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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Adelsheim (Neckar-Odenwald-Kreis)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Adelsheim lebten Juden bereits im Mittelalter. 1338
hatte Kaiser Ludwig der Baier den Brüdern Poppo und Berlinger von Adelsheim
erlaubt, in ihrem Gebiet (Adelsheim oder anderswo) vier jüdische Familien zu
halten. Diese Erlaubnis blieb offensichtlich lange in Kraft. Auch 1690 waren
vier jüdische Familien in Adelsheim ansässig.
Die Entstehung einer
eigentlichen Gemeinde wird auf das 17. Jahrhundert zurückgehen, als eigene
Einrichtungen vorhanden waren. Die Zahl der jüdischen Einwohner blieb jedoch
bis Mitte des 19. Jahrhunderts gering; offenbar wurde die Begrenzung auf vier
jüdische Familien noch bis 1806 eingehalten. 1809 nahmen die jüdischen
Familien folgende Familiennamen an: Alexander, May, Bieringer, Billigheimer und
Hahn. Mitte des 19. Jahrhunderts betrieben jüdische Einwohner eine
Branntweinbrennerei, ein Manufakturwarengeschäft, eine Wollhandlung, eine
Metzgerei mit Viehhandlung und die Gastwirtschaft "Zur Rose".
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1825 41 jüdische Einwohner (3,0 % von insgesamt 1.382 Einwohnern),
1875 61 (3,4 % von 1.770), 1880 64 (4,0 % von 1.602), 1885 Höchstzahl
mit 70 Personen, 1900 58 (3,6 % von 1.590), 1910 37 (2,6 % von 1.404).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule und ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden in Bödigheim,
nach Anlegung eines Friedhofes in Sennfeld
dort beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Genannt werden als
Lehrer der Gemeinde H. Schweizer (um 1884/87), J. Ehrlich (um
1893), Hermann Strauss (um 1900/1904), Moritz Bloch (1909 bis
1937).
Die Gemeinde zählte zum Rabbinatsbezirk Merchingen, der
seit 1886 von Mosbach aus vertreten wurde.
Als Gemeindevorsteher werden
genannt: um 1865 J. Billigheimer, um 1872 M. Hanauer, um 1881 D. Wertheimer, um
1890 David Wertheim.
Mitte der 1920er-Jahre zählten noch 32 Personen zur jüdischen Gemeinde
(2,1 % von der Gesamteinwohnerschaft von etwa 1.500 Personen). Den
Synagogenvorstand bildeten Adolf Schorsch, Moses Bieringer und Leo Hanauer. Als
Religionslehrer, Schriftführer, Kantor und Schochet war Moritz Bloch
angestellt (von 1909 bis zu seiner Auswanderung 1937 nach Palästina Lehrer in
Adelsheim, vgl. unten). Er unterrichtete damals noch fünf Kinder im Religionsunterricht (1932
noch vier Kinder), gleichzeitig aber auch die Kinder in umliegenden Gemeinden (Neudenau,
Stein am Kocher). Anfang der 1930er-Jahre war
statt Leo Hanauer inzwischen Adolf Rosenfeld unter den drei
Gemeindevorständen.
An
ehemaligen, bis nach 1933 bestehenden Handels- und Gewerbebetrieben im
Besitz jüdischer Familien sind bekannt: Öle und Fette Max Alexander (Rietstraße
3), Schuh- und Lederwarengeschäft Moses Bieringer (Obere Austraße 4),
Tabakwarengroßhandlung Manfred Bloch (Hardtstraße 1), Textilien Brunner &
Goldschmidt, später Max Fleischmann (Lachenstraße 6), Textilien Leopold Hanauer
(Marktstraße 13, abgebrochen), Viehhandlung und Landesprodukte David Keller
(Marktstraße 28), Viehhandlung Sally Rosenfeld (Marktstraße 15), Kohlen- und
Landesprodukten-Großhandlung Adolf Schorsch (Bahnallee 4).
