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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Bad Wimpfen (Kreis
Heilbronn)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In der
bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts freien Reichsstadt Wimpfen waren jüdische
Personen mit einigen Unterbrechungen vom 13. bis 20. Jahrhundert wohnhaft. Zur
Bildung einer Gemeinde mit Einrichtungen kam es im 14./15. und im 19./20.
Jahrhundert (bis 1940). Bereits seit dem Mittelalter ist der Name der
Stadt in der jüdischen Welt ein Begriff. Es war der Frankfurter Kaufmann
Alexander ben Salomo genannt Süßkind Wimpfen, der 1307 die Gebeine
seines 1293 in der Haft gestorbenen Lehrers Rabbi Meir von Rothenburg auslöste
und in Worms beisetzen ließ. Süßkind, der vermutlich in Wimpfen geboren ist,
starb im Herbst 1307. Bis heute kann man sein und Rabbi Meirs Grab im jüdischen
Friedhof in Worms
besuchen. Weitere Nennungen jüdischer Personen im 14. Jahrhundert liegen
u.a. zu Frumold von Wimpfen, seiner Frau Frauelin und dem Sohn Mayer vor. Bis
zur Mitte des 14. Jahrhunderts ließen sich vereinzelt Juden aus Wimpfen auch in
Nürnberg und Speyer nieder. Ob es zur Pestzeit 1348/49 zu einer Verfolgung in
der Stadt kam, ist nicht bekannt. 1387 wird in einem Heilbronner Betbuch Judelin
von Wimpfen genannt.
Auch vom 15. bis zum 18. Jahrhundert lebten Juden in der Stadt. 1471/73
wird Jud David von Wimpfen mehrfach genannt. Im 16. Jahrhundert war der Arzt
Seligmann von Wimpfen von größerer Bedeutung (s.u.). Um 1550 wurden die Juden
oder zumindest die beiden Juden Seligmann und Johel aus Wimpfen ausgewiesen.
1563 wird Jud Seligmann genannt, der ein Haus in Wimpfen besaß. Sein Sohn Lemle
handelte mit Fellen, sein Schwiegersohn Simon mit Pferden. Lemles Söhne waren
Jacob und Alexander (an den letzteren erinnert die Bauinschrift am Haus
Schwibbogengasse 5; Ascher ha-Levi = Lemle).
Mitte des 17. Jahrhunderts bewohnten jüdische Familien fünf Häuser in der
Stadt. 1672 wurden alle Juden ausgewiesen, jedoch wurde zwei Jahre später die Rückkehr
gestattet. 1794 waren sieben jüdische Familien in der Stadt ansässig, 1804 fünf.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde beziehungsweise die jüdischen
Familien zeitweise einen eigenen Betsaal / eine Synagoge (s.u.). Vom 16. bis 18.
Jahrhundert wurden die Gottesdienste meist in Heinsheim
besucht; auch diente der Heinsheimer
Friedhof als Begräbnisplatz (am Ende des 15. Jahrhunderts wurde der Friedhof
in Neudenau benutzt). Zeitweise könnte es auch einen eigenen jüdischen
Friedhof in Wimpfen gegeben haben, worauf der nur im Volksmund bis zum 19.
Jahrhundert geläufige Flurname "Judenkirchhof" hinweist (Lage nicht
mehr bekannt). 1896 wurde ein Friedhof
in Bad Wimpfen neu angelegt. Eine jüdische Religionsschule bestand
zeitweise im Haus des Betsaals (siehe unten). Ein rituelles Bad befand sich 1831
im Haus des Jakob Baer eingerichtet; in früherer Zeit war ein rituelles Bad im
Keller des Hauses Schwibbogengasse 5 (siehe Fotos unten).
Im 19./20. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen
Einwohner wie folgt: 1829 42, 1860 32, 1885 50, um 1895 Höchstzahl mit 65
Personen, 1900 56. Die zu Beginn des 19. Jahrhunderts angenommenen Familiennamen
waren Baer, Benedict, Dreyfuß, Hirsch, Kahn und Mannheimer; durch Zuzug kamen
weitere Namen dazu.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gehörte Wimpfen als damals hessische
Stadt zum Rabbinat von Michelstadt,
später (1898) wurde die israelitische Religionsgemeinde Wimpfen dem Rabbinat
Darmstadt II (später Darmstadt I) zugeordnet.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Friedrich Kahn (geb.
