, Vorbeter und Schochet auch eine streng koscher geführte Gastwirtschaft:
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Juni 1892:
"Auerbach an der Bergstraße. Koscher - Restauration von A.
Weinmann. Referenz erteilt Herr Rabbiner Dr. Marx in Darmstadt." |
Abraham Weinmann starb im Dezember 1891:
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Januar 1892:
"Bensheim (Bergstraße). Vor einigen Tagen brach der von hier nach
Auerbach zurückkehrende Lehrer Weinmann in einer Wirtschaft plötzlich
zusammen und war eine Leiche. Derselbe war in der ganzen Umgegend als ein
sehr bescheidener und leutseliger Mann bekannt und von den Juden besonders
als ein sehr religiöser Mann geschätzt. Er gehörte zu den ersten
Schülern des Würzburger jüdischen Seminars und amtierte fast 25 Jahre
in Auerbach als Kantor, Lehrer und Schochet. Vielen Touristen und solchen
die längere Zeit in gesunder Luft sich aufhalten wollten, ermöglichte er
es, dass sie Koscher-Kost erhalten konnten. Seine Seele sei eingebunden
in den Bund des Lebens." |
Nach dem Tod Weinmanns wurde die Stelle des
Religionslehrers, Vorsängers und Schächters neu ausgeschrieben:
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Februar 1892:
"Die israelitische Religionsschule-, Vorsänger- und Schächterstelle
in Auerbach, Kreis Bensheim, ist sofort zu besetzen. Das Einkommen
beträgt 600 Mark Gehalt, etwa 250 Mark Gefällen und freie Wohnung.
Ledige Schulkandidaten belieben ihre mit Zeugnis-Abschriften versehene
Meldung an den Vorstand Jonas Bendheim einzusenden." |
Weitere Meldungen aus der Geschichte der jüdischen
Gemeinde
Wahlerfolg (oder besser: Wahlschlappe) der Antisemiten (1892)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. April 1892:
"Der von Stöcker empfohlene Kandidat der Antisemiten, Herr Dr. Paul
Förster, hat es im Wahlkreise Reichenbach - Auerbach auf ganze 2.300
Stimmen gebracht. Abgegeben wurden ca. 22.600 Stimmen." |
Antijüdische Beschlüsse des Gemeinderates (1935)
Meldung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Juni 1935:
"Darmstadt. Der Gemeinderat von Auerbach a.d. Bergstraße hat
(ähnlich wie vor kurzem der Gemeinderat von Nidda) beschlossen, nur noch
diejenigen Handwerker, Fuhrleute und Geschäftsleute mit Arbeiten und
Lieferungen für die Gemeinde zu berücksichtigen, die der
Bürgermeisterei gegenüber eine eidesstattliche Erklärung abgeben, dass
sie und ihre Familienangehörigen mit Juden und Nichtariern keine
Geschäfte tätigen." |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Dokument zu dem langjährigen Gemeindevorsteher Nathan
Bendheim (gest. 1875)
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller,
Kirchheim/Ries)
Umschlag
eines Briefes an Nathan Bendheim in Auerbach, versandt zwischen 1860 und
1866. Absender war Dr. E. Jaup in Darmstadt (möglicherweise
Verwandtschaft zu Heinrich Karl Jaup, vgl. Wikipedia-Artikel
über Heinrich Karl Jaup).
Nach der Dokumentation des jüdischen Friedhofes
in Alsbach (nach der Publikation "Erinnerungen an die Juden in
Auerbach" s. Lit., S. 102) wurde Nathan Bendheim nach seinem Tod 1875
dort beigesetzt. In einem Nachruf auf ihn hieß es: "Durch Handel und
Wandel nach Art und Methode seiner Glaubensgenossen, besonders auch durch
ansehnliche Lieferungen in den Kriegen 1866 und 1870 hatte er sich ein
sehr bedeutendes Vermögen errungen und gehörte zu den hiesigen und
Bergsträßer Finanzgrößen" ("Erinnerungen..." s. Lit. S.
55). Der evangelische Ortspfarrer schrieb zu seiner Beisetzung in die
Ortschronik: "Am 23. März dieses Jahres (1875) starb der
langjährige Vorsteher der israelitischen Gemeinde: Herr Nathan Bendheim.
Er war ein Mann mit viel Lebensart und ein sehr zärtlicher Vater gegen
seine vielen wohlerzogenen Töchter... Als man ihn beerdigte, hatte sich
ein großes Leichen-Gefolge an seinem Hause versammelt und auch der
Schreiber dieses Blattes hat den Verstorbenen auf seinem letzten Wege nach
dem Bickenbacher Judenfriedhof bis an Auerbach's letztem Haus begleitet.