1933 lebten noch 35 jüdische Personen in Adelsheim. Auf Grund der Folgen
des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Repressalien und der Entrechtung
sind bis 1940 etwa 20 Personen emigriert, darunter die Familie des Lehrer Moritz
Bloch (1937 nach
Palästina) und die Familie Saly Rosenfeld (1937 in die USA). Beim Novemberpogrom
1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge zerstört (s.u.). Im Herbst
1939 durften die noch in Adelsheim auf Anweisung des Ortsgruppenleiters nicht
mehr ihre Wohnungen verlassen. Nur in der Zeit von 14 bis 16 Uhr konnte eine
Person Einkäufe tätigen. Die Kreisleitung veranlasste auf Beschwerde des
Oberrates des Israeliten Badens jedoch die Zurücknahme des Verbotes. Am 22.
Oktober 1940 wurden die letzten acht in Adelsheim lebenden jüdischen
Personen nach Gurs deportiert (Max und Berta Alexander, Heinrich und Ernestine
Goldschmidt, Adolf und Katharina Rosenfeld, Adolf und Bona Schorsch). Von ihnen
erlebte nur Adolf Schorsch das Kriegsende (1941 in die USA emigriert), die
anderen starben in den südfranzösischen Lagern oder wurden nach Auschwitz
weiter deportiert.
Von den in Adelsheim geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Hermine (Henriette) Adler
geb. Hanauer (1869), Bertha Alexander geb. Oppenheimer (1892),
Brunhilde Alexander (1922), Emil Alexander (1883), Leopold Alexander (1868),
Lina Alexander (1904), Max Alexander (1874), Max Alexander (1914), Amalie (Malchen)
Billigheimer (1857), Bernd
Böttigheimer (1934), Gerd Fleischmann (1925), Ida Freudenberger geb. Hanauer
(1870), Ernestine Goldschmidt geb. Brunner (1863), Ernestine Goldschmidt geb. Brunner
(1867), Heinrich Goldschmidt (1863), Toni Lemberger (1908), Else Levy geb.
Alexander (1903), Alex Lewin (1888), Anna Karolina Rosenberg geb. Brunner (1899), Adolf Rosenfeld
(1898), Katharina (Käthe) Rosenfeld geb. Lemberger (1899), Bonna Schorsch geb.
Schwarz (geb. 1876), Lotte Schorsch (1923).
Im Mai 2012 wurden zwei "Stolpersteine" zur Erinnerung an Max
Alexander und Berta Alexander geb. Oppenheimer in der Rietstraße 3
verlegt.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1846 / 1887 /
1891 / 1894 / 1897
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 9. Dezember 1846 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):
"Bei der israelitischen Gemeinde Adelsheim ist die
Lehrstelle für den Religionsunterricht der Jugend, mit welcher ein
Gehalt von 135 fl. sowie der
Vorsängerdienst samt den davon abhängigen Gefällen verbunden ist,
erledigt, und durch Übereinkunft mit der Gemeinde, unter höherer
Genehmigung, bis zum März 1847, zu besetzen. Die rezipierten israelitischen Schulkandidaten werden daher aufgefordert,
unter Vorlage ihrer Rezeptionsurkunde und der Zeugnisse über ihren
sittlichen und religiösen Lebenswandel, binnen 6 Wochen sich bei der
Bezirkssynagoge Bödigheim zu melden. Auch wird bemerkt, dass im Falle sich weder Schul- noch
Rabbinatskandidaten melden, andere inländische Subjekte, nach
erstandener Prüfung bei dem Rabbiner, zur Bewerbung zugelassen
werden." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. November 1887:
"Vakanz. Der Religionsschul-, Vorsänger- und Schächterdienst
in Adelsheim, womit ein fester Gehalt von Mark 600 und ein Nebeneinkommen
von 300 bis 400 Mark verbunden ist, soll bis zum 15. Dezember dieses
Jahres anderweitig besetzt werden. Lusttragende Bewerber ledigen Standes
wollen sich alsbald mit ihren Gesuchen unter Beilegung von
Zeugnisabschriften an den Unterzeichneten wenden. Mosbach, 1. November
1887. Großherzogliche Bezirks-Synagoge. Dr. Löwenstein". |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Juli 1891:
"Vakanz. Die mit einem festen Diensteinkommen von Mark 600, einem
Nebeneinkommen von etwa Mark 300 nebst freier Dienstwohnung verbundene Religionsschul-,
Vorsänger- und Schächterstelle in Adelsheim soll bis 1. August neu
besetzt werden. Ledige Bewerber, die auch das Porschen verstehen, wollen
ihre Meldungen mit beglaubigten Zeugnisabschriften alsbald an uns gelangen
lassen.