26.2.1893 in Wimpfen, gef. 24.9.1914). Sein Name findet sich auf den
Bronzetafeln für die Gefallenen der Weltkriege im Alten Friedhof,
Erich-Sailer-Straße.
Die 1933 hier wohnhaften jüdischen Einwohner waren wirtschaftlich für
die Stadt nur von geringer Bedeutung. An ehemaligen, bis nach 1933 bestehenden Handelsbetrieben
sind bekannt: Viehhandlung Ludwig Adler (Neuer Weg 7), Antiquitätengeschäft
Adolf Bär (Marktrain 6), Geschäfts- und Wohnhaus Louis Kahn Erben (Hauptstraße
77), Geschäfts- und Wohnhaus Ernst Mannheimer Erben (Hauptstraße 35),
Manufakturwarenhandlung Simon Strauß (Hauptstraße 30 bis 1936, Klostergasse 3
bis 1939).
1933 wurden 22 jüdische Einwohner gezählt. Auf Grund der Folgen des
wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Repressalien und der Entrechtung
verließen mehrere von ihnen in den folgenden Jahren die Stadt. 1935 wurden jüdische
Personen von Märkten, städtischen Arbeiten und Lieferungen sowie vom Erwerb
von Haus- und Grundbesitz ausgeschlossen; die Benutzung gemeindlicher
Einrichtungen wurde ihnen untersagt. Beim Novemberpogrom 1938 wurden
mehrere jüdische Wohnungen und Geschäfte überfallen, jüdische Personen
wurden misshandelt.
Von
den in Bad Wimpfen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen
Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Adolf Bär (1854), Hedwig
Bär (1892), Karl Kahn (1884), Hedwig Maier (1898), Wilhelm Maier (1906), Eugen Mannheimer (1882), Friederike Mannheimer (1872), Arthur
Rosenthal (1890), Ludwig Rosenthal (1894), Moritz Rosenthal (1897), Meta Strauß
(1913).
Hinweis: der in einigen Listen als Opfer der Shoa aufgeführte Dr. Albert Mannheimer (1887) hat die
NS-Zeit überlebt und starb 1969 in Darmstadt. Informationen http://www.erinnerung.org/gg/haeuser/gerns13.html.
Sein Bruder, Dr. Eugen Mannheimer (1882) war in der 1930er-Jahren Oberstudienrat
an der Jüdischen Bezirksschule in Mainz. Er starb an Suizid beim Novemberpogrom
1938. Weitere Informationen in einem Beitrag von Michael Brodhaecker über
"Die
jüdischen Bezirksschulen in Mainz und Worms 'Normalität' in schwerer Zeit".
Das Foto zeigt die Gedenktafel in Bad Wimpfen am Haus Schwibbogengasse 5
(Foto: Gerhard Niedek): "Zum Gedenken an die jüdischen Familien Adler -
Bär - Kahn - Mannheimer - Ottenheimer - Strauß, die uns gute Nachbarn
und Mitbürger waren, sich in Vereinen, sozialen Einrichtungen sowie Parteien für
unser Gemeinwesen einsetzten und dennoch in den Jahren 1933 bis 1945 fliehen
mussten, deportiert oder ermordet wurden. Stadt Bad Wimpfen. Verein 'Alt
Wimpfen' e.V..
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Israelitisches
Knabenpensionat / Höhere Töchterschule
Anzeigen des "Israelitischen Knaben-Pensionates" sowie "Höhere
Töchterschule" Wimpfen am Neckar" (1887)
Anmerkung: Es ist nicht bekannt, wie lange
diese Einrichtungen nach 1887 bestanden.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Juli 1887: "Israelitisches
Knaben-Pensionat Wimpfen am Neckar.
Für auswärtige Israeliten, welche die Großherzogliche Realschule
besuchen wollen, um an derselben die Einjährigenberechtigung *) zu
erlangen, errichtet der Unterzeichnete zum Herbst dieses Jahres dahier ein
Pensionat. Streng religiöses Leben, Sabbat-Gottesdienst - auf Wunsch der
Eltern Dispensation von den schriftlichen Arbeiten am Samstag -
gewissenhafte Aufsicht, vorzügliche Pflege. Gute Referenzen. Baldige
Anmeldung erwünscht. Beginn des Wintersemesters Mitte September 1887.