Während seiner schmerzvollen Krankheit (er litt an Leberleiden), habe ich
ihn auch besucht, da ich fast 25 Jahre lang in freundschaftlichem Verkehr
mit ihm gestanden und ihm in früheren Jahren, wo er noch große Ökonomie
betrieb, oftmals den Ertrag der Pfarrwiese auf der Bahnweide verkauft
habe, wobei er immer sehr anständig verfahren war. Einige Tage vor seinem
Ende sagte er zu mir mit einem dankbaren Händedruck: 'Herr Pfarrer, Sie
haben Israel immer geschätzt und geliebt.' Und das tue ich natürlich
auch heute noch; denn 'das Heil kam von den Juden'." (Quelle: Auszug
aus der Chronik des evangelischen Dorfpfarrers in: "Erinnerungen an
die Juden in Auerbach" s. Lit., S.
33). |
Kennkarte
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgende Kennkarte ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarte
von
Emilie Fuld geb. Rothschild |
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Emilie Fuld geb.
Rothschild ist am 15. September 1882 in Auerbach geboren. Sie lebte
später in Schaafheim, wo sie mit
dem Viehhändler Leopold Fuld II (geb. 24. Oktober 1872 in Schaafheim)
verheiratet war. Die beiden hatten zwei Kinder (Julius (geb. 1910),
Siegfried (geb. 1917). Leopold Fuld starb am 4. Dezember 1938 im KZ
Buchenwald. Die Söhne Julius und Siegfried konnten in die USA emigrieren.
Emilie Fuld lebte noch 1940 in Schaafheim, konnte jedoch noch im Januar
1941 zu ihren Söhnen in die USA emigrieren. |
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Zur Geschichte der Synagoge
In den ersten Jahrzehnten
ihrer Niederlassung in Auerbach besuchten die jüdischen Familien in Auerbach
die Gottesdienste im benachbarten Bensheim.
Auch die in Schwanheim (heute gleichfalls Stadtteil von Bensheim) lebenden Juden
kamen nach Bensheim. 1756 schlossen die Bensheimer mit den Auerbacher und
Schwanheimer Juden einen Vertrag über die Mitbenutzung ihres Gotteshauses (in
den Akten "Schulbündnis" genannt). Dabei wurden insbesondere die
finanziellen Fragen geregelt (Bezahlung des Vorsängers, Instandhaltung des Gebäudes
usw.). Für die Benutzung der Synagoge war die Bensheimer Gemeinde gegenüber
der kurmainzischen Herrschaft zahlungspflichtig.
1779 erbauten die Auerbacher Juden ihre eigene Synagoge. Dadurch geriet
die Bensheimer Gemeinde freilich in Zahlungsschwierigkeiten gegenüber der
Mainzer Behörde. Es kam am Karfreitag 1780 zum Streit zwischen den Bensheimer
und den Auerbacher Juden. In einem Bericht vom 8. Mai 1780 schilderte der
zuständige Mainzer Hofrat die Angelegenheit: "Ganz neuerlich fiel es den
Auerbacher Juden ein, sich eine eigene Schule (= Synagoge) zu Auerbach
anzulegen, und dadurch die darmstädtischen Juden der Bensheimer Synagoge
abzubekommen. Die Bensheimer Juden beschwerten sich nun darüber und sagen: zu
einer Judenschul gehörten doch wenigstens 10 dreizehnjahrealte Juden männlichen
Geschlechts. Als jene Juden aus wenigen Haushaltungen bestanden, wäre ihnen der
Bensheimer Schulgang (= Besuch der Synagoge) ein Freundstück gewesen. Nun als
sie sich vermehrten, wollten sie trotzdem sich trennen. Ohne den Beitrag der 6
Kreuzer von diesen Leuten könnten sie die ständigen Ausgaben nicht
bestreiten..." Dann kommt der Hofrat auf den Ausbruch des Streites zu
sprechen: "Den verwichenen Karfreitag begaben sich die Auerbacher Juden
nach Bensheim in die Synagoge und wollten ihre Bücher mit hinwegnehmen. Jud
Salomon widersetzte sich, und es gab Lärm. Sie liefen in die Kellerei (= Sitz
des Mainzer Verwaltungsbeamten), reklamierten die Bücher und Möbel ganz ungestüm.