Adelsheim, 2. Juli 1891. Der Synagogenrat." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. März 1894:
"Lehrerstelle. Die Religionslehrer-, Vorsänger- und
Schächterstelle in Adelsheim mit einem festen Gehalt von Mark 600
und einem Nebeneinkommen von Mark 300 bis 400 ist auf 1. März dieses
Jahres neu zu besetzen. Ledige Bewerber, die auch im Porschen erfahren
sind, wollen ihre mit Zeugnisabschriften belegten Gesuche alsbald bei uns
einreichen.
Mosbach (Baden), 1. Februar (1894).
Die Bezirkssynagoge: Dr. Löwenstein." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. März 1897:
"Vakanz. Die mit einem festen Gehalt von 700 Mark und
Nebengefällen im Betrag von etwa 400 Mark, nebst freier Wohnung
verbundene Religionslehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle in
Adelsheim ist sofort zu besetzen. Ledige Bewerber, die das Porschen
verstehen, wollen sich alsbald mit Zeugnisabschriften bei uns
anmelden.
Mosbach, 21. Februar 1897.
Die Bezirkssynagoge: Dr. Löwenstein." |
Über den Lehrer Moritz Bloch (1909 bis 1937 Lehrer in
Adelsheim)
Moritz Bloch ist am 26. März 1871 in
Sulzburg geboren. Er war seit 1. Mai
1902 mit Rosa geb. Weil verheiratet, die am 25. Dezember 1874 in Steinsfurt
geboren ist. Das Ehepaar hatte zwei Kinder (Manfred (geb. 13. März 1903)
und Hedwig (geb. 14. Februar 1907). Nach dem Umzug von Steinsfurt war
Bloch vom 1. November 1909 bis 2. November 1937 als Lehrer, Vorbeter
und Schochet in Adelsheim tätig und emigrierte dann mit der Familie
nach Palästina. |
Einzelne Berichte
aus dem jüdischen Gemeindeleben
Die Rothschild'sche Stiftung plant den Bau einer Lungenheilstätte für
Israeliten in Adelsheim (1903)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Juli 1903: "Karlsruhe.
Zur Errichtung einer Lungenheilstätte für Israeliten in Adelsheim
hat Freifrau Adelheid von Rothschild, die in Paris verheiratete Tochter
des vor zwei Jahren in Frankfurt am Main verstorbenen Baron Wilhelm von
Rothschild, eine halbe Million Mark gespendet. Die Stiftung erhielt den
Namen 'M. A. v. Rothschild'sche Lungenheilanstalt' zum Andenken an den
Gründer des Hauses M. A. v. Rothschild. Dem hochherzigen Unternehmen ist
bereits die Staatsgenehmigung erteilt worden. Der Großherzogliche
Verwaltungshof hat die Verwaltung der Stiftung einem Verwaltungsrat
übertragen, der wie folgt zusammengesetzt ist: Bezirksrabbiner Dr.
Leopold Löwenstein - Mosbach
(Vorsitzender), David Wertheimer - Adelsheim (Vorsteher),
Rechtsanwalt Dr. Max Friedberg - Karlsruhe, Kaufmann Julius Ettlinger -
Mannheim, Kaufmann Eduard Bauer - Mannheim, Börsenmakler Michael Moses
Mainz - Frankfurt am Main, Arzt Dr. Gustav Stiebel - Frankfurt am Main und
Daniel August Worms - Frankfurt am Main (Sekretär). Der Verwaltungsrat
wird die notwendigen Vorarbeiten für die Herstellung der erforderlichen
Baulichkeiten in tunlicher Bälde in die Wege leiten." |
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Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 6. August 1903: "Karlsruhe. Freifrau Adelheid von
Rothschild, die in Paris verheiratete Tochter des vor 2 Jahren in
Frankfurt verstorbenen Barons Wilhelm von Rothschild, hat für die
Errichtung einer Lungenheilstätte für Israeliten in Adelsheim eine halbe
Million Mark gespendet. Die Anstalt heißt 'M.A. von Rothschild'sche
Lungenheilanstalt'. Vorsitzender des Ausschusses ist Rabbiner Dr. L.