Näheres durch die Prospekte.
Jakob Rosenthal, Religionslehrer an der Großherzoglichen
Realschule, zur Zeit in Kochendorf.
*) Wird nach den gesetzlichen Bestimmungen Demjenigen, der die oberste
Klasse zur Zufriedenheit des Lehrer-Kollegiums absolviert hat, ohne
besonderes Examen erteilt." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. August 1887: "Israelitisches
Knaben-Pensionat Wimpfen am Neckar. Pensionat und Höhere Töchterschule
von Frau Dr. Leverson in Hannover, Thiergartenstraße 3 und 4.
Aufnahme von Zöglingen zu jeder Zeit." |
Zu einzelnen Personen aus der
Gemeinde
Alexander ben Salomon Wimpfen (13./14. Jahrhundert)
Alexander ben Salomon Wimpfen (13./14.Jh.), Kaufmann in Frankfurt; er oder seine Familie stammten wahrscheinlich aus Wimpfen: Alexander löste 1307 den Leichnam seines von 1287 bis zu seinem Tod 1293 von König Rudolf von Habsburg gefangengehaltenen Lehrers Meir ben Baruch aus Rothenburg (größte rabbinische Autorität seiner Zeit) für ein hohes Lösegeld aus und ließ ihn in Worms beisetzen. |
Salomon von Wimpfen (1500-1577)
Salomon von Wimpfen (1500 Wimpfen – 1577 Esslingen), bekannter jüd. Arzt im 16 Jh., wirkte in der Pfalz, in Württemberg, Hohenzollern sowie den Reichsstädten Reutlingen und Hohenzollern. |
Anzeigen
Werbeanzeige für Bad Wimpfen (1921)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Juni 1921:
"Wimpfen am Neckar. Sehenswürdigkeiten I. Ranges. Solbad und
Sommerfrische.
Herrliche Lage. Gute Verpflegung. Hübsche Spazierwege in Waldungen und
Anlagen. Flußbad. Wassersport.
Auskunft erteilt der Stadtvorstand: Bürgermeister
Sailer." |
Zur Geschichte des Betsaals/der Synagoge
Wohngebiet: Im Mittelalter
gab es in Wimpfen eine "Judengasse" (1327 und 1351 genannt),
worauf sich das jüdische Wohngebiet konzentrierte, vermutlich identisch mit der
heutigen Schwibbogengasse beziehungsweise Unteren Burggasse. In ihr befanden
sich auch eine Synagoge ("Judenschule") und das "Judenhaus"
(vielleicht beides identisch), die im 14./15. Jahrhundert genannt werden
(erstmals 1327).
Ende des 16. Jahrhundert gab es zwei "Judenhäuser"; bei einem davon
handelte es sich um das Eckhaus Schwibbogengasse 5/Burgstaffel ("Judenstaffel"),
an dem eine hebräische Inschrift auf den Erbauer "Sander, Sohn des Ascher
ha-Levi" und das Jahr 1579/80 hinweist. Sander (Alexander) war von Beruf
Kaufmann und handelte u.a. mit Landesprodukten. Ob schon gegen Ende des 16.
Jahrhunderts eine Synagoge oder ein Betsaal in dem von Alexander erbauten Haus
eingerichtet war, ist unsicher, denn den Juden war nach der Judenordnung von 1626/30
untersagt, "Schul und Synagog alhie uffzurichten". Den Wimpfener Juden
war damals "wie vor alters" gestattet, am Schabbat nach Heinsheim
zu gehen.
Die Judenordnung von 1626/30 wurde 1756 und 1760 erneuert. Auf Grund der darin
festgehaltenen Bestimmungen war nach wie vor die Einrichtung einer Schule oder
Synagoge verboten, dennoch kam es im 18. Jahrhundert zu Zusammenkünften der
Juden am Schabbat in Wimpfen, zu denen sie angesichts ihrer geringen Zahl auswärtige
Juden hinzuzogen. So bat 1750 Joseph Salomon den Rat um Erlass von vier Kreuzer
Zoll für jeden der beiden über 13 Jahre alten Juden, die man am Schabbat in
Wimpfen benötige, um die "Schule allhier frequentieren zu können".