Der Tag war heilig, und der Keller (= Verwalter) nahm die Sache nach Ostern vor.
Er bestrafte den Tumult von Karfreitag und ließ die Bücher... samt Effekten
bis auf weiteren hohen Regierungsbefehl in die Kellerei bringen". Wie der
Streit vollends gelöst wurde, ist nicht bekannt, zumal die Akten der hessischen
Landjudenschaft beim Brand Darmstadts im Jahr 1945 vernichtet wurden. Zum Bau
der Synagoge in Auerbach ist schon vermutet worden, dass der wohlhabende
Auerbacher Jude Lössmann ein Grundstück zur Verfügung stellte und den Bau
finanziert.
Die Auerbacher Synagoge war anderthalb Jahrhunderte Mittelpunkt des jüdischen
Gemeindelebens am Ort. 1874 und 1911 wurde das Gebäude renoviert.
In der Zeit des Ersten Weltkrieges, als ein großer Teil der jüdischen Männer
aus Auerbach (und dem benachbarten Zwingenberg)
in den Krieg gezogen waren, tat man sich mit der jüdischen Gemeinde in
Zwingenberg zusammen und besuchte den dortigen Gottesdienst. Dabei blieb es bis
in die 1930er-Jahre, zumal an beiden Orten die Zahl der jüdischen
Gemeindeglieder weiter zurücknahm. Ein letzter Gottesdienst in der Synagoge in
Auerbach war 1932 die Trauung von Bella Hahn.
Nach 1933 gab es Gerüchte am Ort, dass die Ortsgruppenleitung der NSDAP
plane, die Synagoge in einen Schweinestall zu verwandeln. Einem Schweinehändler
im Nachbarort sei das Gebäude zur Nutzung angeboten worden. Berthold Frank, der
letzte Vorsteher der jüdischen Gemeinde in Auerbach, kam der Ausführung dieses
Planes zuvor. Er verkaufte die Synagoge mit dem dazugehörigen Wohnhaus 1934
an den Inhaber einer Landmaschinen-Reparaturwerkstatt (namens Goebel), der das
Synagogengebäude entsprechend nutzte. Obwohl beim Novemberpogrom 1938
die ehemalige Synagoge schon vier Jahre im Besitz dieses nichtjüdischen Mannes
war, wollten Nationalsozialisten das Gebäude am 10. November 1938 in Brand
setzen. Herr Goebel überraschte die drei Männer, die mit Fackeln in der Hand
das Tor zum ehemaligen Synagogengebäude übersteigen wollten und konnte auf
diese Weise eine Inbrandsetzung verhindern.
Bis 1972 wurde die ehemalige Synagoge als Werkstatt weitergeführt. In
diesem Jahr kaufte die Stadt Bensheim das Grundstück mit den Gebäuden, um
diese im Zusammenhang mit der Bachgassensanierung abzubrechen. Das Gebäude der 1874
erbauten jüdischen Schule, in der sich auch die Lehrerwohnung und das
rituelle Bad befanden, wurde als erstes abgebrochen. Erst danach fiel die
ehemalige Synagoge als erhaltenswertes Gebäude auf. Es wurde 1979 bis 1981
äußerlich renoviert; der Vorplatz hergerichtet. Zu Beginn der
Renovierungsarbeiten zeigte sich das folgende Bild (aus dem 'Arbeitsbericht' in
"Erinnerungen an die Auerbacher Juden" S. 21f):
"Die wesentlichen Bauteile der ehemaligen Synagoge sind erhalte: der Rohbau
einschließlich des Dachstuhles mit dem Muldengewölbe und den Holzgesimsen am
Dachansatz, die Empore mit dem profilierten Randbalken, die Treppe zur Empore,
ein großer Teil der Fenstergesimse, die Toranische. Außerdem hatte der in der
Zwischenzeit eingeschaltete Restaurator, Peter Pracher aus Würzburg, drei
verschiedene Schichten von Bemalung im Synagogenraum festgestellt: unter der
obersten, grauen Bemalung fand sich eine Schicht, die in der Decke aus einem
blauen Grund mit schablonierten gelben Sternen besteht, dazu gehört ein grauer
Anstrich des Holzgesimses, darunter ein schablonierter Fries mit einem
Eulenmuster, die Wand ist in gebrochenem Weiß gehalten. Als dritte Schicht ließ
sich unter der Decke ein weiterer hellblauer Anstrich, an der Wand ein
weiterer gebrochen-weißer Anstrich nachweisen. Links neben der Toranische
konnten Reste einer ersten Bemalung in Form einer Säule mit Kapitell und
Girlandenwerk festgestellt werden."