Löwenstein - Mosbach".
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Die Rothschild'sche Stiftung baut keine
Lungenheilanstalt in Adelsheim (1904)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 8. Januar
1904: "Adelsheim, 3. Januar. Dem Bürgerausschuss wurde
mitgeteilt, dass die Rothschildsche Stiftung in Frankfurt von der
Erbauung einer Lungenheilanstalt am hiesigen Platze absehen wolle, wenn
die Stadt 38.000 Mark Entschädigung für aufgewandte Arbeiten usw.
bezahle. Der Bürgerausschuss lehnte dieses Ansinnen ab." |
|
Anmerkung: Die Lungenheilanstalt
sollte in Adelsheim auf dem Eckenberg entstehen. Wegen großer
Widerstände von verschiedener Seite wurde das Vorhaben aufgegeben, das
bereits dafür gekaufte Grundstück wieder verkauft. Die Lungenheilanstalt
wurde dafür in Nordrach erbaut. |
Zu Beginn der NS-Zeit: eine Beratungsstunde mit dem Bezirksrabbiner wird eingerichtet (1934)
Artikel
in der "Jüdischen Rundschau" vom 30. Januar 1934: "Adelsheim/Baden.
Unter dem Vorsitz von Bezirksrabbiner Greilsheimer (Mosbach) wurde hier
eine Beratungsstunde für Fragen der Berufswahl, Berufsumschichtung,
Auswanderung und Wiederaufbau der wirtschaftlichen Existenzen abgehalten.
Lehrer Wertheimer (Buchen) gab Aufschluss über Palästina und über den
Hechaluz." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Februar 1934: "Adelsheim,
23. Januar (1934). Unter dem Vorsitz des Bezirksrabbiners Greilsheimer,
Mosbach, fand hier eine Beratungsstunde
für die Gemeinden der Bezirkssynagoge Merchingen
statt. Bezirksrabbiner Greilsheimer referierte über Berufs-, Wirtschafts-
und Auswanderungsfragen; Lehrer Wertheimer, Buchen,
über Palästina und über den Hechaluz." |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Auszeichnung für Witwe Maier Alexander (1903)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 12. Februar 1903:
"Aus Baden. Vom Großherzoglichen Oberrate der Israeliten wurde der
Michel Weil'sche Tugendpreis für das Jahr 1902 im Beitrage von 635 Mark
dem Jakob Wolf in Buchen, für das Jahr
1903 im Betrage von 420 Mark der Frau Maier Alexander Witwe in Adelsheim
verliehen". |
Zum Tod von Samuel Wertheimer (1903)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. September 1903: "Adelsheim,
1. September (1903). Am verflossenen Samstag verschied hier der in weiten
Kreisen wegen seiner Wohltätigkeit bekannte Herr Samuel Wertheimer
im Alter von beinahe 86 Jahren. Herr Bezirksrabbiner Dr. Löwenstein
in Mosbach betonte bei der ergreifenden
Grabrede insbesondere, wie der Verstorbene ein treuer gewissenhafter
Jehudi war, der bei Ausübung einer Mizwah (= religiöse Pflicht) weder
Kosten noch sonstige Opfer scheute. Die Armen werden insbesondere den
Heimgang des Entschlafenen tief beklagen. Überall, wo es galt, eine
bedrängte Witwe, einen kranken Familienvater zu unterstützen, war er
hilfreich da. Das Bewusstsein, eine gute Tat vollbracht zu haben, stand
ihm höher, als der Dank der Unterstützten; denn meistens gab er, ohne
seinen Namen zu nennen. Des Namens Samuel Wertheimer wird in unserer
Gemeinde, die ihm viel zu verdanken hat, stets in ehrender Weise gedacht
werden. Die hier zu errichtende Lungenheilstätte ist nicht, wie früher
mitgeteilt, mit einer halben Million, sondern mit einer ganzen Million
Mark von Freifrau von Rothschild dotiert. Präsident ist Herr Rabbiner Dr.