Auch 1778 musste für "Schabes Buben" Zoll entrichtet werden, 1781
wurden vier bis fünf fremde Juden für Gottesdienst und "Schulgang"
bezahlt. Die Kosten übernahm der reichere Jude David Joseph, der auch dem bei
ihm lebenden "Schulmeister" Verpflegung und Lohn gewährte.
Im 19. Jahrhundert fielen dann auch in dem seit 1805 zu Hessen gehörenden
Wimpfen die rechtlichen Einschränkungen. Die Zahl der Juden in der Stadt blieb
jedoch klein. Gottesdienste wurden (vermutlich schon längere Zeit) in dem Haus
Schwibbogengasse 5 gefeiert, das 1830 Nathan Dreyfuß gehörte. Der Betsaal
war im Erdgeschoss; im Keller befand sich ein rituelles Bad. Auch wurde den
Kindern in diesem Haus Unterricht erteilt, wozu ein "Schullocal"
eingerichtet war. Offensichtlich gab es in den 1820er Jahren einen längeren
Streit zwischen Nathan Dreyfuß und der jüdischen Gemeinde über die Benutzung
des Raumes und die im Betlokal befindlichen Kult- und Einrichtungsgegenstände.
Rabbiner Wolf Muhr von Michelstadt musste vermitteln. Vor dem Landgericht in
Wimpfen wurde am 7. Juni 1830 ein Vergleich geschlossen, in dem bestimmt wurde,
dass Nathan Dreyfuss weiterhin Eigentümer des gesamten Hauses sei und die
Judenschaft ihm jährlich sieben Gulden Miete zu zahlen hat. Dreyfuß musste
versichern, den Betsaal ordnungsgemäß zu erhalten. Ihm wurde verboten, der
Judenschaft den Raum zu kündigen. Ergänzende Abmachungen wurden 1842/43
getroffen, mit denen geregelt wurde, dass Nathan Dreyfuß die Mobilien im
Betlokal beließ und künftige Anschaffungen Eigentum aller Wimpfener Juden
seien.
Das Haus Schwibbogengasse 5 wurde 1892 an einen Nichtjuden verkauft
(Wilhelm Fackler), der sich jedoch verpflichtete, den jüdischen Gottesdienst in
seinem Haus "fernerhin und für alle Zeiten" unentgeltlich zu dulden.
Dennoch wurden seither meist nur noch an den Feiertagen Gottesdienste im Betsaal
gefeiert. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurden die Rechte
der jüdischen Familien in der Stadt im Blick auf den Betsaal streitig gemacht.
Wann der letzte Gottesdienste in dem Haus gefeiert wurde, ist nicht bekannt.
Fotos
Historische Fotos:
Historische Fotos sind nicht bekannt,
eventuelle Hinweise bitte an den
Webmaster von Alemannia Judaica: Adresse siehe Eingangsseite |
Fotos nach 1945/Gegenwart:
Fotos um 1985:
(Fotos: Hahn) |
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Das Haus des Betsaals wird
renoviert |
Inschrift für "Sander,
Sohn des Ascher ha-Levi"
von 1580 |
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Fotos 2003:
(Fotos: Hahn;
Datum der Innenaufnahmen: 5.9.2003;
Datum
der Außenaufnahmen: 11.5.2004) |
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Das Haus des Betsaals |
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Inschrift für "Sander,
Sohn des
Ascher ha-Levi" von 1580
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Im ersten Stock des Gebäudes
(bzw.