Bei der Innenrenovierung 1986 wurden die vorhandenen Originalbauteile so
gut wie möglich erhalten und restauriert. Weitere Teile wurden rekonstruiert,
auch wenn nicht immer (zum Beispiel bei der Brüstung der Empore) nicht klar
war, wie sie ausgesehen hat. Bei den Renovierungsarbeiten wurden unter den
Holzbalken hinter der Empore auch Teile einer Genisa (Aufbewahrungsort nicht
mehr gebrauchter Gebetbücher und anderer Ritualien entdeckt). Die Übergabe der
renovierten ehemaligen Synagoge an den Synagogenverein erfolgte am Sonntag, 26.
Oktober 1986. Der "Auerbacher Synagogenverein" ist seitdem
verantwortlich für die kulturellen und religiösen Veranstaltungen in der
ehemaligen Synagoge.
Adresse/Standort der Synagoge: Bachgasse, 64625 Bensheim-Auerbach
Auerbacher
Synagogenverein - Kontaktadresse:
Auerbacher Synagogenverein,
Karlheinz
Storch, Lilienweg 6, 67551 Worms-Weinsheim
(Tel. 06241/933155). Internet
E-Mail
Fotos
(Quelle: Farbfotos Hahn Aufnahmedatum 18.6.2006;
Innenansicht aus der Website
des Auerbacher Synagogenvereines)
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Die ehemalige Synagoge nach
weitgehendem Abschluss der
Renovierungsarbeiten im August 1986 |
Außenansichten
der ehemaligen Synagoge mit Gedenktafel; an der rechten Wand
ist als
kleiner Vorbau die ehemalige Toranische erkennbar. |
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Eingangsbereich |
Links
Inschrift der Gedenktafel:
"Hüte Dich und bewahre deine Seele gut, dass du die Geschichte
nicht
vergisst, die deine Augen gesehen haben und dass sie nicht aus deinem
Herzen komme
dein Leben lang und tue sie deinen Kindern kund. 5.
Mose.
Ehemalige Synagoge erbaut um 1780. Zur Erinnerung an die jüdische
Gemeinde in Auerbach.
Renoviert von der Stadt Bensheim 1986". Rechts:
Innenansicht |
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Foto der ehemaligen
Synagoge
in höherer Auflösung |
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Das Foto
wurde erstellt von Michael Ohmsen (April 2011) |
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Fotos der ehemaligen
Synagoge im Juni 2021
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 16.6.2021) |
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Das
Synagogengebäude - die Ostseite
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Gedenktafel
(links) und die beiden Eingänge
(zur Frauenempore und zum Betsaal der Männer) |
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Blick auf
das Synagogengebäude mit der Hinweistafel
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Blick zum ehemaligen
Toraschrein |
Blick zur Empore vom
Bereich des Toraschreines |
Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
Februar 2016:
30 Jahre "Übergabe der Synagoge
in Auerbach"
|
Mitteilung des Synagogenvereins Auerbach:
"30-jähriges Jubiläum 'Übergabe der Synagoge in Auerbach'.
Im Rahmen des Auerbacher Bachgassenfestes 2016 laden wir alle Mitglieder,
Freunde und interessierten Bürgerinnen und Bürger ein, mit uns zu feiern..."
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Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 50-51. |
| Erinnerungen an die Juden in Auerbach. Hg. für den
Auerbacher Synagogenverein von Rolf Lesser. Bensheim-Auerbach 1986. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 119-120. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad. und: Synagogen in
Hessen - Was geschah seit 1945? Teil II S. 108. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 242-243. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 40-41. |
| Denkzeichen. Von Alsbach bis Zwingenberg. Orte von
Widerstand und Verfolgung. Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen in
Südhessen und Umgebung. Redaktion: Renate Dreesen, Initiative
'Gedenkort Güterbahnhof Darmstadt". 2005. S. 13-14. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Auerbach, Hesse. Established around
1770, the community numbered 120 (8 % of the total) in 1861 and had close ties
with the Jews of neighboring Bensheim. By 1933 it had dwindled to 49 and in 1938
the synagogue was purchased by a non-Jew. On Kristallnacht (9-10 November
1938) stormtroopers destroyed Jewish homes and property. The remaining Jews
emigrated of moved elsewhere, but eight survivors were deported in 1942. The
synagogue was restored in 1987.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|