Löwenstein". |
Zum Tod von Hirsch Hanauer (1900)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. August 1900: "Adelsheim.
Vor einigen Tagen verschied dahier im 46. Lebensjahre Herr Hirsch Hanauer.
Verliert die politische Gemeinde an ihm ein schätzbares Mitglied im
Bürgerausschuss, so reißt sein früher Tod eine viel schmerzlichere
Lücke in die kleine Zahl der jüdischen Gemeinde, deren Zierde der
Verblichene war. Seiner Wirksamkeit als Synagogenratsmitglied, die sich
durch ungeheuchelte Frömmigkeit und streng-religiösen Sinn auszeichnete,
ist es mit zu verdanken, dass die Institutionen der Gemeinde genau nach
den Vorschriften unserer Religion erhalten wurden. Jederzeit, insbesondere
an den Jomim nauroim, leistete er seit 17 Jahren der Gemeinde
opferwillig Dienste als Baal Tefila, auch öfters als Tokea
und Koreh. Durchdringen von innigster Gottesfurcht ließ er sich Mizwoh
kalo ebenso gewissenhaft angelegen sein, wie Mizwoh chamouro.
Leutselig, friedliebend, und äußerst wohltätig, besonders im Stillen,
war er bei Juden wie Andersgläubigen sehr angesehen. Nicht nur seinen
Verwandten, sondern Jedem, der näher im Verkehr mit ihm stand, war er ein
wahrer Freund und Berater, ein Helfer in der Not. Sein Andenken wir
fortleben bei Allen, die ihn kannten. Möge der Allgütige den herben
Schmerz der tief gebeugten frommen Gattin, mit neun unmündigen religiös
erzogenen Kindern in seiner großen Barmherzigkeit lindern." |
25-jähriges Amtsjubiläum des Gemeindevorstehers David Wertheimer (1904)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. März 1904: "Adelsheim.
Am Samstag, den 5. März, feierte die hiesige Gemeinde das Fest der
25-jährigen Tätigkeit des Herrn David Wertheimer als Vorsteher
der hiesigen israelitischen Gemeinde. Obwohl Herr Wertheimer jede Feier
abgelehnt hatte, so ließ die Gemeinde es sich nicht nehmen, diesen Tag
festlich zu begehen. Beim Festgottesdienst schilderte Herr Bezirksrabbiner
Dr. Löwenstein in Mosbach in
schönen Worten das Wirken und Schaffen des Herrn Wertheimer, insbesondere
seine Friedensliebe hervorhebend. Auch bei dem zu Ehren des Jubilars
stattgefundenen Bankette zeigte es sich, in welch' hohem Ansehen Herr
Wertheimer steht. Möge es demselben auch beschieden sein, das
fünfzigjährige Jubiläum als Vorsteher der hiesigen Gemeinde feiern zu
können." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Kommis-Gesuche des Tuch-, Manufaktur- und
Aussteuergeschäftes H. Hanauer (1891 / 1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. August 1891: "Commis-Gesuch.
Für mein Schabbat und Feiertag geschlossenes Tuch-,
Maufaktur- und Aussteuergeschäft suche ich per 15. Oktober einen soliden
jungen Mann. Kost und Wohnung im Hause. Offerten mit Gehaltsansprüchen an
H. Hanauer, Adelsheim (Baden)." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. August 1901:
"Für mein Schabbat und Feiertag geschlossenes
Manufakturwaren-, Aussteuer-, Tuch- und Konfektionsgeschäft suche einen
tüchtigen branchekundigen
jungen Mann.
Kost und Wohnung im Hause.