Erdgeschoss vom oberen Eingang) befand sich
einmal der Betsaal der
Gemeinde |
Seiteneingang
zum rituellen
Bad
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Wandnische beim
rituellen Bad |
Das rituelle Bad (nur
teilweise ausgegraben) |
Bis zur Gegenwart steht das ganze Jahr
Wasser im Tauchbecken |
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Das Haus des Betsaales im
November 2013
(Foto: Gerhard Niedek,
Aufnahmedatum: 11.11.2013) |
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An der Wand im Bereich des
Erdgeschosses
ist die Gedenktafel erkennbar |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Sommer 2007:
Schüler am Hohenstaufen-Gymnasium recherchieren
über jüdische Personen |
Artikel von Rudolf Landauer in der
"Heilbronner Stimme" vom 13. Juli 2007: "'Wir sprachen für manchen das
Sterbegebet'. Schüler am Hohenstaufen-Gymnasium recherchieren über jüdische Bürger
Bad Wimpfen - 'Wir sehen die Häuserfassaden in Bad Wimpfens Altstadt jetzt mit anderen
Augen', bekennen sich Marie Jenne, Tobias Bartole, Beatrice Kutterer und Elena Arpogaus. Die Schüler der Klassen 12 und 13 des Hohenstaufen-Gymnasiums haben diese Erkenntnis bei einem Projekt gewonnen, das jüdische Familien und ihre Schicksale zum Inhalt hatte.
Einmal in der Woche haben sich die Vier getroffen und sich ausgetauscht. Archive in Ludwigsburg, Heilbronn und Darmstadt suchten sie auf und arbeiteten sich durch Stapel von Akten. Zeitzeugen gibt es immer weniger. Manche wollen auch gar nicht über ihre Erlebnisse reden, stellten die jungen Leute fest. Anders Otto Maisenhälder und Walter Knell, bei denen die Schüler Unterstützung fanden. In ihrem Lehrer Bernd Wetzka haben sie einen Experten, der die Geschichte Wimpfens kennt. Bis nach Amerika reichten die Kontakte. So nahmen die Vier telefonische Verbindung zu Hannelore Marx in New York auf, die dorthin emigrierte, über ihr Leben sogar ein Buch schrieb und den Schülern gern Auskünfte gab. Berührt wird man von der
'Kleinen Dachauer Passion', die Leopold Marx über den Wimpfener Juden Simon Baer schrieb, tatsächlich hieß er Adolf Baer, die das Lagerleben Dachaus beschreibt:
'Wir sprachen für manchen das Sterbegebet, doch nur einer trug nach ihm Begehr. Von Wimpfen am Neckar - vergesset ihn nicht, wenn ihr zeugen sollt vor dem Letzten Gericht - den alten Simon
Baer.'
Tafeln dokumentieren die Schicksale von Hedwig Baer und von Simon und Lina Strauß, die in Wimpfen ein Textilgeschäft betrieben und in der Reichskristallnacht überfallen wurden. Eine besondere Beziehung besteht zu Albert Mannheimer, der die damalige Realschule besuchte und das KZ Sobibor überlebte. 1969 starb Mannheimer in Darmstadt."
Link
zum Artikel |
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April 2010:
In Bad Wimpfen werden "Stolpersteine"
verlegt
Anmerkung: es wurden "Stolpersteine" verlegt für im
Marktrain 6 Adolf Baer und seine Tochter Hedwig Baer sowie für in der Hauptstraße
35 Friederike Mannheimer und in der Schiedstraße 18 für das
(nichtjüdische) "Euthanasie"-Opfer Manfred Pfeifer. |
Artikel von Adrian Hoffmann in der
"Heilbronner Stimme" vom 28. April 2010: "Stolpersteine erinnern an NS-Opfer
Bad Wimpfen - Unter großer Anteilnahme hat der Kölner Künstler Gunter Demnig gestern in Bad Wimpfen vier Stolpersteine verlegt − zur Erinnerung an Opfer des Nationalsozialismus.
Jüdische Angehörige des 1938 nach Dachau deportierten und dort ermordeten Adolf Baer sind eigens für diese Form des Gedenkens aus den USA angereist. "Wir freuen uns sehr, dass Sie hier sind", begrüßte Bürgermeister Claus Brechter die beiden Enkelinnen Baers, Ellen Rosenfeld und Ruth K. Markus, sowie deren Kinder.