H. Hanauer, Adelsheim, Baden." |
Neujahrsgruß von M. Kahn (1898)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. September 1898:
"Allen Freunden und Bekannten senden herzlichen Glückwunsch zum
neuen Jahre nebst 'Gute Einschreibung und Versiegelung'
M. Kahn und Frau, Adelsheim". |
Anzeigen des Manufaktur- und
Konfektionsgeschäftes Brunner & Goldschmidt (1900 / 1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Juni 1900: "Für
unser, an Samstagen und jüdischen Feiertagen streng geschlossenes Manufaktur-
und Konfektionsgeschäft En detail suchen wir per 1. Juli dieses Jahres
einen angehenden branchekundigen Commis mit schöner Handschrift, bei
freier Station. Offerten nebst Photographie und Gehaltansprüchen, sehen
entgegen
Brunner & Goldschmidt, Adelsheim in Baden." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Mai 1901: "Für
unser Manufakturwaren-, Mode- und Konfektionsgeschäft, En gros und En
detail, Samstags und Feiertage streng geschlossen, suchen wir per
1. Juli dieses Jahres einen angehenden, branchekundigen Commis mit
schöner Handschrift, bei freier Station. Offerten mit Photographie an Brunner
& Goldschmidt, Adelsheim (Baden)." |
Neujahrsgrüße von Bella Hanauer und Kinder (1902)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. September 1902: "Frau
Bella Hanauer und Kinder, Adelsheim, senden allen lieben Freunden und
Bekannten zum Jahreswechsel herzliche Glückwünsche". |
Sonstiges
Grabstein in Gurs für Bonna Schorsch geb.
Schwarz
(Foto: Ruth Miller, Oktober 2016; Bonna Schorsch geb. Schwarz ist am 28. Juni 1876 in
Horb am Neckar geboren. Sie wohnte in Adelsheim
und war verheiratet mit Adolf Schorsch. Am 22. Oktober 1940 wurde sie in das
Internierungslager Gurs deportiert, wo er am 18. Januar 1941 umgekommen
ist).
Grabstein im Friedhof des südfranzösischen Internierungslagers Gurs für
"Hier ruht
Bonna Schorsch
1876-1941
Horb".
|
Zur Geschichte des Betsaals / der Synagoge
Es ist nicht bekannt, ob bereits im Mittelalter ein Betsaal
bestand.
Nach einer Bestimmung von 1690 hatte die damalige jüdische Gemeinde an die
Freiherren von Adelsheim jährlich vier Gulden für die Erlaubnis zu bezahlen,
"Schule", das heißt Gottesdienste halten zu dürfen. Der damalige Betsaal
soll nach mündlicher Überlieferung im zweiten Stock des von Melchior Keller
1418 in der Torgasse erbauten Haus eingerichtet gewesen sein. Dieses Haus wurde
1952 abgebrochen. Später gab es einen Betsaal in einem gleichfalls nicht mehr
bestehenden Gebäude im Hof des Oberschlosses.
Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1889 bestand eine Synagoge in der
Turmgasse 27. Es handelte sich um ein zweistockiges Wohnhaus in der damaligen
"Seestadt Nr. 25". Nach Einweihung der neuen Synagoge wurde das Gebäude
am 11. April 1890 an Karl Lüllig für 800 Mark verkauft. Von Seiten der jüdischen
Gemeinde wurde der Kaufvertrag vom Synagogenrat David Wertheimer (Vorstand),
Maier Alexander und Lazarus Brunner unterzeichnet. Das Gebäude, das noch
mehrfach den Besitzer wechselte, wurde 1965/66 abgebrochen.
1889/90 wurde in der Tanzbergstrasse/Ecke Untere Austrasse 1 eine neue
Synagoge erstellt. Sie wurde vermutlich Ende 1890 oder 1891 eingeweiht. Jedenfalls
befand sie sich nach einer Pressemitteilung von Ende Mai 1890 "im
Rohbau". Der badische Großherzog gewährte eine Unterstützung zum
weiteren Ausbau der Synagoge:
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Juni 1890: "Adelsheim,
28. Mai (1890). Infolge eines Bittgesuchs der hiesigen israelitischen
Gemeinde wurde ihr von unserem Landesfürsten eine Unterstützung zum
Ausbau der bereits im Rohbau vollendeten Synagoge huldvollst
zugewiesen." |
Am 10. November 1938 wurde die Inneneinrichtung der
Synagoge vollständig zerstört, die Torarollen öffentlich verbrannt.