Stets ein Mahnmal. Die Stolpersteine für Adolf Baer und seine Tochter Hedwig, die 1942 in Izbica ermordet wurden,
'sollen stets ein Mahnmal sein, dass so etwas nie wieder geschehen darf', sagte Brechter. Die mit Messingplatten versehenen Steine, auf der die Lebensdaten der Opfer eingraviert sind, seien eine Erinnerung in würdiger Weise, die sowohl der Gemeinderat als auch die Wimpfener Bevölkerung mittragen. Rund 100 Menschen kamen zur Verlegung, darunter auch viele Schüler. "Der heutige Tag ist nicht nur ein Tag des Erinnerns, sondern auch der Scham, dass so etwas in unserem Land geschehen
konnte', sagte Claus Brechter weiter. Angestoßen hatte die Aktion im Rahmen einer privaten Feier Susanne Blach, die in Bad Wimpfen wohnt.
Zwiespältige Gefühle. Die Schüler der Geschichts-AG des Hohenstaufen-Gymnasiums und ihr Lehrer Bernd Wetzka hatten sich jahrelang auf die Spuren der Wimpfener Juden und ihren Familiengeschichten gemacht, wofür sich eine der Urenkelinnen im Namen der Familie Baer bedankte. Die Enkelinnen Baers sind durchaus mit zwiespältigen Gefühlen in ihre frühere Heimat aufgebrochen, aber schließlich haben sie sich von der Einladung der Gemeinde überzeugen lassen. "Es war sehr emotional", sagte Ellen Rosenfeld, nachdem Künstler Demnig die ersten Stolpersteine für ihre Tante und ihren Großvater verlegt hatte. Minutenlang stand die Familie vor den Stolpersteinen und blickte auf die Messingplatten. Schüler des Hohenstaufen-Gymnasiums hatten Rosen daneben gelegt. "Ich bin restlos begeistert", sagte Lehrer Wetzka nach der Verlegung. Er habe das Gefühl gehabt, dass die Enkelinnen Baers zum ersten Mal Abschied von ihrem Großvater nehmen konnten − nach mehr als 70 Jahren.
Neben Adolf und Hedwig Baer ist Friederike Mannheimer, die 1944 in Auschwitz ermordet wurde, und Euthanasie-Opfer Manfred Pfeifer mit der Verlegung zweier Stolpersteine gedacht worden. Zur Umsetzung beigetragen haben auch die örtlichen Kirchen und der Verein Alt-Wimpfen. Lehrer Wetzka und seine Schüler stießen durch puren Zufall auf den Hinweis, dass Angehörige Baers heute in den USA leben."
Link
zum Artikel
Vgl. auch die Artikel: am 12. September 2009 in der "Heilbronner
Stimme": "Erinnerungen, die niemand erwartet hat.
Bad Wimpfen. Geschichtslehrer Bernd Wetzka schickt Nachkommen des
Juden Adolf Baer alte Familiendokumente..."
Link
zum Artikel
am 24. April 2010 in der "Heilbronner Stimme": "Künstler
verlegt Stolpersteine in der Region..."
Link
zum Artikel |
Dazu auch Beitrag von Bernd Wetzka: An
Wimpfener Straßenrändern 13. Folge: Stolpersteine in Bad Wimpfen.
Erschienen im Mitteilungsblatt der Stadt Wimpfen Mai
2010. |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Anmerkung zu den Familienregistern der jüdischen Gemeinde
Bad Wimpfen |
In der Website des Landesarchivs
Baden-Württemberg (Hauptstaatsarchiv Stuttgart) sind die Personenstandsregister
jüdischer Gemeinden in Württemberg, Baden und Hohenzollern
einsehbar: https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php?bestand=5632
Zu Bad Wimpfen sind in diesem Bestand jedoch keine Familienregister
einsehbar; Bad Wimpfen gehörte ehemals zu Hessen. |
Literatur:
| Paul Sauer: Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. 1966. S.
43-46. |
| Akten des Reichskammergerichts im Hauptstaatsarchiv Stuttgart Nr. 2291
(nennt Jud Xander für 1596/97 in Wimpfen, vgl. Bauinschrift). 2297. |
| Germania Judaica II,2 S. 90f; III,2 S. 1646ff. |
| Wolfram Angerbauer/Hans Georg Frank: Jüdische Gemeinde in
Kreis und Stadt Heilbronn. 1986 S. 31-45. |
| Otto Böcher: Eine hebräische Bauinschrift in Wimpfen, in:
Forschungen und Berichte der Archäologie des MA in Baden-Württ. 8 (1983)
S. 473-476. |
| Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007. |
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