Das ehemalige Synagogengebäude ging 1939 in den Besitz der
Stadt über. Ab 1947 wurden für einige Jahre dem neu gegründeten "Jugendclub
Adelsheim" Räumlichkeiten im Synagogengebäude zur Verfügung gestellt. Seit
den 1950er-Jahren war hier die Milchsammelstelle ("Milchhäusle") und
ein Lager der landwirtschaftlichen Ein- und Verkaufsgenossenschaft eingerichtet.
Im Sommer 1977 wurde das Gebäude abgebrochen. Eine Gedenk-
beziehungsweise Hinweistafel wurde im Frühjahr 2005 angebracht.
Weitere Einrichtungen der jüdischen Gemeinde. Ein rituelles
Bad und eine jüdische Schule waren im 19. Jahrhundert im Gebäude
der alten Synagoge Turmgasse 27 untergebracht, ab 1889 in der neuen Synagoge
(Untere Austrasse 1). Beim Abbruch der neuen Synagoge 1977 wurde das rituelle Bad
wiederentdeckt. Es blieb jedoch nicht erhalten.
Fotos
Historische Fotos:
(Quelle: Stadtarchiv Adelsheim; kolorierte Karte: Sammlung
Hahn)
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Das Gebäude der alten
Synagoge in der Turmgasse 27 (Flst. Nr. 99) |
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Historische Postkarte: Untere
Austraße
mit dem Gebäude der Synagoge
(kleiner Pfeil) |
Vergrößerung aus der
Postkarte links |
Kolorierte historische
Ansichtskarte
mit der Synagoge (1897) |
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Fotos nach 1945/Gegenwart:
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Mai 2012:
Verlegung von "Stolpersteinen" in
Adelsheim |
Artikel von Sabine Braun in den
"Fränkischen Nachrichten" vom 16. Mai 2012:
"'Stolpersteine' in Adelsheim verlegt. Kleine Messingquader im Gehweg
erinnern an die früheren jüdischen Mitbürger Max und Berta Alexander. 'Ein
Projekt, das gedanklich stolpern lässt'..."
Link
zum Artikel
Anmerkung: die "Stolpersteine" wurden vor dem Haus
Rietstraße 3 verlegt, wo Berta und Max Alexander bis zur Deportation 1940
lebten. Max Alesander hatte einen kleinen Laden in der Rietstraße; er war
oft als "Schmier-Max" mit dem Handkarren unterwegs. Seine
Vorfahren ließen sich schon vor 1750 in Adelsheim nieder; einer von ihnen
war Wirt in der "Rose". |
|
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 33-35. |
| Germania Judaica II,1 S. 3. |
| Gottlieb Graef: Die Geschichte der Adelsheimer Juden, in: Heimatbilder aus der
Geschichte der Stadt Adelsheim. 1939. 1969². S. 175ff. |
| ders.: Die Adelsheimer Schutzjuden. In: Fränkische Blätter
2 1919 Nr. 5. |
| Joseph Walk (Hrsg.): Württemberg - Hohenzollern -
Baden. Reihe: Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from
their foundation till after the Holocaust (hebräisch). Yad Vashem Jerusalem
1986. S. 216-217. |
| Rüdiger
Scholz: Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde in Adelsheim. In:
Unser Land. 1993 S. 158-163.
|
| Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
ADELSHEIM. A few protected Jewish families are known
from 1338 and 1690. In the 18th century the Jews lived in a special quarter,
were forced to wear distinctive clothes, and were confined to their homes on
Sundays and Christian holidays. Straitened economic circumstances kept the
Jewish population from growing beyond a peak of 64 in 1880 (total 1,602), though
from the 1860s their position improved and they participated fully in the town's
public life. The process of urbanization reduced the Jewish population to 35 in
1933. In the Nazi era, 20 left by November 1938 (including seven to Palestina
and six to the U.S.). Another six left after Kristallnacht (9-10 Nov. 1938),
when the synagogue was vandalized, and eight were deported to the Gurs
concentration camp in 1940. All died in the camps.
nächste Synagoge
|